20.07.2013, 15:21 |
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Reisender
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Prolog Schon von den schneebedeckten Bergen durch welche sich die Handelsroute zog, sah man die Burg, durch den Nebel fallender Schneeflocken, auf der hervorragenden steilen Klippe hell erleuchtet und konnte dem Lichterpfad bis in die über mehrere Ebene angelegte Stadt folgen. Bis tief ins Tal, stufenweise hinab, reichten die sporadisch unterbrochenen Lichterketten, wo die eisigen Stromschnelle ins tiefschwarze Meer mündete, an dessen Horizont an diesem Abend dann und wann das Tanzen der Nordlichter zu sehen war. Nur tief im Wyzzin und auch dann nur selten war der Tanz der grünen Nebelfäden am ewigen Firmament von der Handelsroute aus zu sehen. Von der Handelsroute aus war der Lärm ohrenbetäubend, nur der klirrende Wind übertönte die Fluten, die sich ihren Weg ins Tal brachen, dennoch war es einem als könne man die feierlustigen Stimmen, beim Anblick der Burg vernehmen. Warm und einladen, weckten die im orangegelben Licht erhellten Fenster die Vorstellung von riesigen beheizten Kaminen vor denen sich ausbreitende Sessel mit Myriaden Fellen bedeckt, an einer riesigen Tafel reihten. Und tatsächlich waren die Bediensteten der Burg und alle Gefolgschaft der versammelten Hochherren damit beschäftigt immer noch mehr Met und Speisen in die große Halle zu tragen und leere Teller und umgekippte Becher fortzuschaffen. „Pass doch auf wo du hintrittst“ zischte ein Page eine junge Magd an, die eilig mit einem Kessel heißem Wasser durch die Gänge unterwegs war und jenen vollbeladenen Pagen fast bis auf die Haut durchnässte. Eilig wandte sich die junge Frau zur Wand um dem Pagen vortritt zu gewähren, ehe sie ihren Weg fort führte durch die langen von Fackeln erhellten Gänge. Es war nicht die Burg ihrer Herren und kein Aufsehen war ihr Auftrag gewesen, als sie zum Wasserholen entsandt wurde. Die junge Frau ahnte was ihr blühte, wenn sie auch nur die Andeutung dessen machte, wofür der Kessel heißen Wassers gedacht war. Es war nicht das erste Mal das die Burg von Sneholm, Vater eines Bastards wurde, doch für die Geschichtenerzähler lag der letzte Bastard schon eine ganze Weile zurück, so dass sich kaum einer daran entsinnen sollte. Ihrem Ziel näher kommend vernahm sie nun auch die Schreie der Mutter, die das Bersten ihres Leibes mit hoher schmerzerfüllter Stimme zum Ausdruck brachte. Die junge Frau verzog nur für einen Moment das Gesicht, bislang wurde sie von den Geburten als Jungfer ausgeschlossen, doch an diesem Abend, waren zu viele neugierige Ohren beisammen, zu viele Augen beobachteten das Geschehen auf der Burg und zu viele Münder tratschten Unwahrheiten, Intrigen und Halbwahrheiten. Sie wusste nur zu gut, dass ihr Herr sich lieber mit den jungen agilen Jägern vergnügte, als bei seiner Frau zu weilen, diese wiederum hatte mit der Zeit verstanden, dass sie die Aufgabe einen Stammhalter zur Welt zu bringen, selbst in die Hand nehmen musste. Diese Wahrheit jedoch wurde peinlichst ignoriert und so hatte ihr Herr den strammen Jungen nur allzu gern als seinen Spross bekannt gemacht und auch das dritte Kind das ihre Herrin zur Welt gebracht hatte, wieder ein Junge, wurde anerkannt. Doch wenn ihre Herrin nun wieder ein Mädchen zur Welt brachte, würde es ihm nicht anders ergehen als dem zweiten Kind. Es würde „entsorgt“ werden, heimlich und still und ein jeder würde die Mutter um ihre Fehlgeburt bedauern, jeder – bis auf ihr Mann, dieser würde nur eine Nacht mehr bei seiner allzu loyalen Gefolgschaft verbringen, welche die Erlebnisse dieser Stunden dann an ihresgleichen weitergab. Die Magd wusste nicht wo das zweite Kind abgeblieben war, niemand wusste dies wohl so recht, abgesehen vielleicht von jenem Mann der es in Empfang nahm und entsorgte. Der bärtige alte Berater der hohen Familie, der gruselige Einäugige, der dennoch alles sah und für manch Kinder zu Alwyzz Nachbild und Schrecken gemacht wurde. Der jungen Frau schauderte es, als sie bei jenem Gedanken durch die Tür kam und eben jener Berater die Tür hinter ihr wieder verschloss und mit stoischer Ruhe, der Geburt einäugig folgte. Der spitze Schrei des Neugeborenen hallte über die hohen Burgwände, gefolgt vom gepeinigten Aufschrei der Mutter, als das Bündel dem Alten in die Arme gelegt wurde. Der einäugige Blick bohrte sich in jenen der Mutter im durch Fackeln durchleuchteten Zwielicht und ließ sie verstummen. Erst als die gepeinigte Frau zusammen sank, bar jeder Kraft und sich auf die Seite rollte, rauschte sein Umhang aus Fellen durch die Luft und verdeckte jenes Bündel im Arm. Dann wandte sich der Einäugige ab, durchschritt die Tür und schließlich die Gänge, hinab in den Gesindehof. Ein Jeder dem er entgegen kam, wich aus den allerwichtigsten Gründen die sich plötzlich auftaten aus, doch die verstohlenen Blicke folgten dem Alten. Mochte es die ungebrochene Selbstsicherheit eines Gefürchteten oder Schaustellerleistung gepaart mit Glück gewesen sein, sein Gang war so aufrecht, so fordernd, so gerade, das niemand auch nur ahnte, welch unglückliches Leben er dort mit sich trug. Im Gesindehof gar forderte er einen weiteren Knecht seines Herrn auf, im einen Korb mit etwas Stroh zu bringen und setzte dann, als er jenen Korb entgegen nahm, seinen Weg fort. Weiter durch den Stall, hinaus in den Haupthof, vorbei an den Wachen durchs Tor und den Aufweg hinab, in die Hauptstraße und schließlich ins Dunkel einer Seitengasse, lange Zeit ungesehen und schließlich hinab in die Gewölbe der rudimentär angelegten Kanalisation zu seinem angestrebten Ziel. Kreischend bewegte sich der Eisenring in seiner Hand als er ihn auf die Verliestür sausen ließ und nochmal klagte das Kreischen durch die Gewölbe ehe ein schäbiges Kratzen und knarzen die unheiligen Geräusche verstummen lies. Wortlos stellte der Alte den Korb auf den klebrigen groben Tisch und starrte seinen Gegenüber an. Mit einem Nicken quittierte jener den Korb und schloss am gegenüberliegenden Ende eine weitere Tür auf. Der Alte trat durch jene hindurch ehe er auf seine alten Knie hinab sank. Und seine Erscheinung begann zusehends zu bröckeln, Gebrechlichkeit brach durch den Schein der Selbstsicherheit, Alter durch die fordernde Haltung und Bettelgebaren durch die Erhabenheit des Gefürchteten, bis schließlich nur noch ein Häufchen Elend dort auf den Boden kauerte. Nur für einen Moment mochte der Mittelsmann jene schattenhafte Erscheinung sehen, die vor den Einäugigen trat, einen Moment zu lang hatte er in die blutroten Augen gesehen, um zu wissen, dass er sich an den heutigen Abend morgen nicht mehr entsinnen würde. Er kannte die Erscheinung nur zu gut. Ammenmärchen nannte man sie, er wusste das es keine waren, war aber nicht in Lage auch nur ein Wort darüber zu verlieren, ebenso wenig wie der alte Tattergreis der nun in dem Raum nebenan auf dem Boden kauerte. Sie waren sein Schutz vor den Knochendienern, doch vermochte der Schurke kaum sagen, welche der beiden schlimmer waren. Die Blutpriester oder Knochendienern, einst hatte er seine Wahl getroffen und seinem Leben zuliebe sich jenen zugewandt. In den seltenen Momenten, wenn der Bann nicht ganz griff, dachte er sich oft, dass die andere Wahl wohl die bessere gewesen sei – dann wäre zumindest Schluss mit diesem Elend. Die Zwischentür schlug zu und so stand er da, missmutig, verängstigt mit einem Korb auf dem Tisch in den Tiefen der Kanalisation von Sneholm. Er hatte sich sein Leben auch einst mal anders vorgestellt, mit weniger Gedächtnislücken, weniger Dunkelheit und mit weitaus mehr ehrenhaften Taten als er bislang aufzuzählen wusste. Vom Selbstmitleid eingeholt, hob der Mann mit mäßigem Interesse den Deckel vom Korb an und blickte in das reine unschuldige Gesicht des Neugeborenen. Die Haut war noch rosig und er glaubte den feinen Geruch der Säuglinge in diesem stinkenden Verließ zu vernehmen, doch wahrscheinlicher war es die Erinnerung die jenes Bild vor seinen Augen wachrief. Erschütterung und tiefe Bewegung trat in das verlebte Gesicht, ehe er den Blick von dem Mädchen löste und zu der bereits grünlich angelaufenen und geschlossenen Tür schweifen ließ, hinter welche sich die unheiligsten Dinge nun abspielten. Ein Kälteschauer durchlief ihn, als er nach dem Korb griff. Morgen würde er sich an nichts mehr erinnern, doch einmal, ein einziges Mal würde er in seinem vermurksten und heruntergekommenen Leben etwas tun, das nicht der puren Berechnung diente. Dieses eine Mal würde er etwas tun, das er als Tugendhaft und Ehrenvoll betrachtete und verließ so leise es ihm möglich war, von unsichtbaren Fäden des Schicksals geleitet, den Raum und trat in die Kanalisation. Fort von dem Einäugigen und noch weiter fort von dem Ungeheuer das dort weilte. Seine eiligen Schritte hallten in den Gewölben dumpf nach, schmatzten auf, wenn er in die sumpfige Laugenpfützen trat. Er kannte sich zweifelsohne in dieser Umgebung aus, kannte die Umweg und Fluchtwege um den Knochendienern aus dem Weg zu gehen und auf der heutigen Flucht, nahm er jeden noch so weiten Umweg. Das kleine Mädchen das er aus dem Sumpf der Bösartigkeit hinaus bringen wollte, konnte jeden Moment ihr Dasein kundtun und dieser Gedanke schien den Schurken so sehr zu beunruhigen, dass er alle 50 Fuß anhielt und den Deckel des Korbes öffnete. Sich des Lebens vergewissern, für das er gerade eben sein eigenes riskierte und stets von neuem verzückt durch den Anblick inmitten des Morastes von Verbrechen, entwickelte das ihm dargebotene Bild einen Antrieb zur Eile Er hoffte nur inständig, das dieses Würmchen zuvor an der Brust der Mutter oder irgendeiner Amme Kraft gezogen hatte und als er endlich, die gesuchte Treppe hinauf stieg , aus der größten Gefahr die ihm bekannt war hinaus, war er sich dessen gewiss. Als würde Libanu selbst ihre behütende Hand über dem Kind halten, schlief es den tiefen unschuldigen Schlaf eines Neugeborenen. Kalt wehte die einigermaßen frische Luft ihm durchs fettige Haar und der warme Schein der Laternen lag in seinem Blick. Er befand sich nur zwei Seitengassen vom Marktplatz entfernt. Ein Schritt nur entfernt vom Licht, dass ihn vor den Bestien der Unterwelt schützt, doch vor den Wachen der Stadt entlarvte. Er war ein Gesuchter und Geächteter und in seiner jetzigen Situation musste er das Licht wie die Dunkelheit meiden. Er stand außer Atem einen Schritt vom Laternenschein entfernt im Dunkeln, als die Zweifel seiner Tat in an die Oberfläche seines Bewusstseins drangen. Er war sich nicht mehr sicher warum und wofür er das tat, was er begonnen hatte. Sein Plan war nicht bis zum Ende durchdacht und wie oft schon hatte er erlebt, dass genau diese Unbesonnenheit, das Ende Vieler seiner Zunft war. Leise fluchte er und drückte sich an die Hauswand, als die metallenen Fußschritte der Wachen vorüber zogen. Erst als die Schritte verhallten, zog er sich zögernd weiter zurück. Fort vom sicheren Getümmel, in die stilleren Seitengänge, seinen Gedanken nachhängend. Ihm kamen zum ersten Mal die Fragen auf, warum wohl überhaupt ein Kind in die Tiefen seiner verhassten Heimat gebracht wurde und zu welchem Zweck dieses kleine Leben herhalten sollte. Übelkeit überfiel den Schurken bei dem Gedanken, nicht zuletzt weil er sich die Konsequenzen seiner Tat auch ausmalte. Er blickte sich nochmals um, er war weit hinab gekommen, die Stadt fiel nun nur noch sanft hinab bis zum nächsten Vorsprung. Danach kam das Hafenviertel, ebenfalls keine angenehmen Gesellen, doch von dort aus zurück in seine Unterkunft würde ein schweres Stück Arbeit werden, zumal die Nacht zum drittel um war. Wohin mit dem Kind, der Schurke rastete unter der Brücke. Vor ihm einer jener Abwasserbäche die aus den ärmeren Viertel in noch ärmere Viertel führten und wieder einmal klappte er den Deckel des Korbes auf. Ein Lächeln durchzuckte sein vernarbtes Gesicht und mit dem sehnsüchtigen Blick den er dem Kind zuwarf, wollte er sich wohl ins Herz brennen, weshalb er all diese Wagnisse auf sich genommen hatte. In sentimentaler Geste strich der Schurke mit seinem schmutzigen und stinkenden Finger zart über den Kopf des Mädchens, ehe er den Deckel auf den Korb schob und jenen dann dem Abwasser übergab. Zu seicht war der Bach, als dass der Korb versunken wäre, doch fließend genug um ihn mitzutragen und ohne Frage stinkend genug um darin je was Reines zu bewahren. „Möge Ludia dir hold sein“ murmelte er und erhob sich, verschwand im Schatten einer Häuserecke, wo er ausharrte und dem aufwachenden hungernden Schrei des Kindes lauschte, ehe er sich vollends abwandte um sich seinem Schicksal zu stellen. Man kann an dieser Stelle hier in Frage stellen, ob es Ludia, Libanu oder Tykene war, die dem Kind die Ausdauer gab, bis zum Morgen schreiend auszuharren, doch Tatsache ist und bleibt, dass das Bündel im Morgengrauen noch immer lebte. Im Weidenkorb gegen die Häuserecke einer Taverne gelehnt, überdauerte das Schreien, den Tumult der Tavernennacht und überdauerte die Prügelei die blutig, doch wie gewöhnlich ohne Tote nur fünf Schritte weiter endete. Und auch ist es so geschehen, dass der ruhige klare Blick eines Elfen den Weidenkorb streifte. Die spitzen Ohren zuckten, ob des ungewöhnlichen Geräusches, hatte der alte Elf wohl mit ächzenden, stöhnenden und heiseren Stimmen gerechnet, aber nicht mit dem hungrigen Schrei eines Säuglings. Wie so oft hatte er morgens seinen Gang durch die Gassen gemacht, gewiss war ihm auch an diesen Morgen einer der grobschlächtigen Kerle aufgefallen, der mit geronnenem Blut in der Pfütze ihrer Ausscheidungen lag, doch der Schrei des Kindes weckte deutlich mehr Interesse. Nur ein Blick genügte, um zu erkennen dass der Säufer diesen Morgen überleben würde. Viel zu oft hatte der Heilkundige morgens den menschlichen Restmüll der Nacht aufgesammelt, damit in dieser Stadt zumindest keine Seuchen ausbrachen, doch heute tat sich etwas und die alte Melodie des Elfen spielte auf. Wohl nur einer des alten Volkes mochte mit solcher Eleganz einen Weidenkorb aus einer Sammlung von Aborten heben und der Sonne mit neugierigem und fragendem, dennoch ebenso weisem Blick entgegenstrecken. Nur zwei Schritte benötigte er, um den Korb auf einem Fass abzustellen und sein Geheimnis zu lüften. Verwunderung und Überraschung streichelten das dennoch junge Antlitz des Silberhaarigen und im Augenblick als die Blicke des Jüngsten und Ältesten sich trafen, schien das Treiben dieser Welt für eine Weile zu ruhen. Nach jenem Augenblick, als Jung und Alt die Brücke zueinander schlugen, hob der Elf das Kind aus seiner Wiege, bettete es mit sicheren Griff in seinem Arm und wandte sich dem noch immer schnarchenden Säufer zu. Lediglich im harten, weckenden Tritt der den Schlafende in sein Dilemma des Lebens zurückholte, mochte man vielleicht den Missmut erkennen, den der Elf in diesem Augenblick gegenüber der Menschheit empfand. „Steh auf Junge.“ Den saufenden Anwohnern von Sneholm mochte es wohl schon zu sehr zur Gewohnheit geworden zu sein, morgens von dem elfischen Heiler eingesammelt zu werden, denn ohne Widerworte nur von Ächzen und Stöhnen begleitet, begann der Säufer sich dem Altehrwürdigen hinterher zu schleppen. Wie eine noble Lichtgestalt trat - nein, schritt der Elf in seinen weißen und weiten Gewändern durch die grauen Gassen, gefolgt von den bereuenden Tunichtguten. Im Heilerhaus angekommen, raffte sich der eingesammelte Saufabschaum in die bekannten Ecken, doch diesmal hielt der Heiler seinen Lehrling ab, sein Tagewerk zu beginnen. „Isaria’s Mann ist heut dabei, geh und gib ihr Bescheid und sag ihr, dass wir hier ein hungriges Findelkind haben. Wenn sie nicht daheim ist, dann ist sie noch bei den Valoran’s“ |
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