Das Begräbnis

Der Tag neigt sich dem Ende zu. Schleichend verabschiedet sich die Sonne und verschwindet langsam im Abendrot am Horizont. Müde schaut sie in ihr Spiegelbild im Wasser, das sich mit seichten Wellen in den Küstenhang gräbt. Traurig schauen ein paar vorbeiziehende Wolken auf das, was da an der Küste im saftigen Gras liegt. Auch die Vögel haben ihr fröhliches Singen unterbrochen. Vergul schaut hinab auf das in Decken gehüllte Bündel, welches an einem Ende sehr blutig ist. In der mitte auf dem Bündel liegt eine schwarze Rose.
"Ist er...",
versucht er zu fragen, fällt dann wieder in Schweigen. Er nähert sich dem Bündel, und berührt es mit der Hand. Das blutige Ende das Bündels scheint locker, und nicht mit dem Rest verbunden zu sein. Wehmütig verlassen die traurigen Worte seine Lippen:
"Auf bald alter Freund..."
Visaris lässt sich dicht neben das Bündel auf die Knie fallen. Vergul tritt schaudernd einen Schritt zurück. Traurig legt Visaris ihren Kopf auf die Brust des Leichnams. Kristallklare Tränen verlassen Visaris tiefblaue, trübgewordenen Augen und tränken das Tuch, als Vergul aufs Meer hinausschaut, und sich melodisch summend mit dem Rauschen der Gischt in Einklang bringt.
Sich scheinbar gefasst wischt sie sich die Tränen aus dem Gesicht und holt eine Schaufel aus ihrer Tasche.
"Willst Du alleine?",
fragt Vergul unsicher. Leicht nickend beginnt sie widerwillig, ein Loch in Größe des Bündels zu graben.
"...Er ist in meinen Armen gestorben...",
bringt sie zitternd bei der schmutzigen Arbeit hervor, während Vergul leise weitersummt,
"...und meine Hände sollen ihn begraben"
Traurig singt Vergul ein melancholisches Lied über den Schmetterling "Shai Uzul", welches Visaris erneut zu Tränen rührt. Langsam gleiten sie über ihre zarten Wangen bis zu ihrem Kinn hinab, und tropfen dann auf ihre von Erde verschmutzten Hände. Verunsichert durch ihre Tränen, entschuldigt sich Vergul für das traurige Lied.
"Nein...es ist schön...sing ruhig weiter...",
antwortet Visaris ihm,
"...Ragnar hätte es gemocht..."
Leise beginnt Vergul das Lied des "Glücklichen Vaters" zu singen.
Etwas außer Atem betrachtet Visaris ihre bisherige Arbeit, und gräbt das Loch dann bis zur richtigen Größe weiter:
"Ich glaube es reicht"
"Ja...ich denke auch...",
stimmt er ihr zu,
"Soll ich...?"
"Warte...",
haucht Visaris, schneidet mit der Schere eine von Ragnars Locken ab und legt sie in ihre Tasche,
"...jetzt können wir"
Vorsichtig heben sie die Leiche an, und lassen sie langsam in das Loch gleiten. Wehmütig sieht Visaris ihrem Mann nach, bis die Schatten der Grabwände sein Antlitz verhüllen. Visaris sieht Vergul an, und bemerkt, das ihm unwohl zu sein scheint:
"Wenn du gehen magst....ich mache alleine weiter..."
Noch einmal aufmunternd ihre Hand drückend, entfernt er sich gebeugt ein paar Meter. Visaris fängt langsam an, Erde in das Loch zu schaufeln. Mit jeder Schaufel werden die Tränen dicker, die über ihr Gesicht rollen. Abschließend drückt sie sanft die Erde fest. Geschwächt, gebrochen und von tiefer Trauer und Kummer erfüllt legt sie sich weinend auf die Erde des Grabes, und haucht mit heiserer Stimme:
"Leb wohl...ich liebe dich..."
Schweigend erhebt sie sich nach geraumer Zeit vom Grab, packt langsam die Schaufel in die Tasche, und entfernt sich ohne sich umzusehen von der Ruhestätte.
Seine Trauer verbergend empfängt Vergul sie mit tröstenden Worten und wiegt sie sanft. Weinend horcht sie seinen Worten:
"Tapfer warst du...er ist sehr stolz auf dich, sei dir dessen immer bewusst...".
"Er fehlt mir aber so...",
erwidert sie wimmernd,
"...es ist alles so leer ohne ihn...".
"ich glaube, er wäre glücklich, wenn du die Leere mit einem Kinderlachen füllen würdest"versucht er sie aufzumuntern.
"...Reyk ist das einzige, was mich noch weiterleben lässt..."
Betrübt verlassen beide diesen traurigen Ort.