08.07.2003, 08:52 |
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Reisender
Registriert seit: 08 Jun 2003
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"Tu was ich dir sage, Mirwyn. Und ich will keine Widerworte hören!", sagte eine kräftige ungeduldige Stimme aus den vorderen Räumen des Hauses.
"Ja, Vater - sofort.", rief sie etwas entnervt zurück. Die Hintertür, die auf die Stallungen des Gehöfts hinaus zeigte öffnete sich. Ein junges Mädchen drückte sie mit dem Rücken auf. In den Händen schien sie etwas Schweres und ziemlich Großes zu tragen. Ihr Haar war mit Zöpfen nach hinten zusammengeknotet worden - keine Strähne fiel in das hübsche Gesicht. Zügigen Schrittes schleppte sie den Stoffsack bis zum Gatter der Hühner und ließ ihn dort fallen. Etwas außer Atem strich sie mit dem Handrücken über ihre Stirn. Blinzelnd blickte Mirwyn in die Richtung der Sonne. Es war ein herrlicher Tag. "Was für eine Verschwendung", seufzte sie. Trotzig stieß sie mit dem Fuß gegen den vollen Kornsack, als erwarte sie, etwas würde sich tun. Dann blickte sie sich genaustens um. Ihr Vater war nirgends zu sehen und ihre Mutter bereitete in der Küche das Mittagessen vor. Sie schien kurz zu überlegen, bevor sie zielsicher den äußersten Holzzaun ansteuerte. Kaum hatte sie ihn mit der Hand ergriffen, als sie schon eine helle, wissbegierige und gut gelaunte Kinderstimme vernahm: "Wynni, gehst du wieder fort?" Mirwyn schloss ertappt die Augen und drehte sich langsam um. "Elania, geh wieder ins Haus.", sagte sie in einem strengen, wenig Geduld aufbringendem Tonfall. Das Lächeln wich aus dem Kindergesicht - betrübt schloss sie die Tür hinter sich. Als Mirwyn die Schritte ihrer elf Jahre alten Schwester vernahm, wie sie eilig davonliefen, seufzte sie machtlos - sie wollte ihr doch nicht wehtun. Aber sie würde sich schon wieder beruhigen. Mir jener Zuversicht sprang sie problemlos über den hohen Zaun. Kaum zwanzig Schritte war sie gegangen, da stand sie bereits vor einer Traube von Bäumen, die zum Randgebiet des Waldes gehörten. Hier standen die hohen Kiefern und Eichen nicht so aneinander gepresst, wie in seinem Inneren. Hier mussten sie noch nicht um das begehrte Sonnenlicht streiten. Das Laub der Bäume schwang in kräftigem satten Grün im Wind. Und die Luft war getränkt von den Düften der Nadelkleider und der frischer Blumen. Auch die Amseln sangen ihre Melodien und im ganzen Wald ertönten ihre Rufe. Nicht weit entfernt konnte man den kühlen Bach plätschern hören. Leichten Schreitens tauchte Mirwyn in Undurchdringlichkeit der Hölzer ein... ...Verdammt noch mal, warum musste sie eigentlich jedesmal die Zeit aus den Augen verlieren? Das fragte sie sich, als sie einen großen Dorn aus ihren Schuhen zog, der sich durch das dünne Leder gebohrt hatte und nun in ihrer Haut steckte. Sie biss die Zähne zusammen und eilte weiter. Es war bereits Dämmerung - sie wusste nicht was ihr Vater mit ihr anstellen würde, wenn sie nicht bald ankommen würde - doch diese Frage ließ sie am besten so lange wie möglich unbeantwortet. Die Bäume lichteten sich. Sie wäre gleich daheim. Doch statt erleichtert darüber zu sein, nicht noch mehr Zeit vertrödelt zu haben, blickte sie irritiert und sorgenvoll in die Höhe. Dunkle Rauchschwaden stiegen hinauf. Der Aschenebel zog sich über den gesamten Horizont. Der Himmel war so bedeckt, dass sie noch nicht einmal den leuchtend hellen Vollmond sehen konnte. Dann wurde es ihr klar. Es brannte - das ganze Dorf musste in Flammen stehen. Schnell rannte sie los und kam dann abrupt zum stehen. Sie wäre auf dem Boden zusammengesunken, hätte dort nicht ein Baum gestanden, an dem sie sich hätte abstützten können. Dunkle Reiter kamen herangeprescht. Auf schwarzen wutentbrannten Rössern, die unter ihren blutigen Hufen alles niedertrampelten, was ihren Herren in den Weg kam. Diese trugen metallene Rüstungen, die alles Licht einzuschließen schienen und durch die Finsternis ersetzten. In einer Hand hielten sie Fackeln, deren Feuer von den Dächern de stroh bedeckten Häuser genährt wurden mussten. In der Anderen hielten sie Schwerter empor, rostig von dem Blut ihrer Opfer. Meilenweit, denn ihr Haus stand abgelegen am Rande des Dorfes, waren die kläglichen Schrei verzweifelter Menschen zu hören, doch wurden sie schnell erstickt. Sie näherten sich - fünf von ihnen waren es an der Zahl - und sie kamen, ihr Atem versagte, unmittelbar zum Hof ihres Vaters. Eiligst versuchte sich hochzurappeln und Schutz hinter einer kräftigen Buche zu suchen, um der Aufmerksamkeit dieser Gestalten zu entgehen. Star vor Angst blieb sie sich dicht an den Stamm des Baumes gedrückt stehen und traute sich kaum ihren Blick geradeaus zu richten. Und da sah sie ihn - ihren Vater - wie er dastand, auf den Stufen der Eingangstreppe - ein Schwert in den Händen, von dem sie immer gedacht hatte, es hinge nur zur Zierung über dem Wohnzimmerkamin. Vor den Tor blieben sie stehen. Eine finstere Kreatur, die der Anführer dieser Horde zu sein schien, löste sich von den übrigen ab. Er trieb sein Pferd an weiterzugehen. Mit einer schnellen, beiläufigen Bewegung wurde die Tür der Abzäunung aufgestoßen. Langsamen, unheilvollen Schrittes setzte das schwarze Tier seine Hufen hart auf den steinernen Weg. Jedes Auftreffen mit dem Boden glich dem pochenden Schlag eines sterbenden Herzens. Nun umklammerte ihr Vater den Griff seines Schwertes fester. Unerschrockenheit lag in seinem Blick und Härte. Auch wenn seine eigene Tochter tiefste Besorgnis zu erkennen vermochte. "Ich bin Mirothed! Und das hier ist mein Boden!", schrie er dem dunklen Reiter eisern entgegen. "Macht das ihr wegkommt, Kreaturen der Finsternis und flieht, wenn euch euer Leben lieb ist!" Der schwarze Ritter kam nur wenige Fuß vor ihm zum stehen. Er sah auf Mirothed herunter und leises, seelenloses Gelächter zischte aus ihm heraus. Lärm war plötzlich zu hören. Die Scheune, der Stall - sie brannten lichterloh und der Wind stand ungünstig. In wenigen Augenblicken lief das Feuer über das gesamte Gehöft. Die Tiere schrien um ihr Leben, Huf- und Flügelschläge drangen durch den offenen Hof hinaus. Mirothed sah mit entsetztem Blick auf die brennenden Gebäude. In diesem Augenblick, in unbeschreiblich langsam verzerrter Zeit - so wie es dem jungen Mädchen vorkam, streckte der düstere Ritter seine Hand nach seinen Schwerte. Das metallische Schwingen der Klinge war zu hören, als er es mit einer ausholenden Bewegung aus der Scheide zog und in die Höhe riss. Es durchschnitt förmlich die Luft. Gnadenlos ließ er das Eisen auf Mirotheds Hals niederschlagen. Mirwyn brach zusammen. Sie konnte weder schreien, noch weinen in dieser Sekunde, sondern drehte ihren Kopf weg und vergrub ihn zwischen ihren Armen. Sie zwang sich jedoch mit aller Gewalt aufzusehen. Sie konnte den Leichnam ihres Vaters nicht erblicken. Dankbar sollte sie dafür gewesen sein. Doch bestürzt blickte sie sich suchend um. Die dunklen Reiter waren verschwunden, aber - die Tür zum Haus stand offen. "...nein...", konnte sie nur noch, nahe der Ohnmacht hervorpressen, als zwei schreiende Frauenstimmen durch den offenen Eingang schallten und sie in die kalte Wirklichkeit zurückholten. Jäh verhallten sie - und die Männer traten mit scheppernder Rüstung heraus. Sie trugen große Säcke. Was sich darin befand, wusste Mirwyn nicht. Einen klaren Gedanken zu fassen, dazu war sie in diesem Moment auch nicht in der Lage. Atemlos fiel sie zu Boden auf einen Ast, der unter ihrem Gewicht brach. Mit einer schnellen Kopfbewegung, als wüsste er genau aus welcher Richtung jenes Geräusch stammte, blickte der dunkle Reiter zu den Bäumen hinter denen sich Mirwyn versteckt hatte. Sofort ließ er, seine Beute klirrend zu Boden fallen. Unheilvollen Schrittes näherte er sich. Mirwyn die ihn sofort sah, da er sich durch seine schwere Rüstung verriet, versuchte sich immer noch auf dem Rücken liegend nach hinten zu bewegen. Verzweifelt stieß sie sich mit den Beinen vom Boden ab, sie versuchte sich auf den Bauch zu drehen und dann mit den Händen abzustützen, damit sie aufstehen konnte. Doch sie fiel wieder auf die Erde. Zitternd vor Angst trat sie gegen die grasigen Untergrund und rappelte sich auf diese Weise auf. Sie konnte kaum etwas sehen, denn ihr Blick war verhangen von Tränen. Aber sie rannte, hinter sich, die nun immer schneller werden Schritte vernehmend. Sie kam zu einem Abhang aus Sand, allein gehalten von die durchdringenden Wurzeln der alten Bäume. Alle Kraft zusammennehmend griff sie nach einer etwas schwach anmutenden Schlinge. Doch sie hielt und das Mädchen zog sich daran hoch. Gleich wäre sie oben, ihre Hände fassten bereits höher gelegenen Boden. Doch auf einmal spürte sie eine nahezu unmenschliche Kälte und ein Schatten dehnte sich regelrecht um sie herum aus. Dann wurde sie an ihrem Fuß gepackt und gewaltsam nach unten gezogen. Vollkommen überwältigt prallte sie mit dem Rücken auf. Sie war nicht mehr fähig zu atmen oder sich nur zu bewegen - das Einzige, was sie noch im Stande war zu fühlen, war der brennende Schmerz der sich in ihren Körper ausbreitete. |
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