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Alt 29.09.2006, 08:35
#67
Chana Boroda
Reisender
 
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Endlich schlief Nilan. Leise schloss Chana die Türe zu seinem Zimmer und blieb einen Moment an selbiger gelehnt stehen, schloss die Augen und ein leiser Seufzer entfuhr ihr. Eine Etage weiter oben ertönte in diesem Moment ein heiteres Glucksen und Lachen von Tayra, als würde sie…Chana stieß sich vom Türrahmen ab und schickte der Decke einen Blick mit geschlitzten Augen. Sie wollte sich lieber nicht weiter vorstellen was dort oben in Tayras Zimmer vor sich ging und eilte die Treppe hinab.

Mit einem lauten Krachen warf sie die beiden schweren Eingangstüren hinter sich zu und eilte hinüber zu ihrem kleinen Turm. Ihre Hand glitt über den steinernen Arbeitstisch ehe sie daran platz nahm und den Kopf in ihren beiden Händen bettete. „Ruhe…endlich Ruhe“ murmelte sie leise vor sich her. Ein Teil von ihr wünschte sich schon wieder zurück, in diese kleine eingeschneite Hütte in der sie fast den ganzen letzten Mondumlauf verweilt hatte. Sie war erst seit zwei Tagen wieder daheim und schon lief alles aus dem Ruder zu laufen. Ihr fehlte ihr Fels in der Brandung, Tayra, der Mensch der ihr sonst in solchen Momenten Kraft gab, doch genau jene war dieses Mal Auslöser für alles, ausgerechnet mit ihr musste sie sich herumstreiten. Chana ließ sich tiefer in den Stuhl sinken und ihre Gedanken kreisten um den Abend ihrer Rückkehr vor zwei Tagen, dem Abend an dem das Übel begonnen hatte.

Endlich hatte der Schneesturm aufgehört und es war möglich gewesen an eine Heimreise zu denken. So weit war sie gar nicht entfernt gewesen von daheim, sie hatte behauptet eine kleine Studienreise zum Festland zu unternehmen, doch dort war sie gar nicht gewesen. Dennoch war sie weit genug von daheim fort gewesen um Ruhe zu finden, fast drei Tagesritte trennte sie von ihren Lieben und hier in dieser Einöde, hatte sie wohl niemand vermutet. Wald…nichts als Wald und inmitten zwei unscheinbare kleine Hütten, die wohl niemand so schnell aus Zufall finden vermochte. In einer dieser Hütten hatte sie die letzten drei Wochen verbracht, hatte fast nichts anderes getan als in eine dicke Decke eingehüllt vor dem Kamin zu verweilen und zur Ruhe zu kommen. Ihre kleine persönliche Auszeit die von Nöten gewesen war um wieder zu ihrer seelischen Stärke zurück zu finden. Es hatte es begonnen zu schneien. Es hatte begonnen, es wurde stärker…es wollte einfach nicht enden! Ein kräftiger Wintersturm begleitete dann noch das Schneetreiben und wenn sie aus dem Fenster blickte reichte die Schneeansammlung der letzten Tage geschätzterweise schon bis über ihre Knie. An einen Aufbruch war bei diesem Wetter nicht zu denken, es wäre reiner Selbstmord gewesen. So blieb ihr nichts als hoffen, hoffen das sich das Wetter änderte, denn der Gedanke daran die Grauen Tage in dieser Einöde verbringen zu müssen, nicht fähig arkane Kräfte nutzen zu können, nein der gefiel ihr ganz und gar nicht.

Doch ihre Gebete wurden erhört, Sonnenstrahlen weckten sie am nächsten Morgen und in die Decke eingehüllt wagte sie den seit Tagen ersten Schritt vor die Türe. Der Himmel war aufgeklart und Chana schirmte ihren Blick mit der Hand ab vor den weißen Massen. Sie musste jetzt aufbrechen ehe das Wetter sich wieder änderte und so ging sie ins Haus und packte die wenigen Sachen um keine Zeit zu verlieren und sich auf den Weg zu machen. Es war ein beschwerlicher Weg und Chana merkte das das Pferd schwach war. Zu allem Übel änderte sich die Wetterlage doch wieder. Die Dämmerung hatte eingesetzt und in dem dichten Schneetreiben sah man kaum eine Hand vor Augen doch etwas weiter in der Ferne sah sie Lichter. Sie wusste jene gehörten zu einem kleinen Fischerdorf und ihr war auch klar das ihr Ziel bei diesem Wetter wohl doch nicht Minoc lauten könne sondern dieses Dorf sein müsste. Am Abend hatte sie es geschafft. Auch eine Unterkunft war gefunden, alles andere als standesgemäß, aber warm und trocken. Sie verfasste einen Brief an Tayra, ihre Rückkehr würde sich wohl doch verzögern und sie wollte nicht das Tayra sich um sie sorgte.

Fünf weitere Tage Schneesturm vergingen, doch in ihrer jetzigen Herberge empfand Chana es nicht als weiter dramatisch, hier würde sie sogar die Grauen Tage noch einigermaßen gut überstehen. Es ging ihr gut, sie hatte Zeit zur Ruhe zu finden und irgendwie fand sie dieses kleine Dorf sogar noch recht idyllisch. Doch erneut sollte sich das Blatt wenden und das Wetter wurde etwas milder. Diesmal brach sie nicht gleich beim ersten aufgeklarten Himmel auf sondern wartete einen Tag ab. Als man einigermaßen davon ausgehen konnte das das Wetter beständig blieb machte sie sich auf den Weg mit einem gestärkten Pferd, auf den Weg zu ihren Lieben. Drei Morgen später zog sie schließlich die Türe zu Tayras Zimmer hinter sich zu. Ein Lächeln auf den Lippen, verursacht von dem Anblick ihrer schlafenden Schwester in deren Arm ein kleiner Junge eingekuschelt lag und ebenfalls friedlich schlief.

Eigentlich hätte Chana erschöpft sein müssen von dem langen beschwerlichen Heimweg, aber im Moment verspürte sie nichts dergleichen, nein im Gegenteil ihr war nach Gesellschaft. So zog es sie nach Britain, sie wollte wieder einmal Karolyn besuchen, es war wieder an der Zeit nach ihrer „Kleinen“ zu sehen. Sie hatte Glück, Karo war daheim und die beiden Frauen hielten einen angeregten Plausch während sie einen köstlichen und wärmenden Eintopf zu sich nahmen. Stunden später nahm Chana Neuigkeiten mit auf ihren Weg Richtung Tala. Karo würde heiraten, diesen Jäger. Chana war anfangs nicht begeistert gewesen, hatte dann aber eingesehen das es eh nichts nützen würde ihren Unmut darüber zu äußern. So zeigte sie Karo lieber das sie hinter ihr stehen würde und nahm sich fest vor in Zukunft öfter ein Auge auf die junge Frau zu werfen.

Vor dem Tala angekommen blickte sie auf die Kehrseite eines ihr all zu bekannten Wesens. Es war Tayra, im Gespräch mit einem Mann, den auch Chana kannte. Lange hatte sie ihn nicht hier gesehen, doch sie erinnerte sich nur zu gut daran das er es verstand die Damenwelt mit geschwollenen Reden zu betören, was er wohl auch gerade bei Tayra tat. Sie ließ die beiden ein wenig plaudern, immer noch von Tayra unbemerkt ehe sie das Wort erhob. Sofort wendete Tayra sich herum und wenige Momente später lagen sich die beiden Schwestern in den Armen und gaben sich ihrer Wiedersehensfreude hin. Man ging hinein in den Tala. Gleich als sie eingetreten war bemerkte Chana zu ihrer rechten verkohlte Fetzen welche einmal einen Vorhang dargestellt hatten. Mit erhobener Braue betrachtete sie diese, wohl wissend dass hier irgendetwas geschehen sein musste, schenkte selbigem dann aber erst einmal weniger Aufmerksamkeit, sicher gab es erst einmal angenehmeres zu bereden.

Die drei suchten sich einen ruhigen Tisch im Hinterraum der Taverne und ihr Begleiter ließ seinen Charme spielen und beköstigte die beiden Frauen mit köstlichem Wein und Trauben. Man unterhielt sich angeregt und immer wieder bemerkte Chana wie sein Blick zu Tayra wanderte, sie förmlich zu verschlingen schien. Schließlich berichtete Tayra wer für diese Verunstaltung in der Taverne verantwortlich war. Früher nach ihrer Ankunft als ihr lieb war wurde von Chana also wieder das altbewährte Schauspiel abverlangt und so lieferte sie es. Souverän, wie auf Knopfdruck abspielbar…und wohl nur die beiden Frauen am Tisch wussten dass es eine Lüge war, schließlich hatte sie mittlerweile mehr als Übung darin.

Das Thema wurde gewechselt, Chana war recht froh darüber und beobachtete ihre Schwester und vor allem ihren Gesprächspartner ganz genauestens, während sie sich unterhielten. Ihre grünen Augen wanderten an ihm hinab während er Tayra mit seinen Blicken auszuziehen schien. Wanderten von seinem Gesicht hinab zu seinem Oberkörper und blieben schließlich an einem Schmuckstück hängen welches auf seiner Brust ruhte. Unverblümt beugte Chana sich vor und musterte selbiges. Ihr Blick blieb von ihm nicht unbemerkt und er nahm das Stück ab und reichte es ihr als er ihr Interesse dafür bemerkte. Ganz genau musterte sie es nun und wog das glitzernde Stück in der Hand. Es zeigte eine Schlange…irgendetwas in Chana stieß eine Warnung aus während sie das Stück betrachtete. Als sie es ihm zurück reichte suchten ihre Augen seinen Blick. Die Blicke trafen sich und versanken einen kurzen Moment ineinander, nur ein sehr kurzer Augenblick, doch jener reichte um in Chana das Gefühl der Alarmbereitschaft auszulösen.

Sie versuchte selbiges zu verbergen und lauschte weiter dem Gespräch in der Runde, jedoch ohne sich groß daran zu beteiligen. Was sie wohl bemerkte war, das Tayra scheinbar sehr auf die Worte dieses Mannes anzusprechen schien. Dies gefiel ihr ganz und gar nicht. Doch langsam schlich sich die Übermüdung ein von der beschwerlichen Reise und Chana verabschiedete sich. Nicht jedoch ohne Tayra einen Wink mit auf den Weg zu geben auf der Hut zu sein. Eine kleine Floskel, eine Art Passwort zwischen den beiden Frauen, sie würde genügen das Tayra verstand und niemand Außenstehendes würde jedoch bemerken das Chana ihrer Schwester eine Warnung mit auf den Weg gab.

Am nächsten Morgen hatte Chana die Ereignisse des Abends zuvor schon vergessen. Gut gelaunt stand sie in der Küche als Tayra die Treppe hinunter kam. Die beiden saßen sich am Tisch gegenüber und Chana musterte ihre Schwester genauestens. Ihr zerzaustes Haar, dieser Blick, dieses seltsame Lächeln…Chana ahnte nichts Gutes als sie mit einem simplen „und?“ mehr über den Hergang der letzten Nacht in Erfahrung bringen wollte.

Wenige Minuten später war Chana völlig außer sich. Wie konnte sie so etwas tun? Auch noch hier im Haus der beiden! Als wäre das alles nicht schlimm genug hielt sich dieser Kerl auch noch immer dort auf. Vorwürfe über Vorwürfe sprudelten aus Chana heraus und auf Tayra ein. Chana war sich immer bewusst gewesen das Tayra auf viel verzichtete zu ihren Gunsten. Doch hatte sie es niemals verlangt, Tayra hatte sich seinerzeit aus freien Stücken hinter ihre Schwester gestellt, doch war Chana eigentlich davon ausgegangen das Tayra sich der Konsequenzen darüber bewusst war die dies mit sich ziehen würde. Chana wollte keine Schwierigkeiten und sie wollte um jeden Preis das Tayras Schutz weiterhin gewährleistet war, doch sie bezweifelte arg das dies unter solchen Umständen gegeben wäre.

Das Übel kam die Treppe herunter und chana war es gar nicht unrecht, dass just in diesem Moment von oben ein zartes Stimmchen nach ihr rief. Wortlos ließ sie ihn stehen und ging hinauf um ihren Sohn zu holen. Wenig später saß sie wieder mit Nilan am Tisch, mit bockigem Blick beobachtete dieser Tayras Eroberung, beobachtete wie Tayra ihn anhimmelte und Chana bemerkte wie ihr Sohn immer ungehaltener wurde, wohl aus Eifersucht, denn immerhin war seine Tante sein ein und alles.

Im Nachhinein wusste Chana gar nicht wirklich wie es zu dem danach folgenden Eklat gekommen war. Nilan war wie ausgewechselt, so hatte sie ihren Sohn noch nie erlebt. Selbst von Tayra wollte er sich nicht berühren lassen und sie erinnerte sich nur noch daran wie sich ihr kleiner Liebling irgendwann in die Hüfte von Tayra’s Gespielen verbissen hatte, aber nicht mehr wie es dazu gekommen war. Sie hätte es ihrem Sohn übel nehmen müssen, hätte ihn dafür rügen müssen, versuchte dies auch, allerdings sehr halbherzig. Sie nahm ihren Schatz auf den Schoss und ihre Rüge dem Kind gegenüber war so liebevoll das sie wohl kaum eine erzieherische Wirkung haben würde. Innerlich war sie befriedigt und fand die Tat ihres Sohnes sogar mehr als amüsant.

Tayra war natürlich wütend darüber und verzog sich mit ihrer Eroberung in ihr Gemach um seine blutende Bisswunde zu versorgen. Chana hingegen verweilte noch einen Moment unten und kuschelte mit ihrem Liebling ehe sie mit ihm nach oben ging um vor seinem Mittagsschlaf noch ein wenig mit ihm zu spielen.

Chana öffnete ihre Augen wieder und blickte über ihren wüsten Arbeitstisch mit einem hämischen Lächeln auf den Lippen. Sie wusste nicht recht wer er war und was er vorhatte, aber eines war gewiss, sie würde es herausfinden und wenn dieser Kerl die Absicht haben sollte sich ins Tayras Leben zu schleichen…er würde es schwer haben, sehr schwer…
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Geändert von Chana Boroda (29.09.2006 um 08:43 Uhr).
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