29.06.2011, 21:46 |
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Reisender
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Vraethyns grüne Hände strichen sinnierend über das Gras. Ihre langen Finger bewegten sich immer wieder im selben langsamen Rhythmus durch die einzelnen Halme, die in dieser Sala so voller Leben waren. Ein paar Monate dürfte sie jetzt hier weilen – ein paar Monate… für ein Elfenleben nichts. Für Vraethyn jedoch eine ganze Welt.
Sie hatte alles verloren. Ihre Sala wurde von den Menschen ausgerottet, die Bäume haben von keiner Überlebenden außer ihr berichtet. Sie wollte fliehen, fort von diesem Ort an dem so viele Erinnerungen wie Raubtiere lauerten – sie aufzufressen drohten. Ein Elfenherz vergisst nie, wenn es einmal Schmerz empfunden hat. Es würde noch Jahrzehnte dauern bis sie den Verlust endlich überwinden wird, wenn nicht gar ein Jahrhundert oder zwei. Sie dachte an die Flüsse, die fröhlich ihr Lied plätscherten und die nie wieder für sie singen würden. Sie dachte an die Winde, die ihr ständig Geschichten ins Ohr flüsterten. Sie dachte an das Gelächter der Elfenkinder, das wie das Klingeln von Feen in den Ohren aller Lindhel kitzelte. Und sie dachte an ihre geliebten Brüder und Schwestern, die in den Flammen untergegangen sind. Sie wurden ausgerottet… von den rachsüchtigen Menschen. Menschen, die nie genug bekommen, die das Gleichgewicht der Natur nicht achten und Tiere des Tötens wegen töten. Sie töten die Tiere, nicht etwa weil sie die Felle brauchen, sondern weil sie töten wollen und „haben“ wollen. Vraethyn unterdrückte die Hassgefühle, die in ihr wieder versuchten aufzulodern. Sie unterdrückte diese unendliche Sehnsucht und die Trauer um das Verscheiden ihrer Familie. Ein Jahr lang ist sie durch die Länder gestreift, hat sämtliche Wälder durchsucht und die Bäume nach anderen Waldelfen befragt. Die meisten gaben ihr keine Auskunft, sei es weil sie nicht konnten oder es nicht wollten. Doch ein Baum hatte ihr den Rat gegeben, sich nach Süden zu wenden und dort zu suchen. Ein Jahr lang wurde sie vom Peitschen ihrer Hoffnung durch die Wälder getrieben. Sie ging Tag und Nacht und machte nur selten Rast. Die Sehnsucht zerrte an ihr, riss sie immer wieder fort von ihrem Ruhen und gedachte nicht damit aufzuhören, bis sie endlich die Schwelle der Sala überschritt. Dort stand er. Liandrel war der erste Waldelf, den sie kennenlernte. Neugierig beschnupperten sie sich beide und sein Duft ließ Vraethyn vor Freude aufzittern. Liandrel war ein weiterer Druide, doch um ein Vielfaches weiter in der Wälderkunde als sie, wie sie später feststellen musste. Seine Melodie erzählte von Freiheit, von Wissen und klang nach der Wildnis in ihrer reinsten Form. Er liebte die Wälder, das hörte und spürte sie ganz deutlich. Wenn sie bei ihm war, war das Gefühl, was sie einst hatte, sehr nah: zu Hause zu sein. Dann war dort noch Nethig, seine Schwester. Liandrel und sie kannten sich von Kindesbeinen an und ein Blick reichte, um zu verstehen, dass sie sehr vertraut miteinander umgingen. Vraethyn selbst hatte jedoch das Gefühl, Nethig würde sie meiden oder zumindest Distanz bewahren. Gründe dafür wusste sie nicht, denn sie selbst mochte Nethig eigentlich sehr. Ihre Melodie war ganz anders als die von Liandrel. Sie hatte sehr viel Harmonie in sich und sang von starker Zuneigung und Wärme, gleichzeitig auch von kindlicher Neugierde und … dieser ganz speziellen Aufgewecktheit, die nur derartig junge Elfen wie sie inne trugen. Daneben lernte sie noch Ethiel kennen, das Männchen, welches zu Nethig gehörte und Ilyumae, eine ebenfalls liebreizende Elfe. Im Großen und Ganzen war es gänzlich anders als ihre alte Sala… sie hatte das Gefühl, dass viele dieser Elfen nicht vollkommen die Gemeinschaft lebten, sondern viel mehr auf sich schauten. Es herrschte nicht dieses Gefühl von einer unzerstörbaren Gemeinschaft, von unzerbrechlichem Zusammenhalt. Sie wusste nicht genau, weshalb sie dieses Gefühl hegte, war es doch nur eine Eingebung, ein erster Eindruck. Vielleicht lag es aber auch nur an der Ungewohntheit, schließlich hatte sie sich ihr Leben lang an andere Elfen gewöhnt. Immerhin ist es kein Geheimnis, dass Waldelfen das Bekannte lieben. Vielleicht spielte ihre Angst, wieder alles zu verlieren, ihr auch nur ein paar Streiche. Was nun tatsächlich der Wahrheit entsprach, würde einzig und allein die Zeit zeigen. |
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