07.03.2014, 08:57 |
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So hier kommt wie angekündigt die Siegergeschichte. Ich muss dazu sagen, dass die Wahl nicht leicht war, weil einige wirklich gute Geschichten dabei waren. Ich werd versuchen sie übers Wochenende auf die Homepage zu bringen, dann könnt ihr selbst schauen
Einstweilen dann meinen Glückwunsch an Jonah Decram, der sich wegen seines Gewinns bei mir melden darf. Der Spion Leon zog eine der schwarzen Spielfiguren über das Brett. „Schachmatt!“, sagte er und lächelte seinem Gegenüber zu, dem ein leiser Fluch entglitt. „Na, na... es ist doch nur ein Spiel.“ „Eines, das ich nie verstehen werde. Wie konnte jetzt bitte der Reiter...“ „Der Springer.“, verbesserte Leon in einem amüsierten Ton. „Der Springer dort hingezogen werden.“ Tamara nahm die Figur in Form eines Pferdekopfes in ihre Hand und drehte ihn einige Male. „Wie soll überhaupt ein Pferd so weite Strecken springen? Ich dachte. das sei ein Kriegspiel. Das alles wirkt mir doch eher wie ein Turnier für Zuchtpferde. Und dann er!“ Die junge Frau nahm die Figur ihres umstellten Königs auf. „Das muss ja ein rechter König sein, dick und faul. Gerade mal ein Feld läuft er. Den Hund zum Jagen tragen, so nannte mein Vater das!“ Leon lachte einmal auf, als sie die Figur mit jenem schmollenden Blick niederstellte, die sich Tamara von den hohen Damen des Hofes abgesehen hatte. „Eine weitere Runde, Fräulein Tamara?“ „Glaron bewahre. Ich weigere mich auch nur ein weiteres Mal mit Euch zu spielen, mein Herr.“ Ihr Ton gewann eine spielend, drohenden Facette. „Ich weiß ja nicht einmal, ob Ihr Euch diese Regeln nicht einfach ausdenkt. Ich habe Euch nie mit jemand anderes spielen sehen.“ „Nun die Herzogin spielt zuweilen, hörte ich. Doch wird sie kaum mit ihrem Kammerdiener spielen. Zudem, ihr wollt doch keine schlechte Verliererin sein?“ „Was ist mit dem Kämmerer, Karnis? Er wirkt nicht dumm.“ Sie funkelte ihn fordernd an, als sie seinen Vorwurf überging. „Oder habt ihr Angst, dass er besser sein könnte?“ Er lachte nur, schüttelte das Haupt und erhob sich von dem kleinen Holzschemel. Tamara packte das Schachspiel wieder ein, während er begann die Kerzen in der Gesindekammer zu löschen. „Er ist ein Magier, hat mir der Schreiber erzählt. Das macht sie mit dem Bibliothekar... was? Drei, Vier?“ Argwohn lag in ihrer Stimme. „Ist er das? Ich dachte, er sei ein Nordmann.“ „Ich finde das sowieso ein Greul. Magier am Hof. Als hätten wir nicht genug zwielichte Gestalten hier unterhalten. Und dann noch dieser Krieg.“ „Es sind schwere Zeiten. Wahrlich. Aber da kann man doch froh sein, wenn wir einige Arkane am Hof haben.“ „Ihre Hoheit soll ja auch eine sein. Angeblich hat sie Valandil... so hieß er doch? Er soll sie unterrichtet haben. In ihrer eigenen Kammer, während ihr Gatte sich an andere Rockzipfel gehalten hat.“ Tamara verfiel wieder in ihren Schnatterton, der als einziges das charmante Auftreten und Ihre Jugend in seinen Augen stören konnte. Wo hatte sie diese Gerüchte nur immer nur, selbst wenn sie ja wahr waren. „Aber wer kann es ihm vergönnen. Armer Kerl. Erst musste er eine Frau in Robe ertragen und dann...“ „Glaron möge seine Seele bewahren und die Hoheiten vor solchem Gewäsch.“ Seine Stimme wurde etwas ernster und er sah sie mit einem ermahnenden Blick an. „Ich dachte, ihr würdet wenigstens in dieser Sache lernen. Das ist etwas mehr als nur ein Spiel, Tamara.“ Schuldbewusstsein schien die junge Frau zu erfüllen und sie blickte auf ihre Hände. „Verzeiht, Herr. Aber ich habe es nur von Lara, die Waschfrau...“ „Sie ist eine alte, verbitterte Frau. Ihre rauen Hände scheinen mir der Spiegel ihrer Verbitterung. Ihr seid jung, ihr seid besser als das. Ich dachte, das wüsstet ihr.“ Ein Lächeln auf seinen Lippen schloss das Thema dann und er nickte ihr tief zu. „Schenkt der Herzogin ein Gebet vor dem Schlafengehen. Sie kann es gebrauchen.“ Tamara knickste einmal, wie sie es als Magd des Hofes gelernt hatte und blickt ihn schüchtern an, wohl dankbar kein weiteres strenges Wort zu hören. „Sie reist morgen nach Britain, sagte...“, sie zögerte einen Moment. „sagte jemand. Reist ihr mit ihr?“ „Ihre Hoheit wies mich an mit in die Residenz zu kommen, ja. Ein guter Kammerdiener ist immer an der Seite seiner Herrschaft.“, sagte er mit einem gewissen Stolz. „Dann ist das wohl ein Abschied. Ich werde hier bleiben.“ „Kein langer, wie ich hoffe. Dies ist nicht der erste Krieg, den ich erlebe und er wird sicherlich nicht der letzte sein.“ Die Wehmut, die ihr Antlitz zierte, schmeichelte Leon. „Und das nächste Mal werdet ihr ja vielleicht wenigstens dieses kleine Kriegsspiel gewinnen?“ „Auf bald, Kammerdiener Rames!“ „Auf bald, Fräulein Tamara.“ Als Leon später die Truhe in seinem kleinen Zimmer packte, lächelte er noch immer. Tamara war ein nettes Mädchen und vielleicht das einzige Wesen am Hof, das er wirklich leiden konnte. Etwas naiv, zweifelsohne, noch jung, viel jünger als er. Wie alt mochte sie wohl sein? Zwanzig höchstens! Er dagegen könnte ihr Vater sein, mehr noch, manchmal gebar er sich wie der ihre. Doch sie bedurfte ein wenig Hilfe. Vor einem Jahr war sie an den Hof gekommen und sogleich hatte er ein hilfloses Ding in ihr gesehen, gefangen zwischen den Hofschranzen und Großmäulern des Hofes, die er schon seit so vielen Jahren kannte. Zofen, Dienstboten, den Stallburschen und Waschweibern. Selbst die Ehrenjungfern waren vor dem Einfluss des Hofes nicht gefeit und verbreiteten den vergifteten Geist, den sie in großen Atemzügen unter den Füßen des Thrones vorher aufgenommen hatten. Sein Lächeln erlosch und er schnaufte einmal angewidert aus. In diesem Meer tosender Wellen von Ehrgeiz, Selbstsucht und Eitelkeit war Leon ein fester Fels, ein Ort der Ruhe und von Charakter, über die meisten Zweifler erhaben. Wen konnte es da wundern, dass sich Tamara rasch an ihn gewandt hatte, Kontakt zu ihm gesucht und ihn schon früh um Rat gebeten hatte, um sich am Hof zu orientieren. Ihr an sich liebenswürdige Wesen erkennend hatte er ihr bereitwillig geholfen, auch wenn er in den Monaten öfters gezweifelt hatte, ob dies eine gute Wahl war. Nicht weil er an ihr zweifelte, nicht weil er die Aufmerksamkeit, das Spiel mit ihr und diese kleinen Blicke von Zuneigung nicht genossen hatte. Nein! Aber seiner Mission war es sicherlich nicht zuträglich. „So wenig Kontakt wie möglich, soviel wie nötig!“, hatte man ihm immer und immer wieder gesagt, als er vor Jahren aus seiner Heimat nach Britain gesandt wurde und eigentlich hatte er diesen Befehl stets gefolgt. Und wahrlich, so manches Mal war es ihm auch schwer gefallen, hatte auch er sich nach menschlichen Kontakt, warmen Worten oder gar einer Beziehung gesehnt. Doch dreißig Jahre hatte er tapfer durchgehalten und nun, über das fünfte Jahrzehnt seines Lebens geschritten, war er so nahe an der Herzogin, wie es einem Mann ohne großen Ruf, ohne ehrbaren Namen nur möglich war. Auch ohne die Wirren eines Lebens mit übermäßigen Lasten des sozialen Spiels, war es recht schwer gewesen. Der Weg nach oben am Herzoglichen Hof konnte einen zermürben, ganz zu schweigen von den Dienstherren die er schon gesehen hatte. Schon Herzog Jarl und seiner bürgerlichen Gattin hatte er die Nachttöpfe geleert. Dann dem Mann, der nun auf dem Thron Fearlans saß und fast hatte es Leon vollbracht seine Mission an einem Königshof fortzusetzen. Stattdessen ertrug er seine Gattin Jilyana mit Ehrfurcht, ehe schließlich die junge Herzogin den Thron bestieg und er der Kammerdiener ihres Gatten wurde. Der junge Erbe des Hauses war ein recht einfacher Dienstherr gewesen und lediglich diverse Frauengeschichten und die kurzweiligen Unterhaltungen des Herzoges musste Leon vom Rest des Hofes abschotten. Natürlich nicht ganz erfolgreich, wie die Gespräche in den Waschkellern des Schlosses ihm soeben bewiesen hatten. Er strich über den Einband des Notizbuches. Von wie vielen Geheimnissen hatte wohl selbst Lara, das alte Weib noch nicht gehört. Krankheiten, Gerüchte, aufgeschnappte Gespräche, selbst Affären der herzoglichen Familie und die Schlachtpläne ihrer Vasallen waren ihm nur selten entgangen. Jeden Geheimgang kannte er, keine Tür war ihm verschlossen oder er wusste zumindest, wo er die Schlüssel finden konnte, sollte doch mal ein Schloss zu kompliziert für seine kleinen Werkzeuge sein. Sogath, Govaine, Valandil, Karnis und wie die austauschbaren Namen sonst hießen, denen er schon Zugang in die Kammer der Herren Britannias gewährt hatte: Sie alle hatten ihre Listen und Beschreibungen in den Büchern Leons, während er ihnen kaum einen zweiten Blick wert war. Natürlich, manche waren eine größere Herausforderung gewesen, waren verschlossener in ihren Gesprächen vor einem Diener oder schwerer zu lesen. Der alte Graf war nicht nur misstrauisch, er war auch über alle Maßen aufmerksam und loyal, sobald er sich im Umfeld der Herzogin befand, die er sogar bei ihrem Namen nennen durfte. Der junge Kämmerer dagenen handelte schon fanatisch in seinem Gebaren zum Schutz der Herzogin und Leon war recht froh darum, dass er erst mal in Minoc die Burg zu schützen hatte, wenn er dagegen an ihrer Seite nach Britain zog. Und Valandil, bei Alwyzz, war der schlimmste von ihnen gewesen. Ihm lief noch immer der Schauer über den Rücken, wenn Leon daran dachte, wie oft der Elfenmagier ihm fast auf die Schliche gekommen war. Zwischen den Regalen in der Bibliothek oder in den Schränken der Gemächer des Gelehrten hatte er sich mehrmals wie ein dummer, kleiner Novize versteckt, der sich vor der harten Hand seines Meisters fürchtete. Nur gut, dass der Berater der Herzogin zu sehr mit den eigenen Spielchen der Macht beschäftigt war und von einer höheren Stelle beobachtet wurde, um sich wirklich mit den Augen in seinem nächsten Umfeld zu beschäftigen. Und nun war auch er schon eine rechte Weile von der Bildfläche Leons Wirken verschwunden, aber er, der brave Kammerdiener, er war noch hier. Die Hand direkt am Puls der Macht, an den Venen der Herzogin, so wirklich und mächtig, dass selbst Leon sich zuweilen fürchtete. Er betätigte einen versteckten Mechanismus an seiner Truhe und das kleine Fach im Deckel offenbarte sich ihm. Vorsichtig steckte er das Notizbuch zurück in die ausgepolsterte Stelle, ehe er die kleinen Instrumente aus dem Metall der Alchemisten musterte. Einige, kleine Haken und Spitzen waren bereits abgegriffen und er musste wohl schon bald neue bei seinen Kontakten in der Hauptstadt anfordern. Doch das Herz seiner Handwerkzeuge, wie er sie nicht ohne Verbitterung nannte, war seit vielen Jahren unberührt und der Edelstein am Griff des langen Dolches glitzerte rein und wohlgeschliffen im Licht der Kerzen. Erst zweimal hatte er fest diese martialische Waffe umfasst, seit er seinen Dienst angetreten hatte. Auf leichten Füssen, weitaus agiler als man es der Hülle eines reifen Mannes zutrauen mochte, war er vor wenigen Monaten durch die ihm vertrauten Flure des Schlosses geschlichen und fast hätte er das erste Mal ins einem Leben, einem Menschen den Tod bringen müssen. Herzog Fredulf, der letzte Gatte der Herzogin, hatte seine eigenen Pläne gehabt und für den Geschmack von Leons Auftraggebern etwas zu viel Wirbel am Hof veranstaltet. Nach dem Leben der Gattin, einer Arkanen zu trachten, hatte auch Leon missfallen, der sich nun wirklich nicht durch übermäßige Loyalität zu den gekrönten Häuptern dieser Welt auszeichnete. Doch kurz vor der Erfüllung hatte ihn eine verschlüsselte Nachricht von der Aufgabe entbunden und eigentlich hatte Leon geglaubt, dass die Getreuen der Herzogin gute Arbeit geleisteten hatten. Doch nun stand dieser Edelmann wieder an den Toren des Herzogtums und er musste nun also mit der Herrscherin wieder in die viel zu kleine Residenz auf der Insel Britains reisen, um dort bestmöglich seinen Aufgaben nachzukommen. Als wäre die Burg Minocs nach dem Brand im Schloss nicht schon Hindernis genug gewesen. Auch weil es schien, als könne er erneut in der Residenz nicht seine Magie wirken, war sie war mit vielen schlechten Erinnerungen verbunden. Aber vor allem der Ort seines ersten Mordversuches war das private Anwesen der herzoglichen Familie gewesen. Der alte Baron Bol Sogath hätte eigentlich durch seine Hand sterben sollen, als dieser sich mal wieder mit wahnwitzigen Kriegsplänen trug. Die neutralen Ländereien hatte er nicht nur bannen, sondern am liebsten gleich mit seiner Garde überrumpeln wollen und so hatte Leon das erste Mal seinen Dolch ergriffen. Auch hier war das Schicksal am Ende etwas schneller gewesen und hatte den Baron in das Königreich beordert, wo er einen sicher ruhmreicheren Tod erlitten hatte, als die Klinge Leons ihm geschenkt hätte. Schon damals hatte er sich gefragt, ob hinter dem Schicksal nicht sogar eine andere Macht stand. Jene, der auch er diente. Aber wer wusste schon genau, was seine Dienstherren da trieben und wie sie ihm die Arbeit erleichterten oder erschwerten. An der Wichtigkeit dieser hatte er dagegen nie gezweifelt, denn immerhin meinte er zu wissen, dass er der einzige Spion im Schloss war, der schon so lange unentdeckt seinen Dienst vollführte. Leon nickte einige Male zu sich selbst, schloss das Geheimfach und klappte den Deckel runter. Mit einem Klicken sicherte er seine wertvolle Habe, die zwischen der Kleidung des Hofes und diversen Sicherheiten, als Beweis einen vermeintlich bürgerlichen Lebens von ihm gekauft wurden. Poesiebücher, ein Kette zu Ehren Glarons, eine Flasche Rotwein und natürlich die gefälschten Briefe einer angeblichen verflossenen Liebe aus Faerlan sollten mit ihm reisen und so neugierigen Geistern zumindest etwas Einblick in ein Privatleben gewähren, dass Leon nie besessen hatte. Doch nein. Als er die Truhe zugeklappt hatte, sah er, dass einer der Briefe noch auf der Anrichte neben seinem Bett lagen. Mit einem Stirnrunzeln nahm er das Schreiben in der eingeübten, weiblichen Schrift an sich. „Mit sehnsüchtigen Küssen“, schloss das Schreiben und er fragte sich gerade, warum er diesen Brief wohl hinausgelegt hatte, als er das Datum und Ort jenes Blattes sah, von denen er zuletzt vor zehn Jahren eines verfasst hatte. Als er „Britain im Jahre 1313“ las, war es schon zu spät und ein dumpfer Schlag trieb ihm die Schwärze in den Blick. Er brauchte nicht lange um sich zu orientieren, als er wieder zu sich kam. Die feuchte Luft, durchwirkt vom Geruch rostigen Eisens und Notdurft, Rasseln von Ketten und gedämpften Tropfen, wenn einer der nassen Mauern wieder etwas Wasser aus dem Burggraben entließ und das flackernde Licht von Fackeln deutete Leon den Ort, auf dessen Boden er lag. Er war Gefangener der Garde. Mit dem unsteten Blick eines Erwachenden schaute er sich in der kleinen Zelle um, ehe er die Gestalt auf der Bettpritsche mit überschlagenen Beinen sitzen sah. „Guten Morgen, Kammerdiener Leon Rames. Wir hoffen doch, der Schlag war noch sanft genug um Verwirrungen in diesem schlauen Haupt zu verhindern?“, fragte eine Stimme heiter. „Was hat dies...“, setzte Leon noch eher verwirrt, als empört an, als sich im Schatten eine Hand einhalt gebietend erhob. „Aber, aber. Wir wollen doch jetzt keine Spielchen beginnen. Dafür gibt es eine Zeit und einen Ort. Doch in der Nacht im Gardeverlies? Das müsstet Ihr doch besser wissen, Leon.“ Amüsiertes Brummen jenseits der Gitter wies Leon daraufhin, dass sie nicht alleine waren. „Ich darf Euch doch sicher Leon nennen. Elysius ist so... wie soll ich sagen... ungewohnt? Sicherlich seht ihr das auch so!“ Seit Jahrzehnten hatte ihn so niemand mehr gerufen. „Wobei, natürlich. Ehre wem Ehre gebührt. Euer Ehrwürden ist vielleicht auch angemessen, für einen Magier Eures Standes. Oder sind wir sogar schon Euer Weisheit?“ Wie war dies möglich, hatte er die Urkunden einst nicht sicher verwahrt? „Soviele Titel für einen Spion. Ich weiß gar nicht, wann wir das letzte Mal so hohen Besuch in unseren Hallen hatten. Ihr etwa, Jungs?“, wand sich die Stimme an das Gelächter hinter den Gittern. „Nein, Frau Hauptmann.“ Frau Hauptmann? War es etwas Alessandra Darach, die ihn hierher gebracht hatte? „Hauptmann Darach, wie kommt ihr dazu mich...“, wieder wurden seine Worte jäh von der Stimme unterbrochen, die auch er nun, als die einer Frau erkannte, wenn auch etwas rau und mit zu viel Zufriedenheit, über die Lage ihres Gefangenen. „Darach? Nun wenn ihr mich so nennen wollt. Auch wenn sich meine liebe Freundin leider nicht um diesen Fall verdient gemacht hat. Da musste schon jemand anderes kommen. Ein wenig Mühe habt Ihr uns ja schon gemacht, das will ich Euch zugestehen.“ Er hörte das Rascheln von Pergament von der Pritsche. „Leon Rames... verzeiht, Leon David Rames.“, fuhr die Gardistin in einem sachlichen Ton fort, nur um sich sogleich wieder zu unterbrechen. „Sogar ein Zweitname. Etwas gewagt, für einen Laufburschen, nicht?“ Sie räusperte sich einen Moment, als wieder Gelächter von den Männern hinter den Gittern kam. „Also... Leon Rames, geboren im Sommer 1261 in Berntal im Königreich Faerlan. Die Mutter Sarah, Schneiderin, geboren 1233, Mädchenname Larin, verstorben 1275. Der Vater David, geboren 1230, Kammerdiener bei einem kleinen Adeligen und somit das große Vorbild des aufopferungsvollen Leon Davids. Brachte dem Jungen Lesen und Schreiben bei, hinterließ leider kein Vermögen und schickte seinen Sohn daher kurz vor seinem Tod nach ersten Diensten am heimatlichen Hofe 1280 nach Britain. Der lässt seine Jugendliebe Regetta zurück, die ihm zwar noch ganz herzzerreißende Briefe nachschickt, aber auch ihn nicht mehr zur Rückkehr bewegen kann und so tritt der Junge bald schon in die ihm zugedachten Dienste ein. Er kommt 1283 an den herzoglichen Hof, erklimmt langsam die Leitern im Schloss und landet schließlich im Gemach Ihrer Hoheiten und wird zum gesichtslosen, treuen Diener der Krone. Bis auf den Hang zu teurem Wein, einige verpasste Messen zugunsten der geordneten Wäsche im Herzoglichen Schrank und der latenten Langeweile in seinem Wesen keinerlei Auffälligkeiten. Ein gealtertes aber ehrliches Gesicht im Gesinde der Herzoglichen Familie. Meinen Glückwunsch, Kammerdiener.“ Die Frau lachte kurz auf und warf einige Pergamente in seine Richtung. „Habt ihr Euch das eigentlich ausgedacht, oder welche Weisen haben sich dazu herabgelassen.“, fragte sie frei von Zorn oder Drohung. „Regetta, welche Frau trägt denn einen solchen Namen und führt dann eine solche sanfte und geschwungene Schrift?“ Leon wusste, dass nun nicht die Zeit war, einen erneuten Versuch des Protestes zu wagen und richtete sich auf. Er nahm eines der Pergamente und überblickte die Details seiner Maskerade. „Ja, ihr seht richtig. Wir haben uns einige Mühe gegeben, diese Lügen zu sammeln und niederzulegen. Eine rechte Mühe und eigentlich gebe ich sowas ja gerne an die Kadetten weiter, aber bei Euch hat es mir doch eine gewisse Freude gemacht.“, die Frau lehnte sich gegen die Kerkerwand. „Natürlich nicht so viel Freude wie die Entzauberung eures Spieles.“ Leon senkte die Lider müde und zerknüllte das Pergament in seiner Hand. „Immerhin stimmt das Geburtsjahr, wobei es genaur der dritte im Alwyzz war, doch das wäre vermutlich zu offensichtlich gewesen. Geboren in Vesper von einer unglücklichen Frau namens Lora, die ihr eigentlich nie gesehen habt. Sie gab Euch soweit ich weiß schnell in die Obhut einer weitaus weiseren Gemeinschaft, durch ihren Aberglauben motiviert. Der Alwyzz gebärt Magier, war vermutlich ihr Gedanke. Gelehrt in der hohen Wissenschaft auf Moonglow, ausgebildet zu einem ganz hervorragenden Magier, der immerhin noch ein paar Titel gewinnen sollte und schon als Kind einem Kodex verpflichtet, von dem die herzogliche Garde ja direkt noch was lernen könnte. Leider wurde Euer Potential nie ganz erkannt und ihr konntet ja nicht mal wirklich Magie im Schloss ausüben. Das beschäftigt einen durchaus, nicht wahr? Ich kenne dieses leidige Problem.“ Die Gardistin seufzte einmal gespielt. „Aber immerhin konntet ihr ein wenig Eure Gedanken um diese Sache kreisen lassen, genug Zeit hattet ihr ja bei Glaron genug. Eure Schriften über den Entzug des arkanen Gewebes und die Möglichkeiten künstlicher und natürlicher Kausalität habe ich doch mit gewissen Genuss gelesen. Der Gelehrtentitel ist Euch durchaus zurecht zugekommen. Aber nun ja, die Praxis steht ja nun mal leider über der Theorie. Gelungen diesen bann aufzuheben ist es Euch ja freilich nicht. Sonst säßet ihr ja nun jetzt wohl kaum hier in den Hinterlassenschaften der vorherigen Gäste unseres Hauses.“ Leon erkannte, dass dreißig Jahre hier ihr Ende gefunden hatten. Doch hatte er bereits eine Frage gebildet, wusste die Garde wohl doch das meiste über ihn, Alwyzz allein mochte die Wege dorthin durchschauen. „Warum lebe ich noch?“, fragte er die Gardistin nun mit ruhigerer Stimme. „Ah, die Frage eines Gelehrte.“ Sie klatschte in die Hände und beugte sich vor. „Nun sie ist berechtigt. Denn, das will ich doch noch einmal unter uns gebildeten Menschen unterstreichen, wir wissen wirklich alles von euch. Eure Mission, Eure kleinen Aufträge. Wir kennen Eure Wege durch das Schloss, die Fingerfertigkeit an diesen kleinen Instrumenten aus Alchemistenmetall, wer sie Euch gefertigt hat und wo wir Eure Kontakte in unserer schönen Hauptstadt so finden können. Ja, wir wissen sogar all das von Euren Auftraggebern, dass Ihr auch wisst und ich muss sagen, es freut mich, endlich einmal ein paar Beschreibungen zu den hohen Herrschaften gefunden zu haben. Sehr schön, dass auch Frauen Zugang zu ihnen gefunden haben. Das gibt doch Hoffnung!“ Das letzte Wort betonte die Gardistin im lauten Ton. „Und Hoffnung, die haben wir doch nur noch selten. Gerade Ihr, so kann ich mir vorstellen, habt gerade nur die Hoffnung, die Euch die Atemzüge dieser verpesteten Luft der besten Räume in unserem Keller noch geben kann, aber dennoch klammert ihr Euch daran, wenn auch nicht so panisch, wie ich es erst befürchtet habe. Aber gut, habt sie nur. Denn ihr habt recht, diese Frage zu stellen. Mehr noch, ihr hättet sie fast nicht mehr stellen können.“ Die Gardistin erhob sich vom Zellenbett und trat einen Schritt näher an Leon heran. „Denn wenn es nach dem Oberst gegangen wäre, hätten wir Euch unter großen Aufhebens vom Hof der Burg getragen. Unglücklich gefallen, trug ganz alleine diese schwere Truhe und stolperte über die eigenen Füße. Wir kennen alle diese Geschichten.“ Leon sah den Ring der Garde an der Hand der Frau glitzern, als sie eine wegwerfende Bewegung machte. Auch während er saß, wirkte sie selbst im Schatten der Zelle nicht sehr groß. „Aber unser Oberst ist ein weiser Mann, auf seine Weise gelehrt und er erkennt Talente, wenn er sie vor sich hat. Fast so ein wenig wie ihr, mein Freund!“ Etwas Vertrautes schlich sich in ihre Stimme und trotz des Hohnes, erkannte Leon etwas in den Worten der Gardistin, die ihm einerseits die Hoffnung etwas verstärkte und dennoch einen Verdacht erweckte, der strafend auf ihn niederging. War er wirklich ein solcher Narr gewesen? „Talente werden gebraucht dieser Tage, denn Krieg steht bevor und wann, wenn nicht jetzt kann sich eine Seele reinwaschen mit Hilfe solch manigfaltiger Fähigkeiten, wie den Euren?“ Sie ging einen weiteren Schritt auf Leon zu und stockte kurz im Sprechen. „Natürlich weiß auch ich, dass Ihr nicht an Glaron glaubt und so sollte ich das Wort Seele vielleicht anders fassen. Aber der Göttervater wäre sicherlich auch nicht sehr erfreut, wenn ihr als Verlierer in einem solch durchdachten Spiel verfrüht vor ihn tretet, findet ihr nicht aus?“ Immer mehr Gewissheit erfüllte Leon, während langsam die Schatten von der weiblichen Gestalt vor ihm wichen und sie einen weiteren Schritt ins Licht trat. „Daher bieten wir Euch eine weitere Runde an, denn ein verlorenes Spiel macht den Spieler ja nicht weniger wertvoll. Ihr müsstet vielleicht nur die Farbe wechseln.“ Als ihr Gesicht in das Licht trat und er ihr Lächeln sah, war ihm bereits bewusst geworden, wer ihn überlistet hatte. Älter wirkte sie nun, etwas stattlicher und bestimmter und ihre Stimme hätte er niemals in derart spielerische, fast schon gerissene Höhen zu führen vermutet. Aber bei Alwyzz, sie war es und hatte besser gespielt als je zuvor. „Und ihr wollt doch kein schlechter Verlierer sein, Herr Rames?“ Als er wenige Tage später die große halbrunde Halle betrat und vor den Marmortisch trat, begrüßte ihn bereits verstimmte Gemurmel. Höchst unorthodox war es für ihn, dass er sich so offen an seine Auftraggeber wenden musste und obschon sie seiner Bitte nachgekommen waren, merkte er die Unzufriedenheit. Die vier verschleierten und mit schweren Stoffen bedeckten Häupter flüsterten zornig miteinander und missachteten ihn eine rechte Weile, wie er mit der Robe eines Gelehrten unter die Kristalle trat, die den Ort nur wenig ausleuchteten. Erst als er sich räusperte verstummten die Geräusche von der anderen Seite des Tisches und eine tiefe, weibliche Stimme drang nun offen, aber ohne ihre Richtung bestimmen zu können an sein Ohr. „Weisheit Elysius, das Konzil ist höchst ungehalten über Eure Anwesenheit im Tempel und dem einhergehenden Abbruch Eurer Mission. Es hofft doch sehr, dass es hierzu tragende Gründe gibt.“ „Allwissende, ich habe die Notwendigkeit meines Erscheinens und meine Bitte bereits...“, begann Leon, ehe eine männliche Stimme, ebenfalls ehrwürdig und von Alter gezeichnet und ohne erkennbaren Ursprung ihn harsch unterbrach. „Über die Notwendigkeit bestimmt das Konzil. Ihr mögt Eure Bitte dargelegt haben und die Gnade einer Audienz empfangen aber Eure Bitte ist dem Konzil nicht mehr als die Dummheit eines Novizen! Allein, dass das Konzil höchst interessiert ist an der Darlegung Eurer Beweggründe, lässt Euch überhaupt wieder hier stehen. Auch wenn das Konzil dies mehr aus der hierzu entstehenden Kurzweil duldet, denn einer ernsthaften Erwägung eines Planes, der sich über der Weisheit dieses Konzils zu stellen mag!“ Vorsichtig entgegnete Leon dem Donnern der Konzilsstimme. „Allwissende, ich habe dreißig Jahre dem herzoglichen Hause gedient und durch Eure Führung so mancherlei Gut des Göttervaters in diese Hallen getragen. Ich habe stets treu der Gemeinschaft der Arkanen gedient und ebenso, so bin ich überzeugt, mich im Dienst um Moonglow verdient gemacht. Mehr noch, Ehren seitens des hohen Konzils empfangen, die meine Erfolge wohl unterstreichen, wenn sie nicht das Konzil selbst fehldeuten.“ Erneut erhob sich vierstimmiges Gemurmel vom Tisch. Leon missachtete es und fuhr fort. „Daher denke ich, dass ich nach all der Zeit den Moment deuten kann, wann ich an anderer Stelle dem Konzil mehr dienlich sein kann!“ „Das Konzil allein bestimmt über seine Dienerschaft!“, donnerte erneut eine männliche Stimme, ehe nach einem erneuten Gemurmel, wieder die weibliche Stimme ruhiger, fast versöhnlich die Halle erfüllte. „Ihr glaubt also, dass es nötig sei, im Süden dem Konzil zu dienen?“ „Ja, Allwissende. Die Situation dort sollte beobachtet werden. Immerhin erwog das Konzil selbst damals die Neutralisierung des Herzoges.“ „Das Konzil hat sich dieser Sache in der ihm angemessenen Weise angenommen.“ Oder auch nicht, dachte Leon nun und zweifelte ein wenig an seinen eigentlichen Dienstherren. Wenn auch ihnen die Sache nicht geheuer war, könnte dies ein Ausweg sein. „Das ist richtig, Allwissende, doch weiß keiner, ob die momentanen Pfade, die dort beschritten werden, nicht auch auf eine Störung gegen die Gefilde des Konzils hinauslaufen. Er wendet sich immerhin bereits gegen die Völker und seine Gier wird keinesfalls von Weisheit geleitet.“ „Das steht euch nicht zu, zu bewerten. Seine Taktik trägt durchaus den Erfolg der Überlegung in sein Lager.“, erwiderte einer der Allwissenden. „Das mag sein, doch macht ihn das noch nicht zum besseren Spieler in diesem Krieg. Ich befürchte, wenn er die richtigen Züge setzt und gewinnt, wird er ein fürchterlicher Gewinner sein, der auf neuen Ruhm in Moonglow hoffen wird.“ Leon lächelte etwas über die eigene Metapher und das Konzil erging sich wieder in das Geflüster. War er mit seinen Andeutungen zu weit gegangen oder sich gar wie ein Narr aufgeführt? „Das Konzil entsendet Euch in seiner Weisheit zur Südfestung. Dort werdet Ihr eure Dienste dem Herzog antragen. Ein der Situation angemessener Hintergrund wird euch zugestellt werden. Ihr könnt die Hallen des Konzils nun verlassen.“ Als das Licht der Kristalle langsam erlosch, wusste er, dass er nun zwei Dienstherren verpflichtet war. Als er wie ein Verräter, wohl der, der er auch war, hastig sein Hab und Gut in der Residenz der Herzogin einpackte, legte er zwei Briefe in das geheime Fach seiner Truhe. Einer, war der von ihm gefertigte Brief den er als Kammerdiener der Herzogin an Fredulf schicken würde um sich in der Südfestung seinem Hof anschließen zu wollen. Voll von kleinen Erinnerungen an die kurze Dienstzeit unter dem Herzog und Verbindlichkeiten, die einem einfachen Mann des Gesindes zukamen, sollten sie ihm wohl die Tore in den Süden öffnen. Der andere Brief dagegen war zwar in einer Schrift geschrieben, die er selbst erfunden hatte, doch waren die geschwungen, weiblichen Worte auf dem Pergament weder von ihm verfasst, noch hatte er den Brief auf sein Bett gelegt. Es waren nur wenige Worte. Guter Zug! Hoffe auf weiteres Spiel. mit sehnsüchtigen Küssen geschlossen, Regetta Er lächelte wie ein guter Verlierer. |
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