26.12.2004, 21:32 |
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Reisender
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Tari hatte es so satt. Egal was sie tat, irgendwen enttäuschte sie damit immer. Nun stand sie hier gefangen zwischen drei Männern, die alle von ihr forderten, was sie nur zu gern geben wollte: Ihre unverbrüchliche Freundschaft. Aber wenn sie zum einen stand, waren die anderen beiden enttäuscht. Sie liebte Alvel. Sie vertraute Arian. Und Sec... nun... auch Sec fühlte sie sich in irgend einer nicht erklärlichen Weise verpflichtet. Stets hatte sie immer versucht, es allen recht zu machen, doch es endete immer wieder nur in Streit. Auch Fearons unerklärliches Verhalten ihr gegenüber machte das ganze nicht unbedingt einfacher. Gerade hatten sie es geschafft, Frieden zwischeneinander herzustellen, da zerstörte er es mit einem Schlag, indem er sich mit einer Diebin anfreundete und diese auch noch verteidigte, als sie ihr etwas von hohem ideellen Wert stahl. Und das, obwohl er Tari gut genug kennen sollte, um zu wissen, dass sie ihn nicht anlügen würde. Nun war das Band zwischen ihnen endgültig zerissen. All der Streit, das Kind das sie erwartete, die Sorge um Chana und ihre Bemühungen um das Heilerhaus, all das zerrte fürchterlich an ihren Nerven. Umso einfacher fiel ihr der Entschluss, ihre Schwester Marill für eine Weile zu besuchen. Zu ihrer Freude bekräftigte Alvel sie darin, schlug ihr sogar vor, Levin mitzunehmen, der sicher auch etwas Ablenkung gebrauchen könnte, und schloß sich letzten Endes sogar selbst an.
Seit wenigen Tagen verweilten sie nun im Gasthaus "Zur quirligen Magd", liebevoll umsorgt von ihrer Schwester Marill. Tari war sehr erleichtert, wie gut Alvel mit ihr zurechtkam und auch Levin hatte sich sofort mit ihrer Nichte Ilana angefreundet. Wenn man den einen von ihnen sah, wusste man, der andere konnte nicht weit sein. Ständig kamen sie mit irgendwelchen Dingen an, und forderten von Tari eine Geschichte zu dem Gegenstand. Oder sie belagerten Alvel so lange, bis er sich bereiterklärte, mit den beiden Kindern vor sich im Sattel einen Ausritt in die nähere Umgebung zu machen. Jedes mal, wenn sie ihn mit den Kindern spielen sah, wurde es Tari warm ums Herz und sie wusste, er würde ihr ein guter Mann, und dem Kind ein guter Vater sein. Und es freute sie, dass Marill das offenbar ebenso sah. Zu ihrem Bedauern mussten Tari und Alvel erfahren, dass Chana bereits wieder nach Britain unterwegs war. Nichtsdestotrotz genoß Tari das friedliche Leben auf der Insel. Wenn Alvel ausritt, woran sie auf Grund ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft nur noch selten teilhaben konnte, verbrachte sie den Großteil ihrer Zeit beim örtlichen Heiler, erzählte ihm von dem neuen Heilerhaus und beriet sich mit ihm über die verschiedensten Heilmethoden. Außerdem hatte Tari einen kleinen Eichenhain entdeckt, in dem einige Kräuter wuchsen, die in Britannia nur schwer zu finden waren. Längst hatte sie beschlossen, ein paar Setzlinge mitzunehmen, wenn sie nach Minoc zurückkehren würden. Minoc. Tari hoffte inständig, dass die Unruhen, die nicht zuletzt auch sie in ihrem Freundeskreis verursacht hatte, bei ihrer Rückkehr abgeflaut wären. Es tat ihr Leid um die Leute, die sie vor den Kopf gestoßen hatte. Auch wenn Marill sie damit tröstete, dass sie nicht anders war, als sie mit Ilana schwanger war, nahm Tari sich fest vor, nach ihrer Rückkehr wieder die freundliche, geduldige Person zu sein, als die man sie so schätzte. Ein wenig in Gedanken versunken saß Tari so vor dem Gasthaus und sah dem Sonnenuntergang zu, als sich eine Hand sanft auf ihre Schulter legte. "Komm rein Liebes" hörte sie Alvels ruhige Stimme sagen, " Es wird langsam kühl hier draußen und die Kinder würden so gern noch eine Gutenachtgeschichte von dir hören." Nachdem sie Levin und Ilana zu Bett gebracht und sich selbst zur Ruhe gelegt hatte, dachte sie noch lange nach. Anfangs hatte sie Alvel so gesehen, wie jeder andere ihn sah: Einen rüpelhaften Gardisten, der sich nicht im geringsten für das interessierte, was andere ihm zu sagen hatten. Damals, bei dem Angriff auf das Kloster, hatte sie ihn durch den halben Wald geschleift, um ihn vor den Gehilfen des Schatten in Sicherheit zu bringen und seine Wunden zu versorgen. Ein "Danke" bekam sie nie zu hören, stattdessen widersetzte er sich ihrem ausdrücklichen Rat, noch etwas zu ruhen und legte sich mit der nächstbesten Räuberbande an. So war es nicht weiter verwunderlich, dass sie sich von ihm fernhielt und sich nicht weiter um ihn kümmerte. Dann aber kam die Zeit, wo Fearon spurlos verschwand. Lange hatte sie auf seine Rückkehr gewartet und sich immer weiter in sich selbst vergraben. Irgendwann erhielt sie einen Brief, in dem er seine baldige Rückkehr versprach, doch darauf folgten wieder lange Monate unerträglichen wartens. Kein weiteres Wort erhielt sie von ihm und als der Winter hereinbrach musste sie sich eingestehen, dass er wohl nicht mehr zurückkehren würde. Dann kreuzte eines Tages wieder Alvels Weg den ihren. Diesmal war es nicht damit getan, eine einfache Verletzung zu heilen, und so kümmerte sie sich so aufopferungsvoll um ihn, wie sie es bei jedem Verletzten tun würde. Auch als er das Bett wieder verlassen durfte, suchte sie ihn ab und an in der Gardisterei auf, um nach ihm zu sehen, und ohne es zu merken, fing sie an, ihn zu mögen. So dauerte es nicht lange und sie saßen gemeinsam auf einer Bank und unterhielten sich, streiften durch die Gegend, sahen Fischen im Wasser zu, sahen, wie die Sonne im Meer versank, lachten gemeinsam, weinten gemeinsam. Schließlich kam der Tag, vor dem sie sich insgeheim gefürchtet hatte. Als sie Einkehr in eine Gaststätte hielten, gestand er ihr, dass er mehr in ihr sah als nur eine Freundin. Tari empfand genauso, doch gab es da immer noch Fearon. Bitter war der Geschmack als sie erkannte, dass sie ihn schon lange nicht mehr liebte. So tat sie das nächstliegende, ergriff die Flucht und verkroch sich zuhause, in dem Haus, das sie gemeinsam mit Fearon gekauft hatte. Doch ob er jemals zurückkam war ungewiss, und wenn sie bei ihm blieb, ohne ihn zu lieben, war eine glückliche Zukunft für sie äußerst zweifelhaft. So suchte sie Alvel auf und erklärte ihm ihre Lage. Sie hatte erwartet, von ihm die gleichen Worte zu hören, die alle ihr sagten. Dass er sicher zurückkommen würde. Und genauso deutlich hörte sie bei jedem die unausgesprochenen Worte "Er kommt sicher nicht wieder. Komm zu mir, ich bin dein Freund". Doch Alvel war anders. Er erklärte ihr, was er von einem Leben unter Seeräubern hielt. Dann sagte er ihr die Worte, die am Ende wohl den Ausschlag gaben: "Ich verstehe dass du Zeit brauchst und ich werde auf dich warten." Und spätestens da wusste Tari, was richtig war. Wie es das Unglück wollte, kehrte Fearon nur wenige Wochen später zurück. Er konnte nicht verstehen, was Tari getan hatte, und akzeptieren wollte er es noch weniger. So stellte er ihr nach, versuchte sie zurück nach Hause zu holen, provozierte Alvel bis zur Weissglut und tat was er nur konnte, um Tari zu verletzen. Die Liebe, die einst zwischen ihnen herrschte, war in grenzenlosen Hass umgeschlagen. Wann immer sie auf einander trafen, gab es Streit, Schlichtungsversuche von anderen scheiterten und Tari wusste, ein weiterer Schritt gegen sie und sie würde Alvel nicht mehr davon abhalten können, die Angelegenheit auf seine Weise zu regeln. Nur seinetwillen hatte sie dann angefangen, sich um eine neue Freundschaft zu Fearon zu bemühen und nur mühselig war es beiden gelungen, diese wieder zu erschaffen. Eine Weile schien es, als könnte tatsächlich wieder alles gut werden. Doch mit einem mal schien Fearon bösartig zu werden. Tari konnte sich diesen Sinneswandel einfach nicht erklären. Sie bedauerte es sehr, doch hatte sie eingesehen, dass es keinen Sinn mehr machte, sich zu bemühen. Es konnte keine Freundschaft geben, wenn er ihren Worten nur deshalb nicht mehr glauben wollte, weil sie nicht seiner Weltansicht entsprachen. Aber all das interessierte sie jetzt nicht mehr. Es war der Punkt gekommen, an dem sie endgültig mit Altem abschließen und in die Zukunft blicken musste. Und da war kein Platz für alte, schmerzvolle Erinnerungen. Ihre Zukunft gehörte nur ihr,ihrem geliebten Alvel, ihrem Kind und dem Heilerhaus. |
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