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Alt 05.10.2003, 16:38
#103
Vadrak Larthay
Reisender
 
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Einige Gläser Wein später war Rik in ihrer üblichen Verkleidung als die Händlerin Minera zu ihnen gestoßen und Airg lud beide, Vadrak und Rik, ein, nun als Vergleich den Wein in der "Ente" zu probieren. Unterwegs sprach eine Frau Airg an, die ihr Gesicht im Schatten einer Kapuze verbarg. Vadrak musterte sie sehr aufmerksam, doch rasch wurde ihm klar, daß dies gewiß nicht Vio sein konnte. Zu viert betraten sie die "Ente", suchten sich einen leeren Tisch. Airg bestellte Wein und Echsenblut bei Teresa, während Rik mißmutig versuchte, Teresa davon zu überzeugen, daß Vadrak Wasser trinken sollte. Riks Bevormundung weckte Vadraks Widerspruchsgeist, nun bestand er erst recht auf Echsenblut, selbst wenn die zarte, kaum wahrnehmbare Stimme der Vernunft in seinem Hinterkopf immer wieder flüsterte: "...aber ich wollte doch heute überhaupt keinen Alkohol trinken..." und mahnte, dann wenigstens nur bei Wein zu bleiben. Airg klopfte Vadrak kameradschaftlich auf die Schulter, redete etwas von Junggesellenabschied und feiern und Vadrak nahm diesen Vorwand gern und dankbar auf.

Kurze Zeit später gab es einen kleinen Aufruhr, denn die Fremde, die Vadrak als Narsieda vorgestellt wurde, entledigte sich ihrer Robe und trug darunter - mhh - nicht eben viel. Vadrak ließ seinen Blick anzüglich über ihre Figur wandern, doch schien sie das in ihrem schamlosen Verhalten, mit dem sie Airg sichtlich zu beeindrucken versuchte, nicht weiter zu stören. Mit innerer Genugtuung beobachtete Vadrak, wie Bol die Taverne betrat und zielstrebig auf Nasieda zusteuerte. Vadrak konnte sich ein boshaftes Grinsen nicht verkneifen, als sie sich unter lautstarkem Protest von Bol abführen ließ: Zu schade, daß sie sich nicht gewehrt hatte, er hätte Bol nur zu gern geholfen und mit Hand angelegt.

Die Taverne füllte sich zusehens. In der "Ente" ging es stets lautstärker und rauher zu, als im "Lachenden Tala", doch heute war es besonders schlimm. Ein paar Zwerge terrorisierten mit ihrem ungehobelten Benehmen Bedienung, wie auch Gäste, eine normal geführte Unterhaltung war kaum möglich. Der Krach fiel Vadrak zunehmend auf die Nerven, nagte an seiner Selbstbeherrschung, und er kippte das erste Glas Echsenblut in einen Zug hinunter. Anschließend fühlte er sich wieder etwas ruhiger. Der Richter Jarod Tolius setzte sich kurz zu ihnen - stand aber bald wieder auf, als Gorathan die Taverne betrat. Vadrak duckte sich sofort hinter Rik, damit der Halbelf ihn nicht sah. Wenn er jetzt irgendetwas vermeiden wollte, dann war es, Gorathans scharfem, anklagenden Blick ausgesetzt zu sein und seine bohrenden Fragen beantworten zu müssen. Doch er hätte sich keine Mühe zu geben brauchen, die Zwerge verwickelten den Halbelfen in einen lautstarken Zwist, der damit endete, daß Jarod Tolius und Gorathan die Taverne verließen. Das Echsenblut, zusätzlich zu dem Wein, den er im "Tala" getrunken hatte, sorgte mittlerweile dafür, daß der Tavernenlärm nur noch gedämpft in Vadraks Bewußtsein vordrang und er begann, sich richtig wohl und entspannt zu fühlen. Airg und er prosteten sich vergnüglich zu und leerten in leichtfertiger Stimmung Glas um Glas, während Rik mißmutig dabei saß und zusah.

Doch das Schicksal, daß letztlich zu Airgs Enttarnung führen sollte, nahm unerbittlich seinen Lauf. Narsieda, wieder in die dunkle Kutte gehüllt, betrat die Taverne. Eigentlich hätte sie nicht hier sein dürfen, und man konnte erkennen, daß ihr das durchaus bewußt war, denn sie blickte sich fortwährend um. Sie bat Airg dringlich, sie zu begleiten und der Heiler entschuldigte sich für einen Moment bei seinen Tischgenossen und folgte ihr sogleich nach draußen. Zuvor bat er Vadrak allerdings, noch zwei Flaschen Echsenblut zu bestellen.

Die Taverne war nun gut gefüllt und Teresa hatte alle Hände voll zu tun. Als es weder Rik noch Vadrak gelang, die Aufmerksamkeit der jungen Wirtin auf sich zu lenken, ging Rik schließlich hinüber zur Theke. Vadrak folgte ihr sofort, denn ihm war klar, das Rik etwas im Schilde führte. Für die Mengen an Alkohol, die er mittlerweile konsumiert hatte, wirkte er noch erstaunlich nüchtern. Nur die Wortenden schleppte er ein wenig nach, doch davon einmal abgesehen, deutete nicht viel darauf hin, wieviel er wirklich getrunken hatte. Teresa wandte sich ihnen sogleich zu und ein Streit entspann sich: Vadrak bestellte zwei Flaschen Echsenblut und Rik häufte immer mehr Goldmünzen auf den Tresen, um Teresa zu bestechen, damit Vadrak nur Wasser zu trinken bekäme, während Vadrak Teresa daran erinnerte, daß die "Ente" einen Ruf zu verlieren hatte. Doch Teresa löste das Problem pragmatisch auf Wirtinnenart, indem sie das kleine Vermögen, das da mittlerweile auf der Theke lag, einstrich, Rik einen großen Krug mit Wasser brachte und Vadrak unauffällig zwei Flaschen Echsenblut zusteckte. Doch mußte Rik gesehen haben, wie Vadrak die Flaschen in seiner Tasche verstaute, denn außer sich vor Wut leerte sie den vollen Wasserkrug über ihm aus. Vadrak schnappte nach Luft und schüttelte sich wie ein nasser Hund, daß die Wassertropfen nur so flogen. Nun war es an ihm, triefend tropfnaß, Rik bitterböse Blicke zuzuwerfen. Zornig stellte er Rik zur Rede, während sie sich ihren Weg zu ihrem Tisch zurück bahnten. Doch Rik wiederholte nur immer gebetsmühlenartig, daß sie all das allein für Vio tue und Vadrak endlich aufhören sollte mit Trinken.

Als sie sich wieder zu ihren Plätzen durchgekämpft hatten, wollte Vadrak sich gerade aus einer halbleeren Echsenblutflasche nachschenken, die noch von vorhin auf dem Tisch stand, als seine Hand ins Leere griff. Verblüfft registrierte er, mit welcher Geschwindigkeit und Geschicklichkeit Rik diese Flasche aus seiner Reichweite gezogen hatte. Doch das ließ Vadrak sich nicht gefallen. Wütend beugte er sich quer über den Tisch und ergriff nun seinerseits die Flasche, die Rik mit beiden Händen festhielt, und versuchte, sie ihr zu entwinden. Er hatte eine ungünstige Position und Rik hielt die Flasche mit beiden Händen, während er nur die Rechte am Flaschenhals hatte. In diesem Moment kehrte Airg zurück. Er schien völlig in Gedanken versunken und innerlich aufgewühlt und hatte keinen Blick für das, was an seinem Tisch geschah. Vadrak zerrte an der offenen Flasche, die ihrerseits von Rik umklammert wurde, bis Rik mit einer plötzlichen und unvorhersehbaren Bewegung ihren Zug an der Flasche lockerte und sie statt dessen in Vadraks Richtung drückte und dabei umkippte. Befriedigt sah Rik zu, wie der Inhalt sich als stinkende, rubinrote Pfütze auf dem Tisch ausbreitete. Vadrak und Airg fluchten. Beide sahen sich einig an und ließen Rik einfach stehen.

Die kühle, klare Nachtluft ließ Vadrak in seinen durchnäßten Sachen vor Kälte zittern, doch er bemerkte es nicht einmal. Statt dessen folgte er Airg schweigend zu einer anderen Taverne. Draußen am Haus hing ein Trollkopf, der Schankraum war leer, von der Bedienung einmal abgesehen, und wohin der Blick auch fiel, sah man Flaschen.

Natürlich war Rik ihnen gefolgt. Vadrak verdrehte nur die Augen, als er sah, wie sie immer wieder Airg am Ärmel zupfte und versuchte, ihn dazu zu bewegen, mit ihr nach draußen zu gehen, weil sie mit ihm allein sprechen wolle. Unschwer zu erraten, was sie Airg sagen wollte, dachte Vadrak und ärgerte sich erneut über Riks bevormundende Art und Weise. Doch der Heiler war in keiner Weise geneigt, Riks Launen nachzugeben und so kam es zu einem heftigen Wortwechsel, in dessen Verlauf Rik Airg vorwarf, seine Familie zu vergessen.

Diese ständige betonte Wiederholung des Wortes Familie ließ Vadrak aufhorchen. Was konnten Rik, diese Streunerin und Airg, den Heiler wohl für Familienbande verknüpfen? Vadrak wußte, daß die beiden sich von früher her kannten, aber eine Familie? Noch dazu eine gemeinsame? Das konnte eigentlich nur eines bedeuten. Die Erkenntnis schlich sich leise und nur langsam in Vadraks vernebelten Verstand: All das Gerede von Familie ließ nur einen einzigen logischen Schluß zu. Plötzlich fielen Vadrak Vios Worte wieder ein, die sie, schon halb im Schlaf, nach der Geburt Dorians geflüstert hatte: "Grüß mir Aramil." Damals hatte er dies ihrer Erschöpfung und einer gewissen Verwirrung durch den Blutverlust zugeschrieben, aber jetzt - jetzt paßte auf einmal alles haargenau zusammen. Airg war ein "Schwarzes Lamm" - und nicht nur irgendein Mitglied der Bruderschaft, sondern sein ärgster Feind: Aramil!
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Geändert von Vadrak Larthay (05.10.2003 um 17:27 Uhr).
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