04.07.2013, 22:38 |
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Reisender
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Seit sie sich auf dem Stuhl in ihrer kleinen Kammer nieder gelassen hatte, zogen sich die Momente zäh dahin. Sie schaute abwechselnd zu dem Buch auf dem Tisch vor sich und zum geöffneten Fenster durch welches man in die Nacht hinaus und über die Dächer der anderen Häuser sehen konnte. Das Zirpen von Grillen zu ihr ins Zimmer herein und war diesem Augenblick ein so stetiger Begleiter, dass sie das Geräusch beinahe nicht mehr bewusst wahrnahm. Schließlich fiel ihr Blick wieder auf das Buch zurück, daneben das Tintenfass und die Feder und nach einem letzten vertieften Atemzug, neigte sie sich etwas mehr über den Tisch, ergriff die Feder und begann zu schreiben...
Dieses Buch handelt über mein Leben in Britain... Vielleicht geht es sogar darüber hinaus oder...weit zurück. Ich erhielt es bei meinem Eintreffen an diesem Ort und nahm es mit erhobenen Brauen entgegen. Es lag danach unberührt in meiner Truhe und ich glaubte es höchstens einmal als Brennmaterial zu verwenden. Doch nun sitze ich hier mit Feder und Tinte, denn die Ereignisse der letzten Tage haben mich doch sehr bewegt. Ich fürchte, es gehört dazu noch etwas über mich persönlich zu schreiben...mein Leben begann schließlich nicht erst mit dem Durchqueren dieser Stadttore... Geboren wurde ich in einem kleinen Dorf in Finnland, als fünftes von acht Kindern und einziges Mädchen. Unsere Mutter starb nach der Geburt des letzten Kindes. Doch wir erzählten unserem jüngsten Bruder immer, dass sie an einer Lungenentzündung gestorben sei noch ehe er selbst sein erstes Wort habe sprechen können. Nie hat sich jemand von uns verplappert und selbst im Zorn aufeinander hat nie jemand daran gedacht das Geheimnis auszusprechen und ihm damit das Herz zu brechen. Unser Vater, ein Jäger, war ein kräftiger und sehr gutmütiger Mann. Eine raue Schale mit einem weichem Kern, wenn man es so sagen will und er ist immer sehr geduldig mit uns umgegangen. ich denke, ich kann behaupten, dass ich eine schöne Kindheit hatte. Mir wurde vieles beigebracht und meine Brüder sorgten neben dem Schutz ihrer einzigen Schwester auch dafür, dass sie in gewissen Dingen abgehärtet wurde. Sicher traf ich dadurch oft nicht die Vorstellungen, welche andere Menschen von einem Mädchen hatten. Ich habe dieses Leben genossen bis zu dem Tag, an dem unser jüngster Bruder verschwand. Zuvor hatte es sich ereignet, dass unser Vater auf der Jagd verletzt wurde. Ein Keiler hatte ihm den gesamten, linken Oberschenkel aufgerissen und die Wunde heilte sehr schlecht. In den ersten Tagen bekam er immer wieder Fieber und die Wunde war entzündet. Bereits in den Tagen davor war unser besagter Bruder immer stiller geworden. Saß da und starrte umher...ging fort und kam erst sehr spät am Abend oder manchmal sogar erst am darauf folgenden Tag zurück. Bis er gar nicht mehr wieder kam. Die darauf folgende, verzweifelte Suche und die Tatsache, dass uns unser Vater wegen seines Zustandes nicht unterstützten konnte, grämte diesen sehr. Das jede Suche über Tage hinaus schließlich erfolglos blieb, war wohl die Ursache dafür, dass Vater sich völlig verlor und aufgab. Wir begruben ihn neben unserer Mutter... Von da an veränderte sich alles. Unser Zusammenhalt und das Vertrauen zueinander blieb noch immer bestehen, doch ein jeder von uns schien auf seine Weise geprägt von dem was geschehen war. Auch wenn uns die Gedanken, sich voneinander zu lösen, jedem ein merkwürdig zerrendes Gefühl bescherte, wussten wir doch, dass es unvermeidlich sein wird. Jeder von uns würde seinen eigenen Weg anstreben. So geschah es auch nach und nach. Obwohl mir allein bei dem Gedanken das Herz schmerzte, entschied ich mich dafür das Dorf zu verlassen. Die ersten Schritte, die mich von diesem Ort weg führten, kamen mir merkwürdig schwer vor und ich spielte sogar mit dem Gedanken wieder umzukehren. Dort zu bleiben, wo ich aufgewachsen war. Einen Ort, der mir Sicherheit gibt, weil er mir vertraut ist... Aber vielleicht hätte ich dann nie wieder die Chance ergriffen. Vielleicht würde ich dann nie wieder so weit kommen wie diese wenigen Kilometer hinaus aus diesem Dorf. So wurden meine nächsten Schritte, die mich weiter und weiter weg führten beinahe wie eine Flucht vor der Möglichkeit, dass mir der vertraute Ort am Ende zu einem Gefängnis wird. Denn nichts auf der Welt war und ist schlimmer für mich, als eingesperrt zu sein... Der erste Teil meiner Reise war kaum der Rede wert... Von meinem Vater und meinen Brüdern hatte ich gelernt soweit für mich zu sorgen, dass ich zurecht kam und wenn mein Weg mich durch Dörfer führte, fand ich meistens kleinere Aufgaben mit denen ich mir etwas Geld verdienen konnte. Sicher hört es sich für viele einfach an doch das war es auf keinen Fall immer. Dass das Leben nicht einfach ist, war für mich keine Überraschung und das wird auch jeder andere selbst wissen. Schon zu dieser Zeit hielt es mich nirgendwo lange. Seit ich unser Dorf verlassen hatte, schien es mir, als wolle ich nirgends mehr bleiben. Aus Angst, etwas könnte mich dort fesseln. Auf meinem Weg lernte ich vieles. Vor allem aber lernte ich andere Menschen kennen... Einer davon war Aiden. Er war ein junger Mann mit dunklem Haar welches ihm stets zu allen Seiten seines Kopfes ab stand. Sein Herz war wild und ebenso freiheitsliebend wie meines. Ständig brachte er sich in irgendwelche brenzligen Situationen, was ich bereits am ersten Abend feststellte, als ich die Tür zu einem Gasthaus öffnete und er mir mehr oder minder entgegen geworfen wurde. Wir landeten beide auf der schmutzigen Straße. Ich trat ihn von mir herunter und er sprang auf, klopfte sich oberflächlich den Schmutz ab und maulte so etwas wie: ,,Steh mir nicht im Weg du blöder Kerl!" Mir blieb zunächst der Mund offen stehen und als er seinen Irrtum bemerkte, half er mir rasch auf. Er sah an mir entlang, doch anstatt einer Entschuldigung hörte ich nur wie er sagte: ,,Ist doch kein Wunder, dass man sich täuscht. Du bist so flach, bei dir kann man Vorn und Hinten nicht unterscheiden..." Dieser Drecksack... Aber zur Entschädigung lud er mich doch noch ein, in einer Taverne zu speisen...in einer anderen versteht sich. So lernte ich Aiden Faeralan kennen. Eigentlich wollten wir unsere Wege nur ein kleines Stück miteinander teilen. Doch ohne, dass wir es offiziell besprochen hatten, blieben wir von da an Reisegefährten. Aiden war von der Sorte Überlebenskünstler. Er hatte nichts wirklich gelernt und konnte trotzdem beinahe alles. Außerdem war er unglaublich wagemutig und neugierig, was uns immer wieder in Situationen brachte, aus denen wir nur knapp mit einem blauen Auge davon kamen. ich brachte ihm das Spuren lesen bei so wie er mir Bogenschießen. Bald begannen wir damit, Handelskarawanen durch Wald- und Berglandschaften zu führen oder vermisste und gesuchte Personen ausfindig zu machen. Letzteres erinnerte mich immer wieder an meinen vermissten, kleinen Bruder... Da es Aiden ebenso wenig lange an einem Ort hielt wie mich, setzten wir unseren Weg nach gewisser Zeit immer weiter fort. Dabei lernten wir vieles kennen und erlebten Dinge, die ich hier nicht detailliert erzählen möchte, denn ich schreibe nun ohnehin schon länger in diesem Buch als ich es eigentlich vor hatte. Jetzt komme ich auch endlich zu dieser Stadt. Britain. Hin und wieder trennten sich Aiden und ich voneinander um unsere Wege ein Stück allein fortzusetzen und dann wieder irgendwo zusammen zu finden. Diese tage allein waren uns, glaube ich, beiden sehr wichtig. ich habe über Aidens Vergangenheit nie viel erfahren. Doch die Spuren auf seinem Körper und die Momente in denen er merkwürdig trübselig war, sprachen davon, dass sie nicht leicht gewesen sein konnte. Immer dann, wenn wir an den vereinbarten Orten wieder aufeinander trafen, schien er wie...neu geboren und nicht zu brechen. Nun sollte Britain ein solcher Ort des "wieder Zusammentreffens" werden...nun bin ich hier, doch Aiden lässt auf sich warten... |
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