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Alt 03.07.2007, 15:14
#19
Kyra Linajah Glariel
Reisender
 
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Eine sanfte Briese brachte die Wäsche auf der Leine zum Tanzen. Die Sonne stand hoch am Himmel und deutete die Mittagszeit an. Ein paar Vögel stritten sich lautstark in der Ferne, um ihre Beute.
Ohne jede Hast und Eile nahm Kyra die Wäsche ab, faltete sie grob, um sie anschliessend in den Korb zu legen. Noch ein letztes mal blickte sie von der Dachterasse auf einen Baum, der mit seinen goldenen und braunen Blättern den kommenden Winter ankündigte, befor sie mit dem Wäschekorb wieder in dem Gebäude verschwand.

Gerade am oberen Treppenansatz angekommen, vernahm sie ein leises Klopfen. Befürchtend einer Sinnestäuschung verfallen zu sein, hielt sie kurz inne, und lauschte angestrengt nach unten. Erneut drang das Klopfen zu ihr auf. Hastig stellte sie den Wäschekorb auf die Kommode, hob die Robe etwas an, um beim hinuntersteigen nicht zu stürtzen. Mit sanftem Druck stiess sie das grosse Tor auf, und erblicke zu ihrer Überraschung einen Elfen. Einen Elfen? In all den Jahren, seit sie ihren Dienst auf dem Lehen verrichtet, hatte sich bisher nur ein Elf aufgrund einer Einladung hier her verirrt. Kyra erkannte ihn auf Anhieb. Haltha Milui, welcher sich ihr vor einigen Wochen auf Occlo vorstellte.

"Mae Govannen, Adaneth", erklang es melodisch aus seinem Mund. Noch immer etwas überrascht, jedoch nicht ihre Manieren vergessend, bat sie ihn nach einer kleinen Verbeugung, welche dem Elfen gegenüber Respekt verkünden soll, herein.
Nachdem sie das Tor wieder geschlossen hatte, wand sie sich nach Haltha um, und betrachtete den hochgewachsenen Elfen eine Weile.
"Ich komme wegen einem Gespräch, auf das du wartest", fuhr er unbeirrt weiter. "Für dein betreten Cerinor's. Oder hast du es dir anders überlegt, Adaneth?"
Verneinend und eifrig mit dem Kopf schüttelnd, bot sie dem Elfen einen Platz am Tisch an.
"Der Rat gestattet es euch. Doch muss deine Melodie eingefügt werden, in die von Cerinor. So das du nicht den Schaden bekommst, den ein Edain sonst bekommt."
Man hatte Kyra bei dem kleinen Vorabgespräch auf Occlo davon unterichtet. Sie darüber informiert, was es mit dem Schutzschild auf sich hat. Und welche Wirkung er hat. Aber Melodie? Einfügen? Worin?
"Ich denke, du möchtest Cerinor ohne Schaden betreten und wieder verlassen, mae?"
Was für eine Frage. Natürlich wollte sie das, und liess es ihn auch sofort Wissen.

Gerade als sie sich wieder an ihre Gastfreundschaft erinnerte, und Haltha etwas anbieten wollte, klopfte es erneut.
Wieder stiess sie das Tor auf, und wieder erblickte sie einen Elfen. Nur dieses Mal noch überraschter, denn die schlanke, um die 9 Fuß grosse Elfin, war ihr völlig unbekannt. Auch vor ihr verneigte sich Kyra respektvoll, und bat sie herein.
"Mae Govannen, Meldis Rai Shia", ertönte es hinter ihr, während sie das Tor wieder ins Schloss zog.
Dannn traf wieder diese melodische Sprache an ihr Ohr, den sie fast schon als Gesang bezeichnen würde und so sehr mochte, wenn die Elfen sich in ihrer Sprache unterhielten.
Abrupt riss Haltha Kyra aus ihren Gedanken, und der verzückte Gesichtsausdruck wich einem freundlichem Lächeln.
"Adaneth, das ist Rai Shia. Sie wird dir helfen Einklang zu finden."
Einklang. Aha. Was immer das nun wieder zu Bedeuten hatte.

Nachdem die Elfen ihren Versuch, Getränke und etwas Essbares herbeizuschaffen, zu nichte gemacht hatten, setzte sie sich anschliessend zwischen den beiden Gästen an den Tisch.
Unwissend, langsam doch nervös und etwas unruhig werden, beobachtete Kyra, wie Rai Shia ein Amulett aus ihrer Tasche nahm. Nichts ungewöhnliches, sollte man meinen. Doch als sich wenig später noch eine Harfe dazu gesellte, wuchs die Neugierde in Kyra erheblich.
"Nun, mögt ihr mir ein wenig über euer Leben erzählen, nin mellon? Was prägt es?". Diesmal war es die sanfte und leise Stimme von Rai, die zu ihr sprach.
Oh je. Noch immer war Kyra ganz beeindruck und mitgenommen von dem Geschehen. Was sollte sie nur sagen? Etwas Panik und Hilflosigkeit stieg in ihr auf.
"Ich werde in jenes Amulett eine Melodie einbetten die euren Sein entspricht und euch somit befähigen, unsere Insel unbeschadet zu betreten."
Das war es also, was Haltha Anfangs meinte.
Rai liess währenddessen die Finger über die Harfensaiten gleiten, und brachte eine tiefschimmernde, einfach wirkenden Melodie hervor, die sich langsam zu einem komplizierten Geflecht entwickelte.
Unsicher, völlig fasziniert über das, was um sie Geschah, dazu gleichzeitig der Melodie lauschend, darauf bedacht, nicht anmaßend zu klingen, gab Kyra einige ihrer Eigenschaften bekannt.

Dankender Weise kam ihr Rai etwas zur Hilfe.
"Einmal vollkommen Still verhaltet und in euch geht, dann kann ich sie ebenfalls vernehmen".
Wie erwünscht rutschte Kyra in eine bequemere Position, schloss die Augen, und lauschte einfach nur den Klägen der Harfe. Langsam, ganz allmählich verschwanden die anderen Geräusche. Das klappern der Töpfe, welche aus der Küche stammten. Die Stimmen von Madame Arjessi und Sindela, die durch den dicken Vorhang der Bibliothek gedämpft zu vernehmen waren. Alles um sie herum wurde vergessen. Nur die wohlklingenden Töne erinnerten sie daran, um was es ging.
Rai wiederholt die Tonfolge auf der Harfe in einem kürzeren Intervall und veränderte sie geringfügig, so das sie sich nun aus einer Mischung tiefer rauer Töne auszeichnet, die deutlich hervorschneiden und sich ineinander vermischten.
Plötzliche Stille setzte ein, als Rai das Amulett in beiden Händen nahm und vor ihr Gesicht zog.
Während die letzten Töne der Harfe noch in ihrem Unterbewusstsein wiederhallten, begann Rai die zuvor gespielte Melodie zu summen. Schon bald wurde der Raum gänzlich von der Melodie erfüllt, in der sich einige gesungene Töne mischten, bis schlielich alle Noten gesungen wurden und sich zu einer Symphonien einreihten.
Wieder Stille.
Sanfte, warme Finger die sich gefühlvoll um ihren Hals legten, vermischt mit etwas metallischem, rissen Kyra brutal in die Wirklichkeit zurück. Langsam öffnete sie die Augen und kehrte ind die gegenwärtige Realität zurück. Es schien ihr vorzukommen, als hätte sie Jahre dafür gebraucht.
"Ihr könnt nun unser Cerinor unbeschadet betreten, solange ihr diese Kette tragt bevor ihr es tut und währenddessen natürlich".
Kette? Richtig. Da war doch noch was.
Voller Ehrfurcht fuhr sie mit den Fingerkuppen über die Kette und dem eingelassenen Kristallsplitter. Das was sie fühlte, liess sie nur erahnen, welch filigrane Meisterarbeit diese Kette sein musste.

Noch während ihre Sinne dabei waren zu begreifen, welch Kostbarkeit sie da hatte, und was es damit auf sich hat, erhob sie die schlanke Gestalt der Elfin.
Rai's Bewegungen waren nicht mehr so Geschmeidig wie am Anfang. Sie schienen ein wenig unsicher zu wirken. Auch ihre Stimme klang sehr mitgenommen. Das Ritual musste ihr einiges an Kraft abverlangt haben.
"Mellon Rai möchte wieder nach Cerinor", bestätige Haltha ihre Vermutungen. "Sie ist geschwächt von ihrem Werk"
"Mae so ist es, wir werden uns hoffentlich bald auf unserer wundervollen Insel sehen. Nin mellon, ich denke Haltha wird bei euch verbleiben und eure Fragen beantworten", verabschiedete sich Rai. "Mögen auch über euch die Sterne eures Volkes wachen, Kyra-Lin, auf das wir uns bald wiedersehen".
Kyra versprach ihr dieses, während beide zur Tür gingen. Ein letztes Mal an diesem Tage, verneigte sie sich voller Ehrfurcht und Respekt vor Rai.

L.
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