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Alt 16.10.2019, 15:26
#5
Julie Melan
Spieler, Mensch
 
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Das Sonnenlicht glitzerte silbern auf dem Meer, ließ es funkeln und strahlen wie eine Schatztruhe gefüllt mit Diamanten. Eine junge Frau stand am Pier und kniff die Augen zu um von der Helligkeit und der Pracht nicht geblendet zu werden. Die Seeluft zerrte verspielt an ihrer Kleidung und an ihrem Haar, löste einzelne Strähnen aus ihrem Zopf um sie ihr dann zurück ins Gesicht zu wehen. Mit der rechten Hand strich sie diese Haarsträhnen hinter ihr Ohr, als sie den Blick vom Meer abwandte und sich zu dem Gebäude hinter ihr umdrehte. Die Werft auf Valarian.

Es war ein Sprung ins kalte Wasser gewesen, als sie im vergangenen Jahr die Leitung eben jener Werft übernommen hatte. Schreiner- und Werftmeister Arasus war unbekannt verzogen und die Arbeit stagnierte. Der Schiffsrumpf im Dock dümpelte dort wohl schon seit einigen Monaten herum und jede Menge Unrat hatte sich angesammelt. Zudem war der große Tragbalken marode geworden und musste dringend erneuert werden. Und hier sollte sie lernen wie man Schiffe baute? Die Zweifel waren groß gewesen, drohten sie fast zu erdrücken und nicht nur einmal spielte sie mit dem Gedanken, alles hinzuschmeißen um sich auf das zu besinnen, was sie einigermaßen konnte. Den Möbelbau.

Und doch war da dieser Drang in ihr, der ihr keine Ruhe ließ. Sie wollte es sich selbst beweisen, über sich hinauswachsen und die Werft bot dafür die perfekte Gelegenheit. Sie zählte erst 18 Sommer und doch hatte sie bereits der Ehrgeiz gepackt. Sie wollte nicht nur eine Schreinerin unter vielen sein. Sie wollte eine gute Schreinerin sein, deren Werke man schätze. Die man um Rat fragte und deren Ruf ihr Voraus eilte. Die große Projekte plante und durchführte. – Hochgestochene Ziele für eine junge Frau ihres Alters. Vielleicht zu hoch? Der Weg würde nicht leicht werden sondern lang und beschwerlich. Doch Cunna würde sie auf jenem begleiten und über ihren Schützling wachen.

Der Blick der jungen Frau wanderte an der Werft hoch zum offenen Dach wo sich der neue Tragbalken erstreckte. Eine junge, elastische Eiche. Biegsam und stark. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht, als sie an das vergangene Ereignis zurück dachte. So viele waren ihrem Ruf gefolgt. Hatten ihre Hilfe angeboten. Gemeinsam hatten sie die Werft wieder auf Vordermann bringen können. Man hatte ordentlich geputzt, Möbel ausgetauscht und über allem thronte der neue Balken als Meisterstück. Wie praktisch es doch war, wenn man zu seinen Bekanntschaften Formwandler zählte. Was in Rebyn ein Ding der Unmöglichkeit gewesen wäre, grenzte hier an etwas fast Alltägliches und Julie war froh gewesen auf solche Hilfe zurückgreifen zu können.

Langsam schritt sie über den Pier, hinein ins offene Gebäude. Über die ausgelegte Planke balancierend betrat sie den Schiffsrumpf, der dort im Wasser lag. Nun war der Punkt gekommen, an dem ihr Freunde und Bekannte nicht mehr weiterhelfen konnten. Nun war sie auf sich gestellt. Ihre Hilferufe einen anderen Schiffsbauer ausfindig zu machen waren ins Leere verhallt. Jetzt lag es an ihr sich das nötige Wissen zu anzueignen, damit bald ihre eigenen Schiffe hier in der Werft vom Stapel laufen konnten. Und sie hatte sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Spätestens zum Herbst hin wollte sie das erste Schiff gebaut haben. Der vorgefertigte Rumpf diente ihr dabei als Anschauungsmaterial. Unter Deck hatte sie die Konstruktion der Spanten und Planken nachvollziehen können, so wie es ihr Herr Klast auf ihrer Reise zurück ins Herzogtum gezeigt hatte. Leicht würde diese Aufgabe nicht werden. Zumal schon wieder weitere Ideen in ihrem Kopf herum spukten, wie sie die Werft noch verbessern konnte um die Arbeiten dort zu erleichtern. Ein Gespräch mit den Grafen war nötig. Er wartete ohnehin noch auf ihren Bericht und über das Problem mit den Seeschlangen wollte sie auch noch mit ihm reden.

Ein leises Seufzen drang über ihre Lippen. So viel zu tun und die Zeit rann ihr durch die Finger. Ihr Projekt mit den Truhen war endgültig zum Erliegen gekommen, doch sie hoffte, sich hier bald die Hilfe von Fräulein Bentje oder Herrn Bryce zu sichern. Gemeinsam kam man bestimmt besser voran. Sie musste aufpassen, dass sie sich bei der ganzen Arbeit nicht selbst verlor. Und sie musste dringend die Übungen wieder aufnehmen, die ihr Herr Sasperus gezeigt hatte.

„Symon…“ als sein Name leise über ihre Lippen klang, verfinsterte sich ihr Blick. Was sie von ihrer besten Freundin Ana erfahren hatte, schmeckte ihr so gar nicht. Sie hatte doch auch so schon genug zu tun. Genug Sorgen. Warum nur musste Ana nun so etwas zur Sprache bringen. Es war einfach zu absurd.

Oder?
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