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Alt 03.04.2018, 14:37
Unstetes Wesen
#1
Stina Vandrak
Reisender
 
Registriert seit: 18 Sep 2016
Beiträge: 234
Der Abend war bereits weit voran geschritten als das Schiff endlich im Hafen von Britain anlegte. Die Sterne am dunklen Nachthimmel verblassten im Schein der Laternen an den Kaimauern und der umliegenden Häuser. Die Besatzung machte sich daran die Ladung zu löschen und die Passagiere rafften ihre Habe zusammen und gingen nacheinander von Bord.

Auch Sie war unter diesen Passagieren. Mit weichen Knien balancierte sie über die schmale Planke bis ihre Füße endlich auf den befestigten Steg trafen. Nach so langer Zeit auf See waren ihre ersten Schritte auf festem Grund wankend, doch gewannen sie schnell an Sicherheit. In der Dunkelheit der Nacht lief sie durch die verwaisten Straßen. Zu so später Stunde war fast niemand mehr unterwegs und das war ihr nur Recht. Sie hatte ein Ziel – und sie wollte es so schnell wie möglich erreichen.


Als die hohen Mauern der Nordmark schließlich vor ihr aufragten wurde sie langsamer. Die Worte und Erklärungen, die sie sich auf der langen Schiffsreise zu Recht gelegt hatte, waren aus ihrem Kopf verschwunden. Einfach weg, obwohl sie sich diese so sorgfältig überlegt hatte. Nun würde sie improvisieren müssen. Der Hauch eines matten, skeptischen Lächelns huschte kurz über ihre Lippen. Was war sie doch für eine Närrin.

Sie zog den schweren Schlüsselbund hervor. Ein Schlüssel passte. Sie hörte das vertraute Knacken und Rattern des Schließmechanismus. War das ein gutes Zeichen? Sie öffnete das Tor nur einen Spalt weit, schlüpfte hindurch. Der Hof war in Dunkelheit getaucht. Die Kontur des Turmes, das Herzstück der Nordmark, der über alles wachte, schien verändert. Wie lang war sie fortgewesen? Es waren doch nur ein paar Wochen gewesen, vielleicht Monate, aber gewiss doch kein Jahr. Oder?

Das Gebäude zu ihrer Linken schien dagegen unverändert und sie atmete innerlich etwas auf. Ein wehmütiger Ausdruck trat auf ihr Gesicht, als die Erinnerungen auf sie einfluteten. Wie glücklich war die Zeit hier mit ihm gewesen. Und Sie? Sie hatte diese Zeit mit Füßen getreten, indem sie einfach gegangen war. Ohne ein Wort der Erklärung oder des Abschieds. Das war nie ihr Plan gewesen, aber die Ereignisse hatten sich einfach überschlagen und… alles Ausreden, schalte sie sich selbst. Du bist zu unstet, hast kalte Füße bekommen und jetzt kommst du zurück gekrochen.

Leise schlich sie weiter, klopfte zaghaft an die Tür und als niemand antwortete, betrat sie den Raum, den sie damals liebevoll ihr Geheimversteck genannt hatten. Damals, als sie beide fast noch Kinder waren und einen Rückzugsort gesucht hatten, wo sie… nunja, ihre Zuneigung zueinander entdecken konnten. Doch von dem einstigen Zauber, den der Raum früher erfüllt hatte, war nichts mehr geblieben. Sie erkannte die Möbel, doch waren diese von einer dicken Staubschicht bedeckt. Dieser Raum war schon lange nicht mehr betreten worden. Ihr Blick ging zur Stirnwand. Hier hatte einst ein Bild gehangen. Ana hatte es gemalt und es zeigte Stina. Damals war sie 16 Jahre alt gewesen.

Nun war das Bild fort und während sie sich noch die Frage stellte, wo es abgeblieben sein könnte, hörte sie leisen Gesang. Eine weibliche Stimme. Sie schlich zurück zur Tür, öffnete diese einen Spalt und linste hinaus. Von dieser Warte aus konnte sie direkt in den Stall blicken in dem nun eine junge Frau, leise vor sich her summend und singend, sich um die Tiere kümmerte. Neidvoll musste sie anerkennen, dass diese junge Frau auffallend hübsch war. Mit langem brünetten Haar und schmaler Taille. Sie biss sich auf die Unterlippe. Die Fremde bewegte sich selbstsicher zwischen den Tieren, die ihre Anwesenheit gewöhnt schienen. Sie sprach leise zu den Pferden und zu den Hunden und nachdem sie ihre Arbeit verrichtet hatte, verließ sie den Stall und entschwand aus ihrem Blickfeld.

Komisch… Stina konnte sich nicht daran erinnern, dass Korad einst ein Stallmädchen beschäftigt hatte. Wie durch Zufall glitt ihr Blick noch einmal zu der Stelle, wo einst ihr Bild gehangen hatte und die nun verwaist war. Und plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Erschrocken prallte sie zurück. Sie fühlte sich wie mit Eiswasser übergossen. Ihr ganzer Körper kribbelte und die klitzekleinen Härchen im Nacken und an den Armen stellten sich auf. Was hattest du denn erwartet, du dumme Kuh? Dass er den Rest seines Lebens auf dich warten würde, nachdem du dich sang- und klanglos aus dem Staub gemacht hast? Früher oder später bekommt jeder seine gerechte Strafe. Und jetzt auch du, für das was du getan hast. Was du ihm angetan hast.

Stina schüttelte den Kopf, als könne sie die Stimme, die ihr gehässig die bösen Gedanken einflüsterte, wie eine Fliege verscheuchen. Nein, nein, nein. Das durfte einfach nicht wahr sein. So etwas hätte nie passieren dürfen. Sie vergewisserte sich, ob die Luft rein war, dann verließ sie ihr Versteck. So sehr es sie vorher noch zur Nordmark gezogen hatte, jetzt wollte sie nur noch weg. Sie verschloss das Tor hinter sich und rannte los.
Stina Vandrak ist offline  
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Alt 04.04.2018, 10:28
#2
Stina Vandrak
Reisender
 
Registriert seit: 18 Sep 2016
Beiträge: 234
Sei still! Verdammt noch mal, sei still! Sie kauerte am Fuße einer alten Eiche, die Hände auf die Ohren gepresst, als könne sie so die Stimme zum Schweigen bringen. Doch das kleine Teufelchen auf ihrer Schulter flüsterte ohne Unterlass weiter. Verhöhnte und reizte sie und malte in ihren Gedanken Bilder, die Korad in den Armen der Brünetten zeigten. Sieh‘ genau hin! Spürst du den Schmerz, Miststück? Du bist selbst keinen Deut besser, du…

ES REICHT! Stina konnte sich gar nicht recht erinnern, dass sie aufgesprungen war. Doch nun stand sie da, die Hände fest zu Fäusten geballt und starrte in die Finsternis, während sich ihr Brustkorb durch ihre aufgeregte Atmung deutlich hob und senkte. Es dauerte ein paar Momente, bis sie realisierte wo sie war. Sich im Hier und Jetzt wieder fand. Sie sah sich um. Hatte sie gerade laut geschrien? Und wenn schon, sie war mutterseelenallein. Mutterseelenallein keckerte ein Echo.

Was sollte sie nun tun? Endgültig abreisen? Wieder davon laufen? Sie wusste doch inzwischen, dass dies der falsche Weg war. Sie musste Korad finden. Wenn sie ihm alles erklären würde, vielleicht könnte er sie dann verstehen. Sie liebte ihn doch. Also war sie ihm auch eine Erklärung schuldig. Aber bringst du auch den Mut auf ihm tatsächlich alles zu erzählen?

Die Nacht war weit vorangeschritten, doch es war ihr egal. Vermutlich würde Korad im Bett liegen und schlafen mit… nein, diesen Gedanken wollte sie nicht zulassen. Sie wanderte durch die verlassenen Straßen, fand schließlich zum Hauptquartier. Hier war alles so, wie sie es in Erinnerung hatte und doch wirkte es in der Stille der Nacht so verlassen und leer. Nein, hier war Korad nicht. Natürlich nicht. Es ist mitten in der Nacht.

Sie lief weiter. Die Bärenhöhle war ihr nächstes Ziel. Doch auch hier bot sich ihr das gleiche Bild. Ein verlassener Schankraum. Die Tische waren anders aufgestellt worden. Luden zum Verweilen ein. Ana hatte ein Händchen dafür, dass es behaglich wirkte. Doch Stina wandte sich rast- und ratlos um. Wo sollte sie jetzt noch schauen?

Sie irrte durch die Stadt und wusste selbst, wie sinnlos es war. Du solltest nach Hause gehen und dich ausruhen. Ja, die Aussicht auf ein wenig Ruhe und ein weiches Bett ließ sie spüren, wie die Erschöpfung über sie herein brach. Also machte sie wieder kehrt, passierte das erste Tor zum Handwerkerviertel und verließ es wieder durch das Westtor. Es waren nur ein paar Schritte durch den Wald, dann tauchte es hinter den Bäumen auf. Ihr kleines Heim.

Es war kalt im Inneren und eine dicke Staubschicht bedeckte die Möbel. Der letzte Funken Hoffnung, Korad hier zu finden, schwand. Morgen. Morgen in aller Frühe würde sie sich auf die Suche machen. Und sie würde jeden, den sie traf, über Korads Verbleib fragen. Irgendwo musste er doch stecken.
Stina Vandrak ist offline  
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Alt 05.04.2018, 13:20
#3
Analope Gatek
Reisender
 
Registriert seit: 02 Mar 2005
Beiträge: 394
Schon schnell wird Stina von den Waschweibern hören, dass die Gateks
wohl den jungen Vandrak bei sich aufgenommen haben. Er soll absolut
verlottert gewesen sein und die Frau Büttel hat ihn an seinem dreckigen
Ohr mit sich gezerrt in Gegenwart einer Kadettin der herzoglichen Garde.
Eine der Frauen nimmt sie sogar zur Seite und erzählt ihr von den
Gerüchten um die Frau Büttel und dem jungen Mann mit dem sie angeblich
gebadet haben soll....
Analope Gatek ist offline  
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Alt 14.09.2018, 17:33
#4
Stina Vandrak
Reisender
 
Registriert seit: 18 Sep 2016
Beiträge: 234
Der eisige Wind schnitt ihr ins Gesicht als sie die wohlige Wärme der kleinen Waldhütte verließ. Es war spät geworden. Inzwischen war es schon mitten in der Nacht. Bei einem guten Essen, etwas Honigwein und der Wärme eines knisternden Kaminfeuers hatten sie sich festgequatscht. Ihr Atem dampfte in der nächtlichen Kälte und sie zog ihren Schal bis über die Nasenspitze höher. Mit schweren Schritten stapfte sie durch das Unterholz und den Schnee. Sie erwischte sich bei dem Gedanken, dass sie den matschigen Schnee verwünschte. Sie, das Nordmädchen, das in solchen Gefilden aufgewachsen war. Die Zeit im Herzogtum hatte sie weich werden lassen. Immerhin lebte sie nun schon fast seit 6 Jahren hier. Vielleicht sollte sie irgendwann einmal zurück… Nein!

Als sie endlich auf die Straße traf, kam sie etwas leichter voran. Sie dachte an das soeben geführte Gespräch zurück. Es war so leicht gewesen, erfrischend, eine nette Abwechslung vom Alltag. Und doch hatte es unbewusst wieder an alten Wunden gekratzt, die nun erneut aufzubrechen drohten. Der Honigwein, der nun im Verbund mit der frischen Luft seine Wirkung entfaltete, trübte ebenfalls ihre Gedanken. Wieder einmal stellte sie sich die Frage: Was war hier eigentlich ihre Aufgabe? Als junges Mädchen, hatte sie ihre Heimat verlassen; dabei ein festes Ziel vor Augen. Doch dieses Ziel war nach der letzten Enttäuschung in weite Ferne gerückt, dass sie erwägte es aufzugeben. Nein, nicht nur erwägte. Sie hatte es aufgegeben. Ihm zuliebe.

Nun stand sie da, ein wenig verloren und wusste nicht so recht, was sie mit sich anfangen sollte. Sie war eine ganz passable Jägerin, ja. Aber es lag ihr fern wildernd durch die Wälder zu streifen. Lieber behielt sie die Tierbestände genau im Auge, achtete das Gleichgewicht und nahm nur so viel, wie sie es mit sich verantworten konnte. Zumindest versuchte sie es.

Sie hatte mal probiert, sich auf dem Gebiet der Heilkunde weiterzubilden. Sie fand dies ganz praktisch. So oft wie sie allein in den Wäldern unterwegs war, war es nützlich zu wissen wie sie kleinere Verletzungen direkt versorgen konnte. Damit sowas, wie vor einem Jahr, nicht noch einmal passieren würde. Dreimal hatte sie versucht einen Lehrer zu finden, doch ihre Versuche hatten kaum gefruchtet. Ein paar Lehrstunden hatte sie besucht, dann war es aber auch schon wieder vorbei. Aus beiderseitigem Desinteresse. Da merkt man mal wieder, dass du zu unstet bist, Stina. Du wankelmütiges Wesen.
Doch aufgeben wollte sie nicht.

Im Moment lebte sie ihr Leben einfach so vor sich hin. Ohne eine feste Aufgabe und ohne ein Ziel vor Augen zu haben. Wurde sie hier eigentlich gebraucht? Jemand, der sich auf ein Handwerk versteht, findet immer viel Anschluss und wird gebraucht. Doch damit konnte sie nicht glänzen. Auch mächtige Krieger und gelehrte Magier wurden benötigt. Sie schützten das Land, bestanden in Kriegen. Sie aber würde niemals mit Pfeil und Bogen auf einen anderen Menschen zielen. Das war ihr zuwider.

Manchmal erwischte sie sich bei dem Gedanken, dass sie glaubte nur für Korad zu existieren. Korad und sie - da passte kein Blatt zwischen. Sie kannten sich nun schon so lange. Aus einer Freundschaft zwischen zwei pubertierenden Jugendlichen war mehr entstanden. Sie waren ein Paar geworden, hatten miteinander viel Neues entdeckt und sich schließlich verlobt.

Und dann hatte sie den größten und dümmsten Fehler ihres Lebens begangen.

Mit ihrem wortlosen Verschwinden hatte sie ihn schon sehr verletzt. Dass dann aber noch diese andere Sache dazu gekommen war, das hatte er ihr wohl noch immer nicht richtig verziehen. Inzwischen lebten sie zwar wieder unter einem Dach und gingen auch relativ normal miteinander um, doch diese Sache war immer in ihren Hinterköpfen. Hinderte sie daran den nächsten Schritt zu tun und zueinander Ja zu sagen. Und mit Korad über Gefühle zu sprechen war so wie… ja, da hätte sie auch mit einem Stein sprechen können.

Stina legte den Kopf in den Nacken und winzige Schneeflocken fielen auf ihr Gesicht mit den hellen Sommersprossen. Jetzt im Winter waren sie nicht so stark ausgeprägt, doch ganz verschwanden sie nie.

Manchmal sehnte sie sich danach eine Freundin zu haben. Eine Gleichgesinnte, mit der sie über all‘ das Reden konnte, was sie beschäftigte. Jemanden, der sie wirklich verstand und dem sie alles anvertrauen konnte. Wirklich alles. Doch bei Freundschaften mit anderen Frauen hatte sie kein glückliches Händchen. Es gab einmal Mädchen und Frauen hier im Herzogtum, denen sie vertraute, mit denen sie selbst über die peinlichsten Dinge reden konnte. Sie dachte insbesondere an Klara und Silena. Wie sie sich Klara einst anvertraut hatte, als ihre Blutungen eingesetzt hatten und wie sie sich von Silena erklären lies, wie man eigentlich küsste. Aber diese Mädchen und Frauen hatten das Herzogtum verlassen, waren tot oder verschollen.

Und Freundschaften zu anderen Männern? Sie scheute sich das Wort Freundschaft in diesem Zusammenhang zu benutzen. Sie tat sich ja ohnehin schwer damit. Es war kein Geheimnis, dass sie mit anderen Männern besser klar kam als mit anderen Frauen, aber sie musste vorsichtig sein. Korad konnte sehr eifersüchtig werden. Aber war ihm das wirklich zu verübeln, nach dem was passiert war?

Sie passierte die Stadtmauern Britains und nickte den Wachen zu. Die Gardisten hatten ihre Aufgaben Wache zu schieben, das Volk zu schützen. Ihre Gedanken führte sie an den Anfang ihrer Grübeleien zurück. Was war ihre Aufgabe? Niemand würde ihr diese Frage beantworten können. Das musste sie selbst herausfinden. Raschtor hatte ihr einmal insoweit geholfen, indem er ihr die Augen öffnete, dass sie mit so vielen Talenten gesegnet sei. Es war die Vielfältigkeit, die sie ausmachte. Sie musste nur das Richtige für sich finden und es weiter verfolgen. Dann würde sie sich vielleicht innerlich auch wieder zufriedener fühlen. Warum nicht mal was Neues probieren?

Ihre Schritte führten sie am Haus des Instrumentenbauers vorbei. Und obwohl es bereits spät in der Nacht war, brannte hinter den Fenstern noch Licht. Vielleicht ein Zeichen? Sie hob belustigt die Mundwinkel. Dann verließ sie den Hauptweg und verschwand im Geschäft.
Stina Vandrak ist offline  
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