Terra Mystica
Spendenbarometer
Terra Mystica | Foren

Zurück   Terra Mystica | Foren > Rollenspiel > Chroniken

Antwort
 
Themen-Optionen
Alt 19.08.2022, 12:07
Biographie der Mila Vandorez
#1
Mila Vandorez
Reisender
 
Registriert seit: 25 Sep 2016
Beiträge: 500
Kapitel 1 – Die Wiege

Melduren war eine große Stadt, an den Südküsten Faerlans und wurde von seinen Bewohnern oft liebevoll „Die goldene Perle“ genannt. Viele wagten sich schon an der Deutung dieses Kosenamens, doch keiner wusste mehr, wer Melduren als Erstes so nannte und warum. Die Wahrscheinlichkeit war hoch, dass über die Jahre viele diesen Kosenamen mit ihrer eigenen Bedeutung übernommen haben, denn Melduren war nicht nur groß, sondern auch eine reiche Stadt. Dies war nicht immer so, es begann langsam, vermutlich Anfang des 10 Jahrhunderts als die Dürre die Bauern an die Küsten trieben. Melduren war die meiste Zeit des Jahres einer heißen Sonne ausgesetzt die von der frischen Meeresbriese gezähmt wurde. Die Winter kamen spät, meist erst mit den grauen Tagen und doch hielten sie sich bis zum Frühjahr dann. Von der Küste aus griffen Grünflächen wie Finger ins Landesinnere, doch je mehr man sich dem Landesinneren zuwandte, je mehr trocknete das Land aus. Ein Vogel hätte wohl ein goldenes ausgetrocknetes Land betrachtet mit vereinzelten kleinen Gestrüppen, Sträuchern oder auch mal eine standhafte Baumgruppe, doch ansonsten war Melduren kahl wie eine Perle. Bald schon wurden aus den meisten Bauern Händler, welche ihre Jagderzeugnisse und ihre Ernte an die Schiffe verkauften, die aus Maleth anlegten oder von Faerlan aus in den Süden zogen und ein letztes Mal Proviant löschten. Schiffe aus Maleth kamen alsbald mit eigenen Händlern und boten die Früchte des tiefen Südens an, sowie Gewürze und Öle. Einheimische Händler kamen um jene zu kaufen und so wuchs Melduren im 12. Jahrhundert zu einer reichen Handelsstadt, dass der Tradition eines „Bauernrates“ folgten. Natürlich waren es heute kaum noch Bauern die im Rat saßen, doch wenngleich sich Melduren von einem freien Fleckchen Erde, von Bauern einst besiedelt weiter entwickelt hatte zu einem Dorf, einer Stadt und schließlich einer großen und reichen Handelsstadt, so wurde an der Staatsform nie etwas geändert und blieb eine Demokratie. Auch die Bildung wurde noch immer in die Vertrauensvollen Hände der Gemeinschaft gelegt für jedermann. Ab dem 3. Lebensjahr kamen die Kinder in Gruppen zusammen um von einem Erwachsenen zu lernen. Sei es durch Geschichten über die Heimat, im Handwerk, gar auch bei körperlichen Ertüchtigungen, die erst später zu Waffenübungen wurden, zum Reiten, aber auch zur Geistesschulung. Die Lehren der 13 wurden unter Aufsicht bekannt gegeben, und je nach Interesse, Berufung oder Begabung folgte eine Belehrung und Lehre im Namen der 11. In meiner Erinnerung war Melduren immer laut und bunt und voller Gerüche und Geschichten. Viele verschiedene Menschen tummelten sich auf den Straßen, in den Atrien und überall sonst. Ich lernte wie all meine Freunde auch zu unterscheiden, wer Einheimischer war und wer Fremd, wem man schon mal eine Münze aus der Tasche quatschen konnte für Zuckerware oder wem man besser nicht zu nah kam. Es gab viele südländische Händler zum Teil mit festen Geschäften in Melduren, doch galten sie bei uns immer als Ausländer. Erst nach der dritten Generation schien ein ungeschriebenes Gesetzt jemanden zum Einheimischen zu machen und auch hier sieht man das man selbst in den Traditionen am einfachen Bauerngeist fest hielt und unnötig lange zauderte und bockte, doch trotz all dem muss ich sagen, dass Melduren für jeden Geist auch gleichzeitig ein Segen ist. Durch die kollektive Bildung und integrierten Arbeiten von Unmündigen haben wir alle mehr oder weniger die gleichen Möglichkeiten bekommen. Wir wurden früh in unseren Taleten oder Berufungen unterstützt und mussten auch als Kinder alle die gleiche Feldarbeit leisten die mit zur Grundversorgung beitrug, wer sich bei den körperlichen Arbeiten drückte hatte meist schnell keine Freunde mehr. Manchmal, eigentlich sogar recht oft schwänzten wir alle den Unterricht, das war dann unsere freie Zeit, wo wir durch die Straßen zogen, lauter Unsinn mit den Fremden machten und raus vor die Stadt zogen um in den Wiesen zu spielen. In diesen Erinnerungen schwelgend, muss ich sagen dass ich eine ausgesprochen schöne Kindheit hatte. Kompliziert wurde es erst später, als ich zur Frau wurde und beweisen musste, dass mich das nicht schwächer macht. Als mir meine Freundinnen anfingen auf die Nerven zu gehen, weil sie mehr und mehr nur noch über Jungs sprachen. Weil sie sich ausmalten zu heiraten und Mütter zu werden. Ich hab mir sowas nie ausgemalt, um ehrlich zu sein, habe ich mir mehr Gedanken darüber gemacht, warum ich nie diesen Drang verspürte Mutter zu werden oder zu heiraten, als dass ich mir ausmalte wie es sein könnte. Ich hatte schlicht kein Interesse daran. Frühere Trennungen zwischen Mädchen und Jungs, etwa als die Jungs anfingen den Mädchen die Röcke zu heben kamen bei mir gar nicht erst auf. Ich trug schon immer die Hosen meiner Brüder auf und fragte auch nie nach einem Kleid. Ich besaß zwar einen Gehrock den mir meine Mutter manchmal zum Kleid gürtelte, wenn wir pilgerten, doch soweit ich mich entsinnen kann, besaß ich nie ein Kleid. Mir ging es nur darum stärker und zäher zu sein, keinen Unterschied zwischen mir und meinen Brüdern aufzuweisen, ich wollte das selbe wie sie. Ich wollte stark sein, ich dachte zwar nicht darüber nach warum es mir so wichtig war, aber ich war Entschlossen – solange schon, wie meine Erinnerungen zurück reichen. Ich wollte immer eine Kriegerin werden, Anfangs in einer strahlenden Rüstung – Mutig, Stark und Beliebt und gefeiert natürlich. Es war ein Mädchentraum dem ich entschlossen entgegen arbeitete und lange Zeit nicht hinterfragte. Ich hatte schon eine vage Vorstellung von meiner Zukunft damals mit 14 Jahren. Meine Waffenzeit begann, eine Art Frohndienst für jeden 14 Jährigen bestand entweder in der Ausbildung an einer Waffe, in einem Handwerk, eine klerische Ausbildung sofern in Melduren möglich, oder außerhalb oder auch eine solide Grundausbildung in der Magie. Es gab Zweige wie Sand am Meer, ob im Handel, der Kunst, sogar im Münzwesen und Verwaltungszweig, ich hatte mich für die Ausbildung in der Stadtwache entschieden, wie Garus und Kromos, meine zweitältester Bruder Titus war bereits ein ausgelernter Schmiedegeselle bei meiner Mutter und Czesare war unentschlossen noch zwischen Kriegsdienst und Jagdrotte. Es gab nicht viele Mädchen im Kriegsdienst, die meisten schlossen sich, wenn sie als wild galten der Jagdrotte an, in meiner Einheit waren wir zu Zweit dafür gab es in vielen Einheiten gar keine Mädchen.

Jedes Jahr zur Tag und Nachtgleiche gab es drei Tage lang ein Fest, wo die ganze Stadt geschmückt wurde mit Weintreben, bunten Fahnen, Tannenzweigen, Misteln und Zapfen und allerlei Stoffen. Es gab Märkte, Handwerkerwettbewerbe, Kunstausstellungen, Turniere, Pferderennen, Fuchsjagdten, Tanz und Ausschank wo immer man mit Weinreben schmückte. In jeder Gasse war dann Trubel. Zu den Turnieren trat man in Rotten an. Jeder Kommandant gründete eine Rotte und wählte aus jedem Jahrgang einen aus. In dem Jahr als ich Begann und ein Frischling war, hoffte ich sehr darauf von gewählt zu werden. Sie war die einzige Kommandantin, ein oft siegreiche Adorianerin die nur Weiber in ihre Rotte wählte, doch sie wählte mich nicht, sie wählte eine Andere aus, ich wurde gar nicht aus gewählt. Ich war dazu verdammt gewesen das Turnier vom Rand aus zu beobachten und tat dies auch nur, weil ich Kromos Ehre erweisen wollte und sehen wollte wie Garus sich schlägt. An diesem Tag zerschlug mein Mädchentraum, mir wurde klar, dass ich weder gefeiert, noch beliebt sein musste, um eine großartige Kämpferin zu sein. Ich wollte nur einfach hervorragend sein, so gut dass ich eines Tages mal Arla herausfordern konnte, die fast hätte meine Mutter sein können und somit über doppelt soviel Erfahrungen an den Waffen aufwarten konnte als ich an Lebensjahren zu diesem Zeitpunkt. Doch war ich schon immer recht Ehrgeizig gewesen. Demut ist eine Tugend mit der ich noch heute hadere, doch dazu komme ich noch. Ich war ehrgeizig, ehrgeizig und entschlossen. Ich kämpfte bald unter dem besten Kämpfern meiner Einheit und dies erfüllte mich großen Stolz. Mein Vater hatte mir oft erklärt, dass ich erst mit dem Alter und der Erfahrung das Quentchen Kraft überbrücken kann, dass die Frau vom Manne trennt und dank meiner Brüder war ich jederzeit bereit gewesen diese Erfahrungen immer wieder auf die Probe zu stellen.

Als ich 15 wurde, trat das Mädchen, dass im Jahr zuvor noch in Arlas Rotte kämpfte aus dem Kriegsdienst in den Wirtschaftsdienst und lernte einen Hof zu verwalten. Sie hatte sie verliebt und es war gegenseitige Liebe. Beide wollten später heiraten, er erbte einen Hof als Sohn, hatte sich selbst aber für den Kriegsdienst entschieden. Dass sie ihren Weg für ihn aufgab war mir unverständlich, mir kam keine einzige Situation in den Sinn, die mich auf diesen Gedanken brächte. Doch werde ich nicht vergessen wie sehr mich das bewegt hatte. Manche Dinge lerne ich sehr langsam und sich jemand anderem Unterzuordnen, weil man an diesen Jemand glaubt gehört zu einer sehr späten Lektion die ich lernte als ich mein 3. Jahrzehnt überschritt. Es ist eine Lektion die sehr lange bei mir reifen musste. In diesem Jahr baute ich reichlich an Masse auf, trieb mich fast ebenso viel mit den Jungs rum wie die anderen Mädchen, doch für sie war ich immer eine von ihnen. Sie sprachen über die anderen Mädchen vor mir, was sie gern mit ihnen tuen wollten. Welche Qualitäten sie an den Mädchen bevorzugten. Eine Litanei die bis heute kein Ende fand und selten konnte ich behaupten, dass ich auch nur mehr als eine Qualität besaß, während andere Mädchen volle 10 Qualitäten erreichten. 10 von 10 sagten sie immer. Ich war maximal eine Zwei. Ehrlichkeit war die Qualität die ich immer besaß und ihnen meist wichtig war, und für manche besaß ich ein hübsches Gesicht zumindest wenn ich lachte, doch auch das ist lange her. Es war ein seltsames Jahr. Wenn mein Mondblutung einsetzte geriet ich in Wut und Zorn, wenn sie mich damit triezten, in den anderen Wochen war ich meist froh eine Eins zu sein. Im Spätsommer diesen Jahres hatte ich mich so oft geprügelt und geschlagen, dass ich nur noch selten geärgert wurde mit meiner Zwei. Es kann auch daran liegen, dass sich mir jemand angenähert hatte, den ich gut fand. Borus hieß er, war zwei Jahre älter als ich und er bewunderte mich. Er hatte eine Vorliebe für kriegerische Frauen, das heizte seinen Ehrgeiz an wie Garus immer sagte. Zwischen Borus und mir passierte aber nicht viel. Er kannte meine Brüder Garus und Kromos und behandelte mich mit viel Respekt. Mit ihm lernte ich meinen Körper auch anders wahr zu nehmen, was mir zwar zu jenem Zeitpunkt keinesfalls geheuer war und ich es ablehnte, doch seine Wünsche machten mich zumindest etwas neugierig. Bevor jedoch diese Neugier ausuferte kam der Angriff der Invasoren.
Mila Vandorez ist offline  
Mit Zitat antworten
Alt 20.08.2022, 13:35
#2
Mila Vandorez
Reisender
 
Registriert seit: 25 Sep 2016
Beiträge: 500
Kapitel 2 – Die Invasoren

An diesem lauen Herbstabend war es unnatürlich laut in den Straßen der goldenen Perle. Jeder wirkte gehetzt bis schwer beschäftigt und auch ich war in Eile. Ein Bote hatte Garus und mich zum Alarm gerufen. Kromos war beim Dienst, ebenso wie mein Vater. Wo Czesare war wusste niemand. Meine Mutter blieb mit Titus allein zurück. Ihre letzten Worte waren: „Gib auf dich acht mein Kind.“ Ich habe den Klang ihrer Stimme vergessen mit den Jahren und auch ihr Gesicht verschwimmt immer mehr. Ich sah ihr sehr ähnlich, sagte man mir immer, doch wenn ich an meine Mutter denke, denke ich an eine fröhliche Frau die gerne scherzte und viel zu viel liebkoste. Sie hatte ein weiches Gesicht, mit strengen Augen und sehr beweglichen Augenbrauen. Sie war für mich der Inbegriff aller Weiblichkeit. Rund und kräftig, hübsch anzusehen, lustig, scherzend, interessant und doch willensstark und energisch wenn es sein musste. Vielleicht würde mein Spiegelbild ihr heute ähnlicher sehen, wenn mein Wesen mehr nach ihr gekommen wäre.

Garus hat sie nach unserer Verabschiedung nochmal gesehen. Erschlagen auf den Stufen ihrer Schmiede. Titus vor der Schmiede auf der Straße zu unserer Mutter gewandt und geköpft.

Ich weiß noch wie ich in die Halle trat, um mich meiner Einheit anzuschließen. Es war alles unübersichtlich, ich hörte, dass sich ein Heer näherte. Es gab obendrein politische Spannungen. Die Räte hatten sich verstritten, scheinbar wurde durchgesetzt dass die Tore gegen die Entscheidung des großen Rates (Der Große Rat bildet sich aus mehr Mitgliedern die gleiches Stimmrecht haben, der Kleine Rat hat aber die Entscheidungsgewalt) geöffnet bleiben sollten, die Stimmen und Satzfetzen flogen wie im Pfeilhagel an mir vorbei, ohne dass mir klar wurde was ich da hörte. Die jungen Einheiten wurden zu einem Außeneinsatz gerufen. Der Kriegsrat hatte nach diesem Beschluss entschieden, auf einen Zangenangriff zu setzten. Offiziere hatten uns zu großen Rotten gebildet und führten uns seitlich aus Melduren hinaus in die Hügellandschaft. Der Gestank ging allem voraus. Ein Geruch von Schwefel und Blut lag in der Luft, man konnte sie zu erst spüren, dann riechen, dann hören. Dieses unheilvolle Jaulen dass durch die Luft getragen wurde, keinem natürlichen Wesen entfleucht. Das Grunzen und Knurren, dem jegliche Stimmnuance fehlte und scheinbar ungefiltert die Kehle verließ. Und dann sah man sie. Die dunkle Schar. Die Invasoren. Mir fehlte damals jeder Name für das was da an uns vorbeizog. Ich wusste nur eins. Das was ich sah war das Böse. Es war nicht böse, weil es uns angriff, oder etwas haben wollte, was ihnen nicht zustand. Es war Böse von seiner Substanz her. Man konnte diese Bosheit fühlen. Mein Verstand arbeitete ab da an nicht mehr. Er war gelähmt, weigerte sich zu verarbeiten was ich da sah. Mein ganzer Körper war wie gelähmt und es fühlte sich an, als wäre ich sehr weit weg gewesen und hätte meinem Körper nur zugesehen, wie er da lag, in der Mulde etwa 50 Schritte von der dunklen Schar entfernt die auf Melduren zustieß. Andere meiner Gruppe waren nicht so gelähmt. Einige sprangen auf und griffen ohne Kommando in die Seite. Manche folgten ermutigt und kopflos. Andere wiederum blickten zum Offizier der versucht hatte die Gruppe zusammen zu halten. Ein Seitenangriff in dieser Lage, wäre einem Selbstmord gleich gekommen. Wir waren die Jüngsten. Wir wurden hinaus geführt, um den Sieg zu krönen oder in Sicherheit gebracht zu werden. Ich sah zu, wie jene Stürmer unserer Rotte fielen ehe sie den Feind erreichten. Und noch immer war ich wie in weiter ferne als Garus plötzlich neben mir aufsprang. Noch ehe ich überhaupt den Schrei über die Lippen brachte, den Schrei der sich tief in mir gebildet hatte, aber meine Kehle nicht verlassen wollte, war mein Offizier auf ihn gesprungen und hatte ihn zu Boden gedrückt. Ich war fünfzehn als ich das erste Mal das reine Böse sah. Das hat mich zweifellos geprägt, vielleicht stahl es mir damals schon die Liebe.
Unser Offizier raffte uns hoch und trieb uns wieder zurück. Behielt uns in Bewegung und hoffte in der Nähe der Stadtmauern einen besseren Überblick zu haben. Ich nahm aus sehr weiter ferne wahr, wie mein Körper folgte, ich nahm aus sehr weiter Ferne wahr, wie Borus von der Stadtmauer geworfen wurde und dann mein Vater. Ich nahm noch wahr das Garus fort rannte und entkam, danach verschließen sich meine Erinnerungen für eine ganze Weile auf eigenartige Art und Weise. Ich weiß noch, dass unser Offizier doch wieder in die Hügel trieb und uns in einer Mulde sammelte. Ich weiß auch noch, dass es sehr weit weg war und ich weiß noch, dass ich dort mit den anderen saß und keiner sagte etwas – oder ich erinnere mich nicht daran. Denn obwohl ich weiß, dass es so ablief, kann ich mich im wesentlichen nicht daran wirklich erinnern, den Weg zurück gelegt zu haben oder dort mit den anderen gesessen zu haben. Dieser Zustand hielt eine ganze Weile an.
Unser Offizier führte die wenigen die von uns geblieben waren weiter ins Landesinnere. Die Kriegslinie zurück, welche die Invasoren hinterließen. Was wir sahen ließ uns verstummen. Es war ein stiller und stummer Marsch. Von Dorf, zu Stadt, zu Höfen und Ansiedlungen. Ich habe für diesen Marsch auch jegliches Zeitgefühl verloren, doch ich alterte ein Jahr und lernte den Ausspruch der Geierpriester zu verstehen.

„Im Angesicht des Todes verliert selbst die Zeit jeden Wert“

Die Zeit bleibt auch für die Lebenden stehen, wenn sie vom Tode umzingelt sind. Egal wo wir hinkamen, sahen wir Leichen in den unterschiedlichsten Stadien der Verwesung. Manchmal gab es Überlebende die unseren Weg schnitten und uns vor den Leichen warnten. Untote seien über sie gekommen, manch ein Nachbar soll schon wieder auferstanden und verschwunden sein. Die Geschichten wurden immer düsterer je weiter wir kamen. In einer Stadt weit schon im Landesinneren, haben wir das königliche Heer passiert. Es war ein Nebentrupp, die Verfolgung wurde wohl noch immer nicht aufgegeben. Wir blieben eine Weile in der Stadt. Unser Offizier wurde oft gerufen um Aussagen zu machen, er war selten bei uns und so brach unsere Rotte zusammen. Der eine hatte dort Verbindungen aufgenommen, der andere hatte nun andere Ziele. Manche suchten auch feste Arbeit in der Stadt. Garus hatte damals das Kommando übernommen und gesagt wir ziehen weiter. Mit oder ohne Offizier. Das war etwa der Zeitpunkt wo mein Verstand langsam wieder bereit war selbstständig zu reagieren. Die Ungewissheit wie es nun weiter ging begann langsam zu nagen. Ab da an waren wir noch drei Monde unterwegs, bis wir zum Osthafen gelangten. Die Dörfer, Siedlungen, Städte und Höfe änderten sich, je weiter wir zogen. Man sah ihnen noch die Spuren des Krieges an, doch sie wurden wieder aufgebaut, und je weiter wir kamen, desto weiter waren die Arbeiten. Besonders eindrucksvoll war für mich ein Mühle, die nicht wieder aufgebaut wurde. Sie war verlassen, stand in dem Brandskellett, inmitten von Sträuchern und Brenesseln. Bäume hatten im letzten Frühjahr zu sprießen begonnen. An der Seite plätscherte mit leichter Strömung ein Fluss auf dem unzählige Mücken schwirrten. Grillen zirpten und Vögel zwitscherten. Es war der pure Anblick von Friede. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich das Grün und Braun und Olive vermisst hatte auf dem stummen Marsch. Da war nichts buntes, nichts lebendiges, da war nur alles grau in grau und tot. Anfangs fehlte es gar an natürlichen Aasfressern, doch waren sie die ersten die ich wohl wahrnahm. Die Geier des Namenlosen.
Doch die Ruine die ich da sah, inmitten von Grün das es umarmte und umschlang, sich einverleibte und die Erinnerung an diese Tat zu tilgen begann, hatte mich in den Bann geschlagen. Ich weigerte mich zwei Tage weiter zu ziehen und an diesem Lagerplatz unterhielten Garus und ich uns sehr sehr lange. Er erzählte mir was er in der Stadt sah und fragte mich nach meinen Erinnerungen. Wir waren beide wie leer gepumpt. Doch entstand in dieser Nacht in mir etwas Neues. Ein Licht, das ich den Namen „Leben“ gab. An das ich glaubte, und so sehr mit dieser Ruine verband, die sich wie ein Phönix aus der Asche erhob und sich wieder mit Leben füllte. Ich begann die Natur mit anderen Augen zu sehen und zum ersten Mal konnte ich dem Begriff heilig eine besondere Bedeutung beimessen. Es wurde mir nicht heilig, weil andere sagten, dass es heilig war. Es wurde mir heilig, weil es sich mir als heilig offenbart hatte. Es war die Geburt meines persönlichen Glaubens, ich war gerade 17 geworden. Es war nicht so dass meine Familie nicht die Götter verehrte. Wir pilgerten regelmässig im Estif zum Schrein des Aestifers den meine Familie wohl am meisten in ihr alltägliches Leben einband. Meine Mutter glaubte am stärksten glaube ich an ihn. Ich erinnere mich, dass es für sie immer etwas sehr besonderes war auf Pilgerreise zu gehen und an Aestifers Feuer fühlten wir uns alle sehr wohl. Doch wurde auch zu Libanu gespendet, als mein Bruder sich verlobt hatte und auch die Glaronsmessen wurden regelmässig besucht, wenngleich mehr aus Pflichtbewusstsein denn aus dem Herzen heraus, mein Vater sagte mir mal: „Sieh es so, die Götter die man sich wählt zu jenen man betet, sind etwas ganz persönliches, sie werden dich rufen und dir Zeichen senden. Du wirst ganz instinktiv wissen, welcher Gott dich da rief. Doch in die Messe zu gehen, ist eine Bekenntnis mein Kind. Eine Bekenntnis zum Guten, die dich vielleicht davor schützen kann von den Dunklen Zwei Zeichen zu bekommen. Wir bemühen uns gute Menschen zu sein, und das soll auch jeder wissen, so reichen wir die Hand anderen guten Menschen und verbünden uns.“ Meine Mutter war da viel liberaler, vor allem sagten ihr die Beichten nicht zu. Mir selbst verhalfen diese Lehren, die für mich stets sehr unpersönlich waren, eine Moralvorstellung zu entwickeln und auch wenn mir bis heute ein persönlicher Bezug zu Glaron fehlt, so bin ich heute dankbar dafür, dass ich gut von böse zu unterscheiden vermag. Nach der Geburt meines persönlichen Glaubens habe ich mich eine Weile wieder mit den Göttern beschäftigt. Ich war mir nicht ganz sicher, ob sich mir in der Ruine Libanu oder gar auch Glaron offenbarten. Der Phönix an den ich denken musste, ist das Wappentier Glaron, doch die Natur und das Wort Leben, dass durch mein Inneres schallte wiesen deutlich auf Libanu hin. Irgendwann kam mir der Gedanke: Wenn sich dir an der alten Mühle Libanu und vielleicht Glaron offenbarten, dann hatte sich dir der Namenlose offenbart als du für ihn gepilgert bist. Auch versuchte ich mich an mehr Aspekte von Tykene zu erinnern, als Friede. Doch je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr Götter fand ich zu denen ich beten „könnte“. Adoria als stolze Kriegsgottheit war für mich das Vorbild. Ich wollte sein, wie sie dargestellt wurde. Nur ohne die Jagd und den Firlefanz mit der Bevorzugung von Weibern. Doch ich verwarf diesen Gedanken bald wieder, da ich ihn irgendwie als blasphemisch empfand. Lorica spürte ich in meinem wütenden Blut, doch will ich ihr bis heute nicht Folgen. Meine Moralvorstellung erlauben es mir nicht einer Gottheit zu huldigen, die Freude am Blutvergießen empfindet. Dennoch wurde ich lange von ihr verführt und noch heute vor den Schlachten spüre ich sie dann und wann in meinem Blut. Ich habe gelernt das Lorica wie die meisten neutralen Gottheiten ohne höheres Ziel ist und nur zu einer oberflächlichen Zufriedenheit führt. Nach einem Mond etwa gab ich es auf. Man hatte mit mir viel über meine Seele gesprochen und nach dem stummen Marsch, empfand ich das Reich des Namenlosen als nicht beängstigend. Ich sah mit eigenen Augen, dass er unaufhaltsam ist. Ändern kann ich sein Eintreffen nicht, für einen anderen Gott konnte ich mich bis heute nicht entscheiden, und dass obwohl sich mir etwas Heiliges offenbarte.

Kurz nach dieser Spirituellen Erfahrung stauten sich in mir Wut und Zorn. Ich wurde immer angriffslustiger und begann mich mehr in den Städten zu prügeln, dabei wettete ich stets auf mich. Anfangs verlor ich mehr, als dass ich gewann, doch eine Alternative hatte ich nicht. Ich merkte selbst wie der Stumme Marsch mir Masse und Übung geraubt hatte und auch das machte mich Zornig. Ich verstand die Welt gegen mich. Ich war uneins mit mir selbst, ich wusste das ich mehr vom Leben erwartete als diesen stetigen Zorn, ich wollte mehr. Ich wusste nur noch nicht wie.
Mila Vandorez ist offline  
Mit Zitat antworten
Alt 21.08.2022, 15:38
#3
Mila Vandorez
Reisender
 
Registriert seit: 25 Sep 2016
Beiträge: 500
3. Kapitel – Britannia

Garus hatte mir all das Gold gegeben, das wir noch besaßen und die wertvollen Dinge für sich behalten. Er wollte sehen, ob er sie für eine zweite Fahrt teuer verhökern konnte, um nachzukommen. Ich war nun hier, auf dem Schiff ins Herzogtum Britannia, in die Stadt Britain. Es war mir fremd und ich besann sich auf die Worte meines Bruders. „Sieh zu dass du in Form kommst und bring soviel als möglich in Erfahrung. Wenn alles gut geht, werden wir uns dort eine neue Heimat aufbauen.“ „Und wenn nicht alles gut geht?“ hatte ich gefragt und wollte lieber nicht aussprechen was mir auf der Leber lastete. Mich jetzt von meinem Bruder, dem letzten bekannten Gesicht zu trennen, behagte mir gar nicht, auch wenn ich es nie mit einem Wort sagte. „Dann werden wir eben weiterziehen.“ Hatte er entschlossen gesagt.

Die Überfahrt war stürmisch, aber die Mannschaft machte den Eindruck, als würden sie solche Wetterlagen regelmäßig überstehen und als ich im Dunkeln die ersten Schritte an Land tat, war ich dankbar für den festen Boden unter meinen Füssen. Ich hatte etwas mit der Seekrankheit gekämpft, doch legte sich diese Übelkeit rasch wieder. Bereits am nächsten Morgen konnte ich voller Appetit essen und auch wenn es kein Festmahl war, so war ich froh Fleisch zwischen den Zähnen zu zerkauen. Mehr befehlsgesteuert als aus eigener Freude hatte ich einen Ort gesucht, an dem ich die verlorene Masse meines Körpers weiter in Form bringen konnte und verbrachte die folgenden Tage mehr einsam und meditativ mit den Übungen, die ich aus dem Dienst noch kannte. Mein Körper erinnerte sich schnell an das, was er einst gelernt hatte und so begann mein Verstand bald auch sein übriges zu tun, um in die tolerierbare Normalität zurück zu kommen. Ich hatte erste Kontakte vorsichtig gesucht, doch die Eindrücke prasselten schneller auf mich ein, als dass ich reagieren konnte. Vorsicht war mein oberstes Gebot in den letzten zwei Jahren geworden und schien wie eine schwere Kette an meiner Intuition zu hängen. Britain war der goldenen Perle ähnlicher als ich erwartet hatte, nur kälter und wie die ganzen anderen Ortschaften, durch die wir zogen, durch die Krone organisiert. Es gab Edelleute, statt Ratsherrn und wie ich hörte plagten diese sich mit den Machenschaften der Widersacher herum, welche wiederum ihre Gelüste an der unteren Kaste ausließ. Ich hatte etwas von Ritualmorden gehört, das war ein wenig anders, glaubte ich zumindest, als in meiner Heimat. Dort waren es eher Erpressungen, Zwangsarbeiten und Entführungen die über die unteren Kasten ausgelassen wurden, doch vielleicht gab es auch in meiner Heimat Ritualmorde und ich hatte nur noch nichts davon gehört. Selbst wenn es sie nicht gab, jetzt gab es sie bestimmt. Ich wusste nicht was aus meiner Heimat wurde, nachdem die Invasoren kamen und die ersten Flüchtlinge die Kronländereien erreichten, kamen uns immer mehr Truppen der Krone entgegen. „Warum schließen wir uns dem Heer nicht an und kämpfen für unsere Heimat?“ Hatte ich Garus mehr als einmal gefragt und bekam stets die selbe Antwort. „Weil es nicht mehr unsere Heimat ist. Wir wurden besiegt. Du glaubst doch nicht wirklich, dass die königlichen Truppen die Stadt, sofern davon noch was steht, von den Invasoren befreien und uns dann sagen, macht mal weiter wie bisher?! Die werden sagen, dass es seid je her der Krone gehörte, irgendeinen Edlen dahin exilieren, der sich unbeliebt gemacht hat und dann wird es nach deren Nase gehen.“ „Und was ist daran dann so anders, als wenn wir in ein anderes Lehen ziehen? Da sitzt auch irgendein Edler der das Land so nach seinem Gutdünken führt und für die Krone hält.“ Die Logik mit der mein Bruder argumentierte, fehlten Hand und Fuss in meinen Augen, dennoch schien ein Winkel meines Herzens ihn zu verstehen. Im neuen Land würde man nicht an jeder Ecke die Leichen der Freunde und Familie sehen, die dort fielen und lagen, als die Invasoren einfielen. Nichts würde an diese Schrecken erinnern und ich wusste das auch die Erinnerung an die Niederlage meinem Bruder schwer zu schaffen machte.

Fast täglich war ich in der Übungshalle und lernte dort Larinda Karntus kennen. Sie war Wachschutz im Britainer Handeslhaus. Wir freundeten uns an und in mir bildete sich ein Ziel. Das Ziel einer Siedlung für Krieger wie Garus und mich. Wir waren an unsere Grenzen gebracht worden, doch wir gaben nicht auf. Im Gegenteil, als ich in Britain ankam, war ich bereit, dieser Erfahrung erneut die Stirn zu bieten – nur besser vorbereitet. Ich wollte schon damals gegen das Böse kämpfen, gegen die Invasoren und ihre Sklaven. Doch wollte ich es mir keinesfalls mit den Göttern verscherzen, wenn mein neu geborener Glaube noch in die Windeln nässte. Ich wollte frei handeln dürfen, frei entscheiden dürfen. Wenn ich heute ehrlich zu mir selber bin, glaube ich, dass ich zu jener Zeit einfach so entscheiden wollte, wie ich es für richtig hielt. Wie schon erwähnt, verführte mich Lorica lange. Als ich meine alte Masse zurück gewonnen hatte und mich in Form fühlte begann ich, mich auf Straßenkämpfe einzulassen. Gleichzeitig zog es mich in die Gruft. Ich hatte kein Gold, nur einen bronzenen Krummsäbel. Ich hatte nur Stoffkleidung und gerade genug Gold, um mir den Bauch zu füllen. Und ebenso, zog ich schließlich nach Wochen in der Übungshalle, in die Gruft Britains. Es war nicht nur der Antrieb mich selbst wieder neu zu positionieren im Leben, es war mehr, dass mich dort etwas hinunter zog. Heute würde ich sagen, habe ich dort unten meine Erlebnisse verarbeitet. Mich diesen Bildern aufs Neue gestellt, wohl wissend, dass sie nur ein blasser Schatten dessen sind, was meine Augen blickten. Damals erschien es mir wie eine Art magische Anziehungskraft und ich kam mir reichlich unbeholfen bei meinem Tun vor. Einerseits spürte ich etwas beim Kämpfen mit diesen Geistern, das etwas mit dem Tod und dem Bösen zu tun hatte, andererseits fledderte ich die Leichen auf Zeug das sich verkaufen ließ. Meine erste eigene Rüstung bestand aus gefledderten Einzelteilen und aus irgendeinem unerfindlichen bizarren Grund erfüllt mich das mit Stolz. Ich fing ganz unten an. Ich ging den Weg des Kriegers. Der Zugriff auf die Beute, bedeutete den Sieg und der Sieg bedeutete Macht über das, was mir zwei Jahre meines Lebens und die Liebe raubte. Ich hatte die Stärke und die Macht gegen das Böse, das Untote zu bestehen und mich für das Leben – mein Leben einzusetzen, wie ich damals glaubte. Auch dies war eine seltsame Zeit, die ich zum Glück heil überstand. Denn wenngleich ich, das erlebte verarbeitete und meinen Körper und Geist gegen das Böse, das Unnatürliche und Gefährliche schärfte, ihm seine Gefahr nicht absprach, aber den Kampf damit suchte, war mir irgendwo in einem Winkel meines Verstandes bewusst, dass meine Leichenfledderei auch eine gefährliche Richtung einschlagen konnte. Ich versuchte mich daher stets zu sammeln, wenn ich in die Gruft ging. Sammelte und Ordnete meine Gedanken. Sprach laut zu mir selbst meine Gründe aus. „Es ist kein Leben, es ist das Böse und die Beute brauche ich zum Leben. Es ist der Lohn des Kriegers, daran ist nichts ehrloses.“
Ich tauschte meine Einzelteile mit jedem neuen Fund aus und sparte das Gold.
Ich hatte Bekanntschaft mit Xorlosch gemacht und der Preis seiner Rüstung und der Waffe lag bei einer halben Million.

Garus war längst in Britain eingetroffen und gemeinsam übernahmen wir die Übungshalle als unser Revier. Wir waren wie kleine Wölfe die ihr Territorium absteckten. Handwerker nahmen wir nicht wirklich ernst, wir hatten einfach keine Berührungspunkte mit ihnen, abgesehen von den Schmieden, die wir dank unser Mutter immer hoch respektierten. Für uns existierten nur andere Krieger und ihre Bereitschaft zum kämpfen oder ihr angehäufter Ruhm. So dauerte es nicht lange ehe wir in der Bärenhöhle in den Dunstkreis von Varkon Karnis, Darok Vandrak, Demron Valka und Bargon Ferilan gerieten. Auch andere Krieger waren dort und bald lernten wir noch die Brüder McGinnis kennen. Garus hatte entschieden das wir bleiben würden und den Grundstein für eine neue Existenz somit gelegt. Von da an übernahm ich die Führung. Ich entwickelte den Plan für die Siedlung immer weiter. Gewann Leute für die Sache, machte mir auch den ein oder anderen Feind, und holte Erkundungen über das Land ein. Falkenstein war damals kaum bis gar nicht bewohnt. Es standen zwar alte Lederhütten zu einer Siedlung, doch sie waren nicht bewohnt. Die Bauern weiter im Süden bekamen uns lange nicht mit. Die Felder bei den Lederhütten waren schon Jahre nicht mehr bestellt worden. Binnen 8 Wochen hatte ich mir von der einsamen Fremden einen Namen als Emporkömmling in der Kriegerkaste Britains gemacht.
Ich kann mich noch erinnern, als mir Avarion Belatar half Bäume zu entwurzeln. Ich brachte viel Wut und Zerstörung dieser Tage mit mir. Nicht selten raufte ich mich in der Bärenhöhle oder im Seefahrerkontor. Doch wieder war es ein besonderer Umstand, ein besonderer Segen vielleicht, der mir meine Mentoren an die Seite stellten. Liandrel und Bargon Ferilan. Vor beiden sollte man sich besser in Acht nehmen. Liandrel entging die Zerstörung nicht die wir in Falkenstein anrichteten. Vereinzelte Bäume mussten für den Häuserbau weichen, ich war und bin der Ansicht, dass man sich mit dem Bau von Häusern an der Schönheit der Natur vergreift, doch wie wir Essen wollen, so wollen wir auch ein sicheres Heim für uns und dem Leben das uns auf die ein oder andere Art und Weise wichtig ist. So sollte man achtsam vorgehen, wenn man seinen Wunsch gegenüber der Natur erfüllt und nicht plan- und sinnlos Stein auf Stein stapeln, nur um dann sagen zu können: „Meins“. Als Liandrel kam, kam er nicht alleine. Drei Waldelfen suchten uns auf und stellten uns, Garus und mich zur Rede. Liandrel verstand den Wunsch nach einem sicheren Heim und das wir Menschen dabei recht rabiat vorgehen, war ihm nicht neu, doch damit wollte er sich nicht zufrieden geben. Schließlich gab ich ihm mein Ehrenwort und machte damals ziemlich viel Tamtam darum, ich versprach ihm, dass für jeden Baum der weichen musste, einen Neuen pflanzen würde Das wir das Holz das wir ernten mit Respekt zu unserem Zuhause verarbeiten würden und den Boden dem wir Gruben und Risse antaten keine Pflastersteine über größere Flächen antun würden. Wir wollten uns einnisten, um dann wieder von der Natur umfangen zu werden. Dieses Bild hatte sich zweifelsohne durch meine Offenbarung an der Mühle geprägt. Ab jenem Tage an sah ich Liandrel regelmässig. Er verfolgte das gesamte Geschehen und lehrte mich. Er lehrte mich über die Gefahr dämonischer Knochen, er lehrte mich über die dämonischen Einflüsse auf Britannia die überall in dunklen Ecken lauern, zum Teil gefangen von ihrer eigenen Vergangenheit, und darauf wartend, dass sich irgendjemand an sie erinnert. Er brachte mich zu jenen Orten, erzählte mir ihre Geschichte und warnte mich immer auf der Hut zu sein, wenn solche Tore der Erinnerungen geöffnet werden. Er erzählte mir vom Süden hinter Aldfur, er erzählte mir vom Fluch Yews und auch von anderen Gefahren aus Yew, er erzählte mir von der Herzogin und dem Grafen von Britain. Er leitete meinen Geist durch all meine Wut, verlor mich nie aus den Augen. Und doch, ich empfand ihn als putzig, wenn er die Beine zur Seite gegrätscht später vor meiner Kiste saß und darin ungefragt herum wühlte. Die Freundschaft zu Liandrel hielt bis zu meiner Abreise. Seitdem sah ich ihn nie wieder.

Als die ersten Sockel in Falkenstein standen waren wir Falkensteiner bereits zu einer stolzen Rotte gewachsen mit 5 Kriegern, einem Schützen und drei Handwerkern. Tormen Kruger, der Schütze war damals neben meinem Bruder mein treuester Kampfgefährte. Nachdem ich die Rüstung bei Xorlosch einlösen konnte, zogen wir oft mit Vandrak und Karnis los. Doch auch mit den Brüdern McGinnis war ich viel unterwegs. Ich erinnere mich, wie ich zunächst Jerome kennenlernte. Das war noch in der Britainer Übungshalle. Er erzählte mir von seinen drei Brüdern. Zwei gingen dem Bergwerk und Schmiedehandwerk nach, der Älteste, Dominik sei jedoch auch Krieger, doch hätte er sein Feuer verloren. Später traf ich auf Dominik und ich war angenehm überrascht, dass er nicht ebenso nervig wie sein jüngerer Bruder war. Wir einigten uns auf ein Zusammentreffen in Falkenstein, damit ich ihnen meine Ziele vorstellen konnte. Ich weiß noch wie Jerome als Erster da war, wie er über seinen Bruder sprach, als müsste er sich für ihn entschuldigen. „Er ist manchmal ein bisschen anders, nicht jeder kommt mit ihm aus. Aber im Kern seines Herzens ist er ein anständiger Kerl.“. Ich dachte damals, dass er, Jerome McGinnis der Seltsame der Familie ist. Ich hatte viele Auseinandersetzungen mit ihm. Immer und immer wieder schwallte er vor sich her, reizte meine Nerven, meine Wut und meinen Zorn. Täglich verprügelte ich ihn oder besiegte ihn in Übungskämpfen. Er bekam von mir den Beinamen „der Rote“, nicht etwa in Anlehnung an seine feuerrote Haarpracht, die auf mich schon sehr absonderlich wirkte, sondern in Anlehnung an das berühmte rote Tuch, das er für mich wurde. Wohingegen sich mit Dominik etwas gänzlich anderes entwickelte. Dominik ließ keinen Zweifel daran, dass er an mir interessiert war, er feierte mich und ich war äußerst beliebt bei ihm. Er gab mir etwas, dass ich mir als junges Mädchen mal gewünscht hatte. Er war fast doppelt so alt wie ich und wenn wir uns nahe kamen spürte ich wieder diese andere Wahrnehmung meines eigenen Körpers, wie er auf den seinen reagierte. Doch bis heute zögere ich zu sagen, dass ich ihn von Herzen liebte. Er war mir zweifelsohne wichtig. Wichtig genug, dass ich die Meinung meines Bruders überging. Doch wer weiß, ob ich getan hätte, was ich tat, wenn ich ihn wirklich geliebt hätte, die meisten die diese Geschichte kennen, glauben nicht daran, dass ich ihn wirklich liebte. Heute ist mir das nicht mehr wichtig. Wichtig ist nur, dass er ein sehr wichtiger Mensch für mich war, dabei spielt es keine Rolle wer er heute ist oder wer ich heute bin. Der Dominik McGinnis von damals wird immer einen Platz in meinen Erinnerungen haben.

Nach etwa einem dreiviertel Jahr hatten wir die Grundgebäude von Falkenstein errichtet. Larinda Karntus, Tormen Kruger, Zamira Verrar, die Geschwister McGinnis und wir, die Geschwister Vandorez. Ich war auf dem absoluten Höhenflug meines Lebens. Ich hatte alles. Gold, eine neue Heimat, Stärke, ein gutes Schwert und eine gute Rüstung. Ich war die Anführerin unserer Rotte, egal was die sich da untereinander ausmachen wollten. Ich hatte die Kontakte zur Kriegerkaste, einen waldelfischen Mentor und Ruhm. Es war im Lorica meines Ankunftjahres, als Britain zur Heerschau rief. Yew wurde von Dämonen angegriffen, mehr wusste ich nicht, als ich mich zum Kampf meldete. Doch ich war entschlossen.
Mila Vandorez ist offline  
Geändert von Mila Vandorez (21.08.2022 um 15:40 Uhr).
Mit Zitat antworten
Alt 22.08.2022, 15:45
#4
Mila Vandorez
Reisender
 
Registriert seit: 25 Sep 2016
Beiträge: 500
Kapitel 4 – Ruhm und Ehre

Es kam der Tag wo sich das Heer versammelte. Ich sah viele bekannte Gesichter, manche kannte ich besser, andere eher flüchtig. Doch drei Gesichter sollten sich an Tag der Schlacht in mein Gedächtnis prägen. Das erste Gesicht gehörte zu Aislin Belatar. Was ich von ihr wusste war, dass sie eine Hofdame war, die zaubern konnte. Sie war mit Yannick Govaine verbunden, ob sie damals schon verlobt waren, oder sich erst kennenlernten, weiß ich heute nicht mehr, doch das zumindest Fräulein Belatar verliebt war, wusste ich von Karntus. Ich wusste auch das sie schwierig war, zumindest sagte man das über sie. Ich dachte eigentlich, dass sie Govaine nur verabschieden wollte, bis mir aufging, dass sie sich am Feldzug beteiligen wollte. Ich betrachtete sie lange und versuchte mir diese zierliche Frau auf dem Schlachtfeld vorzustellen wie sie singend Kreise um das Böse tanzt. Denn das erzählte man sich, dass dies ihre Art war zu zaubern, aber das sie keine Bardin sei. Ich hatte bis zu diesem Tag nicht so viele Berührungen mit Magiern gehabt, ich hielt sie durchaus für Nützlich, aber stets für zu Unzuverlässig als dass man sich nach ihnen ausrichten sollte. Bis auf Herrn Belatar kannte ich keinen menschlichen Magier der sich einer anderen Sache als seinen persönlichen Interessen verschrieben hatte, das hat sich bis heute nicht geändert. Karnis muss ich hier außen vor nehmen, für mich war Karnis immer mehr ein Krieger, denn ein Magier. Und wie ich sie so betrachtete und versuchte einzuschätzen, dachte ich meine Sinne spielten mir einen Streich. Sie unterhielt sich mit ihrer Tasche. Ja ganz recht, doch war nicht etwa die Tasche ihr Zuhörer sondern viel mehr die Katze die sich darin befand. Ich sah wie sie in die Tasche griff und hörte ein täuschend echtes Miauen und fragte mich allen ernstes ob sie eine Hexe ist die ihre Katze mit aufs Schlachtfeld schleppt. Doch diese Katze, in Fräulein Belatars Tasche, war aus Stoff. Da stand also diese junge verliebte Hofdame, von der man sich hinter vorgehaltener Hand erzählte sie singe und tanze ihre Gegner magisch in die Flucht, bei der Heeressammlung. Bereit in der nächsten Stunde Dämonen entgegen zu treten und sie unterhielt sich mit einer Stoffkatze in ihrer Tasche. Ich konnte ihre Angst regelrecht spüren. Mein Körper empfand ihre Angst als Ekel, der mir den Rücken hoch in den Nacken fuhr und dann unwillkürlich Würgreize verursachte. Mit so jemanden sollte ich Seite an Seite in die Schlacht ziehen. Das war mein einziger Gedanke und ich empfand kein Stück Ehre darin. Das war nicht richtig. Aislin Belatar zeigte mir an jenem Tag des Kampfes, dass nicht jeder auf ein Schlachtfeld gehört und was der Unterschied zwischen harten und weichen Herzen ist. Und ja auch wenn ich gute Gründe vorbringe, diese Situation zu verurteilen, muss ich auch zugeben, dass ich mich nach diesem Anblick auch beschämt in meinem Würde fühlte. Ich weiß nicht wie das heute wäre. Ich sah nach Aislin noch einige andere die für den Krieg nicht bereit waren. Manche weinten, andere pissten sich ein. Wieder andere legten ein verstörendes Verhalten an den Tag, vor allem wenn sie diese Erlebnisse einfach abschüttelten und so taten als sei das Grauen nie passiert. Ich mache ihnen keinen Vorwurf mehr, sie versuchen ihr Bestes zu geben, es bedarf nur jemand der ihnen ihre eigenen Grenzen aufzeigt. Vor allem jenen die sich mit absoluter Ignoranz schützen. Auch sie wollen für ihre Sache kämpfen, doch auch noch heute, halte ich nicht viel davon, wenn weiche Herzen auf ein Schlachtfeld ziehen. Das birgt nur Gefahr für die eigenen Truppen. . Dort muss man an seiner Entschlossenheit festhalten und darauf vertrauen, dass der eigene Körper das tut, wofür man ihn ansonsten unablässig ertüchtigt.

Das zweite Gesicht dass sich mir einprägte gehörte Korad Vandrak. Der Kriegerprinz, wie ich ihn seit meiner Rückkehr zu nennen pflege. Er war damals kaum 16 Jahre alt und Kadett der Garde. Er hatte eine solide Ausbildung genossen und das kriegerische Blut seines Vaters. Doch schlussendlich wurde Vandrak heim geschickt. Er sei zu jung wurde entschieden. Ich sah Vandraks hasserfüllten Blick, den er Fräulein Belatar zu warf, er versuchte zu verhandeln und zu protestieren. Und ich konnte seine ganze Wut nachempfinden. Jene singende Hofdame sollte mitgehen dürfen, wo jeder in ihrer unmittelbaren Nähe ihre Angst sehen konnte und er als mutiger Recke sollte das Herdfeuer hüten. Ich empfand diese Entscheidung als sehr ungerecht, auch für mich als Mitstreiterin.

Schließlich zogen es los. Wir wurden in Rotten geteilt. Ich gehörte zu Karnis Truppe. In Yew stießen wir auf die Truppen der Elfen. Zu meiner späteren Freude sah ich Liandrel. Als wir uns Yew schließlich näherten, begannen wir Dimensonstore zu sehen. Wir sahen Kinder hinaus laufend. Zunächst lachend, dann hinein laufend und um Hilfe schreiend. Einige Elfen schossen, viele Menschen waren entsetzt. Vor allem Fräulein Belatar hielt es wohl für ein Zeichen ihrer Göttin. Sie lehnte sich entschieden gegen den elfischen Pfeilangriff auf. Ich weiß nicht mehr, ob sie nur androhte in den Pfeilhagel zu rennen oder ob sie es wirklich tat. Ich bekam zu wenig von meiner Position aus mit. Mein Offizier hatte mir keinen Befehl zum Angriff gegeben und Liandrel schien mich etwas abseits halten zu wollen. Er fragte mich was ich davon hielt. Doch ich wusste es nicht. Es war kein schöner Anblick doch ich konnte mir nicht vorstellen, dass echte menschliche Kinder aus dem Nichts kommen, erst lachen und dann um Hilfe schreien, wenn sie wieder in die andere Dimension wechseln. Das ergab wenig Sinn. Die Macht der Invasoren eröffnete sich mir erst nach der Schlacht. Ich weiß nicht mehr wirklich, wie es dazu kam. Ob ich den Anschluss zu meiner Rotte verloren hatte oder das Kommando zwischen Karnis und Ehrwürden Areus Trupp ausgetauscht wurden. Doch das nächste an das ich mich entsinne, ist wie Areu vor den Toren Yews mit einem gigantischen schwarzen Dämon kämpft. Der Gestank war der selbe wie damals und dieser Dämon war riesig, geflügelt mit einem langen Schwanz und Hörnern auf der Stirn. Ich sah wie Areu vom Dämon gegen einen weit stehenden Baum geschleudert wurde und sah mich um. Von Norden aus ging ein Pfeilhagel auf das Untier los. Eine ganze Linie leicht gerüsteter Einheiten ohne Verteidigung und kein Krieger in der Nähe. Ich schrie aus Leibeskräften in Richtung des Dämons. „Hier bin ich, komm wenn du dich traust.“ Doch die Angst war mir ins Gesicht gemeißelt als er sich umdrehte. Zwei Schlägen konnte ich ausweichen. Dann sah ich etwas goldblaues glänzendes aus dem Dickicht auf den Rücken des Eindringlings springen. Areu hatte sich aufgerappelt und setzte zum nächsten Angriff. Ein Aufatmen ging durch meinen Körper. Ich kann nicht direkt sagen, dass ich Angst verspürte, jedenfalls keine Angst vor dem Tod. Es war mehr ein Schrecken der mir durch Mark und Bein fuhr, als sich der Dämon zu mir umdrehte. Eine fremde Furcht, die sich auf meine Glieder wie eine Last zu legen versuchte und ich hatte nur meine Entschlossenheit, ihn zu töten. Ich sah noch wie der Sternentänzer seine zwei Klingen hob, um den Dämon zu töten, doch dann wurde ich unter der Last des Dämons in die verfaulte Erde Yews genagelt. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit in der ich kaum Luft bekam und meine Lungen wie Feuer brannten, bis sie mich von dem Dämon und schließlich von der eingedrückten Rüstung befreiten. Ich war außer Gefecht gesetzt und hatte mein Bewusstsein verloren. Ich stand am Rand des Todes, wie mir Liandrel später erklärte, ich selbst habe bis heute nur eine vage Vorstellung was „in“ meinem Körper alles verletzt sein musste, als ich meinen Brustpanzer zurück bekam. Doch meine Zeit war noch nicht gekommen. Liandrel trug mich fort in die Dimensionen des Waldes und auf die heilige Insel der Waldelfen. Es machte Geräusche für mich und zauberte für mich. Er rief die Waldgeister für mich und schenkte mir so mein Leben zurück. Die Insel war ein unwirklicher Ort. Ich entsinne mich dunkel, dass mich etwas berührte, bevor ich die Augen aufschlug. Etwas sehr sehr Altes. Etwas das mir einerseits nicht unbekannt war, doch andererseits etwas, das mir so fremd erschien als sei es nicht von dieser Welt. Als ich die Augen aufschlug, lag ich unter dem größten Yewbaum, den ich je gesehen habe. Eingedeckt in Moos und Gräser. Es war keineswegs leise auf dieser Insel, im Gegenteil. Die Geräusche die ich wahrnahm waren so laut, dass ich dachte ich würde mein eigenes Wort nicht hören, wenn ich nur sprechen würde. Es waren die Geräusche des Waldes, Tiere, Blätter, das knarren von sehr altem Holz, auch der Geruch den ich wahrnahm war eigentümlich. Irgendwie modrig, aber auf natürliche Weise – nicht wie auf dem stummen Marsch und auch nicht wie in der Gruft, die Luft die ich atmete war dick und reichhaltig. Sie machte irgendwie satt. Hier auf dieser Insel, empfand ich erneut diesen Frieden, wie einst an der alten Mühle. Mein Inneres, und damit meine ich nicht nur die Knochen die vermutlich gebrochen wurden, wurde an diesem Ort neu zusammen gesetzt. Diese letzte Furcht, die wie ein schwerer Balken auf meinen Muskeln lastete, war fort, sie hatte hier auf dieser Insel keinen Platz und auch keine Macht. Wir haben uns noch eine Weile unterhalten und ich brauchte auch noch Zeit, ehe ich mich wieder aufrecht halten konnte und schließlich gehen konnte. Ich glaube auch, dass die Zeit auf der Insel deutlich langsamer davon zog.

Wir kehrten, es waren nur Stunden, es fühlte sich aber an wie Tage, später zur noch immer tobenden Schlacht zurück. Der letzte Dämon war dabei zu Fall gebracht zu werden und um alles in der Welt war ich dankbar das miterleben zu dürfen. Diesen Siegesrausch werde ich nicht vergessen. Später noch immer in den Siegesfeiern kam Areu auf mich zu und sprach mir seinen aufrichtigen Respekt von Krieger zu Krieger zu. Und sein Gesicht war das dritte Gesicht, dass mir nach dieser Schlacht vertrauter war. Es füllte mich mit ungemeinem Stolz, das ein Sternentänzer meiner Tugenden gewahr wurde. Ich hatte das Gefühl als könnte ich die ganze Welt erobern. Ich hatte mit einer ehrenvollen, mutigen Tat, viel Anerkennung und Ruhm in der Kriegerkaste erhalten. Ich hatte danach viele Gespräche über Ehre. Ich weiß nicht mehr genau wer es zu mir sagte, doch mir wurde gesagt, das Ehre keine einmalige Erscheinung ist. Wahre Ehre muss man immer und immer und immer wieder beweisen. Ehre bedarf ein Ideal, wie ein Kind eine Mutterbrust. Rückblickend legte sich damals sehr sehr langsam die Saat für Ehre in mir. Über Monde hinweg führte ich Gespräche, Diskussionen mit allen möglichen Leuten über Ehre und Ideale. Prüfte mein eigenes Ideal, meinen jungen Glauben an das Leben, und er wurde auch von Liandrel geprüft in den Diskussionen. Er zeigte mir auch einen Weg, diesem Ideal zu dienen, doch dieser Weg, war schließlich der Weg den ich dann auch verließ.

Larinda Karntus wähnte ich lange als eine Art Freundin, doch ihre Geschichte und Bekanntschaften wirkten auf mich seltsam. Einerseits diente sie der liebenswürdigsten Frau und dem wohl loyalsten Manne Britains als Wachschutz und dann, lebte sie lange Zeit als Kampfsklavin gehalten. Sie nannte es Gladiator. Mir war das kein Begriff und auch die Vorstellung jemand könne sich Krieger als Sklaven halten und sie nur zur Belustigung gegeneinander bis auf den Tod kämpfen lassen wollte mir nicht in den Kopf. Das klang für mich nach einer Lebenszeit umringt von Bosheit. Und auch die Erfahrungen mit den Dämonenkindern, erinnerten mich daran, dass aus dem Bösen selten etwas entwächst, dem man vertrauen schenken kann. Sie hatte auch Kontakte nach Aldfur und hatte mir erzählt, dass dort auch nur arme Handwerker versuchen, sich eine Existenz aufzubauen. Sie erzählte mir von einer Coveen Destadi und einer jungen Schützin dessen Namen ich vergessen habe. Wenngleich ich sie mal kennenlernte flüchtig, als sie sich Falkenstein ansah. Doch am Ende war sie mir zu widerspenstig und rebellisch. Ihre Ansichten von Freiheit, deckten sich nicht mit den unsrigen. Sie hatte weder eine Moralvorstellung noch war ihr das wichtig und vor allem verstand sie nicht das Recht des Stärkeren an. Denn wenngleich Falkenstein sich von Adel und Glauben distanzierten, galt bei uns ein Recht, das Recht des Stärkeren. Ich hatte damals häufig das Wort Freiheit auf den Lippen, jung wie ich war ohne mir darüber klar zu sein, wie tief dieser Begriff ging und wie unterschiedlich andere diesen Begriff wahr nahmen. Ich hatte zu diesem Begriff auch viele Diskussionen mit meinen eigenen Leuten, Tormen und Domenik und auch mit Jerome und Zamira. Für mich ging damals Freiheit immer mit Disziplin und Pflichtbewusstsein einher. Je freier jemand war, desto mehr Verantwortung trug er. Es war keineswegs so, dass ich jeden Menschen als gleich frei betrachtet hätte oder Freiheit als eine Art Grundrecht betrachtet hatte. Freiheit war ein Begriff mit dem ich Falkenstein gekrönt hatte, als Ideal. Freiheit war etwas, dass man anstreben und beweisen musste, nichts dass man einfach so besaß. Freiheit ging mit soviel Zwang und Disziplin einher, dass es bizarr war, was andere Leute in dieses Wort hinein interpretierten.

Vor Destadi wurde ich gewarnt. Ich weiß nicht mehr recht durch wen, doch ich entsinne mich an das Gespräch mit Karntus, als ich sie dazu zur Rede stellte, dass Destadi als Dämonenpaktierin verschrien sei. Da sah ich Karntus sich zum ersten mal irgendwie winden. Sie sage sie wüsste, dass man so was über sie sage, doch sie selbst hätte das noch nie gesehen. Und Magier würden sich auch in andere abscheuliche Wesenheiten wandeln oder sie beschwören. Doch Liandrel hatte mich eindringlich vor allem dämonischen gewarnt und mich beschworen ihm zu sagen, wenn ich vorhabe gegen Dämonen zu kämpfen. Er hatte mir mal erklärt das der Glaube zu einem Gott einem einen gewissen Schutz verleiht. Dass ich diesen Schutz aber nicht genieße, weil ich mich nicht zu den Göttern bekannte mit Gebeten. Es war nicht so, dass ich nicht an sie glaubte. Doch irgendwie wollte mir nie ein Stoßgebet über die Lippen, ich habe mir nie Hilfe durch sie versprochen und konnte mir das auch nicht vorstellen, mich auf die Hilfe der Götter zu stützen.
Irgendwann hatte Larinda mir mal erzählt, dass sie Frauen begehre. Und wenngleich es mich nichts anging und ich, soweit ich das beurteilen kann, auch nicht das Ziel ihres Begehrens war, empfand ich es als befremdlich. Was sollte daraus denn entstehen? Danach bröckelte unsere Freundschaft, man sah sie auch immer seltener. Irgendwann stand nur noch ihr Name an der Tür und das Großreich Aldfur rief zur öffentlichen Audienz aus.
Für mich war die Zeit gekommen mir selbst ein Bild über Aldfur zu machen. Viele standen da, ich war mit Tormen, Domenik und Jerome im Burghof, als Glennster kam und seine Eröffnungsrede schwang. Auf die Aufforderung das Anliegen angehört würden, trat ich vor und erklärte wer ich und woher ich war. Das es mein Ansinnen sei, die Grenzen zwischen Aldfur und Falkenstein nicht in eine Kriegsfront umzuwandeln. Dass wir dazu aber bereit sind, wenn Aldfur meint uns schaden zu müssen. Glennster war dahingehend auch auf keinen Konflikt aus und so einigte man sich öffentlich und mündlich auf das Einhalten der Grenzen. Das meine Entscheidung nicht sonderlich gut bedacht war, lernte ich erst später. Doch das Wichtigste war, dass ich ein Bild von den Aldfurern erhielt. Vielen waren da und die meisten bekamen die Zähne nicht auseinander. Mich ekelte dieses Pack an, doch in Glennster sah ich einen gestandenen Mann. Gerissen, sicherlich auch Hinterhältig, doch auch Klug und Strategisch. Ich hatte schon einen gewissen Respekt vor ihm, zumal Aldfur um einiges größer war als Falkenstein. Ich weiß dass ich mit Liandrel später über diesen Tag sprach und er mich fragte wo für mich der Unterschied zwischen Britain und Aldfur bestehe. Für mich waren es immer die zwei Fronten Gut gegen Böse gewesen. Falkenstein hatte sich für Neutral erklärt. Wir wollten nicht in den Konflikt hinein gezogen werden. Weder gegen die eine noch gegen die andere Seite. Ich war einfach zu jung, unerfahren und auch politisch ungebildet, um meine Fehler damals zu erkennen. Keine Person, die an das Gute glaubt, wird in der Lage sein, Neutralität zu für andere zu wahren. Und im Prinzip hatte ich auch nie vor gehabt, mich aus allen Kriegen heraus zu halten, ich hatte einfach zu wenig Ahnung. Ich konnte die Geschichte die Liandrel mir über den gesamten Süden erzählte noch nicht einordnen. Er sprach über einen 14. Gott von dem ich nie was hörte. Er sprach über die blutigen Taten jenes Gottes an seiner Rasse. Diese Geschichten, diese Eindrücke die mir der Süden hinterm Wall gab – denn als Falkensteiner wagten wir uns durchaus durch Aldfur hinter den Wall - konnte ich nicht mit Aldfur und seinen Menschen in Verbindung bringen. Auch Larindas Worte hallten in meinem Kopf: „Die Handwerker dort versuchen sich auch nur eine Existenz aufzubauen, genau wie die Handwerker hier und auch im Herzogtum.“. Dennoch die meisten die ich da sah, versuchten sich nur Stark zu geben. Wie viele von ihnen finster drein sahen, düster lächelten und auch sonst alles mögliche imitierten was man aus den Schauergeschichten hörte, doch keiner von ihnen kriegte sein Maul auf. Sie plusterten sich nur auf wie Gefieder in der Balz, gut das taten wir auch, doch ich war nicht bereit mich mit ihnen auf eine Stufe zu stellen.
Zu jener Audienz vergab Glennster noch einen Kriegerischen Auftrag. Auf dem Wall waren noch Mondkrieger verblieben, wir hatten sie passiert, auf dem Weg nach Aldfur. Abscheuliche Invasoren. Der Auftrag beinhaltete die Tötung und Vertreibung der letzten Invasoren. Keiner aus Aldfur meldete sich. Schließlich trat ich vor und begann mit Glennster den Auftrag zu verhandeln. Ich sah nichts verkehrtes darin, gegen Invasoren zu kämpfen. Anders sah das bei den Menschen aus. Karntus Worte hatten viel Einfluss auf mich, da sie mich glauben ließen, dass Dummheit Schutz bedürfe. Möglich war das, doch ohne sich öfter in Aldfur blicken zu lassen, konnte man sich dazu keine Meinung bilden. Und ich weigerte mich Aldfur zu besuchen, abseits des Auftrages. Diesen haben wir binnen kürzester Zeit erledigt und die Beute erhalten. Leider auch diesen lästigen Diplomaten Prinz Jaffar. Ständig kreuzte er in Falkenstein auf und versuchte Handelsbündnisse zu schließen. Doch wir hatten weder den Bedarf noch das Bedürfnis uns Aldfur zuzuwenden. In dieser Zeit fiel ich Ferilan auf.
Mila Vandorez ist offline  
Mit Zitat antworten
Alt 23.08.2022, 16:58
#5
Mila Vandorez
Reisender
 
Registriert seit: 25 Sep 2016
Beiträge: 500
5. Kapitel – Der charismatische Herr von Yew

Nach der Audienz in Aldfur ludt der herzogliche Hof zum Bankett ein. Da war ich schon etwas aufgeregt. Ich konnte es kaum erwarten mir selbst ein Bild vom Hofe und Adel zu machen. Mit vermeintlich kriegerischer Strategie plante ich mein Erscheinen, um mir einen möglichst guten Beobachtungsplatz zu sichern. Ich wollte soviel wie möglich mitbekommen und sehen. Als ich das erste Mal in der Greifenburg eintraf, war ich schon beeindruckt wie groß die Halle war und wieviele da waren. Viele gute Plätze waren schon vergeben und vor Kopf am Tisch saß die Herzogin. Zwei Stühle weiter von ihr, an ihrem Tisch war noch ein Platz frei und ich ging, um ihn für mich zu beanspruchen. Kurz später tauchte Karnis auf und setzte sich zu mir, ich räumte meinen Platz nicht für ihn, als ihre Hofdame Fräulein Belatar mich auch schon wieder auffordern wollte den Platz zu räumen. Ich war so in Dominanzraufen verwickelt, ob der Ratswahl in Falkenstein, dass ich laut fragend protestierte „Sagt wer?“. Die Hofdame wollte mich noch weiter belehren und ich protestierte weiter. Ich bin heute nicht ganz sicher, ob ich der Herzogin auf die Nerven ging und sie deswegen Fräulein Belatar davon abhielt, weiter mit mir zu streiten oder sie Erbarmen mit meiner Bauerntrampeligkeit hatte. Vielleicht oder vermutlich war es eine Mischung aus beiden, doch ihr Einlenken hatte mich damals tief beeindruckt. Es war nicht der Grund. Der Grund war Einleuchtend. Ich war ein Emporkömmling der Anspruch auf das Land ihres Onkels erhob, ich hatte einen gewissen Ruhm erworben – sie wollte sich wohl ebenso, wie ich mir von ihr, ein Bild von mir machen. Was mich so beeindruckte, war die Würde mit der sie es tat. Ich hatte mir zweifelsohne auch bei Hofe durch meine barbarische laute Art einen Namen gemacht, doch wie ich später mit Bedauern erkannte, nicht den Besten wohl. Zumindest wenn es um das Wohl Falkensteins ging.
Doch begriff ich noch nicht dass ich einen Höhenflug folgte. Nach dem Bankett wurde ich von einigen aus der Kriegerkaste gewarnt, mein Maul nicht ganz so weit auf zu reißen. Einer der mich warnte war Bargon Ferilan. Der Herr von Yew. Zwar ist er das schon lange nicht mehr, aber aus Respekt vor ihm und als Dank für seine Erziehung an mir, nennen ich ihn für mich bei seinem alten Titel. Ferilan lernte ich in der Bärenhöhle kennen und ich war von Anfang an fasziniert von seiner Ausstrahlung. Kriegerisch, Erhaben und überaus Charismatisch. Klug in seiner Wortwahl aber auch ungezähmt und wild, wenn ich seine Geduld reizte – was ich eigentlich die ganze Zeit tat. Ich verhielt mich ihm gegenüber wie der größte Bauerntrampel und heute bedanke ich mich für die Geduld, die er mit mir hatte. Bedauerlicherweise weiß ich, was er dazu zu sagen hat. „Schön für dich, davon kann ich mir jetzt aber auch nichts kaufen.“ Irgendwie ist es eine Tragödie, dass Ferilan mir den nötigen Schliff gab um weiter zu gehen, aber niemals zur Ernte seiner Saat kam. Er hat viel Geduld in mich gesteckt, mir Disziplin, den rechten Stolz und Gehorsam beizubringen. Er selbst ist letztendlich an mir gescheitert, weil ich es einfach nicht verstand. Es begann damit, dass ich ihn herausforderte und er die Herausforderung ablehnte. Wir sprachen lange über Tugenden und auch über Ehre danach und er bot mir an sein Herr zu sein. Mich zu lehren und auszubilden. Ich hatte eine vage Vorstellung davon, dass es mir nützlich sein würde von ihm zu lernen, doch wollte es sich mir nicht erschließen, warum ich ihm dienen sollte. Ihn meinen Herren nennen sollte, warum ich zu ihm Loyal stehen sollte, egal was er tat. Ich hatte alles was ich zu bewältigen im Stande war und noch mehr. Ich hatte einen berüchtigten Ruf, der noch größer in den Gassen wurde, als ich im Seefahrerkontor den alten Vandrak auf die Bretter brachte. Ich hatte Falkenstein gegründet und mehr oder weniger unter Kontrolle. Aldfur schickte Prinz Jaffar um mich zu hofieren, auch wenn mir das nicht zusagte, empfand ich es, naiv wie ich damals war, als Respekterweisung. Ich hatte für eine kurze Zeit die Aufmerksamkeit der Herzogin Britannias bezogen, als sie mich nach meinen Plänen fragte. Warum sollte ich all das aufgeben und ihm übertragen. Bargon Ferilan hatte damals keine so große Bedeutung für mich, auch wenn ich ihn ungemein beeindruckend fand, interessanterweise hatte der Herr von Yew überhaupt gar kein Interesse an Falkenstein oder meinen Errungeschaften. "Ich hatte Yew, ich bin gegangen, ich brauch jetzt keine zweite Möglichkeit mich zu beweisen. Ich hab auch überhaupt kein Interesse an deinem Ruhm, dein Ruhm wir auf mich als deinen Herren übergehen. Hättest du weniger Ruhm, würde ich dir nicht anbieten mir zu dienen." hatte er damals so oder so ähnlich gesagt, ich erinnere mich hier nicht mehr an den genauen Wortlaut, doch er hatte mir versucht zu erklären, was eine kriegerische Dienerschaft bedeutet. Ich verstand das Prinzip das er mir da erklärte, dass der Diener den Herren unterstützte und sich für den Herren so unbezahlbar wertvoll machte, doch ich verstand nicht warum ich das tun sollte und ich konnte es noch nicht mit Stolz tun. Für mich war das Wort "Dienen" noch eine sehr abwertende Begrifflichkeit. Ich begriff das Prinzip des „mit Stolz dienen“ nicht. Das kam erst als ich Britannia verlassen hatte. Wie oft schimpfte er mich dämlicher Bauerntrampel, bräsige Göre oder dummes Weib. Ich war wie gebannt von seinen Wutausbrüchen, da ich auch in keinster Weise verstand, wie sehr ich seine Geduld reizte. Irgendwann fragte er mich was mein nächstes Ziel sei und ich erklärte ihm, dass ich dabei bin, Wissen über das Gebiet Yew, Falkenstein und Aldfur zu sammeln. „Ich kann dir dabei helfen Mädchen“ Hatte er damals gesagt, und ich blickte ihn erwartungsvoll an. „Na gaff mich nicht so kuhäugig an, mach mir ein Angebot.“ Und so brachte er mich dazu ihm schlussendlich doch noch zu dienen. Er forderte eine rechte Begrüssung für jedes treffen und das ich ihm Wein einschenkte. Und je nach Begrüssung erzählte er mir von der Geschichte Yews und Valarians an der er selbst maßgeblich beteiligt war, ausführlich oder nur oberflächlich. Er forderte Disziplin, manchmal forderte er mich auf die ganze Zeit zu stehen, während er erzählte und unzufrieden mit der Begrüßung war. Er lockte mich immer mit dem Wissen, das er besaß und ich wollte. Mit dieser charismatischen Art die mich so in den Bann zog, dass das Dienen eine Art Handel wurde. Ich übte zuhause, die rechte Vorstellung. Ich übte auch an meinen Bewegungen, Ferilan mißfielen meine angeberischen Gebaren, die sich mehr oder weniger seit frühester Kindheit bei mir gebildet hatten. Bei vier Brüder, einer ständigen Herausforderung der Stärke ausgesetzt, waren meine gesamten Vorbilder stets männlich gewesen, bis auf Arla. Ich hatte die Gebaren meiner Freunde und Brüder übernommen, erst als Kind, dann als junge Unmündige und schließlich als junge Erwachsene. Es war etwas, über dass ich mir nie recht bewusst war. Ich übte also vor dem Spiegel an meinem Gesichtsausdruck und meinen Posen, am Klang meiner Stimme, wenn ich ihn begrüßte und kam mir selten albern vor, doch mir war klar, wenn ich nicht dem entsprach was Ferilan forderte, würde ich nur uninteressante Sachen zu hören bekommen, Anekdoten die am Rande geschahen. Ferilan schärfte mir ein, mir immer darüber klar zu sein, was ich will und diesem Willen zu folgen. Er zeigte mir, wie man über den Tellerrand hinaus blickte, die Konsequenzen erahnte, er zeigte mir wie die Reiche funktionierten. Was man sich erlauben konnte und was nicht. Er erklärte mir, dass ich auf langer Sicht mich mit der Krone arrangieren musste, wenn es um Falkenstein ging. Es war Kronland, dass ich beanspruchte und die Krone würde vermutlich nicht einfach zusehen, wie ein paar Bauern sich Land aneignete. Sie würden früher oder später jemanden senden, und dann käme es darauf an, diesem jeman zu beweisen, dass man fähig war, das Land im Sinne der Krone zu verwalten. Bis dahin wäre es ratsam, das Maul nicht so weit aufzureissen, bei den Empfängen schon anwesend zu sein, aber bemüht darum nicht aufzufallen. Es gab ein paar Sachen, an denen wir arbeiten mussten, dazu gehörte auch Aldfur. "Reden kann jeder Vandorez, auf die richtigen Taten kommt es an! An den Einfluss, den du dir erkämpft hast, kommt man leichter als du denkst, ihn zu halten und auszubauen, das ist der Kampf an denen alle bisher gescheitert sind auf kurz oder lang. Und da kannst du dich auch im ganzen Reich umsehen und in der Geschichte wühlen, der Alltag den fast alle herbeisehnen ist oft der Henker den man sich bestellt. Wenn er eintrifft geht es noch eine Weile gut, doch immer mehr werden ausbleiben, wenn du nichts zu bieten hast und deine Leute nicht bedienst."
Immer wieder kamen wir auf Gespräche über die Zukunft auch von Falkenstein. Er erzählte mir wie es für ihn war Yew zu erorbern. Wie es war Yew zu halten. Wie der Alltag für ihn als Herr von Yew war, als Eskalor starb und sein Weib sich auch immer mehr zurück gezogen hatte. Und als er davon sprach, dass ihm das Halten von Yew nicht den rechten Frieden gab, und erst die Besatzung Valarians wieder frischen Wind in seine Sache brachte, da bekam ich es mit einer gewissen Panik zu tun, die vor allem mit Dominik McGinnis zu tun hatte. Wir waren Gefährten, jeder der uns besser kannte wusste es. Wie sollte die Zukunft für mich aussehen? Feinde ließen sich keine aus dem Nichts zaubern, denen wir gewachsen gewesen wären und selbst wenn. Ich dachte damals darüber nach das Dominik doppelt so alt war wie ich, sicher eine Familie gründen wollte, sesshafter werden, vielleicht gar heiraten wollte. Mir wurde schlagartig klar, dass ich das nicht wollte. Ich wollte nicht ewig an einen, auch nicht an diesen Mann gebunden sein. Ich war feige genug in dieser Hinsicht, um ihn von heute auf morgen sitzen zu lassen. Ich warf alles hin, Falkenstein, Dominik, all meinen Freundschaften, erreichten Ziele und erkämpften Positionen und fuhr zum Festland. Meinen Bruder hinterließ ich nur einen fragwürdigen Brief. Er hatte sich im ganzen Königreich verteilt ein Informationsnetz aufgebaut, auf der Suche nach Czesare. Ihn zu finden hat er zu seiner Lebensaufgabe gemacht, dies ist der Antrieb dem er folgt, ich ging einfach davon aus, dass es mir ein leichtes sein würde ihn wieder aufzutreiben. Ich ging ohne Plan und ohne Ziel. Auf meiner Reise zum Festland ging mir einiges durch den Schädel. Vor allem plagte es mich, wie ehrlos ich mich gegenüber Domenik verhalten hatte. Ich versuchte immer wieder diese Gedanken abzustreifen, doch da ich mich ebenso viel mit den Idealen und dem Weg des Kriegers beschäftigte, musste ich mich der Sache früher oder später stellen. Auf jener Überfahrt begann ich, das Buch meines Vaters regelmässig zu lesen. „Die Herausforderung“ war eine Art Kodex, eine Lehre an der man versuchen sollte, sein Leben als Krieger zu ordnen. Tatsächlich war mein gesamtes Weltbild am bröckeln als ich ging. Es hatte sich in den Jahren zuvor schon entwickelt, als ich in all den Gesprächen mit Liandrel und dem Herrn von Yew begriff, dass Freiheit kein Ideal für eine kriegslastige Siedlung sei, als mir bewusst wurde, dass ich alles andere als Neutral war. Ich wollte durch und durch für das vermeintlich Gute kämpfen, gerechte Dinge tun, es war gewiss nichts Falsches daran, das Leben und die Natur unter das Gute einzuordnen, doch musste ich sehr langsam erkennen, dass „Leben“ kein Ideal war. Leben war, ist und wird da sein, solange man dem Bösen die Stirn bietet, doch es tut nichts weiter als zu „sein“, ohne weiteren Antrieb, ohne weitere Motivation oder Ziele. Es war ein guter Grund für das Gute zu kämpfen, aber es hatte dem Bösen nichts entgegen zu setzten. Die Beweise dafür waren mannigfaltig. Man musste sich nur den verfluchten Wald von Yew ansehen oder über die Wälle in den Süden blicken. Freiheit war der größte Trugschluss dem ich anheim fiel. Wenn man für Freiheit kämpft und sich einsetzt, sollte man sich stets vor Augen halten, was man mit der gewonnen Freiheit anfängt. Wenn man sich mit Nägeln und Zähnen für seine Freiheit prügelt, gewinnt und die gewonnene Freiheit nur dafür nutzt um gemütlich vor dem Kamin zu sitzen, dann erscheint all der Kampf, das Raufen, das Streiten bescheuert, denn gemütlich vor dem Kamin kann man auch unter der Krone sitzen. Wer für die Freiheit kämpft, um Einfluss nehmen zu wollen, um etwas nach eigenen Denkgut zum Besseren zu wandeln, der Kämpft im Grunde nicht für Freiheit, sondern für Macht. Aber gerade der kleine Bauer, zu dem ich mich zu jener Zeit auch zählen musste, tat gut daran sich von dem Begriff der Macht zu distanzieren. Zu oft, in vielen Orten des Königreichs, galt die Krone als Gegner der Freiheit, beim ungebildeten Volk und es würde noch eine Weile dauern, bis ich genug Erziehung und Lehre erhalten hatte, um all das zu erkennen. Zunächst einmal hatte ich kein wirkliches Problem mit der Krone, ich war bis zu diesem Zeitpunkt nur nicht gewillt gewesen, mich ihr anzuschließen, für sie zu kämpfen oder hinter ihr zu stehen. Dafür war ich noch zu sehr Meldurerin. Aufgewachsen mit all den Geschichten über Macht und Einfluss, von der wir nur träumten, der vermeintlichen Ungerechtigkeit, dass unser eins den letzten Tropfen Wasser auf den Feldern ausschwitzen musste, um was zu Essen zu haben, wohingegen andere Kinder mit dem sprichwörtlichen goldenen Löffel im Maul geboren wurden. In Melduren war der Adel nicht sonderlich präsent, gewiss war er immer mal wieder da, doch nahm er keinen besonderen Einfluss auf das Leben der Einheimischen. Daher war nie jemand da gewesen, der uns über das Leben von diesen „goldenen Kindern“ erzählte.
Ich strebte auch nie nach einer eigenen Familie, die ich gebar. Ich hatte eine Familie gehabt und mein Bruder Garus war noch am Leben und hatte sein Leben selbst in die Hand genommen. Das Leben, mein Leben hatte mir viel zu geben. Manches war schön, wie die Erinnerungen an meine Kindheit und Familie, die besonderen Erlebnisse an der alten Mühle und auf der heiligen Insel mit Liandrel. Anderes war düster, wie der stumme Marsch, die Begegnungen mit dem Bösen und die Zeit die nun auf mich wartete. Aber das wusste ich noch nicht. Ich war auf der Überfahrt und versuchte irgendwie, all das was durch meinen Kopf schwirrte, das was der Herr von Yew versuchte mir beizubringen, zu ordnen. Ich fühlte mich damals in meinem Gedankenchaos verloren. Es waren so viele Gespräche gewesen, jeder hatte eine andere Meinung und es dauerte Jahre, dieses Chaos in meinen Gedanken zu ordnen, Jahre in denen ich die fehlenden Erfahrungen machte, um all das zu verstehen, Jahre der Erziehung, um das große Ganze zu erkennen. Wäre ich klüger gewesen, hätte ich all das schon begriffen, denn fast alles hatte mir Ferilan schon beizubringen versucht. Doch ich wollte nicht hören. Vor allem war ich noch immer nicht bereit gewesen, mich hinter einen anderen Menschen zu stellen. Auch nicht, oder schon gar nicht für die Liebe.
Mila Vandorez ist offline  
Mit Zitat antworten
Alt 24.08.2022, 16:04
#6
Mila Vandorez
Reisender
 
Registriert seit: 25 Sep 2016
Beiträge: 500
Kapitel 6 – Der Ritter von Gerhatt

Ehe ich die Kronhauptstadt erreichte, war ich der vermeintlichen Liebe oft begegnet auf meiner Reise. Ehepaare, Eltern und Kindern, Geschwistern, frisch Verliebte. Sie alle genossen auf diesem kurzen Stück eine gewisse Aufmerksamkeit von mir, denn ich begann zu zweifeln, ob ich je wirklich geliebt hatte. Die Trennung von alldem was man eigentlich lieben sollte – Freundschaften, Geliebter, erfüllte Träume und Ziele, war frisch und machte mir so wenig aus, dass die fehlende Trauer darüber mir Sorgen bereitete. Auch die Trennung von Garus war diesmal von ganz anderen Gefühlen geprägt gewesen. Meine Erfahrungen auf Britannia hatten mich eigenständiger gemacht, mir das Selbstvertrauen gegeben, dass ich nun alleine zurecht kam und Garus traf wie stets seine eigenen Entscheidungen. Er war gar ein ganzes Jahr, die Klinge von Liandrel. Er hatte sich als Dank für meine Rettung und auch als Zeichen des Respektes und Vertrauens gegenüber der Waldelfen in Liandrels Dienst gestellt. Er war viel auf Reisen und begann damals sein Informationsnetz auf dem Festland zu spinnen. Er hatte Czerare nie aufgegeben. In meinem Kopf galten wir als eigenständige Menschen, die alle ihre eigenen Entscheidungen trafen. Niemals gegeneinander, aber auch nicht miteinander. Garus war mein Blut, er würde immer mein Blut sein, egal was passierte. Er würde auch mein Blut sein, sollten wir uns an einer Front jemals gegenüber stehen. Denn auch solchen Gedanken folgte ich in dieser Zeit. Ich erinnerte mich an die Lehren Liandrels vom stetigen Wandel und den Worten Ferilans, dass Worte nur soviel Gewicht besaßen, wie die Taten die folgten. Mein Weg fort von Britannia führte mich erneut auf eine Pilgerreise des Namenlosen.

In der Hauptstadt angekommen, hörte ich in den Schenken davon, dass die königliche Armee eine Heerschau für Fusssoldaten ausrief. Von Krieg war an jeder Ecke zu hören, wenn man die richtigen Orte dafür aufsuchte. Auch in der Hauptstadt Faerlans suchte ich die Kontakte zu der Kriegerkaste, noch bevor ich mir einen Schlafplatz für die Nacht gesucht hatte. Dort gab es mehr als eine Kriegerhalle und eine war prächtiger als die andere. Manche waren höher frequentiert als andere, doch man fand schnell, den Zugang in die Kriegerkaste dort. Etwa zwei Monde ging ich in den Hallen ein und aus. Schloss mich verschiedenen Abenteuern an ohne mich zu verpflichten. Doch bemerkte ich schnell, das fast ausschließlich bei Jenen von Ruhm und Ehre gesprochen wurde, die sich verpflichtet hatten.
Und dort traf ich dann auch auf Gerhatt. Gerhatt war ein Gefolgsmann des Königs, mit viel Ansehen, viel Respekt und viel Ehre – und einem Hang zu hübschen Weibern, aber darüber sprach niemand laut und niemals, wenn er in der Nähe war. Gerhatt war Ferilan nicht unähnlich und ich merkte schnell, dass ich meinen Respekt mit Disziplin und Gehorsam ausdrücken musste, wenn ich Worte mit ihm wechseln wollte. Noch während ich mich über ihn bei anderen Kriegern erkundigte beobachtete ich ihn. Er war schon eine imposante Erscheinung und die Gespräche erstarben oder wurden deutlich leiser, wenn er in die Hallen kam. Ich sah, wie manch junger Recke versuchte sich als Mundschenk anzubieten, auch sah ich eine junge Kriegerin, etwa in meinem Alter – eindeutig eine Adorianerin. Platinrüstung, Weiberharnisch mit Speer und Schild. Dazu üppig Brüste die sie stolz in die Platinschalen ihres Harnisches zwängte. Sie hatte auch einen großen Eindruck auf mich gemacht. Denn sie erzeugte eine seltsame Stimmung in den Hallen. Einerseits hatte sie wohl bereits für einen gewissen Ruhm gesorgt und galt als tapfere, mutige und für ihr Alter auch fähige Kriegerin, doch wann immer sie auftauchte, glotzten die Kerle auf das Leinen das von ihrer üppigen Oberweite an den Metallschalen vorbei gepresst wurde und durch das pralle Fleisch gespannt war. Und manchmal kippte die Stimmung und wurde gefährlich. Immer dann, wenn einer anfing die eine Sache auszusprechen, an die alle Kerle dachten. Drei Tage verfolgte ich Gerhatt so gut es mir möglich war, beobachtete ihn, hörte mir an was die anderen über ihn zu sagen hatten und überlegte mir, wir ich ihm gegenübertrete. Denn ich wollte. Ich wusste erneut, dieser Mann würde mich weiterbringen. Dieser Mann erzeugte etwas um sich herum, wozu ich auch in der Lage sein wollte. Man kann wohl sagen, dass ich von jeher über das Talent oder die besondere Gabe verfügte, meine Lehrmeister oder Wegweiser sofort zu erkennen, wenngleich ich erst viel später erkannte, wie viel sie mir wahrhaftig beibrachten und wie sehr ihre Erziehung mein Wesen beeinflusste oder ihre Präsenz meinen Weg lenkten. Von alldem hatte ich damals freilich noch keine Ahnung, ich war von Gerhatt damals genauso beeindruckt, wie zuvor von Ferilan und mir war klar, wenn er über eine Fähigkeit verfügte, die ich gerne besitzen wollte, so würde er sie mich lehren müssen. Seine gesamte kriegerische, disziplinierte Ausstrahlung erinnerte mich so sehr an Ferilan, dass ich in der zweiten Nacht nicht schlafen konnte. Ich entschied mich für einen nächtlichen Spaziergang, der mich schlussendlich in die Schenke „Zur weißen Perle“ brachte. Die Namensähnlichkeit mit dem Kosenamen Meldurens, machte mich neugierig und so trat ich hinein. Ich hatte nicht darauf geachtet, in welchem Viertel ich gelandet war, ich war zu sehr in meinen Gedanken versunken gewesen, als dass ich Herrin über meiner Schritte Ziel war, dass ich bereit war, mich weiter führen zu lassen, als ich den Namen der Schenke las.
Drinnen betrachtete ich mit aufkommender Bestürzung, dass ich in einer sehr noblen Gaststätte eingetreten war. Mein Eintreten ohne Gruß, in Kriegerkluft und Waffen ließen jedes Gespräch verstummen. Mir wurde etwas unwohl, doch kam mir ein Mädchen bedacht freundlich entgegen. Ich entsann mich meiner Mutter Erziehung und wünschte einen Guten Abend. Die Gespräche gingen leise weiter und ich teilte auf Nachfrage mit, dass ich was Essen wolle. Diese Worte kamen mir auch wie von selbst über die Lippen, denn eigentlich hatte ich nicht die Absicht gehabt zu essen, doch kaum ausgesprochen, meldete sich mein Magen dazu ebenfalls zu Wort. Auch wollte ich mich nicht, von diesem aufgeseideten Mädchen einfach vor die Tür setzten lassen, nachdem ich hier her geführt wurde. Ich verstand selbst nicht was ich da tat, doch ich folgte. Ich bekam einen Tisch an der Tür, abseits der geräumigen Essstube. Ich bin mir sicher, dass dort der Wirt sonst saß, es war ein unauffälliger Platz von dem aus man das gesamte Lokal im Blick hatte. Eine Weile lang beobachtete ich die Essstube mit ihren Gästen, vornehme und reiche Geschäftsleute, möglicherweise der ein oder andere niedere Adel. Auch Offiziere, die ich schon in der Kriegerhallen sah. Ich bemerkte wie sich jeder an gewisse Gesellschaftsregeln hielt und beobachtete einfach nur. Irgendwann, während ich auf meine Bestellung wartete, schweiften meine Gedanken allerdings wieder zu Ferilan und Gerhatt. Langsam erschloss sich mir das Prinzip des „Dienen wollens“, wenngleich auch diese ersten Erfahrungen eher dem unreifen Geiste entgegenkamen und noch ihre Zeit des Wachstums forderten. Ich hatte Ferilan schließlich doch gedient, Ferilan hatte mir gezeigt, dass dienen nur eine Seite der Münze war. Wer diente konnte etwas zurück erwarten. Mein Handel mit Ferilan war, Wissen gegen Dienen gewesen. Das er mich dabei erst erziehen musste, hat sich für Ferilan als schlechten Handel wohl erst am Schluss heraus gestellt. Er war das Risiko aber eingegangen, in der Hoffnung all das zu Ernten was er in mir mit der Erziehung aussäte. Mir musste ein besserer Handel für Gerhatt einfallen, dessen wurde ich mir bewusst. Er sollte keinen Grund haben zu bedauern, mir zu helfen oder auch nur mit mir zu sprechen. Und während ich aß, begann erneut ein Plan, ähnlich einer kriegerischen Strategie in mir zu reifen, doch diesmal wollte ich klüger sein. Es wurde eine Herausforderung an diesem Abend für mich. Irgendetwas an diesem Abend, in der weißen Perle war passiert und hinter meiner Stirn begann sich die Entschlossenheit wie ein eiserner Rammbock zu formen.
Am nächsten Tag sorgte ich dafür, eher in den Hallen zu sein, als er und versuchte mein Schlachtfeld zu ordnen. Es war nicht einfach in den großen Hallen, die Schankkelche abzuräumen oder gar zu verstecken. Immer wieder wurde danach gegriffen oder gesucht, standen sie sonst immer in Gruppen auf dem Tisch bereit genutzt zu werden.
Erst in der Zweiten Halle gelang es mir mein Schlachtfeld soweit vorzubereiten, wie ich es mir gedacht hatte. Ich selbst hielt einen Krug, als Gerhatt mit seinen Männern eintraf, ich beobachtete wie ihre Kelche gefüllt wurden, sie zusammen standen sich mit dem ein oder anderen Anwesenden unterhielten. Dann sah ich wie sie ihre Kelche leerten. Ich wartete, dann sah ich wie Gerhatt einen seiner Männer zu nickte als keine Krüge griffbereit waren. Das war mein Moment und ich trat vor.
„Ruhm und Ehre Euer Wohlgeboren“ ich neigte kurz das Haupt, „Erlaubt Ihr, dass ich mit Euch trinke?“ Ich hob die Karaffe an, die ich hielt, Gerhatts Blick war eisenhart, als er mich musterte. Ich blieb aufrecht, drückte die Lippen zusammen. Um uns herum wurde es still, andere kamen mit Krügen, auch sein Waffenbruder, seinen Kelch hielt noch an sich und sah sich die anderen an. Ich denke er hatte begriffen, was ich da arrangiert hatte, doch sein Einfluss war für mich nicht absehbar gewesen. Ich hätte nicht damit gerechnet, das so viele Krieger für ihn gleich in Bewegung gingen, damit er was zu trinken hatte und sah meine Felle wegschwimmen. In einem beherzten Versuch trat ich mit der erhobenen Karaffe auf ihn zu, bot mich in meinen ganzen Gebaren des Dienens an, mied seinen Blick mehr, ich wusste dass in meinem Blick die Entschlossenheit und Dominanz lagen, die mir jetzt alles ruinieren konnten. Es war eine gefühlte Ewigkeit und ich hörte das Blut vor Anspannung in meinen Ohren rauschen, als er schließlich seine Hand mit dem Kelch in meine Richtung hielt. Ich schenkte ihm ein und danach gingen die Gespräche weiter. Ich durfte mich an den Gesprächen nicht wirklich beteiligen, konnte es auch gar nicht, doch ich durfte dabei sein. Die Lehren Ferilans halfen mir, stumm da zu stehen und aufmerksam dem Gesprochenen zu folgen. Ich folgte ihm den ganzen Tag bis er mir sagte, dass er ins Schloss kehre würde. Als ich am nächsten Tag wieder in der Halle auf ihn wartete, diesmal ohne Vorbereitungen, merkte ich, wie er sein Wohlwollen vom gestrigen Tage etwas bereute. „Hast du wieder vor mir den ganzen Tag zu folgen?“ Ich bestätigte seine Frage und er sandte seine Waffenbrüder los. Mich nahm er mit auf den Markt. Ich hätte nie gedacht, dass Gerhatt sich auch auf dem Markt rum trieb, doch er wurde überall erkannt. Er kaufte einen Schlauch Wasser, etwas Brot und Käse und setzte sich mit mir in einen Eingang. „Also Mädchen, dann erzähl mal was du von mir willst.“ hatte er begonnen und mir von allem etwas angeboten. Ich drückte die Lippen zusammen und dachte zu lange über eine Antwort nach. „Ich denke, dass ich von Euch lernen kann und bin bereit euch für die Lehre zu dienen.“ Gerhatt lachte und erklärte mir, dass er dafür keine Zeit hatte. Wir sprachen noch ein paar Stunden über mich und meine Möglichkeiten. Ich erzählte ihm damals nichts von Falkenstein, nur dass ich Fehler gemacht hatte und mir etwas fehlte, um aus diesen Fehlern zu lernen. „Das was dir fehlt Mädchen ist Schliff und Erfahrung. Man sieht dir an, dass du kräftig bist und dafür viel tust. Auch deine Klinge sieht ganz anständig aus, aber unterm Strich bist du ein junges Mädchen, zu alt für den Pagendienst und zu jung um genug Erfahrungen zu haben, als dass man dich ernst schon nehmen würde. Wenn du keinerlei Verpflichtungen hast, geh zur Heerschau und melde dich als Fusssoldatin, da wirst du einiges an Schliff bekommen und sicherlich auch Erfahrungen. Wenn du dich da meldest und lang genug überlebst, werden wir uns wieder sehen. Bis dahin, hör auf mir hinterher zu laufen.“
„Wenn ich zum Heer gehe, kann ich dann so werden wie Ihr?“ „Wie ich? Was meinst du damit?“ „Gefolgsmann des Königs, jeder hat Respekt vor euch.“ Gerhatt lachte laut und herzlich. „Mädchen, Mädchen.“ hatte er im Lachen nur gesagt und war aufgestanden. „Na eins steht fest, Ritter wirst du hier in der Hauptstadt nicht, es gibt genug jüngere und anständigere Burschen die um einen Platz als Pagen kämpfen.“ Ich sah ihn etwas entrüstet an, ich gab mir wirklich viel Mühe „anständig“ zu sein. Er beugte sich nochmal zu mir runter, ich saß noch immer auf den Stufen, und legte mir die Hand auf die Schulter. „Egal welchen Rang du irgendwann mal einnimmst, egal wem du dienst. Nur du kannst diesem Rang einmal Bedeutung geben. Es gibt viele fahrende Ritter, die in meinen Augen weniger taugen, als mancher Offizier von einem beerbten Adeligen, der von Waffen und Krieg keine Ahnung hat...“ er richtete sich auf und meinte dann leiser: „Wenn du auf Ruhm aus bist Mädchen, geh zur Heerschau und arbeite dich da hoch. Wir sehen uns, so Glaron es gibt, wieder. Möge dich der Herr des Lichts beschützen.“ Mit diesen Worten wendete er sich um und verschwand im Marktgetümmel.
Noch am selben Tag ging ich zur Heerschau und wurde gemustert.
Mila Vandorez ist offline  
Mit Zitat antworten
Alt 25.08.2022, 14:12
#7
Mila Vandorez
Reisender
 
Registriert seit: 25 Sep 2016
Beiträge: 500
Kapitel 7 – Das königliche Heer

Nachdem ich gemustert wurde, bekam ich eine Schärpe, die mich als frisch gemusterten Fusssoldaten des Königs auszeichnete und hatte dann bis Ende des angebrochenen Mondes noch Zeit mich auf den Abmarsch vorzubereiten. Es gab einige Termine, die ich bis dahin wahrnehmen musste. Ein Besuch im Versorgerlager, wo ich meine Ausrüstung bekam. Alles war vorhanden, von gewöhnlicher Qualität, und manch einer tauschte bestimmte Dinge gegen Eigene aus, die er zusätzlich mit trug. Wir bekamen unsere Soldatenwaffen und -rüstungen, unsere Schlafsachen, selbst eine Essschale mit Löffel war dabei. Die restliche freie Zeit verbrachte ich in den Kriegerhallen. Ich sah Gerhatt noch ein zwei mal. Als er mich das erste mal mit der Schärpe sah, nickt er mir vage aus der Ferne zu, vielleicht hatte ich mich auch getäuscht und er nickte auf etwas, was in seiner Runde gesagt oder gefragt wurde. Doch ab diesem Moment trug ich die Schärpe wie eine Trophäe mit Stolz und ich bedauerte das erste Mal, dass ich dem Herrn von Yew nicht mit dieser Geisteshaltung entgegen treten konnte. Ich verstand mich selbst auch nicht, zu jener Zeit, doch mit den Jahren merkte ich, dass ich einfach in manchen Dingen langsamer lernte. Es passierte mir immer wieder, dass ich bemerkte, wieviel Ferilan mir eigentlich beigebracht hatte. Dinge, deren Bedeutung irgendwie verständlich für mich als Kriegerin waren, doch mein jugendlicher Geist war noch nicht in der Lage, sie im rechten Licht zu betrachten. Andere kamen – wie Gerhatt – und halfen mir, Ferilans Worte im rechten Licht zu betrachten. Zwar belächele ich heute meine Einstellung jene Schärpe als Trophäe zu betrachten, doch es war der erste Schritt in die richtige Richtung und meine nächsten Erfahrungen würden mir diese Art egozentrischer Geisteshaltung gehörig austreiben.
Der Tag des Abmarsches wurde in der Hauptstadt groß gefeiert, es fühlte sich an, als würde jeder Bürger der Hauptstadt sich verabschieden, als wir in einfachen Zweiergruppen flankiert von unseren Offizieren die gebildeten Gassen in einer Parade verließen. Wir wurden wie zu einem Sieg gefeiert und es war ungemein aufregend. Die meisten von uns armen Deppen wussten nicht, in welche nahe Zukunft sie marschierten. Wir marschierten den gesamten Tag und auch den nächsten und den übernächsten. Bereits am zweiten Tag konnten wir kaum noch die Formation halten. Hier trennte sich bereits die Spreu vom Weizen, man sah wer als Soldat schon Erfahrung hatte und wer das erste Mal dabei war auch ohne Schärpe. Es gab Alte und Junge, alles im Alter zwischen 16 und 50 war dabei und die Erfahrung war mit dem Alter meist gestaffelt. Ich tat mich schwer mitzuhalten, meine Schultern waren schnell aufgescheuert, mein neues Schuhwerk drückte und meine Beine fühlte ich bereits am zweiten Tag nicht mehr. Nicht selten kotze einer vor Anstrengung, doch blieb ihm nichts übrig als sich zusammen zu reissen. Am dritten Tag sollten wir ein Lager mit Zelten errichten und ich hoffte eine Weile, dass man uns eine Verschnaufpause gönnen würde, doch ein alter Soldat, alle nannten ihn Röcke, erklärte mir damals als er mir beim Aufbau half, dass dieser Halt jetzt für Disziplin sorgen würde. Das Frischfleisch würde nun geprüft. Das spornte meinen Ehrgeiz durchaus an, wieder wollte „ich etwas für mich“ erreichen, eine bessere Position, ich wollte mehr und Lorica, die mich eine ganze Weile nicht in Versuchung bringen konnte, meldete sich in mir. Ich war schließlich wer, ich war auf Geheiß des Ritters von Gerhatt schließlich da, zumindest dachte ich mir das. Meinen Offizier interessierte das alles wenig. Wir wurden zum Appell gerufen und man erklärte uns, dass wir uns mehr anstrengen mussten. Die Formation sei unter allen Umständen zu halten, es würden nun Marsch und Waffenübungen stattfinden, in denen die Gruppen der Unteroffiziere beurteilt würden. Wir mussten zum Teil bis zum Umfallen marschieren, alle die schon mal gedient hatten wurden rasch aus dem Marsch gezogen und durften sich ausruhen. Manch einen Frischling zogen sie ebenfalls schließlich raus. Ich wurde raus gezogen, als ich gerade einem jungen Burschen den Arm hielt, als er ins Straucheln geriet. Ich blickte mich nochmal nach dem Jungen um, war aber froh endlich meine Beine ausruhen zu können. Auch am nächsten Tag gab es für die restlichen Marschübungen bis zum Nachmittag, alle anderen hatten einen Tag frei und konnten ihre Knochen ausruhen. Zum Nachmittag war wieder zum Appell gerufen, die Marscheinheiten waren beendet. Für den nächsten Morgen war wieder Appell und dann Aufstellung für Waffenübungen.

Als die Holzwaffe in meiner Hand lag kämpfte ich. Schnell erkannte ich, dass ich kämpferisch deutlich weiter war, als die meisten Frischlinge. Ich war besser in Form und verfügte über mehr Erfahrung im Kampf Mann gegen Mann. Ich gewann in meiner Rotte an diesem Tag alle Übungskämpfe – in der Armee nannte man es Einheit, doch trotz der Zeit die ich dort diente, blieben alte Begriffe bei mir geprägt. Als mein Unteroffizier sich mir näherte, ein junger Mann kaum Älter als ich und in wenig kriegerischer Manier, wurde ich wie auch ein paar andere aus der Rotte zum Übungsduell mit dem Unteroffizier aufgefordert. Ich fühlte mich dem Manne gegenüber überlegen in meinen Fähigkeiten. Ich brachte ihn gar dazu, recht ungalant zurück zustolpern, gerade in dem Moment als unser Offizier dazu trat. Ich wurde zurück in die Reihe geschickt und Offizier Reber's Blick ging durch die Reihen. Ich fühlte, wie sein harter Blick mir folgte, dann sah ich wie er die Reihen entlang ging. Wir nahmen Haltung an, auf das Kommando unseres Unteroffiziers und Reber blieb schließlich vor mir stehen. Er starrte mich an, ein spöttisches Lächeln umspielte seine schlecht rasierten Mundwinkel. „Wir brauchen noch einen aus eurer Einheit, der mithilft die Latrinengruben für dieses Lager zu graben und wieder zuzuschütten. Wen darf ich heute Abend erwarten Unteroffizier?“ Mein Blick schweifte an Reber vorbei zu meinem Unteroffizier, ohne Zögern fiel mein Name und ich blickte zurück in Reber's nahes Augenpaar. „Gut Vandorez, nach dem Abendmahl wartet ihr nach dem Kommandozelt.“ „Und was wenn ich nicht da bin?“ hatte ich sehr sehr leise gefragt, Reber hatte meine Frage mit Sicherheit gehört, doch er reagierte nicht darauf. Er wendete sich nur ab und ging. Die Waffenübungen gingen noch weiter, und ich hatte eine ungemeine Wut im Bauch. Röcke wurde zu meinem Waffenbruder in den Übungen und nachdem ich meine Wut an dem alten Recken versuchte auszulassen und wir etwas tranken, wendete er sich mir zu. „Vandorez heißt ihr ja?“ Ich nickte zur Antwort. „Ich bin Rogh, gesprochen wie Rock von Röcke.“ „Na freut mich Rock von Röcke.“ Ich erhielt ein leises Brummen zur Antwort. „Hör mal Vandorez, reiss dein Maul nicht so weit auf.“ „Sonst was?“ „Sonst was, sonst was, sonst was. So dämlich kannst du doch nicht sein. Siehst du nicht, dass sie nur auf die Gelegenheiten warten Exempel an den Frischlingen zu statuieren? Dämliches Weib, wenn du so weiter machst ziehst du deine ganze Einheit in deinen persönlichen Scheiss rein.“ Die Waffenübungen gingen weiter und ich erkannte, dass in Röcke wesentlich mehr kriegerische Fähigkeiten schlummerten als ich annahm. Er setzte nur nicht alles ein.
Nach dem Abendmahl wartete ich am Kommandozelt. Ich sah noch drei vier andere Frischlinge sich am Kommandozelt rum trollen. Als Reber's rauskam, zeigte sich dass fast alle Männer und Weiber am Kommandozelt über ein Dutzend zum Latrinengruben schaufeln gerufen waren. Reber's zeigte uns den Ort wo wir Graben sollten. Ein Frischling der ebenso wie ich noch die Schärpe trug, lehnte sich noch weiter als ich aus dem Fenster. „Und womit sollen wir Graben?“ Diese Frage hatte ich mir zweifelsohne auch gestellt, ging aber davon aus, dass man uns noch Schaufeln bringen würde. „Und wenn ihr mit euren nackten Händen die Scheisse eurer Kameraden vergrabt, irgendwie werdet ihr diese Gruben bis zum Sonnenaufgang fertig haben. Das ist ein Befehl.“ Noch während er sprach kamen andere Soldaten die uns Schaufeln brachten. Ich hörte wie die ein oder andere Schaufel mit einer Warnung überreicht wurde. Ich bekam diesmal keine Warnung.
Die Gruben auszuheben war nicht das schlimmste, die Schüsseln und Schalen die bis dahin benutzt wurden zu leeren, war das schlimmste. Erst nach Mitternacht wurden wir fertig, und legten uns, stinkend, schwitzend und müde direkt auf unsere Lager. Im Morgengrauen ging der Marsch weiter.
In jedem Lager das wir aufschlugen, war ich jene aus meiner Einheit die aus den Waffenübungen früher ging, um die Latrinengruben zu graben. Den Gestank dieser Arbeit konnte ich kaum abschütteln und ein trister Alltag begann. Das königliche Heer demonstrierte in sich schon all seine Macht und seinen Einfluss. Dumme Fragen führten schnell zu niederen Aufgaben. Arroganz zu Strafen und ich sah auch, was mit jenen geschah die versuchten das Heer herauszufordern. Im zweiten Lager gab es einen Appell, der zur Bestrafung gehalten wurde. Wir alle sahen zu, was mit dem Frischling passierte, der einst nach Schaufeln fragte und sich schließlich weigerte wieder die Latrinengruben zu graben. Bis zum Aufschluss ans Hauptheer wurde seine halbe Einheit zum Graben verdonnert, viele andere wurden dadurch abgezogen. Ich leider nicht. Das Heer nahm es sehr genau mit Befehlsverweigerungen und Fahnenflucht, auf Befehlsverweigerung standen Prügel. Ein Bursche der versucht hatte zu flüchten, wurde bei der Zusammenkunft mit dem Hauptheer weg gebracht. In die Steinminen wie Röcke mir sagte, zuvor war der Bengel grün und blau geprügelt worden. „Wenn man sich einer Sache anschließt, Vandorez, dann muss man da auch hinter stehen. Ein Wort ist ein Wort.“ „Ich hatte keine Ahnung was hier auf mich zu kommt. Ständig diese Marscheinheiten, Waffenübungen, das Graben. Tag ein, Tag aus.“ „Na das mit dem Graben hast du dir hartnäckig selbst erkämpft mit deinem losen Maul und deinem Stolz und was den Rest betrifft, da gilt für dich dann einfach Mitgegangen ist Mitgehangen. Hast du dich für den Einsatz oder für ein Jahr verpflichtet?“ „Für ein Jahr.“ Röcke hatte darauf nur schmatzend gelacht und mir auf die Schulter geklopft.
In den ersten Monden lernte ich, mich mit meinem Los zu arrangieren. Ich baute mehr Kraft durch das Schaufeln auf, meine gesamte Konstitution verbesserte sich, auch wenn ich meilenweit stank wie eine alte, nicht abgedeckte Latrinengrube. In den Waffenübungen wurde ich konstant übergangen, das war am bittersten für mich. Röcke und ich wurden nach ein paar Wochen getrennt in den Übungen und ich sollte an meinen Parraden und meinem Block arbeiten, während andere Soldaten mich Angriffen. In meiner gesamten Zeit im königlichen Heer, habe ich nicht eine Waffeneinheit in der Offensive bekommen. Wenn es mit mir in den Übungen mal durchging und ich in die Offensive gegen meinen Übungsbruder trat, folgte sofort eine Strafe in Ertüchtigung. Aber meinen Block wurde in dieser Zeit zu einer der herausragenden Kampfstile von mir. Unsere erste Schlacht verpassten wir, um den Mittag. Die Schlacht hatte in der Nacht begonnen, es war die Zurückeroberung einer Burg in nördlichen Osten des Landes gewesen. Die Vasallstruppen und eine höhere Einheit des königlichen Heeres hatten zum Vormittag ganze Arbeit geleistet. Wir bekamen die Aufgabe der Besatzung und des Haltens bis der Graf seine Burg wieder benannt hatte. Dazu gehörte auch das Aufräumen. Überall in und um die Burg lagen die Leichen der Feinde. Im Burghof hingen zwei Frauen und drei Kerle am Galgen, die Rudelsführer der Aufständischen, hingerichtet wie die Verbrecher die sie waren. Während wir die Leichen Stück für Stück trugen wurde der Plan sie zu Vergraben geändert. Andere wurden mit Äxten los geschickt, um Holz für die Verbrennung zu besorgen, ich blieb in der Einheit die sich um die Leichen kümmerte. Ich weiß nicht mehr wie viele Leichen ich schleppen musste, unzählige tote Fratzen starren mich da aus meiner Vergangenheit an. Hauptsächlich waren es Männer, aber auch Frauen und vereinzelt Kinder, die in das Kampfgetümmel gerieten und offensichtlich tot getrampelt waren. Kurz nach uns waren die Kleriker und Heiler eingetroffen. Die Kleriker versammelten die Unmündigen, die Heiler die Verletzten. Wir wurden mit dieser grausigen Arbeit mitten in der Nacht fertig und es wurde auch nicht gewartet. Die Priester kamen kurz nach Mitternacht und begleiteten die Brände. Sprachen in Glarons Namen für die Hinterbliebenen und die Unschuldigen die ihren Tod fanden. Ich blieb bis der Morgen in den Vormittag trat und folgte meinen düster traurigen Gedanken. Die Anwesenheit der Kleriker hatte etwas Ruhe unter die Menschen gebracht. Sie wirkten aufbauend, stärkend, auch ich spürte das, tief im Reich des Namenlosen. Ich hatte mir an einer Anhöhe unterhalb der Burg einen Platz erwählt und beobachtete die Brände. Es fühlte sich an, als hätte der Namenlose seine kalten Klauen um meine Kehle gelegt. Mein Hals brannte, ein dicker Kloß hatte sich gebildet und erschwerte das Schlucken. Ich verbat mir so gut es ging zu weinen, doch die ein oder andere Träne verließ dennoch mein Auge. Ich fragte mich immer wieder, warum das alles. Ich begann mich für die Hintergründe zu interessieren. Mein Geist forderte eine Erklärung für dieses grausige Schauspiel. Ich hatte bis dahin schon viele Leichen gesehen und manche auch vergraben auf meinem stummen Marsch, doch das hier war nochmal etwas anderes. Es war viel Näher, viel greifbarer. Es fühlte sich an, als seien wir dafür verantwortlich, auch wenn wir nicht Einem von ihnen das Leben genommen hatten. Als ich am nächsten Mittag zum Appell kam, erntete ich einige Blicke. Die Tränen hatten weiße Schlieren auf meinem verrußten Gesicht hinterlassen. Mein Verstand war wie in Baumwolle gepackt, alles wurde wieder aus weiter ferne wahrgenommen. Doch war mein Geist nicht so weit fort, wie auf dem stummen Marsch. Ich reagierte, ich wusste was ich tat und ich erinnere mich an das leere Gefühl, dass mich nicht verließ. Reber rief mich nach dem Appell zu sich, ich ging ohne Erwartungen, ich hatte mich in diese Situation ergeben. Sollte Reber mir auftragen was er wollte, es kümmerte mich nicht. Ich würde tun was verlangt wurde, doch es würde mich nicht mehr berühren. Im Angesicht des Todes verlor mein Stolz jeglichen Einfluss auf mich. „Wir bleiben bis die Truppen des Grafen kommen, das kann ein paar Tage dauern. Ich bin zufrieden mit Euch Vandorez.“ Ich nickte nur und wartete darauf wie es weiter ging. „Die Priester bleiben ebenfalls. Vater Norman bot sich für die Soldaten an. Vielleicht sucht Ihr ihn mal auf. Ihr seid bis zum Abmarsch von weiteren Pflichten befreit. Aber haltet Euch im Zaum!“ Wieder nickte ich nur, und murmelte die geforderte Bestätigung. Als ich gehen durfte, suchte ich wie eine Marionette eben jenen Priester.
Vater Norman war ein stattlicher Mann Mitte Vierzig vielleicht. Er hatte dunkles Haar und einen langen buschigen Bart. Als ich ihn fand, saß er auf einer Burgtreppe im Hof und betrachtete das Treiben in eben jenem. „Seid ihr Vater Norman?“ fragte ich schroff. „Ja und wer seid ihr?“ „Ich bin Sodatin Vandorez. Offizier Reber schickt mich, Euch aufzusuchen.“ Er erklärte sein Verständnis und bot mir an, mich zu ihm zu setzten. „Ist es das Erste mal für euch, dass ihr dem Tod so nah kommt?“ Ich schüttelte den Kopf. „Für mich auch nicht. Mein Orden sendet oft Priester wie mich, zu den Schlachten.“ Wir tauschten in dieser Nacht einige Erfahrungen aus und ich ging danach so oft es mir möglich war zu ihm. Seine Präsenz und die Gespräche waren hilfreich und erzeugten in mir wieder Wärme, er holte meinen Geist irgendwie, ohne dass ich heute sagen kann, wie genau, aus dem kalten Griff des Todes. Ich denke heute, dass es eine Mischung aus dem Umstand war, dass der Geruch des Todes langsam ab wehte, die Leichen waren verbrannt und nicht mehr präsent und die Gespräche die sich um meine Frage des Warums drehten, forderten meine Aufmerksamkeit. „Habt ihr schon mal das Böse gesehen? Das wirklich Böse?“ Ich nickte dazu, und erklärte, dass einige Erfahrungen die ich machte, damit in Verbindung standen. „Dann habt ihr doch eure Antwort. Die Antwort ist immer das Licht.“ „Aber das hier ist weder vom absolut Bösen verursacht noch sehe ich Glarons Licht hier siegen.“ „Nicht? Sitzen wir nicht hier, ein Diener Glarons der mit euch über eure seelischen Verletzungen spricht? Glaron ist immer da, egal wo du hingehst, kannst du dich an ihn wenden.“ Ich schwieg darauf verstockt, er hatte nicht Unrecht. „Um dem Bösen entgegen zu treten, bedarf es mehr Macht als die einzelner Schwertarme. Es bedarf Ordnung und Verbündete. Hier...“ er deutete über den Hof. „wurde vor allem gegen die Ordnung gekämpft. Ihr versteht als Soldatin sicher, dass man in der Schlacht gegen das Böse, kein Chaos in den eigenen Reihen dulden darf.“ Das war etwa das Letzte, an das ich mich von Vater Norman erinnerte. Im folgenden Morgengrauen marschierten wir weiter zur Nordgarnison.
Die Wochen in der Garnison unterschieden sich nicht allzu sehr von der Zeit davor oder danach. Hier wurden Formationen geübt, Marscheinheiten gab es nach wie vor. Ich blieb weiterhin für die Latrinen verantwortlich und bekam weiterhin keine Übungen in der Offensive. Nicht selten waren Rittertruppen oder die berittenen Truppen von Adeligen in der Garnison und einmal sah ich, wie einer von uns, mit einem Trupp fortzog. Ohne Uniform, ohne Ausrüstung.
„Was ist mit ihm? Wird er bestraft für irgendwas?“ hatte ich Röcke gefragt. „Bestraft?“ er lachte. „Mädchen den hat's besser getroffen als uns. Der Baron hatte sich für ihn beim König eingesetzt. Er gehört jetzt zur Gefolgschaft von Brendo.“ Ich begann langsam, die gesamte Macht und Organisation der Krone zu verstehen und ich sah verschwommen einen Weg aus diesem Heer und aus den Latrinen hinaus. Einen Weg der Ehre.
Mila Vandorez ist offline  
Geändert von Mila Vandorez (25.08.2022 um 14:32 Uhr).
Mit Zitat antworten
Alt 16.09.2022, 00:28
#8
Mila Vandorez
Reisender
 
Registriert seit: 25 Sep 2016
Beiträge: 500
Kapitel 8 – Kalte und lange Nächte

Der Anfang war erniedrigend und demütigend. Ich muss hier erklären, den Stolz den ich damals empfand, würde ich heute als Selbstverliebt, Egoistisch, Prahlerisch und Stur bezeichnen. Dementsprechend konnte mich das auch erniedrigen und demütigen. Ein paar Tage nachdem Einer der Unsrigen, Einer von Denen wurde, bekamen wir einen neuen Marschbefehl. Wir hatten mit Ankunft in der Garnison die Ehrung eines vollen Soldaten erhalten und durften die Frischlings-Schärpe ablegen. Doch entließ es uns nur aus der Pflicht, den älteren zu Diensten zu sein. Das war zwar nicht angenehm, doch hab ich mir daraus nie viel gemacht. Andere Frischlinge hatten ihre Dispute mit ihren älteren Waffenbrüdern, mir war es gleich, ob ich ihm einen Schlauch Wasser mitbrachte, wenn ich für mich einen holte, oder seinen Topf leerte, wenn ich eh jeden Abend in der Scheisse aller kriechen musste. Das ich es überhaupt musste, traf meinen Stolz, für wen war mir egal. Und während ich diese Arbeit tat, führte ich viele Selbstgespräche mit mir. Was mich da hin brachte, wo ich nun war, und wo ich hin wollte. Ich wurde mir über meine Entschlossenheit bewusst. Ich sage nicht, dass ich besonders weitsichtig war, aber ich war entschlossen. Und mit dieser Entschlossenheit, wollte ich meinen kindischen Geist nicht brechen lassen, wenn man mich zu dieser Arbeit zwang. Doch konnte ich auch nicht meine Augen davor verschließen, dass es jemand anderes tun müsste, wenn ich diese Arbeit nicht täte. In anderen Gesprächen, haderte ich mit dem Gehen. Dem Aufgeben meiner Ziele, um was ganz anderes anzufangen. Doch am Ende kam ein Aufgeben nicht in Frage, und wie am Ende diese Geschichte auch erzählt wurde, darauf kam es nicht an, sondern darum mit aller Entschlossenheit die ich aufbringen konnte, meinem Ziel näher zu kommen. Wie ich in diese Situation kam, musste ich mir schließlich selbst eingestehen, lag an mir. Diese vage Grenze des Einforderns und Verdienens macht mir intuitiv eher Schwierigkeiten. Doch ich war bereit für eine ganze Weile meinen Verdienst jedem anderen anzupassen und im Rahmen meiner Möglichkeiten zu verbessern. Die nächste Entscheidung die ich traf, war zum Teil strategisch als auch dem Umstand geschuldet, dass ich lieber auf Marsch war, denn in der Garnison. Mein nächstes Ziel musste sein, einem Adeligen aufzufallen. Einem der mir den Weg hier raus bahnt und ich musste ihm gut auffallen. Das konnte ich nur bei den Schlachten. Kurz davor, dabei oder kurz danach. Ich nutzte meine Freigänge nicht nach den Schlachten, sondern meldete mich immer zum nächsten Marsch bereit. Ich wurde nicht einmal übergangen, mein Eifer wurde sogar belohnt, dass ich in andere Einheiten wechselte. Erst im Vortrupp und dann häufiger auch im Stoßtrupp. Mehr Märsche bedeuteten zwar auch mehr Gräber und Nächte im Reich des Namenlosen, doch da mussten wir alle hin. Unterm Strich hat mich das ziemlich abgehärtet. Gemäß meines Kodex versuche ich zwar die Menschlichkeit in mir zu erhalten und zu nähren, wobei mir mein Glaube hilft, der von mir fordert das Leben zu Respektieren. Doch ich habe zu viele Leichen wohl einfach schon gesehen, sie gehören für mich zum Kreislauf des Lebens. Die sterblichen Reste die der Namenlose hier lässt.
Ich nutzte die Zeit an den Feuern im Lager um mich anderen Kriegergruppen anzuschließen, Bekanntschaften zu machen, Erfahrungen auszutauschen, was für mich nicht immer einfach war. Ich begann nach und nach mir einen Namen zu machen, einen Ruf hatte ich schon. Es war nicht selten, dass ich provoziert wurde, ob meines Geruchs. Er saß mir einfach in der Kleidung, in den Haaren und unter den Nägeln. Ich selbst nahm das gar nicht mehr wahr, umso mehr ärgerte es mich wenn man mich damit provozierte. Ich hatte mir angewöhnt irgendwann, mit dem Satz zu antworten „Mach dir mal ernsthafte Gedanken darüber warum ich so stinke, wie du sagst.“ Dieser Satz hatte die höchste Erfolgsquote, um meinen Frieden zu gewinnen, bis mich einmal ein Frischling fragte: „Und warum stinkst du so?“ Irgendjemand rief ihm zu „Weil sie eindeutig größere Haufen kackt als du.“ Dieser Jemand war Röcke mein Waffenbruder, der einiges an Ansehen genoss in unserer Einheit. Röcke hatte mir zwischenzeitlich mal erklärt, dass ich den Geruch in der Haut mittlerweile trage, wie er sagte. Ändern konnte ich daran dennoch nichts, das Reisegepäck war auf das nötigste reduziert und wir trugen eh schon mehr Last als es auf den Winter zu ging. Und lieber stank ich, für die anderen, als dass ich mir die Blöße gegeben hätte, zu zetern, nach einer gewissen Zeit stanken wir alle, die Älteren wussten das.
Irgendwann im Ronox, war ich in einem Lager angekommen, dass zur Belagerung diente und kam gerade aus dem Badezelt. Denn ja, wenn möglich wusch ich mich, ob der Reinlichkeit. Jedenfalls kam ein älterer Krieger aus einer fremden Einheit auf mich zu, fragte mich nach meinem Namen und forderte mich danach auf ihm zu folgen. Er führte mich an meinem Unteroffizier vorbei, der mir knapp zunickte. „Meldet euch morgen nach dem Morgenmahl bei mir.“ „Verstanden.“ Ich folgte dem Fremden unsicher in ein fremdes Lager. Spannung ging in meinen Körper, ob der Situation doch war ich entschlossen mich meiner nahen Zukunft zu stellen. Der Fremde brachte mich an ein Feuer, um dass mehrere Männer kreisrund verteilt saßen. Mehrere Wappen sah ich, die ich schon häufiger sah, aber nicht zuordnen konnte. Der Fremde deutete mir an zum Feuer zu gehen, zumindest verstand ich es in dem Moment so und die Stimmen verstummten kurz. Ich sah all die großen und vor allem erfahrenen Krieger mich ansehen, als mein Blick durch die Runde schweifte. Erst da sah ich ihn, als mein Blick auf den Mann neben mir auf dem Stein fiel. Ritter von Gerhatt. Er saß da, ein Bein angewinkelt in einer Hand einen Kelch die andere auf seinem Schwertknauf und blickte mich an. „Vandorez, wie geht es Euch?“ begrüßte er mich als hätten wir uns letzte Woche noch von einem lustren Jagdausflug verabschiedet. Ich nahm noch mehr Haltung an, wenn das überhaupt ging. „Euer Wohlgeboren, ich bin überrascht.“ „Überrascht?“ „Ja.“ „Ich habe Euch mein Wort gegeben, das wir uns wiedersehen.“ „Das stimmt. Ich habe es wohl nur nicht erwartet.“ Ich sah wie Gerhatts Mimik sich verdüsterte. „Ich bin ein Gefolgsmann des Königs, ein Ritter. Wenn man von mir nicht erwartet, dass ich mein Wort halte, dann stimmt etwas nicht.“ Er muss mir angesehen haben, wie unangenehm es mir war und kam mir entgegen. „Kommt setzt euch und esst mit mir. Erzählt mir, wie ist es euch ergangen?“ Ich erzählte ihm alles, vom Kampf mit meinem Unteroffizier, über die Strafarbeit, die bisherigen Schlachten, meine Gespräche mit Vater Norman, die Garnison und dass ich der Meinung war, mich ganz gut eingelebt zu haben. Ich war bedacht darauf nicht weinerlich zu klingen, ich äußerte zwar meinen Ärger, aber auch mein Verständnis für diese Strafarbeit. Gerhatt sagte gar nichts dazu, im Gegenteil er wirkte sogar teilweise amüsiert. Ich erzählte auch von dem Burschen der nun zu Brendo's Männern gehörte und was man sich über ihn erzählte. „Ja ich kenne den Mann und hab ihn bei Wohlgeboren von Brendo gesehen.“ hatte Gerhatt gesagt und mir seinen Kelch hingehalten. Ich blickte einen Moment auf den Kelch, dann zu ihm und dann in die Runde der Männer, die begonnen hatten sich wieder zu unterhalten. Ich sah wie immer mehr Blicke sich uns zuwendeten, je länger ich zögerte und griff rasch zur Karaffe und schenkte Gerhatt nach. „Was weißt du über Gefolgsleute Vandorez?“ „Sie dienen einem Herren, meist einem Adeligen, aber auch reiche Bürger können sich vermutlich Gefolgsleute bezahlen?“ Ein Lachen ging durch die Runde und Gerhatt ließ mir eine Lehrstunde zu kommen. Er erklärte mir was die Aufgabe von Gefolgsleuten ist, wo ihr Stand war. „Gefolgsleute, zumindest aus der Kriegerkaste dienen aus ihrer Ehre heraus, Vandorez“ „Wie meint ihr dass?“ „Sie dienen weil sie von ihrem Herren überzeugt sind, sie dienen aus Überzeugung, nicht für Gold.“ „Aber sie müssen doch auch Essen und sich Kleiden und alles. Und.. ihr seht auch nicht aus wie ein armer Mann.“ Gerhatt hatte wieder gelacht. „Für Unterkunft und Verpflegung sorgt in der Regel der Herr. Und nein ich bin kein armer Mann.“ Die Gespräche wurden die ganze Nacht geführt. Zum Morgengrauen saß ich nur noch mit Gerhatt, seinem Waffenbruder, einem Kriegsweib mit fremden Wappen und einem Ritter mit dem selben Wappen am Feuer. Die beiden die nicht zu Gerhatt gehörten, unterhielten sich leise und irgendwann kam ihr Gespräch zum erliegen und sie starrten in die Flammen. Gerhatt brachte mir einiges über die Gefolgschaft bei. Ich sog alles auf, auch wenn ich hundemüde war. Als ich zurück ins Lager ging empfing mit Röcke. „Morgen Kleine, hab dir einen Kübel Schnee geschmolzen.“ hatte er mir zu geraunt und ich steuerte auf den Kübel zu und hielt meinen Kopf hinein. Der Tag begann gerade erst und ich hatte keinen Moment geschlafen. Ich versuchte die Kälte aus meinen Gliedern zu treiben und rubbelte mir dann den Kopf so gut es ging trocken. „Danke Röcke. Ich muss jetzt zum „Unter“. Vermutlich Bericht erstatten über gestern. Hast du noch einen schlauen Rat?“ Röcke schüttelte bedauernd den Kopf. „Da musst du jetzt alleine durchfinden Vandorez“ Mit einem Seufzen wendete ich mich zum Zelt des Unteroffiziers und meldete mein Eintreffen an. Der Unter, eigentlich hieß er Unteroffizier Warren, doch von uns allen wurde der Unteroffizier immer nur Unter genannt, bot mir einen Platz an und war noch beim Morgenmahl. Ich erkannte, dass ihm das Gespräch wohl wichtig genug ist, dass er mich in sein Morgenmahl platzen ließ. „Ritter von Gerhatt hatte gestern nach Euch geschickt. Da er ein Gefolgsmann des Königs ist, kamen wir seiner Bitte natürlich nach.“ Ich nickte nur und wusste mit der Aussage rein gar nichts anzufangen. Ich hatte überhaupt keine Ahnung, welche Rechte und Privilegien Gerhatt genoss. „Mir wurde zugetragen, dass ihr erst vor kurzem zurück gekehrt seid?“ „Das ist korrekt“ „Was habt ihr solange gemacht?“ „Wir unterhielten uns. Ich habe den Ritter in der Stadt kennen gelernt und er riet mir, mich dem Heer anzuschließen. Er rief nach mir, um zu sehen wie es mir erging, sagte er. Danach unterhielten wir uns lange über verschiedene Krieger und die verschiedenen Gefolge.“ „Verstehe, war noch jemand dabei?“ Ich erklärte ihm wer alles dabei war, und dass ich die Männer zum großen Teil weder kannte, noch zuordnen konnte. Der Unter erklärte mir, dass ich nach dem Appell Zeit zum Ruhen hätte die ich besser nutzen sollte. Ich war für einen Nachteinsatz aufgestellt mit ein paar anderen. Ich erhielt weitere Befehle für den Nachteinsatz, bis die Appellglocke uns rief. Nach dem Appell ging ich zurück zum Zelt und fand auf meiner Pritsche einen Kanten Brot und zwei Äpfel. Ich verstaute das Morgenmahl, da ich noch gesättigt war und schlief den Schlaf der Gerechten. Röcke rüttelte mich irgendwann zum frühen Abend auf, ich hatte noch Zeit mein Morgenmahl zu essen, dann begab ich mich zum Offizierszelt und wartete auf die anderen für den Nachteinsatz. Es war das erste mal, dass ich mit 4 Weibern zusammen arbeitete. Die meisten waren aus der Schützenstaffel. Das Kommando hatte die Unter aus der Schützenstaffel, eine Frau Anfang der 30er. Unsere Aufgabe bestand im wesentlichen darin, die Burgmauer im Norden auszuspionieren. Es gab in der Burg einen Abwasserkanal, der aus der Burg hinaus führte. Es kam in dieser Nacht zu Scharmützel, wie man sich denken konnte, hatten auch unsere Feinde an den Abwasserkanal gedacht und versuchten so Leute rein und raus zu schleusen. Es war kein bemerkenswerter Einsatz, was die Scharmützel betraf, aber es war ein wichtiger Einsatz für die Belagerung. Danach folgten einige Tage Nachtschichten für mich ehe die Formation für den Angriff gebildet wurde. Ich wurde in der Flanke aufgestellt, unweit von mir erkannte ich die Männer des Mannes, der bei Gerhatt am Feuer saß am Wappen. Berittene Krieger und Ritter in voller Montur. Der Sturm auf die Burg verlief wie jede Schlacht chaotisch, der Feind war hartnäckig und bestand aus ausgebildeten erfahrenen Kriegern. Es war ein harter Kampf, doch der Feind war von der Kopfzahl her weit unterlegen. Die Burg war eine Winterburg, nicht immer befestigt und gehörte einem Herzogtum an. Sie galt bei den Einheimischen als Schutzburg und war von Rebellen eingenommen worden. Diesmal gab es keine Unschuldigen, keine Kinder, keine Weiber. Es war eine Rotte Krieger, wie meine damals in Falkenstein, nur dass wir keine Burg erobert hatten, geschweige denn eine Schutzburg.
Ein paar Tage nach der Schlacht wurde ich ins Zelt des Oberbefehlshabers der Fusssoldaten gerufen. Ich kannte den Oberbefehlshaber nur vom sehen, ich konnte mich nicht entsinnen, dass ich je ein Wort mit ihm gewechselt hatte. Als ich eintraf, sah ich den Ritter der das Wappen eines weißen Schwertes auf grünem Grund trug. Es war das Wappen, dass ich an Gerhatts Feuer sah, es war auch das selbe Wappen, dass neben mir in der Flanke angriff. Der Mann wurde mir als Ritter Randolf von Ferran vorgestellt. Er war etwa Mitte 50 mit einem messerscharfen Blick und einem gepflegten Aussehen. Ich blickte ihn abwartend an, mir dämmerte, dass sich mir eine neue Tür öffnete. „Wie lange geht eure Verpflichtung noch Soldat?“ „Bis zu den grauen Tagen, Euer Gnaden.“ „Wenn eure Zeit um ist und ihr eine neue Herausforderung sucht, kommt nach Ferran. In meinem Gefolge wird ein Platz frei.“ „Mit Ritter von Ferran ist abgesprochen, dass Ihr den Wyzzin über im Nordwesten bleibt. Ihr braucht euch also nicht für Schlachten weiter weg melden Vandorez....“ Es entstand eine kurze Pause und der Ritter als auch ich starrten den Oberbefehlshaber an. „ … es sei denn, ihr wollt heute schon das Angebot ausschlagen. Ihr könnt euren Jahreseid auch beim königlichen Heer verlängern.“ Kurz ging mir durch den Kopf, zu fragen warum ich mich für ein weiteres Jahr voller Leichen und Latrinen vereidigen sollte, doch ich schwieg und blickte zu Ritter von Ferran. „Ihr habt den Rado Zeit mit einem Ross nach Ferran zu finden.“ grenzte Ferran sein Angebot ein, nickte mir nochmal zu und wandte sich ab. „Wegtreten Soldat.“ kam vom Oberbefehlshaber noch und ich verschwand nach meinem Salut aus dem Zelt.

Vom Schlachtfeld aus zog ich mit Röcke und ein paar anderen in die Nordgarnison zurück. Ich erzählte Röcke von dem was mir passiert war, ich erzählte ihm auch zum ersten Mal von Gerhatt und woher ich ihn kannte. Röcke war mäßig überrascht, er erklärte mir, das Gerhatt als Kriegsherr des Königs galt. Er war üblicherweise zu jeder Heerschau in der Stadt, um sich junge Krieger anzusehen. Jeder Recke der halbwegs was versprach sandte er zu den Fusssoldaten. Wer sich dort entwickelte, konnte darauf hoffen, von Gerhatt an einen Herrn vermittelt zu werden. Seine eigenen Knappen, wenn er mal welche aufnahm, stiegen meist direkt in die Gefolgschaft des Königs auf. „Warum gerade die Fusssoldaten?“ „Keine Ahnung, man munkelt, dass ein Onkel von ihm, der großen Einfluss auf ihn hatte, als er selbst noch ein Knabe war, beim Fussheer war. Aber vor allem eicht er damit die jungen Recken auf den König.“ „Wie meinst du das? Ich habe nicht das Gefühl, dass mich hier jemand auf den König geeicht hat. Ich hab ihn nicht mal gesehen bisher.“ „Das musst du auch nicht, du lebst hier mit uns. Du vergräbst hier unsere Scheisse. Du wirst immer eine der Unsrigen bleiben. Ganz gleich was dir im Schädel rumgeht oder was die Zukunft für dich bereit hält. Ich bezweifle Kleines, dass du das Jahr hier je vergessen wirst und ich hoffe du hast mittlerweile deine Antworten erhalten, warum du dich dafür entschieden hast.“ Ich wollte nicht recht annehmen, was mir Röcke da sagte und war auch verärgert und enttäuscht darüber, dass ich es nur Dank Gerhatt weiter schaffte. Es fühlte sich für mich an, als sei ich ihm verpflichtet. „Red kein Unsinn Mädchen, du hast mir gesagt, dass du um seine Hilfe gebeten hast.“ „Hab ich nicht“ „Hast du wohl.“ „Hab ich nicht“ „Du hast um seine Aufmerksamkeit gebuhlt mit taktischen Kalkül, also hör auf das abzustreiten.“ Das waren die letzten Worte die wir an jenem Abend miteinander sprachen. Röcke merkte schnell, wenn ich nicht hören wollte und Zeit zum Nachdenken brauchte, doch reizte es ihn ebenso wie viele andere auch, wenn ich mich schwer tat oder gar weigerte die Dinge als das zu sehen, was sie waren. Er war dann immer verärgert und wollte mit mir nicht weiter sprechen. Er war da ein ähnlicher Sturschädel wie ich, aber es ging sich die meiste Zeit gut aus. Röcke hatte mir im Heer gezeigt, was Waffenbruderschaft bedeutete. Er war nie meine Amme gewesen, doch wenn den Ärger unter den Soldaten zu weit ging, stand er hinter mir, auch gegen andere ruhmreiche Kameraden. Wann immer wir Zeit fanden, das Lager oder die Garnison auf Freigang für ein paar Stunden zu verlassen, verdonnerte er mich dazu, ihn zu begleiten. Meist fanden wir uns in einer Schenke ein. In Trutzbergen, die nächst größere Stadt bei der Nordgarnison war es immer die gleiche Schenke „Zum feurigen Kessel“. Dort arbeitete Fräulein Hannilena, wie ich wusste eine Hure, die in der Wirtschaft mit bediente. Röcke zahlte immer für mich mit, nicht dass ich nicht selbst Gold gehabt hätte, doch irgendwie fand er das so richtig. Nachdem Essen zog er sich mit Hanni dann nach oben zurück. Auf Marsch waren es entweder die Huren aus den Dörfern, die Gelbbänder oder wenn er mal Glück hatte eine Witwe. Er bevorzugte dralle Weiber mit massig Holz vor und hinter der Hütte und „feurigen Kesseln“, wie er es nannte. Er war davon überzeugt, dass der Name seiner bevorzugten Schenke so hieß, weil sie auf Hannilenas Schoss hinwies und nicht auf die meist verkochten Suppen. Solche Freigänge waren freilich nicht gestattet, man erwartete von uns glaronsgefälliges Verhalten vor dem Volk. Röcke hatte in der Zeit in der wir gemeinsam kämpften, das Glück selten kontrolliert zu werden. „Das liegt an dir Kleines, ich sags dir.“ „Ist mir schon klar, hast du kein schlechtes Gewissen, dass du so ein junges Weib wie mich bei deinen Rammelzüge mitschleifst?“ „Ich will ja nicht dich rammeln. Außerdem lernst du so direkt, wie man den Kerlen die roten Augen nimmt und die Moral stärkt.“ „Ich hab vier Brüder, das brauch ich nicht lernen. Aber danke für deine Bemühungen mir was beizubringen.“ „Wenn du vier Brüder hast, was fragst du mich dann so dämlich, ob ich ein schlechtes Gewissen habe he?“ „Meine Brüder gelten aber auch nicht als fromm“ „Gelte ich etwa als fromm?“ „Ich weiß ja das du es nicht bist, aber du solltest es sein!“ „Ach sieh an, willst du mir jetzt etwa eine Moralpredigt halten?“ Ich seufzte. „Sind denn alle Kerle so?“ „Ja. Die meisten.“ „Was ist mit dem Adel?“ „Auch da ist es bei den meisten so, glaub ich. Du kennst Gerhatts Ruf?“ „Gibt es wirklich keinen frommen Mann?“ „Doch schon, man hört der Graf von Britain aus dem Herzogtum Britannia sei ein höchst frommer Mann und auch der neu eingesetzte Vogt von Thagor sei höchst fromm und glarongläubig. Aber nach der Liberalitätserklärung der Kirche hat die Sitte nachgelassen, solange keiner drüber spricht wie und vom wem die Rehe gejagt und besprungen werden, wird es toleriert. Dann und wann wird ein Exempel statuiert, doch im großen und ganzen hält sich die Inquisition mit dem Gerammel der Böcke nicht mehr auf, solang sie nach außen die Sitte ansonsten wahren“ „Den Grafen von Britain hab ich schon mal gesehen. Ich hab für ihn in einer Schlacht gestanden gegen einen Dämon.“ „Donnerwetter. Und ist er so fromm wie man sagt?“ „Das kann ich dir nicht sagen, ich hab ihn nur ein paar mal eher flüchtig gesehen. Ich hatte auch das ein oder andere Gespräch, aber er schien von mir nicht sonderlich beeindruckt und so drängte ich mich nicht mehr auf, als ich mich jedem anderen mit meinen Plänen aufdrängte.“ „Naja Kleines, lass dir gesagt sein, ein Kerl ist ein Kerl und jeder Kerl will dann und wann seinen Dolch ins Fleisch drücken. Ob sie es sich erlauben oder nicht, der Wille ist immer da.“ „Und du gehörst offensichtlich zu denen, die es sich erlauben.“ Setzte ich etwas gereizt an. „Natürlich, ich bin der verdammten Armee beigetreten und keinem Kloster.“ „Was ist mit der Sitte?“ „Würd mich die Sitte kümmern, wär ich Page.“ Hatte Röcke gemurrt, ich kann mich noch an das Schweigen erinnern. „Die Sitte ist schon wichtig Mädchen, darum mach ich ja den ganzen Tamtam und schleif dich mit. Um die Sitte wenigstens nach außen zu wahren.“ „Das klingt scheinheilig.“ „Dann ist das halt scheinheilig, und jetzt willst du kleine Göre mich deswegen etwa verurteilen? Wer bist du schon?“ Röcke wurde unleidig und brauste mich an.„Ich bin Vandorez. Günstling von Ritter von Gerhatt und bald Gefolgschaft des Ritters von Ferran.“ „Das macht gar nichts aus dir Vandorez. Du bist auch in der Gefolgschaft von Ferran nichts weiter als ein kleines Zahnrad in dem großen Kraftwerk der Krone. Wenn du fällst wird es einfach dich zu ersetzten. Und noch was, ein Günstling von irgendwem zu sein, macht dich nur zu einer Schachfigur, im Zweifel einem Bauern der als Erstes geopfert wird.“ Röcke schlug tief mit diesem Kommentar, er kannte meine Ziele, hielt mich aber für nicht fromm genug, sie zu erreichen. Was ich anstrebte wären die Taten von Gotteskriegern, nur dass ich keinen Gott hatte und mich deshalb der Krone angeschlossen hatte – der größten Einheit landauf und landabwärts, die gegen das reine Böse kämpfte. Wir hatten noch viele Gespräche über Gesellschaftsregeln, Sitte, Anstand und Frömmigkeit, über das was erwartet wurde, das was gelebt wurde und das was passieren könnte, wenn die Sitte nicht weiter gewahrt bliebe.
Die Grauen waren meine letzten Tage in der Armee. Es wurde viel getrunken in diesen Tagen. Auch ich trank mit Röcke und seinen Kameraden. Die meisten waren in seinem Alter und hatten einen Lebenslangen Eid geschworen. Sie würden die Fussarmee nicht verlassen, Röcke sagte mal wir sind das harte Gesocks, die aus Frischlingen richtige Kerle und Weiber machen. Manche schaffen es mit genug Ehrgeiz weiter, manche, deren Ehrgeiz nicht so hoch war, wurden wie sie. Röckes bester Freund im Heer war Svenson. Ein ziemlich Muskelberg an Kerl, auch etwa um die 50 Jahre. Meist sehr still, aber vom Kern her wie Röcke.
Am zweiten der Grauen Tage saß ich viel mit ihm und soff. Auch mit ihm unterhielt ich mich über Sitte, Gesellschaftsregeln und den Rammelzügen mancher Soldaten. In dieser Zeit teilten wir das Lager. Es war nicht so, dass ich es unbedingt wollte. Ich mochte Svenson, er war ein aufrichtiger Kerl. Es ergab sich einfach im Rausch, ohne Romantik, ohne Gefühle, auf den Mehlsäcken in der Speisekammer, am nächsten Tag zwischen den Weinfässern im Lager und das letzte Mal im Stall. Danach folgte der knappe Abschied für lange Zeit. Ich sah ihn noch einmal, ein Jahr später. Es war bei einer Schlacht wo unsere Truppen aufeinander stießen um Seite an Seite zu kämpfen. Wir trafen uns auf ein Stelldichein im Wald, in der Nacht vor der Schlacht. Danach ging jeder wieder zu seinen Leuten. In der nächsten Nacht war er tot.
Mila Vandorez ist offline  
Mit Zitat antworten
Antwort


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist dir erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist dir erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist dir erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist dir erlaubt, deine Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind aus.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 21:22 Uhr.