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Alt 07.03.2014, 08:57
Der Gewinner des UO-Fanfiction Wettbewerbs
#1
Lady Ygraine
Administrator
 
Registriert seit: 20 Feb 2007
Beiträge: 3.985
So hier kommt wie angekündigt die Siegergeschichte. Ich muss dazu sagen, dass die Wahl nicht leicht war, weil einige wirklich gute Geschichten dabei waren. Ich werd versuchen sie übers Wochenende auf die Homepage zu bringen, dann könnt ihr selbst schauen

Einstweilen dann meinen Glückwunsch an Jonah Decram, der sich wegen seines Gewinns bei mir melden darf.

Der Spion

Leon zog eine der schwarzen Spielfiguren über das Brett.
„Schachmatt!“, sagte er und lächelte seinem Gegenüber zu, dem ein leiser Fluch entglitt. „Na, na... es
ist doch nur ein Spiel.“
„Eines, das ich nie verstehen werde. Wie konnte jetzt bitte der Reiter...“
„Der Springer.“, verbesserte Leon in einem amüsierten Ton.
„Der Springer dort hingezogen werden.“ Tamara nahm die Figur in Form eines Pferdekopfes in ihre
Hand und drehte ihn einige Male. „Wie soll überhaupt ein Pferd so weite Strecken springen? Ich
dachte. das sei ein Kriegspiel. Das alles wirkt mir doch eher wie ein Turnier für Zuchtpferde. Und
dann er!“ Die junge Frau nahm die Figur ihres umstellten Königs auf. „Das muss ja ein rechter König
sein, dick und faul. Gerade mal ein Feld läuft er. Den Hund zum Jagen tragen, so nannte mein Vater
das!“
Leon lachte einmal auf, als sie die Figur mit jenem schmollenden Blick niederstellte, die sich Tamara
von den hohen Damen des Hofes abgesehen hatte.
„Eine weitere Runde, Fräulein Tamara?“
„Glaron bewahre. Ich weigere mich auch nur ein weiteres Mal mit Euch zu spielen, mein Herr.“ Ihr
Ton gewann eine spielend, drohenden Facette. „Ich weiß ja nicht einmal, ob Ihr Euch diese Regeln
nicht einfach ausdenkt. Ich habe Euch nie mit jemand anderes spielen sehen.“
„Nun die Herzogin spielt zuweilen, hörte ich. Doch wird sie kaum mit ihrem Kammerdiener spielen.
Zudem, ihr wollt doch keine schlechte Verliererin sein?“
„Was ist mit dem Kämmerer, Karnis? Er wirkt nicht dumm.“ Sie funkelte ihn fordernd an, als sie
seinen Vorwurf überging. „Oder habt ihr Angst, dass er besser sein könnte?“
Er lachte nur, schüttelte das Haupt und erhob sich von dem kleinen Holzschemel. Tamara packte das
Schachspiel wieder ein, während er begann die Kerzen in der Gesindekammer zu löschen.
„Er ist ein Magier, hat mir der Schreiber erzählt. Das macht sie mit dem Bibliothekar... was? Drei,
Vier?“ Argwohn lag in ihrer Stimme.
„Ist er das? Ich dachte, er sei ein Nordmann.“
„Ich finde das sowieso ein Greul. Magier am Hof. Als hätten wir nicht genug zwielichte Gestalten hier
unterhalten. Und dann noch dieser Krieg.“
„Es sind schwere Zeiten. Wahrlich. Aber da kann man doch froh sein, wenn wir einige Arkane am Hof
haben.“
„Ihre Hoheit soll ja auch eine sein. Angeblich hat sie Valandil... so hieß er doch? Er soll sie
unterrichtet haben. In ihrer eigenen Kammer, während ihr Gatte sich an andere Rockzipfel gehalten
hat.“ Tamara verfiel wieder in ihren Schnatterton, der als einziges das charmante Auftreten und Ihre
Jugend in seinen Augen stören konnte. Wo hatte sie diese Gerüchte nur immer nur, selbst wenn sie ja
wahr waren. „Aber wer kann es ihm vergönnen. Armer Kerl. Erst musste er eine Frau in Robe ertragen
und dann...“
„Glaron möge seine Seele bewahren und die Hoheiten vor solchem Gewäsch.“ Seine Stimme wurde
etwas ernster und er sah sie mit einem ermahnenden Blick an. „Ich dachte, ihr würdet wenigstens in
dieser Sache lernen. Das ist etwas mehr als nur ein Spiel, Tamara.“
Schuldbewusstsein schien die junge Frau zu erfüllen und sie blickte auf ihre Hände.
„Verzeiht, Herr. Aber ich habe es nur von Lara, die Waschfrau...“
„Sie ist eine alte, verbitterte Frau. Ihre rauen Hände scheinen mir der Spiegel ihrer Verbitterung. Ihr
seid jung, ihr seid besser als das. Ich dachte, das wüsstet ihr.“ Ein Lächeln auf seinen Lippen schloss
das Thema dann und er nickte ihr tief zu. „Schenkt der Herzogin ein Gebet vor dem Schlafengehen.
Sie kann es gebrauchen.“
Tamara knickste einmal, wie sie es als Magd des Hofes gelernt hatte und blickt ihn schüchtern an,
wohl dankbar kein weiteres strenges Wort zu hören.
„Sie reist morgen nach Britain, sagte...“, sie zögerte einen Moment. „sagte jemand. Reist ihr mit ihr?“
„Ihre Hoheit wies mich an mit in die Residenz zu kommen, ja. Ein guter Kammerdiener ist immer an
der Seite seiner Herrschaft.“, sagte er mit einem gewissen Stolz.
„Dann ist das wohl ein Abschied. Ich werde hier bleiben.“
„Kein langer, wie ich hoffe. Dies ist nicht der erste Krieg, den ich erlebe und er wird sicherlich nicht
der letzte sein.“ Die Wehmut, die ihr Antlitz zierte, schmeichelte Leon. „Und das nächste Mal werdet
ihr ja vielleicht wenigstens dieses kleine Kriegsspiel gewinnen?“
„Auf bald, Kammerdiener Rames!“
„Auf bald, Fräulein Tamara.“
Als Leon später die Truhe in seinem kleinen Zimmer packte, lächelte er noch immer. Tamara war ein
nettes Mädchen und vielleicht das einzige Wesen am Hof, das er wirklich leiden konnte. Etwas naiv,
zweifelsohne, noch jung, viel jünger als er. Wie alt mochte sie wohl sein? Zwanzig höchstens! Er
dagegen könnte ihr Vater sein, mehr noch, manchmal gebar er sich wie der ihre. Doch sie bedurfte ein
wenig Hilfe. Vor einem Jahr war sie an den Hof gekommen und sogleich hatte er ein hilfloses Ding in
ihr gesehen, gefangen zwischen den Hofschranzen und Großmäulern des Hofes, die er schon seit so
vielen Jahren kannte. Zofen, Dienstboten, den Stallburschen und Waschweibern. Selbst die
Ehrenjungfern waren vor dem Einfluss des Hofes nicht gefeit und verbreiteten den vergifteten Geist,
den sie in großen Atemzügen unter den Füßen des Thrones vorher aufgenommen hatten. Sein Lächeln
erlosch und er schnaufte einmal angewidert aus.
In diesem Meer tosender Wellen von Ehrgeiz, Selbstsucht und Eitelkeit war Leon ein fester Fels, ein
Ort der Ruhe und von Charakter, über die meisten Zweifler erhaben. Wen konnte es da wundern, dass
sich Tamara rasch an ihn gewandt hatte, Kontakt zu ihm gesucht und ihn schon früh um Rat gebeten
hatte, um sich am Hof zu orientieren. Ihr an sich liebenswürdige Wesen erkennend hatte er ihr
bereitwillig geholfen, auch wenn er in den Monaten öfters gezweifelt hatte, ob dies eine gute Wahl
war. Nicht weil er an ihr zweifelte, nicht weil er die Aufmerksamkeit, das Spiel mit ihr und diese
kleinen Blicke von Zuneigung nicht genossen hatte. Nein! Aber seiner Mission war es sicherlich nicht
zuträglich.
„So wenig Kontakt wie möglich, soviel wie nötig!“, hatte man ihm immer und immer wieder gesagt,
als er vor Jahren aus seiner Heimat nach Britain gesandt wurde und eigentlich hatte er diesen Befehl
stets gefolgt. Und wahrlich, so manches Mal war es ihm auch schwer gefallen, hatte auch er sich nach
menschlichen Kontakt, warmen Worten oder gar einer Beziehung gesehnt. Doch dreißig Jahre hatte er
tapfer durchgehalten und nun, über das fünfte Jahrzehnt seines Lebens geschritten, war er so nahe an
der Herzogin, wie es einem Mann ohne großen Ruf, ohne ehrbaren Namen nur möglich war. Auch
ohne die Wirren eines Lebens mit übermäßigen Lasten des sozialen Spiels, war es recht schwer
gewesen. Der Weg nach oben am Herzoglichen Hof konnte einen zermürben, ganz zu schweigen von
den Dienstherren die er schon gesehen hatte. Schon Herzog Jarl und seiner bürgerlichen Gattin hatte er
die Nachttöpfe geleert. Dann dem Mann, der nun auf dem Thron Fearlans saß und fast hatte es Leon
vollbracht seine Mission an einem Königshof fortzusetzen. Stattdessen ertrug er seine Gattin Jilyana
mit Ehrfurcht, ehe schließlich die junge Herzogin den Thron bestieg und er der Kammerdiener ihres
Gatten wurde. Der junge Erbe des Hauses war ein recht einfacher Dienstherr gewesen und lediglich
diverse Frauengeschichten und die kurzweiligen Unterhaltungen des Herzoges musste Leon vom Rest
des Hofes abschotten. Natürlich nicht ganz erfolgreich, wie die Gespräche in den Waschkellern des
Schlosses ihm soeben bewiesen hatten.
Er strich über den Einband des Notizbuches. Von wie vielen Geheimnissen hatte wohl selbst Lara, das
alte Weib noch nicht gehört. Krankheiten, Gerüchte, aufgeschnappte Gespräche, selbst Affären der
herzoglichen Familie und die Schlachtpläne ihrer Vasallen waren ihm nur selten entgangen. Jeden
Geheimgang kannte er, keine Tür war ihm verschlossen oder er wusste zumindest, wo er die Schlüssel
finden konnte, sollte doch mal ein Schloss zu kompliziert für seine kleinen Werkzeuge sein. Sogath,
Govaine, Valandil, Karnis und wie die austauschbaren Namen sonst hießen, denen er schon Zugang in
die Kammer der Herren Britannias gewährt hatte: Sie alle hatten ihre Listen und Beschreibungen in
den Büchern Leons, während er ihnen kaum einen zweiten Blick wert war.
Natürlich, manche waren eine größere Herausforderung gewesen, waren verschlossener in ihren
Gesprächen vor einem Diener oder schwerer zu lesen. Der alte Graf war nicht nur misstrauisch, er war
auch über alle Maßen aufmerksam und loyal, sobald er sich im Umfeld der Herzogin befand, die er
sogar bei ihrem Namen nennen durfte. Der junge Kämmerer dagenen handelte schon fanatisch in
seinem Gebaren zum Schutz der Herzogin und Leon war recht froh darum, dass er erst mal in Minoc
die Burg zu schützen hatte, wenn er dagegen an ihrer Seite nach Britain zog. Und Valandil, bei
Alwyzz, war der schlimmste von ihnen gewesen. Ihm lief noch immer der Schauer über den Rücken,
wenn Leon daran dachte, wie oft der Elfenmagier ihm fast auf die Schliche gekommen war. Zwischen
den Regalen in der Bibliothek oder in den Schränken der Gemächer des Gelehrten hatte er sich
mehrmals wie ein dummer, kleiner Novize versteckt, der sich vor der harten Hand seines Meisters
fürchtete. Nur gut, dass der Berater der Herzogin zu sehr mit den eigenen Spielchen der Macht
beschäftigt war und von einer höheren Stelle beobachtet wurde, um sich wirklich mit den Augen in
seinem nächsten Umfeld zu beschäftigen.
Und nun war auch er schon eine rechte Weile von der Bildfläche Leons Wirken verschwunden, aber
er, der brave Kammerdiener, er war noch hier. Die Hand direkt am Puls der Macht, an den Venen der
Herzogin, so wirklich und mächtig, dass selbst Leon sich zuweilen fürchtete.
Er betätigte einen versteckten Mechanismus an seiner Truhe und das kleine Fach im Deckel offenbarte
sich ihm. Vorsichtig steckte er das Notizbuch zurück in die ausgepolsterte Stelle, ehe er die kleinen
Instrumente aus dem Metall der Alchemisten musterte. Einige, kleine Haken und Spitzen waren
bereits abgegriffen und er musste wohl schon bald neue bei seinen Kontakten in der Hauptstadt
anfordern. Doch das Herz seiner Handwerkzeuge, wie er sie nicht ohne Verbitterung nannte, war seit
vielen Jahren unberührt und der Edelstein am Griff des langen Dolches glitzerte rein und
wohlgeschliffen im Licht der Kerzen. Erst zweimal hatte er fest diese martialische Waffe umfasst, seit
er seinen Dienst angetreten hatte. Auf leichten Füssen, weitaus agiler als man es der Hülle eines reifen
Mannes zutrauen mochte, war er vor wenigen Monaten durch die ihm vertrauten Flure des Schlosses
geschlichen und fast hätte er das erste Mal ins einem Leben, einem Menschen den Tod bringen
müssen. Herzog Fredulf, der letzte Gatte der Herzogin, hatte seine eigenen Pläne gehabt und für den
Geschmack von Leons Auftraggebern etwas zu viel Wirbel am Hof veranstaltet. Nach dem Leben der
Gattin, einer Arkanen zu trachten, hatte auch Leon missfallen, der sich nun wirklich nicht durch
übermäßige Loyalität zu den gekrönten Häuptern dieser Welt auszeichnete. Doch kurz vor der
Erfüllung hatte ihn eine verschlüsselte Nachricht von der Aufgabe entbunden und eigentlich hatte
Leon geglaubt, dass die Getreuen der Herzogin gute Arbeit geleisteten hatten. Doch nun stand dieser
Edelmann wieder an den Toren des Herzogtums und er musste nun also mit der Herrscherin wieder in
die viel zu kleine Residenz auf der Insel Britains reisen, um dort bestmöglich seinen Aufgaben
nachzukommen. Als wäre die Burg Minocs nach dem Brand im Schloss nicht schon Hindernis genug
gewesen.
Auch weil es schien, als könne er erneut in der Residenz nicht seine Magie wirken, war sie war mit
vielen schlechten Erinnerungen verbunden. Aber vor allem der Ort seines ersten Mordversuches war
das private Anwesen der herzoglichen Familie gewesen. Der alte Baron Bol Sogath hätte eigentlich
durch seine Hand sterben sollen, als dieser sich mal wieder mit wahnwitzigen Kriegsplänen trug. Die
neutralen Ländereien hatte er nicht nur bannen, sondern am liebsten gleich mit seiner Garde
überrumpeln wollen und so hatte Leon das erste Mal seinen Dolch ergriffen. Auch hier war das
Schicksal am Ende etwas schneller gewesen und hatte den Baron in das Königreich beordert, wo er
einen sicher ruhmreicheren Tod erlitten hatte, als die Klinge Leons ihm geschenkt hätte.
Schon damals hatte er sich gefragt, ob hinter dem Schicksal nicht sogar eine andere Macht stand. Jene,
der auch er diente. Aber wer wusste schon genau, was seine Dienstherren da trieben und wie sie ihm
die Arbeit erleichterten oder erschwerten. An der Wichtigkeit dieser hatte er dagegen nie gezweifelt,
denn immerhin meinte er zu wissen, dass er der einzige Spion im Schloss war, der schon so lange
unentdeckt seinen Dienst vollführte.
Leon nickte einige Male zu sich selbst, schloss das Geheimfach und klappte den Deckel runter. Mit
einem Klicken sicherte er seine wertvolle Habe, die zwischen der Kleidung des Hofes und diversen
Sicherheiten, als Beweis einen vermeintlich bürgerlichen Lebens von ihm gekauft wurden.
Poesiebücher, ein Kette zu Ehren Glarons, eine Flasche Rotwein und natürlich die gefälschten Briefe
einer angeblichen verflossenen Liebe aus Faerlan sollten mit ihm reisen und so neugierigen Geistern
zumindest etwas Einblick in ein Privatleben gewähren, dass Leon nie besessen hatte.
Doch nein. Als er die Truhe zugeklappt hatte, sah er, dass einer der Briefe noch auf der Anrichte neben
seinem Bett lagen. Mit einem Stirnrunzeln nahm er das Schreiben in der eingeübten, weiblichen
Schrift an sich. „Mit sehnsüchtigen Küssen“, schloss das Schreiben und er fragte sich gerade, warum
er diesen Brief wohl hinausgelegt hatte, als er das Datum und Ort jenes Blattes sah, von denen er
zuletzt vor zehn Jahren eines verfasst hatte.
Als er „Britain im Jahre 1313“ las, war es schon zu spät und ein dumpfer Schlag trieb ihm die
Schwärze in den Blick.
Er brauchte nicht lange um sich zu orientieren, als er wieder zu sich kam. Die feuchte Luft, durchwirkt
vom Geruch rostigen Eisens und Notdurft, Rasseln von Ketten und gedämpften Tropfen, wenn einer
der nassen Mauern wieder etwas Wasser aus dem Burggraben entließ und das flackernde Licht von
Fackeln deutete Leon den Ort, auf dessen Boden er lag. Er war Gefangener der Garde.
Mit dem unsteten Blick eines Erwachenden schaute er sich in der kleinen Zelle um, ehe er die Gestalt
auf der Bettpritsche mit überschlagenen Beinen sitzen sah.
„Guten Morgen, Kammerdiener Leon Rames. Wir hoffen doch, der Schlag war noch sanft genug um
Verwirrungen in diesem schlauen Haupt zu verhindern?“, fragte eine Stimme heiter.
„Was hat dies...“, setzte Leon noch eher verwirrt, als empört an, als sich im Schatten eine Hand
einhalt gebietend erhob.
„Aber, aber. Wir wollen doch jetzt keine Spielchen beginnen. Dafür gibt es eine Zeit und einen Ort.
Doch in der Nacht im Gardeverlies? Das müsstet Ihr doch besser wissen, Leon.“ Amüsiertes Brummen
jenseits der Gitter wies Leon daraufhin, dass sie nicht alleine waren. „Ich darf Euch doch sicher Leon
nennen. Elysius ist so... wie soll ich sagen... ungewohnt? Sicherlich seht ihr das auch so!“ Seit
Jahrzehnten hatte ihn so niemand mehr gerufen. „Wobei, natürlich. Ehre wem Ehre gebührt. Euer
Ehrwürden ist vielleicht auch angemessen, für einen Magier Eures Standes. Oder sind wir sogar schon
Euer Weisheit?“ Wie war dies möglich, hatte er die Urkunden einst nicht sicher verwahrt? „Soviele
Titel für einen Spion. Ich weiß gar nicht, wann wir das letzte Mal so hohen Besuch in unseren Hallen
hatten. Ihr etwa, Jungs?“, wand sich die Stimme an das Gelächter hinter den Gittern. „Nein, Frau
Hauptmann.“
Frau Hauptmann? War es etwas Alessandra Darach, die ihn hierher gebracht hatte?
„Hauptmann Darach, wie kommt ihr dazu mich...“, wieder wurden seine Worte jäh von der Stimme
unterbrochen, die auch er nun, als die einer Frau erkannte, wenn auch etwas rau und mit zu viel
Zufriedenheit, über die Lage ihres Gefangenen.
„Darach? Nun wenn ihr mich so nennen wollt. Auch wenn sich meine liebe Freundin leider nicht um
diesen Fall verdient gemacht hat. Da musste schon jemand anderes kommen. Ein wenig Mühe habt Ihr
uns ja schon gemacht, das will ich Euch zugestehen.“ Er hörte das Rascheln von Pergament von der
Pritsche.
„Leon Rames... verzeiht, Leon David Rames.“, fuhr die Gardistin in einem sachlichen Ton fort, nur
um sich sogleich wieder zu unterbrechen. „Sogar ein Zweitname. Etwas gewagt, für einen
Laufburschen, nicht?“ Sie räusperte sich einen Moment, als wieder Gelächter von den Männern hinter
den Gittern kam. „Also... Leon Rames, geboren im Sommer 1261 in Berntal im Königreich Faerlan.
Die Mutter Sarah, Schneiderin, geboren 1233, Mädchenname Larin, verstorben 1275. Der Vater
David, geboren 1230, Kammerdiener bei einem kleinen Adeligen und somit das große Vorbild des
aufopferungsvollen Leon Davids. Brachte dem Jungen Lesen und Schreiben bei, hinterließ leider kein
Vermögen und schickte seinen Sohn daher kurz vor seinem Tod nach ersten Diensten am heimatlichen
Hofe 1280 nach Britain. Der lässt seine Jugendliebe Regetta zurück, die ihm zwar noch ganz
herzzerreißende Briefe nachschickt, aber auch ihn nicht mehr zur Rückkehr bewegen kann und so tritt
der Junge bald schon in die ihm zugedachten Dienste ein. Er kommt 1283 an den herzoglichen Hof,
erklimmt langsam die Leitern im Schloss und landet schließlich im Gemach Ihrer Hoheiten und wird
zum gesichtslosen, treuen Diener der Krone. Bis auf den Hang zu teurem Wein, einige verpasste
Messen zugunsten der geordneten Wäsche im Herzoglichen Schrank und der latenten Langeweile in
seinem Wesen keinerlei Auffälligkeiten. Ein gealtertes aber ehrliches Gesicht im Gesinde der
Herzoglichen Familie. Meinen Glückwunsch, Kammerdiener.“ Die Frau lachte kurz auf und warf
einige Pergamente in seine Richtung. „Habt ihr Euch das eigentlich ausgedacht, oder welche Weisen
haben sich dazu herabgelassen.“, fragte sie frei von Zorn oder Drohung. „Regetta, welche Frau trägt
denn einen solchen Namen und führt dann eine solche sanfte und geschwungene Schrift?“
Leon wusste, dass nun nicht die Zeit war, einen erneuten Versuch des Protestes zu wagen und richtete
sich auf. Er nahm eines der Pergamente und überblickte die Details seiner Maskerade.
„Ja, ihr seht richtig. Wir haben uns einige Mühe gegeben, diese Lügen zu sammeln und niederzulegen.
Eine rechte Mühe und eigentlich gebe ich sowas ja gerne an die Kadetten weiter, aber bei Euch hat es
mir doch eine gewisse Freude gemacht.“, die Frau lehnte sich gegen die Kerkerwand. „Natürlich nicht
so viel Freude wie die Entzauberung eures Spieles.“
Leon senkte die Lider müde und zerknüllte das Pergament in seiner Hand.
„Immerhin stimmt das Geburtsjahr, wobei es genaur der dritte im Alwyzz war, doch das wäre
vermutlich zu offensichtlich gewesen. Geboren in Vesper von einer unglücklichen Frau namens Lora,
die ihr eigentlich nie gesehen habt. Sie gab Euch soweit ich weiß schnell in die Obhut einer weitaus
weiseren Gemeinschaft, durch ihren Aberglauben motiviert. Der Alwyzz gebärt Magier, war
vermutlich ihr Gedanke. Gelehrt in der hohen Wissenschaft auf Moonglow, ausgebildet zu einem ganz
hervorragenden Magier, der immerhin noch ein paar Titel gewinnen sollte und schon als Kind einem
Kodex verpflichtet, von dem die herzogliche Garde ja direkt noch was lernen könnte. Leider wurde
Euer Potential nie ganz erkannt und ihr konntet ja nicht mal wirklich Magie im Schloss ausüben. Das
beschäftigt einen durchaus, nicht wahr? Ich kenne dieses leidige Problem.“ Die Gardistin seufzte
einmal gespielt. „Aber immerhin konntet ihr ein wenig Eure Gedanken um diese Sache kreisen lassen,
genug Zeit hattet ihr ja bei Glaron genug. Eure Schriften über den Entzug des arkanen Gewebes und
die Möglichkeiten künstlicher und natürlicher Kausalität habe ich doch mit gewissen Genuss gelesen.
Der Gelehrtentitel ist Euch durchaus zurecht zugekommen. Aber nun ja, die Praxis steht ja nun mal
leider über der Theorie. Gelungen diesen bann aufzuheben ist es Euch ja freilich nicht. Sonst säßet ihr
ja nun jetzt wohl kaum hier in den Hinterlassenschaften der vorherigen Gäste unseres Hauses.“
Leon erkannte, dass dreißig Jahre hier ihr Ende gefunden hatten. Doch hatte er bereits eine Frage
gebildet, wusste die Garde wohl doch das meiste über ihn, Alwyzz allein mochte die Wege dorthin
durchschauen.
„Warum lebe ich noch?“, fragte er die Gardistin nun mit ruhigerer Stimme.
„Ah, die Frage eines Gelehrte.“ Sie klatschte in die Hände und beugte sich vor. „Nun sie ist berechtigt.
Denn, das will ich doch noch einmal unter uns gebildeten Menschen unterstreichen, wir wissen
wirklich alles von euch. Eure Mission, Eure kleinen Aufträge. Wir kennen Eure Wege durch das
Schloss, die Fingerfertigkeit an diesen kleinen Instrumenten aus Alchemistenmetall, wer sie Euch
gefertigt hat und wo wir Eure Kontakte in unserer schönen Hauptstadt so finden können. Ja, wir
wissen sogar all das von Euren Auftraggebern, dass Ihr auch wisst und ich muss sagen, es freut mich,
endlich einmal ein paar Beschreibungen zu den hohen Herrschaften gefunden zu haben. Sehr schön,
dass auch Frauen Zugang zu ihnen gefunden haben. Das gibt doch Hoffnung!“ Das letzte Wort betonte
die Gardistin im lauten Ton. „Und Hoffnung, die haben wir doch nur noch selten. Gerade Ihr, so kann
ich mir vorstellen, habt gerade nur die Hoffnung, die Euch die Atemzüge dieser verpesteten Luft der
besten Räume in unserem Keller noch geben kann, aber dennoch klammert ihr Euch daran, wenn auch
nicht so panisch, wie ich es erst befürchtet habe. Aber gut, habt sie nur. Denn ihr habt recht, diese
Frage zu stellen. Mehr noch, ihr hättet sie fast nicht mehr stellen können.“ Die Gardistin erhob sich
vom Zellenbett und trat einen Schritt näher an Leon heran. „Denn wenn es nach dem Oberst gegangen
wäre, hätten wir Euch unter großen Aufhebens vom Hof der Burg getragen. Unglücklich gefallen, trug
ganz alleine diese schwere Truhe und stolperte über die eigenen Füße. Wir kennen alle diese
Geschichten.“ Leon sah den Ring der Garde an der Hand der Frau glitzern, als sie eine wegwerfende
Bewegung machte. Auch während er saß, wirkte sie selbst im Schatten der Zelle nicht sehr groß.
„Aber unser Oberst ist ein weiser Mann, auf seine Weise gelehrt und er erkennt Talente, wenn er sie
vor sich hat. Fast so ein wenig wie ihr, mein Freund!“ Etwas Vertrautes schlich sich in ihre Stimme
und trotz des Hohnes, erkannte Leon etwas in den Worten der Gardistin, die ihm einerseits die
Hoffnung etwas verstärkte und dennoch einen Verdacht erweckte, der strafend auf ihn niederging. War
er wirklich ein solcher Narr gewesen?
„Talente werden gebraucht dieser Tage, denn Krieg steht bevor und wann, wenn nicht jetzt kann sich
eine Seele reinwaschen mit Hilfe solch manigfaltiger Fähigkeiten, wie den Euren?“ Sie ging einen
weiteren Schritt auf Leon zu und stockte kurz im Sprechen. „Natürlich weiß auch ich, dass Ihr nicht an
Glaron glaubt und so sollte ich das Wort Seele vielleicht anders fassen. Aber der Göttervater wäre
sicherlich auch nicht sehr erfreut, wenn ihr als Verlierer in einem solch durchdachten Spiel verfrüht
vor ihn tretet, findet ihr nicht aus?“
Immer mehr Gewissheit erfüllte Leon, während langsam die Schatten von der weiblichen Gestalt vor
ihm wichen und sie einen weiteren Schritt ins Licht trat.
„Daher bieten wir Euch eine weitere Runde an, denn ein verlorenes Spiel macht den Spieler ja nicht
weniger wertvoll. Ihr müsstet vielleicht nur die Farbe wechseln.“
Als ihr Gesicht in das Licht trat und er ihr Lächeln sah, war ihm bereits bewusst geworden, wer ihn
überlistet hatte. Älter wirkte sie nun, etwas stattlicher und bestimmter und ihre Stimme hätte er
niemals in derart spielerische, fast schon gerissene Höhen zu führen vermutet. Aber bei Alwyzz, sie
war es und hatte besser gespielt als je zuvor.
„Und ihr wollt doch kein schlechter Verlierer sein, Herr Rames?“
Als er wenige Tage später die große halbrunde Halle betrat und vor den Marmortisch trat, begrüßte ihn
bereits verstimmte Gemurmel. Höchst unorthodox war es für ihn, dass er sich so offen an seine
Auftraggeber wenden musste und obschon sie seiner Bitte nachgekommen waren, merkte er die
Unzufriedenheit. Die vier verschleierten und mit schweren Stoffen bedeckten Häupter flüsterten
zornig miteinander und missachteten ihn eine rechte Weile, wie er mit der Robe eines Gelehrten unter
die Kristalle trat, die den Ort nur wenig ausleuchteten. Erst als er sich räusperte verstummten die
Geräusche von der anderen Seite des Tisches und eine tiefe, weibliche Stimme drang nun offen, aber
ohne ihre Richtung bestimmen zu können an sein Ohr.
„Weisheit Elysius, das Konzil ist höchst ungehalten über Eure Anwesenheit im Tempel und dem
einhergehenden Abbruch Eurer Mission. Es hofft doch sehr, dass es hierzu tragende Gründe gibt.“
„Allwissende, ich habe die Notwendigkeit meines Erscheinens und meine Bitte bereits...“, begann
Leon, ehe eine männliche Stimme, ebenfalls ehrwürdig und von Alter gezeichnet und ohne
erkennbaren Ursprung ihn harsch unterbrach.
„Über die Notwendigkeit bestimmt das Konzil. Ihr mögt Eure Bitte dargelegt haben und die Gnade
einer Audienz empfangen aber Eure Bitte ist dem Konzil nicht mehr als die Dummheit eines Novizen!
Allein, dass das Konzil höchst interessiert ist an der Darlegung Eurer Beweggründe, lässt Euch
überhaupt wieder hier stehen. Auch wenn das Konzil dies mehr aus der hierzu entstehenden Kurzweil
duldet, denn einer ernsthaften Erwägung eines Planes, der sich über der Weisheit dieses Konzils zu
stellen mag!“
Vorsichtig entgegnete Leon dem Donnern der Konzilsstimme.
„Allwissende, ich habe dreißig Jahre dem herzoglichen Hause gedient und durch Eure Führung so
mancherlei Gut des Göttervaters in diese Hallen getragen. Ich habe stets treu der Gemeinschaft der
Arkanen gedient und ebenso, so bin ich überzeugt, mich im Dienst um Moonglow verdient gemacht.
Mehr noch, Ehren seitens des hohen Konzils empfangen, die meine Erfolge wohl unterstreichen, wenn
sie nicht das Konzil selbst fehldeuten.“ Erneut erhob sich vierstimmiges Gemurmel vom Tisch. Leon
missachtete es und fuhr fort. „Daher denke ich, dass ich nach all der Zeit den Moment deuten kann,
wann ich an anderer Stelle dem Konzil mehr dienlich sein kann!“
„Das Konzil allein bestimmt über seine Dienerschaft!“, donnerte erneut eine männliche Stimme, ehe
nach einem erneuten Gemurmel, wieder die weibliche Stimme ruhiger, fast versöhnlich die Halle
erfüllte.
„Ihr glaubt also, dass es nötig sei, im Süden dem Konzil zu dienen?“
„Ja, Allwissende. Die Situation dort sollte beobachtet werden. Immerhin erwog das Konzil selbst
damals die Neutralisierung des Herzoges.“
„Das Konzil hat sich dieser Sache in der ihm angemessenen Weise angenommen.“
Oder auch nicht, dachte Leon nun und zweifelte ein wenig an seinen eigentlichen Dienstherren. Wenn
auch ihnen die Sache nicht geheuer war, könnte dies ein Ausweg sein.
„Das ist richtig, Allwissende, doch weiß keiner, ob die momentanen Pfade, die dort beschritten
werden, nicht auch auf eine Störung gegen die Gefilde des Konzils hinauslaufen. Er wendet sich
immerhin bereits gegen die Völker und seine Gier wird keinesfalls von Weisheit geleitet.“
„Das steht euch nicht zu, zu bewerten. Seine Taktik trägt durchaus den Erfolg der Überlegung in sein
Lager.“, erwiderte einer der Allwissenden.
„Das mag sein, doch macht ihn das noch nicht zum besseren Spieler in diesem Krieg. Ich befürchte,
wenn er die richtigen Züge setzt und gewinnt, wird er ein fürchterlicher Gewinner sein, der auf neuen
Ruhm in Moonglow hoffen wird.“ Leon lächelte etwas über die eigene Metapher und das Konzil
erging sich wieder in das Geflüster. War er mit seinen Andeutungen zu weit gegangen oder sich gar
wie ein Narr aufgeführt?
„Das Konzil entsendet Euch in seiner Weisheit zur Südfestung. Dort werdet Ihr eure Dienste dem
Herzog antragen. Ein der Situation angemessener Hintergrund wird euch zugestellt werden. Ihr könnt
die Hallen des Konzils nun verlassen.“ Als das Licht der Kristalle langsam erlosch, wusste er, dass er
nun zwei Dienstherren verpflichtet war.
Als er wie ein Verräter, wohl der, der er auch war, hastig sein Hab und Gut in der Residenz der
Herzogin einpackte, legte er zwei Briefe in das geheime Fach seiner Truhe. Einer, war der von ihm
gefertigte Brief den er als Kammerdiener der Herzogin an Fredulf schicken würde um sich in der
Südfestung seinem Hof anschließen zu wollen. Voll von kleinen Erinnerungen an die kurze Dienstzeit
unter dem Herzog und Verbindlichkeiten, die einem einfachen Mann des Gesindes zukamen, sollten
sie ihm wohl die Tore in den Süden öffnen.
Der andere Brief dagegen war zwar in einer Schrift geschrieben, die er selbst erfunden hatte, doch
waren die geschwungen, weiblichen Worte auf dem Pergament weder von ihm verfasst, noch hatte er
den Brief auf sein Bett gelegt. Es waren nur wenige Worte.
Guter Zug! Hoffe auf weiteres Spiel.
mit sehnsüchtigen Küssen geschlossen,
Regetta
Er lächelte wie ein guter Verlierer.
Lady Ygraine ist offline  
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Alt 08.03.2014, 10:16
#2
Lady Ygraine
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Alt 08.03.2014, 12:36
#3
Jonah Decram
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Beiträge: 633
urgh, ich vergesse immer, dass die Zeilenumbrüche bei der PDF nach Kopie gerne mal verschwinden. Kann ich das irgendwie nachschicken, dass es nicht so unleserlich wirkt?
Jonah Decram ist offline  
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Alt 08.03.2014, 12:43
#4
Lady Ygraine
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Beiträge: 3.985
Ich änder sie mal rein wenn ich Zeit und Muße hab
Lady Ygraine ist offline  
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