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Alt 15.09.2019, 16:42
#4
Julie Melan
Spieler, Mensch
 
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Zur Mittagsstunde hatten sie schließlich den Hafen von Britain erreicht. Trotz des Winters herrschte dort reges Treiben. Die Fracht wurde gelöscht, Passagiere gingen von Bord. Hafenarbeiter eilten geschäftig hin und her und die Huren schreckten auch die tiefen Temperaturen nicht ab um sich leicht bekleidet anzubieten. Die Holzstege waren glitschig vom Schneematsch und so war die junge Frau froh, dass ihr ein galanter Mitreisender seinen Arm anbot um sie sicher ein paar Schritte zu geleiten bis sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Mit ihrem vollgepackten Seesack wandte sie sich gen Osten. Sie ließ den Hafen hinter sich und schritt durch die schneegesäumten Gassen, die im Licht der Mittagssonne glitzerten. Aufmerksam sah sie sich um. Es war alles so, wie sie es in Erinnerung hatte. Und das war gut so. Sie scheute Veränderungen. Zumindest solche, auf die sie keinen Einfluss hatte.

Die Überfahrt war lang und anstrengend gewesen und je näher sie ihrem Heim kam desto mehr spürte sie, wie die Erschöpfung über sie herein brach. Sie war müde und sehnte sich danach gleich in ihr weiches Bett zu fallen und den Schlaf nachzuholen, der ihr so bitter fehlte. Ermattet betrat sie die Schreinerei und hielt für einen Moment in der Tür inne um tief einzuatmen. Der Duft von frischem Holz und neuen Möbeln schlug ihr entgegen. So warm und einladend. Es roch nach Zuhause, nach einem herzlichen Willkommen. Sie schloss die Tür hinter sich, sperrte den Schnee und die Kälte aus und schritt langsam durch die Ausstellung. Ein Kribbeln breitete sich in ihrem Bauch aus. Dies war ihr Heim, ihre Werkstatt, ihre Ausstellung. Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Sie war stolz auf das, was sie sich erarbeitet hatte. Mit den Fingerspitzen strich sie über die Verzierungen des fein gearbeiteten Chembalos aus Birnenholz, welches süßlich roch. Belebend und irgendwie… betörend. Sie lachte leise auf bei dem Gedanken. Dies sollte sie besser für sich behalten. Sie glaubte nicht, das jemand je nachvollziehen könnte, wie groß ihre Liebe zum Holz war.

Das Thema Liebe hatte sie auf ihrer Reise auch sehr beschäftigt. Ein Seufzen drang von ihren Lippen, als sie daran zurückdachte. Es war wie verhext gewesen. Ständig hatte sie sich damit konfrontiert gesehen und dabei konnte sie doch so wenig damit anfangen. Ja, in ihrem Romanen in denen sie gerne des Nächtens in ihrem Bett schmökerte, drehte es sich immerzu um Liebe. Um Jungfrauen, die von edlen Prinzen vor entsetzlichen Ungeheuern gerettet wurden. Sie liebte es mit den Figuren mitzufiebern und freute sich, wenn sich am Ende der Geschichte ein glücklicher Schluss abzeichnete. Doch ging es um ihre eigene Person würde sie sich am liebsten im nächsten Mauseloch verkriechen und sich verstecken bis der Sturm an ihr vorbeigezogen wäre.

Leider war Rebyn, ihr Heimatdorf, zu klein um sich erfolgreich zu verstecken. Dabei hatte alles so harmlos angefangen…

Ihr Schiff hatte in Gurdan angelegt, wo sie, wie es der Zufall nun mal wollte, Jannes über den Weg lief; einem Freund aus Kindheitstagen. Fast hätte sie ihn nicht erkannt und wäre wohl an ihm vorbeigegangen, wenn er nicht derjenige gewesen wäre, der sie zuerst ansprach. Sein Blick hatte aber auch Unglauben ausgedrückt. Hatte sich ihre äußere Erscheinung denn so verändert? Ja, musste sie schließlich zugeben. Die paar Kilos, die sie inzwischen durch das gute Essen in Britain, mehr auf den Rippen hatte, waren dabei nicht mal so ausschlaggebend. Viel mehr war es ihre Kleidung. Der dicke Mantel aus Braunbärenfell, die passende Gugel und Handschuhe dazu. Solch‘ meisterliche Schneiderkunst sah man in Gurdan eher selten und in Rebyn schon gar nicht. Dennoch lies sich Jannes nicht abschrecken, im Gegenteil, er war schon immer ein sehr unkomplizierter und stets gut gelaunter Mensch gewesen, und bot ihr an auf seinem Schlitten mitzufahren. Er hatte Pökelfleisch nach Gurdan gebracht und transportierte nun kleine Fässchen mit Lampenöl nach Rebyn. So wurden sie wenig später von einem Maultier durch die winterliche Landschaft gezogen. Viel Platz bot sein Schlitten nicht, doch wenn sie zusammenrückten würde es schon gehen und noch ehe Julie widersprechen konnte, hatte Jannes ein dickes Schafsfell über ihre und seine Beine gebreitet, damit sie nicht frieren mussten. Diese Nähe zu Jannes war ihr nicht direkt unangenehm, aber ungewohnt. Sie vermied es ihn anzusehen, konzentrierte sich auf die Landschaft und ließ sich von dem blonden, jungen Mann berieseln, der wie ein Wasserfall reden konnte.

Die junge Frau löste sich von dem Chembalo, verließ die Ausstellung und betrat ihren kleinen, privaten Bereich. Kalt war es hier und sie fröstelte. Sie sollte unbedingt ein paar Kohlepfannen kaufen. In der Schreinerei war offenes Feuer zu gefährlich wegen dem feinen Holzstaub, doch hier, in ihrer räumlich abgetrennten Wohnung sollte es gehen. Sie ging ins Schlafzimmer rüber, stellte ihren Seesack ab und betrachtete ihr Bett. Sie konnte es kaum erwarten sich dort wieder hinein zu legen. So viel Luxus hatte sie in Rebyn nicht gehabt.

Und doch hatte ihr der Aufenthalt bei ihren Eltern so gut gefallen und neue Kraft geschenkt. Sie war nie eine Person gewesen, die das Beste vom Besten brauchte. Nein, es reichte ihr, wenn sie sich wohl fühlte und die Herzlichkeit, die ihre Eltern ausstrahlten, machten alle Dinge, auf die sie nun verzichten musste, wieder wett. Ihre Eltern waren die gütigsten Personen, die sie kannte und sie spürte, wie es ihr einen Stich versetzte, dass sie nun nicht bei ihr waren. „Man verpflanzt keine alten Bäume.“ Die Worte ihres Vaters klangen ihr in den Ohren und Julie bedauerte zutiefst, dass ihre Eltern die weite Reise scheuten. Ihre Wurzeln waren in Rebyn. Dort waren sie geboren, dort lebten sie und dort würden sie eine Tages sterben. Nicht mal Symons Brief hatte sie umstimmen können.

Symon… Julie wandte den Blick nach Norden, sah aus dem Schlafzimmerfenster. Ein Stück weiter entfernt erhob sich das Heim von Herrn Sasperus auf einer kleinen Anhöhe. Was hatte sich dieser Kerl eigentlich dabei gedacht? Plötzlich war da dieser Kaufmann aufgetaucht und hatte das ganze Dorf in Aufruhr versetzt. Die Rebyner blieben meist unter sich und so wohlgekleidete Herrschaften im Dörfchen bedeuteten meist nur Unheil. Doch er hatte nur zwei Briefe am Hause der Melans abgegeben und war danach wieder verschwunden. Julie hatte ihren Eltern natürlich sofort Rede und Antwort stehen müssen, wer dieser Sasperus denn war und geduldig hatte sie Antwort gegeben und von ihrer Geschäftsbeziehung erzählt. Wie Herr Sasperus ihr in den ersten Monaten in Britannia unter die Arme gegriffen hatte und wie sie sich revanchiert hatte, als er eine schwere Verletzung auskurieren musste. Danach hatten sie den Brief gelesen. Julies Eltern hatten die Köpfe zusammengesteckt und wie zwei Kinder über beide Ohren gegrinst, während Julie hinter ihnen stand und nur hin und wieder eine Zeile entziffern konnte. „Dieser Mann scheint wirklich sehr viel von dir zu halten. Er spart zumindest nicht an Lob,“ kommentierte Robart, Julies Vater, den Brief schließlich. Der jungen Schreinerin schien dies mehr als unangenehm zu sein. „Kann schon sein, aber er übertreibt auch. Das ist eine Neigung von ihm,“ flüchtete sie sich in Ausreden, doch ihre geröteten Wangen straften ihrer Worte Lügen. „Du hättest ihn mit her bringen sollen,“ sprach Lenya, Julies Mutter. Doch Julie hatte nur vehement den Kopf geschüttelt. „Auf keinen Fall. Er ist viel zu beschäftigt. Für eine Reise nach Rebyn hätte er keine Zeit gehabt.“ Doch als sie in die Gesichter ihrer Eltern sah, sah sie in ihrem Blicken, dass da noch viel mehr Fragen waren. Entnervt hatte sie sich umgedreht und war in ihre Kammer verschwunden.

Ihre Eltern nahmen sich zu viel heraus. Was erwarteten sie? Hofften sie in Herrn Sasperus einen Verbündeten gefunden zu haben, der sie dazu treiben würde in Rebyn zu bleiben? Wohl kaum… Oder wollten sie Julie in guten Händen wissen, wenn sie sie schon nicht zum Bleiben bewegen konnten? Erst vor zwei Tagen, beim Abendessen, war dieses Thema aufgekommen. Julie solle sich doch endlich einen Mann suchen. Eine so junge Frau in der großen, weiten Fremde brauchte doch einen Beschützer. Jemanden, der auf sie aufpasste, ihr in brenzligen Situationen half, wenn sie allein nicht mehr weiter wusste. Aber Julie wollte keinen Beschützer. Sie hatte sich in den letzten eineinhalb Jahren so vieles alleine aufgebaut, dass sie sagen konnte, dass sie auch ohne Mann an ihrer Seite bestens zurecht kam. Julies Laune war bei diesem Abendessen mehr und mehr in den Keller gesunken, bis es ihr schließlich sogar den Appetit verschlagen hatte und sie sich entschuldigen ließ, als sie vom Tisch aufstand.

Und jetzt diese Briefe. Julie war so in ihren finsteren Gedanken versunken, dass sie ihren eigenen Brief fast vergessen hatte. Doch nun lag dieser vor ihr und Julie wollte ihn endlich lesen. Sie griff danach, öffnete den Umschlag und zog den Briefbogen heraus. Für einen Moment spürte sie, wie sich doch noch Aufregung in ihrem Bauch breit machte und sich ein Lächeln auf ihre Lippen stahl. Warum sollte er all‘ diese Mühen auf sich nehmen und ihr einen Brief nachsenden? Sie wäre doch in ein paar Wochen ohnehin wieder da. Was mochte er ihr mitzuteilen haben? Man schrieb doch nicht einfach so der Tochter und dem Vater einen Brief. Oder?

Ihre Augen wanderten aufgeregt die Zeilen entlang, doch je weiter sie las, verflüchtigte sich das Lächeln auf ihren Lippen. Der Inhalt des Briefes war nun nicht wirklich das, was sie erwartet hatte. Aber was hatte sie eigentlich genau erwartet? Sie stellte fest, dass sie sich die Frage selbst nicht beantworten konnte. Jedenfalls keinen Bericht über die momentane Situation in ihrer neuen Heimat. Sicherlich wäre doch auch mal ein persönliches Wort angebracht gewesen, doch jenes suchte sie in den Zeilen fast vergeblich. Mit geschürzten Lippen faltete sie den Briefbogen wieder zusammen und steckte ihn zurück in den Umschlag. Daraus sollte mal einer schlau werden.

Julie kleidete sich aus und zog sich ein Nachthemd mit langen Ärmeln über. Obwohl draußen gerade einmal die zweite Mittagsstunde schlug, fühlte sie sich so gerädert, dass sie unbedingt ein wenig Schlaf benötigte. Sie schüttelte ihre Federbettdecke auf und stieg mit einem leisen Seufzen in ihr Bett. Zunächst war es kalt, so bitterkalt, dass sie fror und zitterte. Sie stopfte die Enden der dicken Federbettdecke unter ihren Körper fest und igelte sich zusammen. So kalt war es auch gewesen, als sie erneut auf Jannes getroffen war.

Es waren bereits einige Tage nach Symons Brief vergangen. Ihr Ärger war verflogen und auch ihre Eltern ließen sie inzwischen mit dieser Thematik in Ruhe. Nicht zuletzt, weil sie von dem Verjüngungszauber berichtet hatte, der Herrn Sasperus umwob und den ihre Eltern nicht verstanden (Wie auch? Sie verstand es ja selbst nicht). Nein, mit solchem Spuk wollten sie nichts zu tun haben. Julie sollte sich von solchen Leuten fernhalten, hatten sie sie noch ermahnt, gepaart mit der ewigen Litanei, ob es nicht für Julie doch besser wäre in Rebyn zu bleiben. Die junge Schreinerin konnte die Worte inzwischen auswendig mitsprechen.

„Weißt du, Julie. Ich glaube, du tust deinen Eltern wirklich Unrecht. Sie sorgen sich sehr um dich und es vergeht kein Tag, an dem sie nicht von dir erzählen. Du bist hier so lebendig und durch ihre Erzählungen allgegenwärtig als würdest du hier tatsächlich noch wohnen und nicht immer nur für wenige Wochen im Jahr. Gib dir doch einen Ruck und bleib hier. Du bist noch so jung. Du gehörst zu deiner Familie. Wer weiß, wieviel gemeinsame Zeit euch noch vergönnt ist.“ Jannes Worte hatten sie betroffen gemacht und auch ein wenig wütend. Diese Kleingeister hier in Rebyn konnten nicht verstehen, wer sie inzwischen war und was sie noch erreichen wollte. Niemals hatte einer von ihnen gewagt über den Tellerrand hinaus zu schauen. Sie alle lebten ihr kleines, beschauliches und einfaches Leben. Zugegeben, es war ja kein schlechtes Leben und es wäre Julie ein leichtes gewesen sich darauf einzulassen und hierzubleiben. Doch damit hätte sie sich selbst verraten. Viel zu früh hatte sie gemerkt, dass sie anders war. Sich nicht in das schlichte Leben eingliedern wollte. Sie wollte mehr erreichen. Der Einzug in das Kloster und die Ausbildung unter Cunna waren der erste Schritt gewesen. Hatten sie zu einer ernsten und gewissenhaften Frau heranreifen lassen. Nie würde sie vergessen wo ihre Wurzeln waren. Dafür liebte sie ihre Heimat und ihre Familie zu sehr. Doch der Drang Großes zu erreichen war noch stärker. Zwei Herzen schlugen in ihrer Brust. „Julie...“ Seine Stimme hatte einen versöhnlichen, sanften Klang angenommen als er nach ihrer Hand griff und sie sich zu ihm herum drehen musste. Jetzt stand er vor ihr, für ihren Geschmack viel zu nah, und hielt ihre Hand in seiner. „Wir sind alle sehr stolz auf dich auf das was du erreicht hast. Aber siehst du nicht die Veränderungen, die es mit dir angestellt hat? Du bist so verbohrt geworden, überhaupt nicht mehr so locker wie früher. So jung an Jahren und doch habe ich das Gefühl, ich habe hier eine Erwachsene mittleren Alters vor mir. Du bürdest dir zu viel auf. Nicht mehr lang und du brichst unter der Last zusammen. Bleib hier in Rebyn. Hier wird es dir an nichts mangeln. Bleib bei mir.“ Als er den Kopf näher neigte, weiteten sich ihre Augen vor Entsetzen. „Du hast doch keine Ahnung!“ schimpfte sie, machte sich los und suchte das Weite.

Julie drehte sich unter der schweren Bettdecke auf die andere Seite. Die aufkommenden Gefühle ließen sie keinen Schlaf finden. Sie war zu aufgewühlt. Plötzlich fühlte sie sich wieder darin bestätigt, das ganz Rebyn sich gegen sie verschworen hatte. Auch Mascha.

Wie sehr sie sich gefreut hatte Mascha wiederzusehen! Die Freundinnen waren sich freudestrahlend um den Hals gefallen, hatten sich innig umarmt, bis Julie feststellen musste, dass sie nicht mehr so gut um Mascha herum reichte, wie bei ihrem letzten Besuch. Erschrocken hatte sie sich zurückgezogen. So viel konnte sie nicht zugenommen haben! Nach ihrer Rückkehr würde sie Herrn Tarli verbieten sie weiterhin mit Käse und Eiern zu versorgen und sie würde auch keine einzige Essenseinladung mehr annehmen. Doch auf dem zweiten Blick stellte sie fest, dass es nicht an ihr lag sondern an Mascha. Als Mascha ihren Blick bemerkte lächelte sie wie ein Honigkuchenpferd auf und strich den Mantel über ihren gewölbten Bauch glatter. „Ich bin schwanger,“ platzte es aus der Rothaarigen überflüssigerweise heraus und Julie besah sich den Bauch mit entgeistertem Blick. Sie war sich sicher, dass Mascha jeden Moment platzen müsste, doch sie behielt ihre Meinung für sich und stammelte nur ein „Das freut mich sehr für dich.“ „Hier, fühl‘ mal!“ Noch ehe Julie protestieren konnte, ergriff Mascha Julies Hand und legte sie sich flach auf den Bauch. „Fühlst du es?“ Julie spürte, wie sich ihr Gesicht verzog, als würde sie gerade in einen warmen Kuhfladen fassen, doch eine Sekunde später rettete sie schon der Gedanke, dass Mascha dies als unhöflich auffassen könnte und so rang sie sich ein Lächeln ab. „Ja...“ schwindelte sie und fragte sich im gleichen Moment, was genau sie spüren sollte, bis sie es dann tatsächlich tat. Ein fester Tritt direkt in ihre Handfläche. Wieder sah sie zu Mascha auf, völlig entgeistert, doch diesmal mit mehr überraschten Erstaunen. „Oh Mascha, das ist ja...“ „Wundervoll, ja, ich weiß.“ schnitt ihr die Schwangere das Wort ab. „Es gibt nichts vergleichbares auf dieser Welt, Julie. Mutter zu werden das ist… einfach ein unbeschreibliches schönes Gefühl. Klar, dir tut alles weh und dein ganzer Körper verändert sich. Du musst ständig pupsen und kannst nicht mehr ohne Hilfe aufstehen, fühlst dich hilflos wie ein Käfer auf dem Rücken. Ich habe sogar einen Zahn verloren, aber das ist nichts im Vergleich dessen wenn du dein Kind im Leib spürst. Es sei denn, es tritt dir gegen die Blase und du nässt dich fast ein, aber mal ehrlich, Julie. Es gibt nichts Schöneres! Ich kann es kaum erwarten, es endlich in Armen zu halten. Wie sieht es denn bei dir aus? Dir würde doch ein Kind auch gut zu Gesicht stehen. Stell dir vor, wenn du schwanger und hier in Rebyn bleiben würdest, könnten unsere beiden Kleinen gemeinsam aufwachsen. Natürlich brauchst du dafür noch einen geeigneten Vater. Wie wäre es mit Jannes? Der schaut dir eh schon immer so anschmachtend nach. Denk mal drüber nach. Ich muss jetzt weiter.“ Und mit watschelndem Gang setzte Mascha ihren Weg fort und ließ eine völlig überrumpelte und sprachlose Julie zurück, die nur noch einen Gedanken fassen konnte. Sie wollte auf keinen Fall Kinder.

Julie stieß die Bettdecke von sich und schwang die Beine wieder aus dem Bett. Genug jetzt! Die Gedanken an Rebyn regten sie zu sehr auf. Sie hatte den Tag sehr bedauert, als sie sich wieder von ihren Eltern verabschieden musste und ihnen nicht mal in Aussicht stellten konnte, wann sie sie erneut besuchen würde, aber sie war auch froh gewesen wieder abreisen zu können. Irgendetwas lag wohl in der Luft in Rebyn, dass die Leute alle verrückt werden ließ. Diese ganzen Gespräche über Liebe, Heirat und Kinder. Sie hatte das Gefühl gehabt, als gäbe es dort keine anderen Themen mehr.

Umso wohler hatte sie sich da gefühlt, als sie in Gurdan an Bord der Wellentanz gegangen war. Ein mittelgroßes Handelsschiff welches erst im Herbst vom Stapel gelaufen war. Zu ihrer großen Freude hatte sich auch noch der Erbauer an Bord befunden und nachdem sie ins Gespräch gekommen waren hatten sie einen Großteil der Überfahrt damit verbracht das Schiff ganz genau unter die Lupe zu nehmen. Herr Klast, der sich selbst gern reden hörte, erfreute sich daran auf so eine wissbegierige, junge Frau zu treffen und Julie sog sein Wissen auf wie ein Schwamm. Würde es ihr in der kommenden Zeit doch noch von Nutzen sein, wenn sie lernte in der Werft auf Valarian Schiffe zu bauen.

Julie zog das Nachthemd wieder aus, wusch sich und kleidete sich an. An Schlaf war nicht mehr zu denken. Der Tatendrang hatte sie gepackt. Nun galt es Briefe zu schreiben, ihre Forschung voran zu treiben und Baumaterialien zu organisieren. Außerdem wollte sie sich wieder unter das Volk mischen und das Winterfest, zu dem sie wohl gerade noch rechtzeitig zurückgekehrt war, würde da eine gute Gelegenheit bieten. Die Gedanken an Rebyn fort wischend blickte sie voller Zuversicht wieder nach vorne.
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