Thema: [Rollenspiel] Misstöne
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Alt 28.03.2017, 00:27
#6
Annwyn
Spieler, Waldelf
 
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Er hatte geschworen sie zu beschützen und so wurde Annwyn zum Schatten von Naurhinviel während sie die Katakomben betraten. Als der Dämon letztlich sein Gesicht in den Tiefen dieser unsäglichen Räume zeigte sprang er vor sie, seine Melodie mit der ihrigen in Einklang bringend um ihr seine Kraft zur Verfügung zu stellen. Den Blick nicht von ihr wendend musste er tatenlos zusehen wie das Unheil seinen Lauf nahm.

Als Naurhinviel´s flammender Körper erlosch und zusammen mit ihrem Kopf vor ihm zu Boden fiel, sank er neben ihm auf die Knie, seinen Mund zu einem tonlosen Aufschrei geöffnet. Unsäglicher Schmerz, Trauer, Wut und die Verzweiflung der Hilflosigkeit sprangen ihm ins Gesicht, nachdem sein Geist realisierte, was seine Augen längst sahen. Zu Stein erstarrt bemerkte er wie auch Liandrel zu Naurhinviel eilte.

"Hilf ihr, Bruder, bitte.", sprach sein Herz und ein fast schon flehender Blick traf seinen Bruder, der vergeblich versuchte die Fäden des Lebens neu zu knüpfen. Bis zuletzt ruhte Annwyn´s Blick auf ihr, wissend, dass er versagt hatte, wissend, dass er seinen Schwur gebrochen hatte.

Als sein Bruder auf den Kopf Naurhinviel´s deutete erhob er sich, trat zu eben jenem Kopf, in dessen Gesicht so viel Schrecken lag, und nahm ihn vorsichtig, gleich einem Säugling, in den Arm. Er schaffte es nicht sich den anderen zuzuwenden, ebenso wenig wie er bemerkte, dass Blut aus dem Hals des Kopfes sich langsam über die Teile seiner Rüstung ergoss. Äonen vergingen in seinen Gedanken, die sich zu überschlagen schienen und schließlich griff er nach hinten zu seinem Umhang um diesen über das erstarrte Gesicht in seinen Armen zu legen. Er zitterte am ganzen Körper, unfähig zu sprechen. Nur gelegentlich hob er den Blick von dem kleinen Bündel in seinem Arm, als die Gruppe sich den Weg zurück ans Tageslicht bahnte.

Nach der Rückkehr in die graue Stadt blickte er zu seinem Bruder, der den Körper Naurhinviel´s auf seinen Armen trug, gehüllt in einen schwarzen Wintermantel. Neben seinem eigenen Schmerz spürte er den Seinigen, der so viel größer zu sein schien als sein eigener. Als sein Bruder sich wortlos von den anderen zu entfernen begann, folgte er ihm schweigend zurück in die Wälder.

"Wir müssen sie nach Cerinor zurückbringen" sprach sein Bruder zu ihm.

Annwyn nickte und fand für einen kurzen Moment seine Stimme wieder.

"Was immer du für richtig hälst, Bruder....ich bin an deiner Seite."
, sprach er leise.

Auf Cerinor angekommen, lenkten sie ihre Schritte zum Tempel der Tycuahele, wo Liandrel ihren Leichnam niederlegte. Annwyn trat vor, wickelte vorsichtig den Kopf aus seinem Umhang und bettete ihn sanft neben ihren Körper.

Selbst jetzt gelang es ihm nicht den wachsamen Blick von ihr zu lassen und so sank er vor Naurhinviel´s Leichnam auf die Knie, noch immer innerlich gegen den Schmerz ankämpfend, der stetig durchzubrechen versuchte.

"Geh...Annwyn...Geh."

Die Worte seines Bruders wirkten wie ein Donnerhall in seinem Kopf...ein scharfer Kontrast zu den dumpfen und dunklen Gedanken, die sich dort gegenseitig jagten.
Er blickte zu seinem Bruder und erhob sich zeitgleich als würde sein Körper nur noch einfachste, grundlegende Bewegungen vollkommen automatisch ausführen. Mit tiefer Trauer in den Augen nickte er ihm wortlos zu, blickte ein letztes mal auf Naurhinviel und wendete sich dann ab.

Am Ausgang des Tempels angekommen musste er Halt an einer Säule suchen, denn der Schmerz brandete im Inneren gegen seine Beherrschung. Einige sehr tiefe Atemzüge später schleppte er sich zum Mondtor und trat hindurch. Am Lagerfeuer in der Sala angekommen blickte er zu seinen Geschwistern, die wie immer Wache hielten, und sackte an Ort und stelle endgültig zusammen...die Brandung der Schmerzen in ihm hatte obsiegt und so bahnten sich die Tränen ihren Weg über sein Gesicht bis auf die Rüstung, wo es sich langsam mit dem Blut vermischte...ihrem Blut.

Unzählige Stunden später erst gelang es ihm einen Teil seiner Beherrschung wiederzufinden und so nahm er einige Töpfe Honig an sich und machte sich auf den Weg zurück nach Cerinor. Im Tempel erblickte er Liandrel, der regungslos über dem Körper Naurhinviel´s saß und mal tonlose, mal leise Gebete intonierte. Annwyn ließ seinen Blick lange auf seinem Bruder ruhen, vermochte aber nicht ihn anzusprechen. Stattdessen trat er lautlos neben ihn und legte die Honigtöpfe nahe bei ihm nieder. Als er sich wieder aufrichtete fiel sein Blick wieder auf Naurhinviel und wieder durchzuckte ihn eine Welle des Schmerzes und der Hilflosigkeit.

Im Stillen versuchte er Abschied zu nehmen...sie sollte die letzte gewesen sein, die auf diese Weise aus dem Leben gerissen wurde.

Noch gab es einige wenige, die er geschworen hatte zu beschützen und so erhob er sich um zurück zur grauen Stadt zu reisen...noch immer blutverschmiert und von tiefer Trauer gezeichnet.
Annwyn ist offline  
Geändert von Annwyn (28.03.2017 um 00:28 Uhr).
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