19.06.2017, 07:51 |
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Reisender
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Der kleine Drachentöter existierte nicht mehr.
Theodor wusste, dass seine Eltern ihn nicht wirklich aus seiner Heimat verbannt hatten. Es hatte einige Jahre gedauert, um das zu akzeptieren, aber trotzdem fühlte es sich noch immer ein wenig bitter an, wenn er an das Zuhause dachte, das er nicht mehr hatte und lange nicht mehr haben würde. Er hatte sich ungeliebt gefühlt, als seine Eltern ihn zur Erziehung zu seiner Tante schickten, die er in seinem Leben erst einmal gesehen hatte. Sie hatte die besseren Verbindungen, hatten sie gesagt. Die besseren Möglichkeiten für eine gute Ausbildung. Und ein besonneneres Temperament, das das seine vielleicht auch befrieden würde. Theodors erste Reaktion war die Flucht aus den Fängen seiner Aufpasser gewesen, sobald diese zum ersten Mal ihren Blick abgewandt hatten. Wochenlang hatte er sich durchgeschlagen und davon profitiert, dass seine Bewacher sich zu sehr schämten, um seinen Verlust voreilig an die Eltern zu melden. Das ungebundene und freie Leben hatten allerdings ein jähes Ende gefunden, als der Winter kam. Vor Hunger und Kälte hatte er sogar sein geliebtes Pony verkaufen müssen und als er sich nicht mehr anders zu helfen wusste, war er beim Grafen von Britain vorstellig geworden und hatte ihn um seine Hilfe gebeten. Er gab ihm etwas zu essen und eine warme Unterkunft. Außerdem löste er sein Pony wieder beim Händler aus und Theodor war ihm dafür zutiefst dankbar. Allerdings reichte seine Dankbarkeit längst nicht so weit, dass er sich im Tausch zu seiner ungeliebten Anverwandten bringen lassen wollte. Und so verband er geschickt kindliche Fantasie und frühreife Kreativität, um seinem Umfeld so manchen Bären aufzubinden, nur um weiter frei und ungebunden leben zu können. Doch auf lange Sicht half alles nichts, und so landete er am Ende doch bei seiner Tante. Die tat genau das, was seine Eltern angekündigt hatten: Nachdem sie ihn noch ein wenig aufgepäppelt hatte, suchte sie ihm einen Lehrer, der ihm ein wenig über den Umgang mit Waffen, gutes Benehmen und das Leben im Allgemeinen beibrachte. Allerdings war der Unterricht bei weitem nicht so spannend, wie erhofft. Kleiner Knirps, der er damals noch war, hielt man ihn eher von der Waffe fern und konzentrierte sich darauf, ihn für das Leben eines Soldaten abzuhärten. Als sein Lehrer dann eines Tages unerwartet starb, trauerte Theodor zwar pflichtschuldig, war am Ende aber froh, ihn los zu sein. Mit der Freiheit war es dennoch vorbei, denn schon wenige Wochen später hatte sein Vormund bereits ein paar neue Fäden gezogen und so fand er sich jetzt als Kadett der herzoglichen Garde wieder. Theodor saß auf dem oberen des Doppelbettes im Schlafsaal für die Kadetten. Er hatte seine Kettenrüstung ausgezogen und gegen die Gardeuniform getauscht. Jetzt hatte er die Metallketten auf den Knien, strich versonnen mit den Fingern darüber und war glücklich, dass er jetzt mit vierzehn Jahren endlich eine eigene Rüstung tragen durfte. Sogar eine Waffe hatte man ihm gegeben. Zwar hatten seine Eltern ihm zum Abschied ein Schwert geschenkt, doch war es eher als Andenken und zur Übung gedacht. Dieses Gardeschwert aber war ihm ausgeteilt worden in der Absicht, ihn damit auch kämpfen zu lassen! Es war ihm egal, dass er in der Hackordnung der Garde ganz unten stand - als Kadett ebenso wie als Jüngster. Es war ihm auch egal, dass die anderen eindrucksvolle Panzerrüstungen trugen und er nur ein Kettenhemd. Er hatte kein Problem damit, morgens in der früh aus dem Bett geworfen zu werden, um anschließend seine Runden um das Schloss zu laufen und in der Küche beim Frühstück zu helfen. Selbst mit dem Unterricht hatte er kein Problem, denn hier ging es um Taktik, Gesetze und Lösungsstrategien. Theodor hatte so eine Ahnung, dass er niemals so lange bei der Garde würde bleiben können, wie die Kameraden. Aber er fühlte sich angekommen und war glücklich. Aus dem kleinen Drachentöter Theo war Theodor der Soldat geworden. |
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