14.10.2016, 21:33 |
|
|||
Reisender
Registriert seit: 25 Sep 2016
Beiträge: 500
|
Einige Wochen waren ins Land gestrichen, Mila hatte auf ihren Bruder gewartet und sich bemüht, wieder zu ihrer alten Form zu finden. Sie hatte lange mit dem gehadert, was sie erlebt und gesehen hatte, doch schließlich war auch Garus angekommen. Die Zeit heilt alle Wunden, so heißt es und tatsächlich hatte sich etwas eingestellt, dass man Alltag nennen konnte. Die Ankündigung ihres Bruders, dass sie bleiben würden, gab ihr ein neues Ziel vor Augen, wenngleich sie sich kaum vorstellen konnte, sich in dieser Gesellschaft heimisch zu fühlen. Von den Frauen die Mila über den Weg liefen, waren nur wenige dabei, mit denen sie sich in irgendeiner Weise verbunden fühlte, bei den meisten, empfand sie eine tiefe Schlucht zwischen ihrer Persönlichkeit und der der anderen Frauen. Sie würden also siedeln. Es war beschlossene Sache, der Ort war festgelegt, mit den wenigen Leuten die dort noch lebten, hatten sie gesprochen, es war in Ordnung, wenn sie sich ihren Platz schufen und die kleinen Lederhütten, die einst als Lager dienten nieder rissen, die Bäume fällten und den Boden ebneten. Der Sommer war angebrochen, als sie auszog, den gemeinsamen Plan umzusetzen. Als sie Schlag für Schlag, das Axtblatt in die Baumrinde rammte. Es war tagsüber unerträglich heiß, fast so heiß wie in Tespia, doch die paar Grad Temperaturschwankungen machten es auch nicht aus, sie schwitzte jeden Tag mehrere Liter Wasser aus und kam mit dem Trinken kaum nach. Sie verzichtete öfters auf das Bier, da es bei dieser Hitze noch schneller ihre Sinne vernebelte. Sie hatte für sich beschlossen in der Nacht zu arbeiten, die zukünftige Siedlung lag zum Glück an der Küste und stetig rauschte noch eine frische Meeresbriese über das Land, dennoch waren diese harten Arbeiten nichts für die Mittagszeit. Keuchend ließ sie jedes Mal das Axtblatt schwingen, hebelte es aus dem Stamm und schwang es einatmend über die Schulter. Die monotone Arbeit beruhigte auf seltsame Weise, der Schall des Schlages, wann immer das Metall auf Holz traf, in der Einsamkeit des Waldes gaben ihr ein Gefühl der Zugehörigkeit. „Mila?! Wo steckst du?“ Ihr Bruder brüllte sich über ihre Gedanken hinweg seinen Weg in ihre Ohren und bald schon begannen sie gemeinsam die Arbeit fortzusetzten, wie ein eingespieltes Duett. Sie hatte schon oft mit ihrem Bruder gekämpft, gerangelt, geübt und hier in der Ferne zeigte sich mehr als deutlich wie eingespielt sie aufeinander waren. Sie hatten nur noch einander, sie wussten wo die Grenzen des jeweils anderen waren und respektierten sie. „Teilt ihr euch eine Seele?“ hatte Garus' Traum in Grün sie gefragt und sie hatten dies verneint. Sie waren Geschwister, mit ähnlich prägenden Erlebnissen, sie sind gemeinsam aufgewachsen, sie wurde von all ihren Brüdern gegängelt und sie hatte sie allesamt gepiesackt. Jetzt waren sie erwachsen geworden, wenngleich sie diese Ära erst brutal begonnen hatten, war es ein gutes Gefühl gewesen. Ihr Bruder war ein guter Kerl, eine gute Partie würde man sagen, sie stand hinter ihm, was auch kommen mochte, auch wenn sie nicht immer einer Meinung waren. Wenngleich die Arbeit im Einklang verlief, hatte Mila keine Ahnung woran er zur selben Zeit dachte, ob auch er das alles verarbeitete, ob er die selbe Dankbarkeit empfand sie noch zu haben, wie sie für ihn dankbar war. Das er sie schätze, wusste sie, er zeigte es ihr jeden Tag und sie schätzte, dass wohl nur ein Weib, dass sich auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben konzentrierte, ihm mal so nahe kommen würde. Sicher würde er andere Frauen nicht verschmähen, doch sein Herz war nicht so weich, als dass es sich von einem Weib so einfach formen lassen würde. Weiche Herzen, ja das zeigten hier viele, sie lebten im vermeintlichen Schutz ihrer Stadt, wie sie einst, doch auf diese Illusion würde sie sich niemals mehr verlassen. |
|||
|