Thema: [Rollenspiel] Zwischen den Kräften
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Alt 15.06.2002, 16:02
#70
Gwendolyn Rikor
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Wieder war ein Tag vergangen und Gwen stand, wie so oft, oben auf dem Wall und blickte nach Osten auf den Wald. Jetzt, wo sich fast alle schlafen gelegt hatten und nur noch Gregorian Silbrson neben ihr seine Wache hielt, erst jetzt kam es ihr so vor, als erwache sie erst. Ihre Gedanken kreisten um all die Geschehnisse, die sie in einen wirren Strudel gerissen hatten und den Menschen Gwen wieder einmal beinahe verdrängt hatten. Beinahe. Drei Gestalten vor dem Tor, wegen denen sie beinahe ein erstes Scharmützel eröffnet hätten. Lauter Leute, die auf ein mal nach Cove kamen, um zur Bank zu gehen. Verletzte. Wieder einmal. Und Tulandor. Sie konnte es noch immer nicht fassen. Sie sah sich selbst auf dem Wall stehen und Taron dort unten. Sie hörte sich selbst besorgt rufen "Taron? Was machst du hier?" Und sie spürte erneut den Stich, der ihr ins Herzen fuhr, als er sich tonlos abwandte und sie ignorierte. Vielleicht hatte VAdrak recht gehabt. Vielleicht wünschte sie sich so sehr, Taron anders zu haben zu haben, dass sie ihn innerlich nicht akzeptierte, so wie er war. Sie fühlte sich selbst fallen, weit fallen, so wie das fiel, was sie vom Wall aus sich heraus zu geben bereit war. Und doch wurde sie immer wieder überrascht. Es war nicht Mel, nicht Sadinon, nicht Vadrak der neben hinter ihr stand und ihr in diesen Momenten Trost spendete, es war Sey gewesen.
Wild ging es umher in ihren Kopf. Marwan kam ihr in den Sinn. Der Veteran, Soldat, Söldner, Gefährte. Sie hatte ihn nur gesehen, doch seine Worte klangen in ihren Ohren seltsam vertraut. Er war wie sie, sie fühlte sich verstanden, und doch schaffte auch er es, Gwen, noch bevor sie ihn richtig kennengelernt hatte, zurueckzutreiben, sie auf Abstand zu setzen und einen tiefen Graben zwischen ihnen aufzureissen. Ein Laecheln huschte unweigerlich durch ihr Gesicht. Sie hatte den Söldner für reich gehalten, doch er war ärmer als sie es je sein würde. Er trug einen flammenden Hass in seinem Herzen, und deutlich konnte sie spüren, wie er von diesem Hass verzehrt wurde. Es würde einmal sein Untergang sein. Und doch war sie voll tiefer Sorge und Bestürzung, als sie ihn vor dem Tor erblickte. Der Panzer durchschlagen von Pfeilen, die noch in seiner Brust steckten. Es war Sey die ihn geheilt hat und seine Wunden versorgte.
Dann waren da noch Marie und ihr Bruder, die mit Arrant irgendwann im Laufe des Tages eingetroffen waren. Achja, das war, als die drei dunklen vor dem Tore ihre seltsame Wache hielten. Auch nach dem nur kurzen Gespraech mit Marie konnte sie foermlich riechen, wie sie hier an der Nase herumgefuehrt wurde. Aber das würde sich aendern. Sie würde heraufinden, was hier gespielt wurde, und dann keine Gnade walten lassen. Gwen hatte es satt dass sich hier jeder glaubte, einmischen zu müssen in Dinge, die er besser ruhen gelassen hätte.
Dann wurden ihre Gedanken abgetrieben zu der Szene, die sich vor der Bank zwischen Sey und Jarl abspielte, und ihr kam das lange Gespraech in der Stille das Hafens wieder vor Augen. Sie hatte den Herzog noch niemals so am Boden zerstoert gesehen. Sie hatte das Glück, sofern man in diesem Moment wirklich von Glück sprechen konnte, einen kleinen Blick hinter die Fassade zu werfen, die Jarl um sich errichtet hatte. Und was sie in diesem Moment sah, wunderte sie doch sehr stark und irgendwie musste sie ihn in diesem Moment doch bewundern. Stellte sie jetzt die beiden Menschen Sey und Jarl gegenüber, und verglich die Aussagen die sie von beiden Seiten bekommen hatte, wurde ihr klar, dass sie sich beide nur immer im Kreis gedreht hatten. Jeder fühlte sich vom anderen aufs letzte ausgenutzt. Doch keiner vermochte wirklich zu sehen, wie der andere fühlte. Weil sie einander nicht zuhörten. Und doch wusste Gwen jetzt genau, sie hatte ihr schicksal besiegelt. Sie war nur ein einfacher Soldat, der hier in Cove zwar das glück hatte, aufgrund seiner Kenntnisse und Erfahrungen eine Rolle der Weisung und der Befehle spielen zu können, aber sich das Recht herauszunehmen, den Herzog, dem sie einen Eid geleistet hatte, so offen zu kritisieren und Aufklärung zu erlangen, stand ihr mit Sicherheit nicht zu. Und doch trug sie es mit Fassung. Sie würde diese Sache hier zu Ende meistern, und danach sehen, was die Zukunft bringt.
Nun wusste Gwen wenigstens, wofür sie kämpfte, wofür alle hier kämpften. Es war nicht das, was die Fassade jeden sehen liess. Ein jeder hier in Cove wird, wenn es zur Schlacht kommt, seinen eigenen Kampf ausfechten würde. Unter der warmen und kuscheligen Decke einer Loyalität, die zwar vorhanden war, aber nicht wirklich eine Rolle spielte.
Greg riss sie aus ihren Gedanken. Er fing an mit ihr darueber zu sprechen, was die Schlacht villeicht bringen würde. Eine innere Ruhe überfiel sie. So wie in den Tagen vor jeder Schlacht, die sie mit ihren vielleicht 22 Sommern schon geschlagen hatte. Sie fühlte sich zurueckversetzt an den Beginn einer jeden. Sie auf einem Belagerungsturm oder einem Wall, den Blick in Richtung des feindlichen Lagers gerichtet und eine innere Ruhe in sich, die sie niemals beschwören konnte, wenn sie sie einmal in Friedenszeiten brauchte. Der Wind umspielte ihre Gesicht und trieb ihr den morgendlichen Duft des Waldes entgegen, und sie meinte fast, im Wind das Geraeusch von stetig marschierenden Beinen, das Wiehern von Pferden und das Knarren der Versorgungwagen der Marketenderinnen zu hören. Der Feind war nahe, das konnte sie genau spüren, und doch quollen aus ihrem Innersten Worte hervor, gerichtet an den jungen Greg, die ihm aufzeigen sollten, wie sinnlos doch eine jede Schlacht war. Sie hörte sich selbst daherreden, wie einen uralten Veteranen, der einer Truppe die letzten Worte mit in die Schlacht gab, und sich dann in sein Zelt zurueckzog, um den müden, vernarbten alten Körper ruhen zu lassen. Sie war kurz und dran sich selbst zu ohrfeigen. Doch sie beherrschte sich, weil sie genau wusste, was Greg in diesem Moment von ihr sehen und hören wollte. Und sie würde alle die vielleicht zu ihr jetzt aufsahen, nicht enttäuschen...
 
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