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Alt 21.08.2022, 14:38
#3
Mila Vandorez
Reisender
 
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3. Kapitel – Britannia

Garus hatte mir all das Gold gegeben, das wir noch besaßen und die wertvollen Dinge für sich behalten. Er wollte sehen, ob er sie für eine zweite Fahrt teuer verhökern konnte, um nachzukommen. Ich war nun hier, auf dem Schiff ins Herzogtum Britannia, in die Stadt Britain. Es war mir fremd und ich besann sich auf die Worte meines Bruders. „Sieh zu dass du in Form kommst und bring soviel als möglich in Erfahrung. Wenn alles gut geht, werden wir uns dort eine neue Heimat aufbauen.“ „Und wenn nicht alles gut geht?“ hatte ich gefragt und wollte lieber nicht aussprechen was mir auf der Leber lastete. Mich jetzt von meinem Bruder, dem letzten bekannten Gesicht zu trennen, behagte mir gar nicht, auch wenn ich es nie mit einem Wort sagte. „Dann werden wir eben weiterziehen.“ Hatte er entschlossen gesagt.

Die Überfahrt war stürmisch, aber die Mannschaft machte den Eindruck, als würden sie solche Wetterlagen regelmäßig überstehen und als ich im Dunkeln die ersten Schritte an Land tat, war ich dankbar für den festen Boden unter meinen Füssen. Ich hatte etwas mit der Seekrankheit gekämpft, doch legte sich diese Übelkeit rasch wieder. Bereits am nächsten Morgen konnte ich voller Appetit essen und auch wenn es kein Festmahl war, so war ich froh Fleisch zwischen den Zähnen zu zerkauen. Mehr befehlsgesteuert als aus eigener Freude hatte ich einen Ort gesucht, an dem ich die verlorene Masse meines Körpers weiter in Form bringen konnte und verbrachte die folgenden Tage mehr einsam und meditativ mit den Übungen, die ich aus dem Dienst noch kannte. Mein Körper erinnerte sich schnell an das, was er einst gelernt hatte und so begann mein Verstand bald auch sein übriges zu tun, um in die tolerierbare Normalität zurück zu kommen. Ich hatte erste Kontakte vorsichtig gesucht, doch die Eindrücke prasselten schneller auf mich ein, als dass ich reagieren konnte. Vorsicht war mein oberstes Gebot in den letzten zwei Jahren geworden und schien wie eine schwere Kette an meiner Intuition zu hängen. Britain war der goldenen Perle ähnlicher als ich erwartet hatte, nur kälter und wie die ganzen anderen Ortschaften, durch die wir zogen, durch die Krone organisiert. Es gab Edelleute, statt Ratsherrn und wie ich hörte plagten diese sich mit den Machenschaften der Widersacher herum, welche wiederum ihre Gelüste an der unteren Kaste ausließ. Ich hatte etwas von Ritualmorden gehört, das war ein wenig anders, glaubte ich zumindest, als in meiner Heimat. Dort waren es eher Erpressungen, Zwangsarbeiten und Entführungen die über die unteren Kasten ausgelassen wurden, doch vielleicht gab es auch in meiner Heimat Ritualmorde und ich hatte nur noch nichts davon gehört. Selbst wenn es sie nicht gab, jetzt gab es sie bestimmt. Ich wusste nicht was aus meiner Heimat wurde, nachdem die Invasoren kamen und die ersten Flüchtlinge die Kronländereien erreichten, kamen uns immer mehr Truppen der Krone entgegen. „Warum schließen wir uns dem Heer nicht an und kämpfen für unsere Heimat?“ Hatte ich Garus mehr als einmal gefragt und bekam stets die selbe Antwort. „Weil es nicht mehr unsere Heimat ist. Wir wurden besiegt. Du glaubst doch nicht wirklich, dass die königlichen Truppen die Stadt, sofern davon noch was steht, von den Invasoren befreien und uns dann sagen, macht mal weiter wie bisher?! Die werden sagen, dass es seid je her der Krone gehörte, irgendeinen Edlen dahin exilieren, der sich unbeliebt gemacht hat und dann wird es nach deren Nase gehen.“ „Und was ist daran dann so anders, als wenn wir in ein anderes Lehen ziehen? Da sitzt auch irgendein Edler der das Land so nach seinem Gutdünken führt und für die Krone hält.“ Die Logik mit der mein Bruder argumentierte, fehlten Hand und Fuss in meinen Augen, dennoch schien ein Winkel meines Herzens ihn zu verstehen. Im neuen Land würde man nicht an jeder Ecke die Leichen der Freunde und Familie sehen, die dort fielen und lagen, als die Invasoren einfielen. Nichts würde an diese Schrecken erinnern und ich wusste das auch die Erinnerung an die Niederlage meinem Bruder schwer zu schaffen machte.

Fast täglich war ich in der Übungshalle und lernte dort Larinda Karntus kennen. Sie war Wachschutz im Britainer Handeslhaus. Wir freundeten uns an und in mir bildete sich ein Ziel. Das Ziel einer Siedlung für Krieger wie Garus und mich. Wir waren an unsere Grenzen gebracht worden, doch wir gaben nicht auf. Im Gegenteil, als ich in Britain ankam, war ich bereit, dieser Erfahrung erneut die Stirn zu bieten – nur besser vorbereitet. Ich wollte schon damals gegen das Böse kämpfen, gegen die Invasoren und ihre Sklaven. Doch wollte ich es mir keinesfalls mit den Göttern verscherzen, wenn mein neu geborener Glaube noch in die Windeln nässte. Ich wollte frei handeln dürfen, frei entscheiden dürfen. Wenn ich heute ehrlich zu mir selber bin, glaube ich, dass ich zu jener Zeit einfach so entscheiden wollte, wie ich es für richtig hielt. Wie schon erwähnt, verführte mich Lorica lange. Als ich meine alte Masse zurück gewonnen hatte und mich in Form fühlte begann ich, mich auf Straßenkämpfe einzulassen. Gleichzeitig zog es mich in die Gruft. Ich hatte kein Gold, nur einen bronzenen Krummsäbel. Ich hatte nur Stoffkleidung und gerade genug Gold, um mir den Bauch zu füllen. Und ebenso, zog ich schließlich nach Wochen in der Übungshalle, in die Gruft Britains. Es war nicht nur der Antrieb mich selbst wieder neu zu positionieren im Leben, es war mehr, dass mich dort etwas hinunter zog. Heute würde ich sagen, habe ich dort unten meine Erlebnisse verarbeitet. Mich diesen Bildern aufs Neue gestellt, wohl wissend, dass sie nur ein blasser Schatten dessen sind, was meine Augen blickten. Damals erschien es mir wie eine Art magische Anziehungskraft und ich kam mir reichlich unbeholfen bei meinem Tun vor. Einerseits spürte ich etwas beim Kämpfen mit diesen Geistern, das etwas mit dem Tod und dem Bösen zu tun hatte, andererseits fledderte ich die Leichen auf Zeug das sich verkaufen ließ. Meine erste eigene Rüstung bestand aus gefledderten Einzelteilen und aus irgendeinem unerfindlichen bizarren Grund erfüllt mich das mit Stolz. Ich fing ganz unten an. Ich ging den Weg des Kriegers. Der Zugriff auf die Beute, bedeutete den Sieg und der Sieg bedeutete Macht über das, was mir zwei Jahre meines Lebens und die Liebe raubte. Ich hatte die Stärke und die Macht gegen das Böse, das Untote zu bestehen und mich für das Leben – mein Leben einzusetzen, wie ich damals glaubte. Auch dies war eine seltsame Zeit, die ich zum Glück heil überstand. Denn wenngleich ich, das erlebte verarbeitete und meinen Körper und Geist gegen das Böse, das Unnatürliche und Gefährliche schärfte, ihm seine Gefahr nicht absprach, aber den Kampf damit suchte, war mir irgendwo in einem Winkel meines Verstandes bewusst, dass meine Leichenfledderei auch eine gefährliche Richtung einschlagen konnte. Ich versuchte mich daher stets zu sammeln, wenn ich in die Gruft ging. Sammelte und Ordnete meine Gedanken. Sprach laut zu mir selbst meine Gründe aus. „Es ist kein Leben, es ist das Böse und die Beute brauche ich zum Leben. Es ist der Lohn des Kriegers, daran ist nichts ehrloses.“
Ich tauschte meine Einzelteile mit jedem neuen Fund aus und sparte das Gold.
Ich hatte Bekanntschaft mit Xorlosch gemacht und der Preis seiner Rüstung und der Waffe lag bei einer halben Million.

Garus war längst in Britain eingetroffen und gemeinsam übernahmen wir die Übungshalle als unser Revier. Wir waren wie kleine Wölfe die ihr Territorium absteckten. Handwerker nahmen wir nicht wirklich ernst, wir hatten einfach keine Berührungspunkte mit ihnen, abgesehen von den Schmieden, die wir dank unser Mutter immer hoch respektierten. Für uns existierten nur andere Krieger und ihre Bereitschaft zum kämpfen oder ihr angehäufter Ruhm. So dauerte es nicht lange ehe wir in der Bärenhöhle in den Dunstkreis von Varkon Karnis, Darok Vandrak, Demron Valka und Bargon Ferilan gerieten. Auch andere Krieger waren dort und bald lernten wir noch die Brüder McGinnis kennen. Garus hatte entschieden das wir bleiben würden und den Grundstein für eine neue Existenz somit gelegt. Von da an übernahm ich die Führung. Ich entwickelte den Plan für die Siedlung immer weiter. Gewann Leute für die Sache, machte mir auch den ein oder anderen Feind, und holte Erkundungen über das Land ein. Falkenstein war damals kaum bis gar nicht bewohnt. Es standen zwar alte Lederhütten zu einer Siedlung, doch sie waren nicht bewohnt. Die Bauern weiter im Süden bekamen uns lange nicht mit. Die Felder bei den Lederhütten waren schon Jahre nicht mehr bestellt worden. Binnen 8 Wochen hatte ich mir von der einsamen Fremden einen Namen als Emporkömmling in der Kriegerkaste Britains gemacht.
Ich kann mich noch erinnern, als mir Avarion Belatar half Bäume zu entwurzeln. Ich brachte viel Wut und Zerstörung dieser Tage mit mir. Nicht selten raufte ich mich in der Bärenhöhle oder im Seefahrerkontor. Doch wieder war es ein besonderer Umstand, ein besonderer Segen vielleicht, der mir meine Mentoren an die Seite stellten. Liandrel und Bargon Ferilan. Vor beiden sollte man sich besser in Acht nehmen. Liandrel entging die Zerstörung nicht die wir in Falkenstein anrichteten. Vereinzelte Bäume mussten für den Häuserbau weichen, ich war und bin der Ansicht, dass man sich mit dem Bau von Häusern an der Schönheit der Natur vergreift, doch wie wir Essen wollen, so wollen wir auch ein sicheres Heim für uns und dem Leben das uns auf die ein oder andere Art und Weise wichtig ist. So sollte man achtsam vorgehen, wenn man seinen Wunsch gegenüber der Natur erfüllt und nicht plan- und sinnlos Stein auf Stein stapeln, nur um dann sagen zu können: „Meins“. Als Liandrel kam, kam er nicht alleine. Drei Waldelfen suchten uns auf und stellten uns, Garus und mich zur Rede. Liandrel verstand den Wunsch nach einem sicheren Heim und das wir Menschen dabei recht rabiat vorgehen, war ihm nicht neu, doch damit wollte er sich nicht zufrieden geben. Schließlich gab ich ihm mein Ehrenwort und machte damals ziemlich viel Tamtam darum, ich versprach ihm, dass für jeden Baum der weichen musste, einen Neuen pflanzen würde Das wir das Holz das wir ernten mit Respekt zu unserem Zuhause verarbeiten würden und den Boden dem wir Gruben und Risse antaten keine Pflastersteine über größere Flächen antun würden. Wir wollten uns einnisten, um dann wieder von der Natur umfangen zu werden. Dieses Bild hatte sich zweifelsohne durch meine Offenbarung an der Mühle geprägt. Ab jenem Tage an sah ich Liandrel regelmässig. Er verfolgte das gesamte Geschehen und lehrte mich. Er lehrte mich über die Gefahr dämonischer Knochen, er lehrte mich über die dämonischen Einflüsse auf Britannia die überall in dunklen Ecken lauern, zum Teil gefangen von ihrer eigenen Vergangenheit, und darauf wartend, dass sich irgendjemand an sie erinnert. Er brachte mich zu jenen Orten, erzählte mir ihre Geschichte und warnte mich immer auf der Hut zu sein, wenn solche Tore der Erinnerungen geöffnet werden. Er erzählte mir vom Süden hinter Aldfur, er erzählte mir vom Fluch Yews und auch von anderen Gefahren aus Yew, er erzählte mir von der Herzogin und dem Grafen von Britain. Er leitete meinen Geist durch all meine Wut, verlor mich nie aus den Augen. Und doch, ich empfand ihn als putzig, wenn er die Beine zur Seite gegrätscht später vor meiner Kiste saß und darin ungefragt herum wühlte. Die Freundschaft zu Liandrel hielt bis zu meiner Abreise. Seitdem sah ich ihn nie wieder.

Als die ersten Sockel in Falkenstein standen waren wir Falkensteiner bereits zu einer stolzen Rotte gewachsen mit 5 Kriegern, einem Schützen und drei Handwerkern. Tormen Kruger, der Schütze war damals neben meinem Bruder mein treuester Kampfgefährte. Nachdem ich die Rüstung bei Xorlosch einlösen konnte, zogen wir oft mit Vandrak und Karnis los. Doch auch mit den Brüdern McGinnis war ich viel unterwegs. Ich erinnere mich, wie ich zunächst Jerome kennenlernte. Das war noch in der Britainer Übungshalle. Er erzählte mir von seinen drei Brüdern. Zwei gingen dem Bergwerk und Schmiedehandwerk nach, der Älteste, Dominik sei jedoch auch Krieger, doch hätte er sein Feuer verloren. Später traf ich auf Dominik und ich war angenehm überrascht, dass er nicht ebenso nervig wie sein jüngerer Bruder war. Wir einigten uns auf ein Zusammentreffen in Falkenstein, damit ich ihnen meine Ziele vorstellen konnte. Ich weiß noch wie Jerome als Erster da war, wie er über seinen Bruder sprach, als müsste er sich für ihn entschuldigen. „Er ist manchmal ein bisschen anders, nicht jeder kommt mit ihm aus. Aber im Kern seines Herzens ist er ein anständiger Kerl.“. Ich dachte damals, dass er, Jerome McGinnis der Seltsame der Familie ist. Ich hatte viele Auseinandersetzungen mit ihm. Immer und immer wieder schwallte er vor sich her, reizte meine Nerven, meine Wut und meinen Zorn. Täglich verprügelte ich ihn oder besiegte ihn in Übungskämpfen. Er bekam von mir den Beinamen „der Rote“, nicht etwa in Anlehnung an seine feuerrote Haarpracht, die auf mich schon sehr absonderlich wirkte, sondern in Anlehnung an das berühmte rote Tuch, das er für mich wurde. Wohingegen sich mit Dominik etwas gänzlich anderes entwickelte. Dominik ließ keinen Zweifel daran, dass er an mir interessiert war, er feierte mich und ich war äußerst beliebt bei ihm. Er gab mir etwas, dass ich mir als junges Mädchen mal gewünscht hatte. Er war fast doppelt so alt wie ich und wenn wir uns nahe kamen spürte ich wieder diese andere Wahrnehmung meines eigenen Körpers, wie er auf den seinen reagierte. Doch bis heute zögere ich zu sagen, dass ich ihn von Herzen liebte. Er war mir zweifelsohne wichtig. Wichtig genug, dass ich die Meinung meines Bruders überging. Doch wer weiß, ob ich getan hätte, was ich tat, wenn ich ihn wirklich geliebt hätte, die meisten die diese Geschichte kennen, glauben nicht daran, dass ich ihn wirklich liebte. Heute ist mir das nicht mehr wichtig. Wichtig ist nur, dass er ein sehr wichtiger Mensch für mich war, dabei spielt es keine Rolle wer er heute ist oder wer ich heute bin. Der Dominik McGinnis von damals wird immer einen Platz in meinen Erinnerungen haben.

Nach etwa einem dreiviertel Jahr hatten wir die Grundgebäude von Falkenstein errichtet. Larinda Karntus, Tormen Kruger, Zamira Verrar, die Geschwister McGinnis und wir, die Geschwister Vandorez. Ich war auf dem absoluten Höhenflug meines Lebens. Ich hatte alles. Gold, eine neue Heimat, Stärke, ein gutes Schwert und eine gute Rüstung. Ich war die Anführerin unserer Rotte, egal was die sich da untereinander ausmachen wollten. Ich hatte die Kontakte zur Kriegerkaste, einen waldelfischen Mentor und Ruhm. Es war im Lorica meines Ankunftjahres, als Britain zur Heerschau rief. Yew wurde von Dämonen angegriffen, mehr wusste ich nicht, als ich mich zum Kampf meldete. Doch ich war entschlossen.
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Geändert von Mila Vandorez (21.08.2022 um 14:40 Uhr).
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