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Alt 19.06.2017, 07:51
Fernab der Heimat
#1
Theodor Jornis
Reisender
 
Registriert seit: 19 Jun 2017
Beiträge: 33
Der kleine Drachentöter existierte nicht mehr.

Theodor wusste, dass seine Eltern ihn nicht wirklich aus seiner Heimat verbannt hatten. Es hatte einige Jahre gedauert, um das zu akzeptieren, aber trotzdem fühlte es sich noch immer ein wenig bitter an, wenn er an das Zuhause dachte, das er nicht mehr hatte und lange nicht mehr haben würde. Er hatte sich ungeliebt gefühlt, als seine Eltern ihn zur Erziehung zu seiner Tante schickten, die er in seinem Leben erst einmal gesehen hatte. Sie hatte die besseren Verbindungen, hatten sie gesagt. Die besseren Möglichkeiten für eine gute Ausbildung. Und ein besonneneres Temperament, das das seine vielleicht auch befrieden würde.

Theodors erste Reaktion war die Flucht aus den Fängen seiner Aufpasser gewesen, sobald diese zum ersten Mal ihren Blick abgewandt hatten. Wochenlang hatte er sich durchgeschlagen und davon profitiert, dass seine Bewacher sich zu sehr schämten, um seinen Verlust voreilig an die Eltern zu melden. Das ungebundene und freie Leben hatten allerdings ein jähes Ende gefunden, als der Winter kam. Vor Hunger und Kälte hatte er sogar sein geliebtes Pony verkaufen müssen und als er sich nicht mehr anders zu helfen wusste, war er beim Grafen von Britain vorstellig geworden und hatte ihn um seine Hilfe gebeten.

Er gab ihm etwas zu essen und eine warme Unterkunft. Außerdem löste er sein Pony wieder beim Händler aus und Theodor war ihm dafür zutiefst dankbar. Allerdings reichte seine Dankbarkeit längst nicht so weit, dass er sich im Tausch zu seiner ungeliebten Anverwandten bringen lassen wollte. Und so verband er geschickt kindliche Fantasie und frühreife Kreativität, um seinem Umfeld so manchen Bären aufzubinden, nur um weiter frei und ungebunden leben zu können. Doch auf lange Sicht half alles nichts, und so landete er am Ende doch bei seiner Tante.

Die tat genau das, was seine Eltern angekündigt hatten: Nachdem sie ihn noch ein wenig aufgepäppelt hatte, suchte sie ihm einen Lehrer, der ihm ein wenig über den Umgang mit Waffen, gutes Benehmen und das Leben im Allgemeinen beibrachte. Allerdings war der Unterricht bei weitem nicht so spannend, wie erhofft. Kleiner Knirps, der er damals noch war, hielt man ihn eher von der Waffe fern und konzentrierte sich darauf, ihn für das Leben eines Soldaten abzuhärten. Als sein Lehrer dann eines Tages unerwartet starb, trauerte Theodor zwar pflichtschuldig, war am Ende aber froh, ihn los zu sein.

Mit der Freiheit war es dennoch vorbei, denn schon wenige Wochen später hatte sein Vormund bereits ein paar neue Fäden gezogen und so fand er sich jetzt als Kadett der herzoglichen Garde wieder.

Theodor saß auf dem oberen des Doppelbettes im Schlafsaal für die Kadetten. Er hatte seine Kettenrüstung ausgezogen und gegen die Gardeuniform getauscht. Jetzt hatte er die Metallketten auf den Knien, strich versonnen mit den Fingern darüber und war glücklich, dass er jetzt mit vierzehn Jahren endlich eine eigene Rüstung tragen durfte. Sogar eine Waffe hatte man ihm gegeben. Zwar hatten seine Eltern ihm zum Abschied ein Schwert geschenkt, doch war es eher als Andenken und zur Übung gedacht. Dieses Gardeschwert aber war ihm ausgeteilt worden in der Absicht, ihn damit auch kämpfen zu lassen!

Es war ihm egal, dass er in der Hackordnung der Garde ganz unten stand - als Kadett ebenso wie als Jüngster. Es war ihm auch egal, dass die anderen eindrucksvolle Panzerrüstungen trugen und er nur ein Kettenhemd. Er hatte kein Problem damit, morgens in der früh aus dem Bett geworfen zu werden, um anschließend seine Runden um das Schloss zu laufen und in der Küche beim Frühstück zu helfen. Selbst mit dem Unterricht hatte er kein Problem, denn hier ging es um Taktik, Gesetze und Lösungsstrategien.

Theodor hatte so eine Ahnung, dass er niemals so lange bei der Garde würde bleiben können, wie die Kameraden. Aber er fühlte sich angekommen und war glücklich.

Aus dem kleinen Drachentöter Theo war Theodor der Soldat geworden.
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Geändert von Theodor Jornis (19.06.2017 um 07:54 Uhr).
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Alt 23.06.2017, 18:51
#2
Theodor Jornis
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Registriert seit: 19 Jun 2017
Beiträge: 33
Das Gute daran, ein Mitglied der herzoglichen Garde zu sein war, dass niemand sich dafür interessierte, wie man seine Zeit verbrachte. Gut, man hatte sich an die Gesetze zu halten und zu bestimmten Uhrzeiten zum Dienst oder zum Unterricht zu erscheinen. Aber ob man sich danach mit einem Buch hinsetzte, sich ein wenig im Kampf übte oder einfach unter Leute ging, war den anderen Kameraden herzlich egal. Sobald er sich genug an die Akademie und das Garde-Hauptquartier gewöhnt hatte, um sich dort orientieren zu können, hatte er deshalb seine Freizeit für einen Stadtspaziergang genutzt.

Viel hatte sich nicht verändert. Von der zerstörten Kirche hatte er natürlich gehört, aber die übrigen Häuser sahen noch genauso aus, wie früher. Auch die Bärenhöhle gab es noch, in der Theodor sich während der kalten Jahreszeiten viel aufgehalten hatte. Ein paar Mal war es ihm sogar gelungen, heimlich unter dem großen Tisch zu übernachten. Das war wärmer, als in seinem selbstgebauten Feldlager. Bei dem Gedanken daran musste er lächeln. Es war schon verdammt kalt gewesen.

Auch in der Bärenhöhle war noch alles beim Alten. Sogar die Wirtin Ana war da, wenngleich sie ein paar Jahre gealtert war. Einen Augenblick glaubte sie, ihn wiedererkannt zu haben, doch Theodor erinnerte sich an die Ermahnungen des Oberst und tat so, als wäre er gerade erst angereist. Das war in Britain ja auch nicht selten.

Zum Glück kaufte ihm Ana seine Geschichte ab und zum Glück war sie gerade beschäftigt, als Korad Vandrak hereinkam und ihn lautstark begrüßte. Ohje, den hatte Theodor nicht wiedererkannt. Dabei hatte Korad damals seinen Geburtstagskuchen mit einem ausgehungerten Kind geteilt. Und ein paar Tage vorher - oder danach? - hatte Korads Vater, der fette Einäugige, Theodors Frosch getötet. Nur weil er ihn in seinen Umhang gesteckt hatte. Der Sack.
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Alt 17.07.2017, 07:15
#3
Theodor Jornis
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Nach einer langen, aber traumlosen Nacht erwachte Theodor auf der Krankenstation im Hauptquartier der Garde. Er konnte sich noch gut an den vorigen Tag erinnern, an das Glück, das er verspürte, als er hörte, dass er mitgehen durfte. An die Faszination und den Schrecken, die die dunklen Kreaturen gleichermaßen in ihm auslösten, gegen die sie in Vesper zu kämpfen hatten. Vor allem aber auch an den schier unerträglichen Schmerzen, die er zurück nach Britain mitgebracht hatte.

Theodor hatte dabei geholfen, einen offenbar untoten Titan zu erschlagen. Doch der hatte noch einmal mit letzter Kraft ausgeholt und den Jungen niedergeschlagen. Er hatte mit seinem mächtigen Hammer Theodors Schulter geradezu zersplittert. Der rechte Arm war danach unbrauchbar, Schwert und Schild gingen im Kampfgetümmel verloren. Doch Theodor wollte keine Blöße zeigen, biss die Zähne zusammen und schaffte es noch zurück nach Britain, ohne umzufallen. Er war kein Junge mehr, er war ein Krieger!

Dennoch führten ihn seine Schritte sofort ins Lazarett, als sie wieder in Britain angekommen waren. Der Heiler behandelte die Verletzungen des Jungen so gut er konnte, schiente den Arm, damit die Schulter unbewegt heilen konnte und steckte ihn ins Bett. Es dauerte keine fünf Minuten, ehe er tief und fest schlief.

Es dauerte fast 20 Stunden, bis Theodor wieder erwachte. Der Arm schmerzte nicht mehr so stark und ließ sich auch wieder bewegen. Doch der Junge war nicht überrascht. Diese Kreatur, die sich als einen Gott bezeichnet hatte, hatte versprochen, dass alle Verletzungen am nächsten Tag geheilt sein würden.

Doch Theodor war darüber nicht glücklich. Er fühlte sich betrogen. Diese Schulterverletzung war der Beweis dafür gewesen, dass er eine Schlacht geschlagen hatte. Sie hätte allen gezeigt, dass er den Mut besaß, sich einem Gegner zu stellen. Und jetzt war sie fort, ohne dass irgendjemand außerhalb des Lazaretts etwas davon mitbekommen hätte. "Verflucht sei dieser angebliche Gott.", brummelte Theodor halbherzig. Dann zog er sich an, verließ das Lazarett und machte sich auf den Weg zum Quartiermeister, um den Verlust seiner Ausrüstung zu beichten.
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Alt 31.07.2017, 09:26
#4
Theodor Jornis
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Alle Welt sprach von der bevorstehenden Ankunft des Königs. Überall sah man die Menschen ihre Häuser putzen und schmücken, Schneider schienen reißenden Absatz an feiner Kleidung zu machen und in den Küchen brannte Tag und Nacht der Ofen.

Auch Theodor war aufgeregt über diesen Besuch, einen König hatte er in seinem kurzen Leben schließlich auch noch nie gesehen. Aber im Augenblick hatte er etwas anderes im Sinn.

"Etwas", das war Lena, siebzehn Jahre alt. Sie bewohnte mit ihren Eltern einen Hof in der Nähe Britains und brachte jeden Tag frische Milch und Eier, manchmal auch Käse für die Küche der Garde ins Schloss. Auf diese Weise hatte Theodor sie auch kennen gelernt, als er eines Tages dafür zuständig war, die Lebensmittel für die Küche entgegen zu nehmen.

Beim gemeinsamen Kistenschleppen war es nicht geblieben. Stattdessen hatten sie sich am nächsten Tag nach Dienstschluss wieder getroffen. Und ein paar Tage später nochmal. Bis es zur Regel wurde. Lang ausgestreckt lagen sie beide nun im ersten Heu, das in diesem Jahr gemäht, getrocknet und in die elterliche Scheune gebracht worden war. Nein, er war genauso wenig verliebt wie sie, aber er liebte ihr dickes, weiches, goldenes Haar und den Geruch nach Milch, der ihr anhaftete. Sie hingegen mochte seine hellen Augen und seine unkomplizierte, junge Art.

Sie waren mehr als einmal so in Gedanken verloren, dass Theodor beinahe seinen Dienstantritt verpasst hätte. Und so kam es in den jüngsten Tagen immer wieder mal vor, dass er sich im Laufen noch schnell die Strohhalme aus der Uniform zupfen musste oder mit nur mäßig geordneten Haaren zum Appell kam. Doch was soll's? Man war nur einmal jung.
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Alt 04.08.2017, 08:26
#5
Theodor Jornis
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Theodor fühlte sich zutiefst frustriert. Er hatte der Ankunft des Königs und der Königin mit gemischten Gefühlen entgegengesehen. Natürlich hatte er sich darauf gefreut, seine Eltern nach zehn Jahren wiederzusehen. Aber er war auch in Sorge. Würden sie ihn wegen seiner Flucht damals jetzt noch schelten? Was hatten sie ihm zu sagen, jetzt wo sie nicht mehr Herzog und Herzogin waren, sondern König und Königin?

Als seine Tante, die Herzogin, ihn zum Empfang des Königspaares neben sich rief, wusste Theodor schon, dass es jetzt vorbei war mit dem einfachen Soldatenleben. Alle konnten sehen, dass er kein einfacher Kadett war, als er vor dem König das Knie beugte, und ihn "Vater" nannte. Wenigstens in der Öffentlichkeit hatte diese Demütigung dann ein Ende, denn er wurde fortgeschickt, um sich umzuziehen. Das Ende des Tages hingegen war noch nicht erreicht. Als man sich in der Residenz zum Speisen traf, musste er sich an des Königs Tisch setzen, während seine Kameraden - Offiziere zwar, aber immerhin ebenfalls Mitglieder der Garde - Wache stehen und unbeteiligt tun mussten. Noch nie war ihm so etwas so unangenehm gewesen, wie diese offene Bevorzugung.

Natürlich hatte Theodor von Kleinauf gewusst, dass er irgendwann in vielen Jahren einmal Herzog von Sneholm sein würde. Und dass er dieses Amt mit Stolz und Würde tragen würde, war ihm von Anfang an ebenso klar gewesen wie die Tatsache, dass es noch sehr, sehr lange dauern würde. Dann wurde Jori von Sneholm zum König von Faerlan gewählt und Theodor war froh, nicht mit an den Hof ziehen zu müssen. Ein Herzog war das Eine, aber ein Prinz? Ein König? Das war ihm definitiv eine Nummer zu groß.

Mit der Erziehung eines Adligen war Theodor klar, dass seine kleinen Rebellionen gegenüber den Eltern nur Ausdruck seiner Jugend waren. Dass er nicht zögern würde, für seinen König und sein Land ins Feld zu ziehen, zu kämpfen und zu sterben, wenn es denn eines Tages erforderlich war. Insgeheim hatte er auch davon geträumt, dem Vorbild seiner Tante Maer zu folgen und Sneholm als Herzog noch mehr erblühen zu lassen, als sein Vater das getan hatte. Und das alles in der sicheren Gewissheit, seinen Platz zu haben, als Führer Sneholms, aber eben auch als Diener des Königs. Zum Dienen war er bereit. Aber zum Herrschen? Das konnte er sich nicht vorstellen.

Es war unhöflich gewesen, sich einfach von der Tafel des Königs zu verabschieden, aber seine Eltern hatten Nachsicht gezeigt. Statt sich wie angekündigt in der Küche mit etwas zu Essen zu versorgen und seine Rüstung zu pflegen, hatten seine Schritte ihn allerdings in den Süden der Stadt Britain gelenkt. Zu Lena, der er schon am Morgen versprochen hatte, nach Möglichkeit abends wieder zu kommen.

Es war spät geworden, aber sie wartete noch auf ihn. Ihre hellen Augen glitzerten im Mondlicht, als er zu der Bank trat, auf der sie saß. Doch statt bei ihr Ablenkung zu finden, machte sie es nur noch schlimmer. Sie hatte längst gehört, was am Hafen geschehen war und hatte nun allerlei neugierige Fragen zu seiner Herkunft. Geradezu aufdringlich war sie geworden. Das war verständlich, wann traf ein Bauernmädchen schon einen Prinzen? Aber für Theodor war es alles andere als eine Hilfe. Also hatte er sich so schnell wie möglich wieder verabschiedet.

Und saß jetzt tatsächlich in der Akademie der Garde auf seinem Bett und polierte seine Rüstung. Während er Kette für Kette säuberte, dachte er mit Aufregung ebenso wie mit Bitterkeit daran, dass es während des Besuchs seiner Eltern keinen Gardeunterricht mehr geben würde, keinen Wachdienst, keine Ausflüge unter Freunden. Stattdessen jagte eine Veranstaltung die nächste und sein Vater hatte durchblicken lassen, dass er ihn dabei immer an seiner Seite haben wollte.

Naja. Ein wenig durch die Gegend reiten und an dem einen oder anderen Turnier teilnehmen zu können, war vielleicht doch nicht so schlecht. Solange ihm keiner die vorlaute Nia oder ein anderes Mädchen als Kampfpartner vor die Nase stellte jedenfalls.
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Alt 08.08.2017, 10:31
#6
Theodor Jornis
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Heimlich und ohne irgendjemandem etwas zu sagen, hatte Theodor sich bei der Herzogin die Erlaubnis geholt, ein Haus in Minoc zu beziehen. Sie hatte ihm die freie Wahl gelassen, doch eines der bescheideneren Häuser schien ihm vollkommen ausreichend. Es war immer noch dreimal so groß wie jedes Zimmer, in dem er je gewohnt hatte. Die Zimmerleute hatten schnell ein paar Wände eingezogen und im Fundus der Greifenburg hatten sich für den Anfang genug Möbel gefunden. Jetzt musste nur noch alles eingeräumt werden.

Theodor verwendete viel Zeit und Mühe auf die richtige Einrichtung. Für einen angehenden Gardisten und späteren Ritter war eine eigene Waffenkammer unverzichtbar, wenn er nicht ständig über seine Ausrüstung stolpern wollte. Ein kleiner Wohnraum mit Kamin, ein Bett, ein kleines Bad - mehr brauchte er nicht.

Während er seine Habseligkeiten in den Schränken und Regalen verstaute, musste er immer wieder lachend an den vergangenen Abend zurückdenken. Diese kleine, aufgedrehte Luna mit den merkwürdigen Augen hatte es geschafft, ihn aus dieser großen Unzufriedenheit herauszulocken, die Lena bei ihm hinterlassen hatte. Er hatte an dem Bauernmädchen doch mehr gehangen, als er gedacht hatte. Nicht, dass Theodor vorhatte, sich gleich ins nächste Abenteuer zu stürzen - aber ein wenig Unterhaltung versprach das Mädchen allemal.

Zufrieden ließ er sich auf eines der großen Kissen fallen, die er vor dem Kamin ausgebreitet hatte. Da er keine Küche brauchte - gegessen wurde im Garde-Hauptquartier oder in der Greifenburg - hatte er sich den Luxus dieser Feuerstelle elrauben können. Zielstrebig schnappte er sich eines der Bücher, die er sich hier postiert hatte. "Waffentechnik". Gut gelaunt blätterte der Junge ein paar Seiten darin herum, doch er gab schnell wieder auf und seine Gedanken kehrten zur nächsten familiären Verpflichtung zurück, die für heute abend anstand.

Einem Besuch in Falkenstein stand er mit gemischten Gefühlen gegenüber. Wenn er an Corveen Destadi und Elodie Carisi dachte, schien ihm dieses kleine, unbedeutende Dorf ein ziemliches Ketzernest zu sein. Zumal es ein offenes Geheimnis war, dass man dort nur allzu brüderlich mit den Feinden aus Aldfur umzugehen schien. Andererseits gab es dann auch noch Frauen wie die Rätin Fildaris bouVinda und Larinda Karntus, die er bei der Schneiderin Belatar kurz kennen gelernt hatte. Sie machten einen durchaus vernünftigen Eindruck und schienen zu wissen, dass man wenn schon nicht dem benachbarten Herzogtum, so doch zumindest seinem König mit Respekt entgegen zu treten hatte.

Die Frage war nur: Wozu gehörte er? War er Teil des Herzogtums, Mitglied der herzoglichen Garde? Oder war er auch hier im fernen Britannia zuerst einmal Vertreter seines Königs, Prinz von Faerlan? Beides war ehrenvoll, beides bedeutete Arbeit. Beides konnte ein gewisses Maß an Freiheit bedeuten. Als Gardist hatte er Vorgesetzte, denen er sich fügen musste. Dafür konnte er in seiner Freizeit frei durch die Gegend streunen und war nicht verpflichtet, an irgendwelchen höfischen Veranstaltungen teilzunehmen. Als Prinz wiederum hatte eigentlich auch niemand das Recht, ihm irgendetwas vorzuschreiben; selbst die Herzogin nicht. Allerdings verlangte die Höflichkeit es trotzdem.

Seine Schritte hatten Theodor in die Waffenkammer geführt und nachdenklich betrachtete er seine beiden wichtigsten Waffen: Das Schwert eines Kadetten und das Kurzschwert mit dem Wappen von Sneholm, mit dem er damals als Sohn des Herzogs in Britannia angekommen war. Was war wichtiger?

Eine Weile grübelte er, dann nahm er das Gardeschwert und steckte es in seinen Waffengurt. Das andere Schwert verstaute er sorgfältig an seinem Sattel. Er musste an die lange gesprochenen Worte seines allerersten Waffenmeisters in Sneholm denken. "Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps." Sei's drum. Er war Prinz von Faerlan und er war Gardist. Das würde schon irgendwie hinhauen.
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Alt 14.08.2017, 08:59
#7
Theodor Jornis
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Bis in die späte Nacht hinein hatte Theodor auf der Bank auf seiner kleinen Veranda gesessen und den Himmel über Minoc betrachtet. Da hier nur Angehörige des Hofes und Gardisten wohnen durften, war es auf der Burg nachts sehr ruhig und man konnte ungestört die Sterne ansehen.

Am Vormittag hatte Theodor seiner ersten politischen Beratung beigewohnt, wenn auch eher zufällig. Jedenfalls hatte ihn keiner eingeladen und er hatte sich eher auf gut Glück dazugesellt. Falkenstein konnte einem schon leidtun, insbesondere da die durch den Rat erbetene Unterstützung nicht wie gewünscht ausgefallen war. Neuwahlen statt einem Einmarsch durch das Herzogtum. Dabei war sich Theodor sicher, dass die Herzogin Falkenstein nur zu gern mit ihren Soldaten besetzt hätte - aber eben nicht einfach nur aus Mildtätigkeit. Immerhin gab es nicht einmal einen Pakt mit Falkenstein. Allerdings hätte es ihn auch überrascht, wenn die Falkensteiner Ratsmitglieder dem Vorschlag gefolgt wären, ihre Stadt zu einem Teil des Herzogtums zu machen.

An den geheimen Beratungen im Anschluss durfte Theodor nicht teilnehmen, also stattete er zur Abwechslung einmal der Bärenhöhle einen Besuch ab. Er konnte ja nicht immer ins Handelshaus gehen, wenn ihm langweilig war. Zu seiner Überraschung traf er hinter dem Tresen Nia an, mit der man sich sogar ganz normal unterhalten konnte, wenn die Hofdame Aislin oder Leutnant von Britain nicht in der Nähe waren. Auf einmal hatte sie keine große Klappe mehr, sondern war einfach erholsam normal.

Lange blieb Theodor allerdings nicht in der Bärenhöhle. Die Verhandlungen mit Falkenstein hatten sich lange hingezogen und schnell wurde es spät. Also holte er sich noch schnell eine Kleinigkeit zu essen aus der Burgküche und schlug dann in seinem eigenen Refugium sein Lager auf. Am Erdtag würde der Markt von Cove stattfinden und zum ersten Mal würde er nicht als Gardist mit von der Partie sein, sondern als Begleiter des Königs. Dann würde er auch nicht mehr als der einfache Kadett Jornis auftreten können, sondern seine Rolle als Prinz von Faerlan wahrnehmen. Himmel, ein wenig mulmig wurde ihm dabei schon...
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Alt 19.08.2017, 09:17
#8
Theodor Jornis
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Mit leisem Klirren drehte sich der Ring auf dem Tisch, geriet ins Trudeln und fiel um. Erneut, zum vielleicht zehnten Mal nahm Theodor den Ring auf, um ihn mit leichtem Anstoß wieder zum Kreiseln zu bringen. Es war ein schöner, sehr aufwendig gearbeiteter Ring aus weißem Gold. In seiner Mitte war ein tiefblauer Saphir eingefasst, in den - aus feinen goldenen Linien gezeichnet - das Wappen des Hauses von Sneholm eingelassen war. Es war ein wunderschönes Schmuckstück, ein Familienerbstück und schon zweihundert Jahre alt. Es musste sehr viel Zeit und sehr, sehr viel Geld gekostet haben, um diesen Ring anzufertigen.

Aber das war kein Problem. Da es in Sneholm, dem nördlichsten der Faerlaner Herzogtümer, viele Berge gab, gab es dort auch viele Bergwerke. Ob Gold oder Silber, einfacher Sandstein oder edler Granit - vieles, was in Sneholm abgebaut wurde, wurde später in die halbe Welt verkauft. Deshalb waren die Bürger in Sneholm ähnlich wie in Britannia recht wohlhabend - und ihr Herzog gleich mit.

Eine direkte Verbindung zum Königshaus hatte es in Sneholm eigentlich nie gegeben. Natürlich war man irgendwie miteinander versippt, aber Teil der weiteren königlichen Familie war man erst geworden, als Maer, jüngstes von neun Kindern, den Sohn des Bastards König Ergains I. geheiratet hatte. Und weil die anderen Kinder des guten Königs schon lange tot waren, folgte sein Bastard ihm auf den Thron. Und hätte dessen Sohn sein Leben nicht durch Dummheit verloren, wäre Maer jetzt Königin von Faerlan. Stattdessen hatte sie erst ihren Mann verloren, dann ihren Sohn. Theodor hatte miterlebt, wie bitter seine Tante um das Recht gekämpft hatte, selbst Herzogin von Britannia zu sein und nicht nur als Ehefrau. Es hatte ihn beeindruckt. Er hatte es da leichter, denn von Kleinauf wusste er, dass das Herzogtum Sneholm eines Tages sein eigenes Herzogtum sein würde. Ohne, dass er darum kämpfen oder dafür heiraten musste. Gut, das galt jetzt im Prinzip gleich für das ganze Königreich Faerlan, zumindest so Glaron wollte. Aber das Wichtige war ja der Unterschied: Theodor stand das Herzogtum von Geburt zu, Maer hatte es sich teuer erkaufen müssen.

Sanft legte Theodor die Hand auf den sich noch drehenden Ring, so dass dieser unmittelbar auf dem Tisch zur Ruhe kam. Sein Vater hatte ihm den Ring vor einigen Tagen gegeben, zusammen mit einem Schwert, das das Wappen Faerlans trug. Fürstliche Geschenke und eine eindeutige Botschaft: Vater hatte die Absicht, ihn in absehbarer Zeit in das Amt des Herzogs einzusetzen.
Theodor war fünfzehn Jahre alt und noch jung, aber was hieß das schon? Jarvar von Faerlan war nicht viel älter gewesen als er. Nur dass er kurz nach seiner Königwerdung schon wieder starb, weshalb er auch der Neun-Stunden-König genannt wurde.
Doch was würde diese Veränderung in seinem Leben bedeuten? Würde er Britannia schon bald verlassen müssen? Nicht zwangsläufig, denn ein Herzog musste nicht ständig anwesend sein, war es sogar eher selten. Die meisten von ihnen begleiteten ihren König auf Kriege und Reisen und kamen nur gelegentlich mal nach Hause, um dort nach dem Rechten zu sehen. Das war also nicht das Problem, sondern vielmehr die Tatsache, dass ein Herzog kaum weiter Kadett der Garde sein könnte, und selbst als Offizier wäre es noch unangemessen.

Mit verärgertem Schnauben fasste er den Ring seines Hauses fester. Auch wenn er wusste, dass sein Leben so nicht weitergehen würde, war es ihm doch zu früh für Veränderungen. Er wollte seine Ausbildung abschließen und sich beweisen, ehe er als Lehnsmann und Heerführer in die Dienste seines Königs eintrat. Und deshalb würde er Theodor Jornis bleiben. Bis er eines Tages so weit war, sein Erbe anzutreten.


....


Einige Stunden später schlenderte Theodor durch die Straßen Britains. Er hatte den König aufgesucht und mit ihm über seine Zukunft gesprochen. Der Vater hatte Verständnis für die Auffassung von Pflicht, die sein Sohn an den Tag legte und erklärte sich einverstanden, dass die offizielle Ernennung erst an seinem 20. Geburtstag erfolgen würde.

Ohne es zu merken, hatten ihn seine Schritte zu dem Platz geführt, an dem in wenigen Tagen das Schwertturnier stattfinden würde. Theodor hatte sich angemeldet. Ganz wohl war ihm bei dem Gedanken nicht, denn obwohl er sich am Schwert recht geübt fühlte, hatte er sein Leben lang doch immer nur gegen dieselben zwei, drei Leute gekämpft. Fremde Gegner war er noch nicht gewohnt und so konnte er sich ruhig eingestehen, dass er ein bisschen Angst vor dem Turnier hatte. Was, wenn er sich fürchterlich blamierte? Aber Theodor war schon immer jemand, der sich seinen Ängsten stellte. Deshalb hatte er sich angemeldet und deshalb zog er die Anmeldung auch nicht zurück. Selbst, wenn er als erster ausschied, würde er noch eine Menge gelernt haben.

Das hoffte er jedenfalls, denn wenn er wirklich im Ring auf ein Mädchen wie Nia treffen würde, wäre der Kampf vorüber, ehe er wirklich begonnen hatte. Auf keinen Fall würde er gegen sie das Schwert erheben.
Theodor Jornis ist offline  
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Alt 23.08.2017, 09:40
#9
Theodor Jornis
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Zu sagen, ihm wäre schlecht vor Aufregung gewesen, wäre vielleicht etwas übertrieben gewesen. Aber als Theodor in voller Rüstung mit seinen Konkurrenten im Ring stand und dabei zuhörte, wer gegen wen antreten würde, war ihm doch flau im Magen. Außerhalb von Übungskämpfen hatte er noch nie gegen einen anderen Menschen gekämpft und wen auch immer das Los ihm zuordnen würde: Er war ihm hoffnungslos unterlegen. Das war kein Wunder, schließlich war er auch der jüngste in der Runde.

Aber ein Zurück gab es nicht mehr und das Blut rauschte in Theodors Ohren, als er gleich für den ersten Kampf ausgelost wurde. Larinda Karntus sollte sein Gegner sein, doch Theodor war so mit dem Versuch beschäftigt, ihr Können einzuordnen, dass er die elementarste Auffälligkeit glatt übersah.

"Ihr braucht mich nicht zu schonen, nur weil ich eine Frau bin", sagte sie noch zu ihm und da fiel es dem Jungen wie Schuppen von den Augen. Er war so konzentriert auf den bevorstehenden Kampf gewesen, dass er gerade dabei war, seine ehernen Grundsätze zu brechen. Doch es war zu spät. Analope Gatek hatte den Kampf bereits eingeläutet und wenn er sich jetzt nicht vor allen lächerlich machen wollte, musste er kämpfen.

Anfangs umschlichen sich die beiden nur, deutlich nervös, als erste aus der Gruppe einem fremden Gegner gegenüberzustehen. Keiner kannte den anderen wirklich und so bestand die erste Hälfte des Kampfes nur daraus, sich gegenseitig ein wenig zu kabbeln und die Schwachstellen zu suchen. Doch dann nahm der Kampf Fahrt auf und wenngleich Theodor nach Kräften austeilte, war ihm die Falkensteinerin doch immer eine kleine Nasenlänge voraus. Deshalb war auch niemand mehr überrascht als er, als er einen so glücklichen Zufallstreffer landete, dass Larinda zu Boden ging und der Kampf beendet war.

Doch Theodor war mit dem Ergebnis ebenso unzufrieden, wie seine Gegnerin. Nicht, dass er erwartet hätte, besonders weit in diesem Turnier zu kommen. Er wollte einfach neue Erfahrungen sammeln und sehen, was seine bisherige Ausbildung taugte. Weiterkommen war aber auch nicht schlecht. Aber nicht, wenn er das Gefühl hatte, seine Gegnerin übervorteilt zu haben. Und jetzt war sie aus dem Rennen, obwohl er gar nicht gegen sie hätte kämpfen dürfen.

.....

Theodor hatte sein erstes Holzschwert schon geschenkt bekommen, ehe er laufen konnte. Er war praktisch mit diesem Werkzeug aufgewachsen und für sein Alter konnte er auch immer gut damit umgehen. Gegen die Großen durfte er aber natürlich noch nicht kämpfen, als er ein siebenjähriger Knabe am väterlichen Hof des Herzogs von Sneholm war. Er kämpfte gegen seinen Waffenmeister und gegen seine Übungspuppen, wobei diese Kämpfe meist nur darin bestanden, immer auf eine bestimmte Stelle zu hauen, die der Meister vorgab. Theodor reichte das nicht, und wenn er nach Schule und Waffenunterricht endlich in seine Freizeit entlassen wurde, führten ihn seine Schritte oft in die Schmiede des Rüstmeisters.
Es waren nicht nur die Waffen, die ihn hierher zogen, sondern auch die kleine Anne. Sie war genauso alt wie Theodor und mindestens genauso versessen auf den Schwertkampf, wie er. Ihr liebstes Spiel war "Ritter und Räuber", wobei sie sich manches mal ernsthaft darüber in die Wolle gerieten, wer der Ritter sein durfte und wer der Räuber sein musste. Sie teilten sich Theodors kleines Pony Frido, galoppierten damit über die Wiesen, bis sie sich irgendwo im Wald Äste suchten und sich einem spielerischen Zweikampf stellten.
Auch heute hoffte Theodor, wieder mit seiner Freundin spielen zu können. So kam sie ihm auch gleich entgegengelaufen, als er die Schmiede betrat. Eigentlich hätte sie hier als Mädchen nichts zu suchen gehabt, aber der Schmied hatte keinen Sohn und sie war ein Wildfang. Also durfte sie dem Vater bei der Arbeit helfen, die Kohlen herbeitragen und die Klingen polieren.
Heute hatte sie ein längliches Bündel dabei, das sie gleich an Fridos Sattel schnallte, als der Knecht das Pony brachte. Es kam immer wieder mal vor, dass der Schmied den Kindern Holzschwerter und Schilde zum Spielen bastelte. Allerdings waren die beiden Freunde oft so rabiat, dass sie nicht lange hielten.

Als die beiden an ihrer Lieblingslichtung ankamen, waren es allerdings keine Holzschwerter, die Anne aus ihrem Bündel holte. Es waren echte Klingen. Kurzschwerter, zwar nicht für Kinder gemacht, aber für zwei wagemutige Ritter von genau der richtigen Größe. Theodor hatte zwar zu seinem letzten Geburtstag von seinem Vater ein solches Schwert geschenkt bekommen (nur ein wenig aufwändiger gearbeitet), aber der Vater hatte ihn schwören lassen, das Schwert nur unter der Aufsicht des Waffenmeisters zu benutzen. Aber von einem einfachen Eisenschwert hatte er nie etwas gesagt!
"Weiß dein Vater das?", fragte Theodor unsicher. Echte Waffen hatte der Schmied ihnen noch nie mitgegeben.
"Bist du bescheuert?", konterte Anne. "Er macht gerade eine ganze Wagenladung davon, da hab ich zwei gemopst."

Jedes Mal, wenn die Klingen zusammenschlugen, gab es ein herrliches Geräusch und den ganzen Nachmittag lachten die Kinder und tobten über die Lichtung. Doch dann passierte es. Eben noch lachte Anne fröhlich und schwang ihr Schwert Theos Schlag entgegen, da lag sie auch schon auf dem Boden. Plötzlich war sie leichenblaß und Blut sickerte aus einer Wunde an ihrer Schläfe. Sie atmete noch, aber Theodor schaffte es nicht, seine Freundin auf das Pony zu hieven. Also schwang er sich auf Fridos Rücken und eilte im gestreckten Galopp nach Hause, um Hilfe zu holen.

Die Konsequenz dieses Unfalls war es, dass Theodor den Hof seines Vaters verlassen und zu seiner Tante nach Britannia reisen musste, um dort in einem anderen Klima zu lernen, was ein echter Ritter war. Solche Reisen waren für Kinder aus gutem Hause nichts Ungewöhnliches, im Gegenteil: Wurde ein Junge am elterlichen Hof ausgebildet, statt an dem eines befreundeten Ritters, fragten sich die Menschen schnell, warum man ihn nicht fortschickte. Ob der Vater Angst hätte, dass der Sohn ihm in der Fremde Schande machte?
Doch Theodor war bei allem Ungestüm ein heller Kopf und er wusste, dass er sich nicht auf eine normale Bildungsreise begab, sondern dass diese Verbannung, wie er sie empfand, auch eine Strafe war. Doch schlimmer als die Strafe war der Gedanke an Annes Schicksal, das er allein zu verantworten hatte. Und deshalb schwor er sich, nie wieder einer Frau im Schwertkampf gegenüberzutreten, wenn es nicht zwingend erforderlich war.

.....

Theodor hatte seine Beweggründe nur angedeutet, aber Larinda hatte Verständnis für seine Entscheidung und schien ganz froh über sein Angebot zu sein, vom Turnier zurückzutreten. Natürlich hätte Theodor gerne weitergekämpft, aber er hatte unverdientes Glück gehabt und es war nicht recht, seine Gegnerin das büßen zu lassen. Daher ließ er sich auch auf keine Diskussionen mit Analope ein. Es tat ihm leid, sie vor den Augen des Königs zu brüskieren. Aber sein Vater wusste, warum Theodor nicht gegen Frauen kämpfen wollte und er billigte die Entscheidung seines Sohnes. Und das war im Grunde alles, worauf es ihm ankam.
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Alt 05.09.2017, 08:59
#10
Theodor Jornis
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Ein wenig missmutig saß Theodor auf seinem Lieblingsplatz, einem großen Kissen vor seinem Kamin. Er hatte sich in der Burgküche ein Körbchen mit Resten vom Ball geholt - etwas Brot, Käse, kalter Braten und eine Flasche Wein. Eigentlich hatte er bei diesem Picknick ein wenig in seinen Büchern lernen wollen, doch seine Gedanken schweiften immer wieder ab.

Der Besuch seiner Eltern hatte so gut angefangen, aber mehr und mehr entwickelte er sich zur Katastrophe. Das Lanzenturnier hatte Theodor ehrenhaft als Zeitplatzierter gewonnen und sich nur seinem Korporal beugen müssen.

Doch dann kam die königliche Audienz. Enttäuschend spärlich besucht, wenn man an die Audienzen der Herzogin dachte, und kaum einer wagte etwas vorzubringen. Dann hatte die Herzogin vorgesprochen: Ritter Algado, der sich zwei Mädchen als Knappen genommen hatte, kam seiner Aufgabe offenbar schon längere Zeit nicht mehr nach. Und weil es hierzulande keinen anderen Ritter gab, der Waffenmeister der Herzogin genug zu tun hatte und die Garde eigentlich auch, hatte Theodor sie jetzt an der Backe.

Zugegeben, er hatte es leichter: Als Prinz von Faerlan war es praktisch obligatorisch, dass er eines Tages zum Ritter geschlagen würde. Gerechtfertigt in jedem Fall, denn Theodor wusste, was von ihm erwartet wurde und handelte danach. Und genau das war auch das Problem: Die Mädchen wussten es nicht und brauchten auf ihrem Weg offenbar Anleitung. Großartig. Jetzt durfte er also das Kindermädchen spielen. Wenn sie allerdings glaubten, dass er ihnen etwas über den Schwertkampf zeigen würde, hatten sie sich geschnitten. Und überhaupt: Wenn Korporal Gatek ihn zu Übungskämpfen mit den Mädchen zwingen wollte, konnte er mal lernen, was königliche Sturheit bedeutete!

Theodor haderte immer noch ein wenig mit seiner Herkunft und wusste nicht, wie er seiner Rolle als Kadett und Prinz gleichermaßen gerecht werden sollte. Aber der Besuch seiner Eltern hatte ihm durchaus ein wenig mehr Bewusstsein für seinen Stand eingeimpft - und zu was es ihn verpflichtete und befugte.

Er bedauerte es sehr, dass sein Weg bei der Garde nicht weit führen würde. Nur noch wenige Jahre bis zu seiner Volljährigkeit und dann würde er sich den Plänen seines Vaters nicht mehr entgegensetzen können. Das wollte er auch gar nicht, aber bis zu einem Offizier der Garde hätte er es gerne noch geschafft.

Nachdenklich steckte Theodor sich ein Stück Käse in den Mund und kaute es langsam. Wie gemütlich sein eigenes Haus war! Sein Refugium, in das er niemanden einlassen musste. In dem ihm niemand etwas über Ordnung erzählen durfte. Schade nur, dass er trotzdem die meiste Zeit in der Akademie schlief, weil er sich spätabends nach Dienstschluss nicht noch auf den weiten Weg nach Minoc machen wollte.

Aber war das alles wichtig? Es bereitete Theodor Kopfzerbrechen, wie es jetzt in Britannia weitergehen würde. Man nahm nur Falkenstein: Theodor war überzeugt davon, dass das Dorf über kurz oder lang noch mächtig für Ärger sorgen würde. Einige der Bewohner hatten ihre Feindseligkeit gegenüber Herzogtum und König nur zu deutlich gezeigt. Andererseits hatte er dort auch einige Menschen kennen gelernt, die durchaus vernünftig und freundlich waren. Er konnte nur hoffen, dass es nie zu einem offenen Konflikt kam, denn Theodor wollte sich seine Sporen eigentlich nicht auf heimischem Boden verdienen müssen.

Aber was war schon Falkenstein im Vergleich zu den jüngsten Ereignissen? Theodor hatte sich erfolgreich vor dem Turnier in Fenisthal gedrückt und deshalb erst aus den Gardeakten erfahren, dass eine Schwester des Klosters die Königin beleidigt hatte. Anschließend hatte es dann noch Proteste gegen die Verhaftung der frechen Schwester gegeben.

Seufzend spülte Theodor den Rest Käse mit einem Schluck Wein herunter: Minocer Berghang, eher herb, aber sehr geschmackvoll. Er hätte gedacht, wenigstens die Menschen in Britain wüssten es besser, als den König oder die Königin in irgendeiner Form zu kritisieren oder zu beleidigen. Adalind war anderen Menschen gegenüber manchmal etwas schwierig - mit steigendem Alter und nach der langen Trennung von seiner Mutter hatte er das deutlich gespürt. Aber das änderte nichts daran, dass niemand ein solches Recht besaß.

Als einen Tag nach der Verhaftung der Ball stattfand, dachte Theodor noch, es wäre alles wieder in Ordnung. Unglaublich viele Leute waren erschienen und feierten ausgelassen. Theodor hatte neue Bekanntschaften gemacht, zum Beispiel Benja von Nyrdean, die sich am Hof um eine Anstellung bemühen wollte. Sie erinnerte ihn ein bisschen an sich selbst, als er vor knapp zehn Jahren selbst heimatlos durch Britain strich und einen Platz für sich suchte. Aber auch Elfen und einen Zwerg gab es zu sehen.

Als Theodor am Abend nach dem Ball in sein Bett gefallen war, dachte er noch, dass jetzt nichts mehr schiefgehen würde. König und Königin würden bald abreisen und es waren keine weiteren Auftritte mehr geplant. Als er am nächsten Abend zu einem Elternbesuch die herzogliche Residenz aufsuchte, musste er allerdings feststellen, dass alles noch viel schlimmer geworden war.
Am Eingang der Residenz lief er dem Inquisitor in die Arme. Er war zwar aufgeräumter Stimmung, doch der Höflichkeitsbesuch war schon eine Weile her und Theodor befürchtete, dass der Kirchenmann jetzt wegen dem Vorfall mit dieser Klosterfrau Ärger machen wollte. Er war als Inquisitor berechtigt, frei und fordernd mit dem König zu sprechen, ohne Folgen fürchten zu müssen. Deshalb konnte man ein Zusammentreffen mit ihm durchaus als beunruhigendes Ereignis bezeichnen.
Als er das Gemach seiner Eltern betrat, wurden seine Befürchtungen bestätigt. Die Königin war rasend vor Wut und sein Vater zwar deutlich ruhiger, aber doch ebenfalls sichtlich schlecht gelaunt. Kein Wunder, denn der Paladin Volaris hatte gegenüber der Inquisition Anklage gegen die Königin erhoben - wegen Unzucht!

Natürlich darf die Inquisition das. Aber es war doch so absurd! Adalind war glücklich mit seinem Vater verheiratet! Und der Korporal war ebenfalls glücklich verheiratet. Er hatte ein kleines Kind, herrje. Natürlich konnten Männer bei einer schönen Frau schwach werden, aber die Rede war hier ja nicht von irgendeinem Luder, sondern seiner Mutter! Nungut. Die Anschuldigungen konnten die Königin nicht an ihrer Abreise hindern, aber Theodor würde zukünftig ganz genau Augen und Ohren offenhalten.

Es war diese Unterstellung an seine Mutter, die ihn am meisten erschüttert hatte. Er hielt sie für tugendhaft und treu, nein er war überzeugt davon und jeder, der anderes behauptete, beleidigte nicht nur die Königin, sondern auch ihre Familie. Schön. "Wer Wind sät, wird Sturm ernten.", grollte er in seinen Weinkelch. Dann warf er ihn wütend in den Kamin, schnappte sich sein kostbares Schwert und marschierte zur Burg, um jetzt am späten Abend noch irgendjemanden zu finden, mit dem er sich bei einem Übungskampf abreagieren konnte.
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