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Alt 23.05.2011, 23:28
Sinkendes Schwert
#1
Darok Vandrak
Reisender
 
Registriert seit: 19 Apr 2005
Beiträge: 865
Das Gittertor des Lagers war fest verschlossen, nachdem er wenige, aber nützliche Dinge daraus geholt hatte. Der Tag hatte seinen Zenit schon überschritten, dennoch galt es einiges zu tun. Die Hochzeit war erledigt und im Nachhinein glich es mehr einem humorlosen Witz, wieviel Zeit und welche Strapazen es auf sich gezogen hatte. Diese Odyssee, welche durchlebt worden war um danach nur auseinander zu treiben wie ein Tropfen Öl, der auf eine riesige Wasseroberfläche auftrifft.
So sehr hatte er diese eine Sache verteufelt und für ein Martyrium gehalten. Aber jetzt glich der Gang zum Altar mehr wie ein Spaziergang.
So oder so. Nun war es abgeschlossen und er hatte das Ziel erreicht und seine Befürchtungen wichen mit der Zeit.
Die Aufgaben, die nun endlich aufgegriffen werden wollten, hatten schon in sich gegoren. Zu lange wurden sie nicht beachtet. Und jetzt schwelten Probleme in ihnen. Die Sache mit Minoc hatte er dabei viel zu sehr hinausgezögert. Zu allem Überfluss wartete jetzt noch sein junger Freund Ra mit einer bösen Überraschung auf ihn auf. Es galt zwei Ritter von wohl unterschiedlicher Auffassung irgendwie auf einen Nenner zu bringen. Für ihn bestand darin kein Zweifel. Ebenso wenig auch für Ra. Die Ohren waren verschlossen und Worte konnten nichts mehr ausrichten.
Worte konnten nur in gewisser Weise ihre Kraft entfalten. Auf einer Basis des Vernunfts und der Unvoreingenommenheit. Sie wirken mehr wie eine Vernunft einer besorgten Mutter. Aber es gibt Situationen, wo selbst eine Mutter keinerlei Einfluss mehr auf ihren Sohn hat. Situationen, wo der Sohn seinen eigenen Weg geht. Oder er notfalls die Macht, des herrischen Vaters spürt.
Im Grunde etwas machtvolleres, gebieterischeres als die gütige Seele einer Mutter.
Dies ist das Schwert. Wie ein wütender, starker Vater oder der starke Wille und die haltlose Entschlossenheit, des Sohnes auf einmal.
Der endgültige Weg eben.

Er hoffte nur, dass er irgendwie Ra´s Zorn noch in Kontrolle halten konnte. Der junge Ritter hatte unter dem alten Oberst nur Sachen in der Obhut, die einen Loricaner verzweifeln lassen.
Irgenwann musste es ja soweit kommen. Der Bursche steckte voller Tatendrang. Aber man konnte es kaum gebrauchen, dass er jetzt in dieser Sache förmlcih explodierte.
Zumal er jetzt auch noch eine Person mit reingezogen hatte, ohne überhaupt etwas dagegen machen zu können.
Sie.
Sie war nun sein Weibe. Sie war die Hofdame der Bregoras.
Irgendwie stand sie zwischen den Fronten, auch wenn Sie damit nichts zu tun hatte. Ra würde Ihr nie etwas zur Last legen deswegen und die Bregorassens ebensowenig, da war er sich sicher. Aber dennoch war sie betroffen.
Die ganze Sache war einfach schon zu lange hinausgezögert worden. Die Lager hatten sich weiter und weiter entfernt und der Kessel hatte sich zunehmends erhitzt. Keine gute Ausgangslage und kein guter Einstieg.
Aber er konnte sich dieser Sache jetzt voll annehmen. Eine Gewissheit als Ausgangspunkt ist immerhin ein Anfang.

Auch wenn er sich mehr gesehnt hatte, sein Schwert wieder zu erheben war es jetzt angesagt den kalkülen und ruhigen Verstand einzuschalten. Seine Zeit in Yew hatte ihn das gelehrt. Auch wenn es nie seine Welt war.
Darok Vandrak ist offline  
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Alt 19.06.2011, 14:43
#2
Nelin Vandrak
Reisender
 
Registriert seit: 22 Jul 2010
Beiträge: 238
So richtig schlank, war sie noch nie gewesen. Seit ihrer Kindheit war ihr Körper von den ein oder anderen überschüssigen Pfunden gezeichnet, die ihre Figur rundlich erschienen ließen. Gestört hatte sie das nie, bis zu den Momenten, in denen sie darauf angesprochen wurde oder aber anderen Frauen gegenüber stand die rank und schlank waren. Oft hatte sie sich dabei erwischt, wie sie Jenen verstohlen aus den Augenwinkeln hinterher sah, wenn sich ihre Wege kreuzten. Immer wieder hatte sie tapfer die Lippen aufeinander gepresst, wenn sie beobachten konnte, wie die Figuren dieser Frauen Entzücken auslöste, wenn sie sich beispielsweise in einem wunderschönen Kleid präsentierten. Und wie oft hatte sie den Blick gesenkt oder gar abgewendet, wenn sie das Wohlwollen in den Augen der Männer las, die diese Frauen begutachteten. Wie neidisch war sie doch auf diese Frauen gewesen, die in ihren Augen scheinbar so unbeschwert durchs Leben gingen.

Doch nun war alles Anders…

Sie stand im Schlafzimmer vor ihrer Frisierkommode und betrachtete ihr Spiegelbild. Ihre Figur, die in weichen Konturen ausgeprägt und wohlgeformt war; das Hüftgold, welches ihrem Körper eine mollige Note verlieh. Für das flüchtige Auge mochte sie aussehen wie immer, doch Sie sah den Unterschied. Sie wusste um das süße Geheimnis, welches sie unter ihrem Herz trug. Vorsichtig und behutsam strich sie mit den Fingerspitzen ihrer rechten Hand über ihren Bauch, über die winzige, kleine Wölbung, die mehr zu erahnen war, als das man sie wirklich sah. Es gab keine Zweifel mehr. Sie hatte alle Anzeichen gehabt, sie hatte sich in die kundigen Hände einer Heilerin begeben und Bestätigung erhalten. In ihrem Leib wuchs ein Kind heran – Sein Kind.

Ein seliges Lächeln zierte ihre Lippen als sie sich langsam auf dem Höckerchen vor der Spiegelkommode nieder ließ. Welch’ Freude hatte sie erfüllt, als ihr bewusst geworden war, dass sie wirklich schwanger war. Dass sich ihr Herzenswunsch erfüllte, Mutter zu werden und eine eigene Familie zu haben, auch wenn sie sich immer einen anderen Ehemann dazu ausgemalt hatte. Doch es war perfekt – so wie es war. Sie erinnerte sich daran zurück, wie niedergeschlagen Er gewesen war, als die Priesterin Seine Manneskraft angezweifelt und ihn nahezu mit der Nase in den Dreck gestoßen hatte, dass Ihm nicht klar war, welchen Wunsch sie innerlich hegte. Wie Er zu zaudern begann und drohte an sich selbst zu zweifeln. Nie zuvor hatte sie Ihn so gesehen und es hatte ihr etwas Angst gemacht. Diese Verwundbarkeit, das Alter, es passte nicht in ihr Bild, welches sie von Ihm hatte.

Und dann… dieser Stolz in seinen Augen, als sie Ihm ihre Vermutung geäußert hatte. Zuvor hatte sie sich unglücklich ausgedrückt, sodass Er gar nicht zu begreifen schien, doch dann wandelte sich die Verzweiflung, dass Er nicht gut genug für sie wäre, in pure Freude um. Sie war schwanger und sie würde ihm einen Sohn gebären. Zumindest schien er sich dessen ziemlich sicher zu sein. Einen Sohn, den Er in seinen Augen zu einem großen Krieger erziehen würde. Er würde sein Lehrer sein, ihm all’ sein Wissen vermitteln, welches er über die vielen Jahre des Krieges angesammelt hatte. Er würde ihm lehren, ein Schwert, eine Waffe, einen Schild zu halten und zu führen. Ein wenig belustigte sie der Gedanke, wenn sie daran dachte, wie das kleine Bündel, welches sie in einigen Monaten hoffentlich gesund in ihrem Armen halten würde, sich erst an ihrer Brust nähren und später an ihrem Rockzipfel hängen würde, ehe es überhaupt alt genug dazu war, Gedanken zu erfassen und Interesse zu zeigen. Doch Er schien von diesem Gedanken beseelt und sie genoss die neue Aufmerksamkeit, die Er ihr zukommen ließ. Seine Fürsorge um ihr Wohlbefinden und das seines Sohnes.

Sein Sohn. Mit einem leisen Seufzen strich sie mit der Handfläche äußerst sacht über die kleine Wölbung an ihrem Bauch. Er hatte sich so viel Mühe gegeben. Er war bei Geistlichen gewesen, hatte einen silbernen Dolch segnen lassen, den sie fortan stets mit sich trug und ihn in der Nacht unter ihrem Kissen verwahrte, während sie schlief. Er wollte, dass sie Gebete sprach, was sie ohnehin tat. Jeden Tag dankte sie Glaron für das Geschenk, welches er ihnen bereitet hatte und bat darum, dass ihr Kind gesund das Licht der Welt erblicken möge. Und sie erzählte leise, von der stillen Hoffnung, dass Glaron es möglich machen sollte, Ihnen einen Jungen zu schenken. Sie bat es nicht für sich, sondern für Ihn. Für Ihn, da es ihm so unfassbar viel bedeutete. Sobald ihr Leib anschwellen würde, sollte sie ihn mit einer Salbe bestreichen, die einer seiner elfischen Freunde für Ihn anmischen würde. Noch war sie etwas skeptisch, ob diese Salbe wirklich Einfluss auf die Entwicklung des Kindes nehmen und es fördern würde, dass sie einen Sohn gebären würde. Aber er war überzeugt. Schließlich hatte er Bücher über Bücher gewälzt in den Bibliotheken. Sie kam nicht umhin über sein Verhalten zu staunen.

Sie hingegen hatte mit anderen Frauen darüber gesprochen. Mit der Heilerin und ihrer besten Freundin Adyanne. Beide hielten diese Methoden für fragwürdig. Heilerin Remlim hatte ihr zwar ebenfalls empfohlen für das Wohlergehen des Kindes zu beten, doch ob sich damit auch das Geschlecht beeinflussen ließ, hielt sie für fraglich. Adyanne hatte ebenfalls gelacht, als sie ihr von Seinen Versuchen berichtet hatte und gesagt, dass alles schon längst entschieden sei und das Kind nun nur noch in ihr wachsen müsste.

Und das tat es. Die kleine Wölbung an ihrem Bauch zeugte davon. Ihre überflüssigen Pfunde und Fettpölsterchen konnten es nun nicht mehr verbergen. Sein Kind wuchs in ihr und suchte sich seinen Platz in ihrem Leib. Noch hatte sie keine Regungen des Kindes spüren können, doch etwas in ihr sagte ihr, dass es nun nicht mehr lange dauern könnte. Und dann, würde ihr vielleicht noch einmal mehr bewusst werden, dass sie Mutter werden würde.
Nelin Vandrak ist offline  
Geändert von Nelin Vandrak (20.06.2011 um 12:29 Uhr).
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Alt 04.07.2011, 11:01
#3
Darok Vandrak
Reisender
 
Registriert seit: 19 Apr 2005
Beiträge: 865
Er saß auf einem der Holzstämme, die Schultern schlaff herabhängen lassend und sich mit den Ellenbogen auf seine Knie aufgestützt, mitten im Innenhof seiner kleinen Festungsanlage. In mitten des verdammten Chaos.
Die Klamotten klebten triefnass wie eine falsche Haut an ihm, die man abstoßen will, es aber nicht kann. Die Hitze des Tages verwandelte das Innere der Anlage in eine drückend schwüle Sumpflandschaft. Der Boden war nicht in der Lage gewesen die gewaltigen Wassermassen aufzunehmen, die sintflutartig aus seinem Turm heraus brandeten, wie als wollten die Götter selbst den Flecken Erde, auf dem der Turm stand hinfort spülen. Die noch immer vom bestialischen Gestank des verrottenden Lindwurmkopfes leicht geschwängerte Luft, ließ das Atmen schwerer und schwerer werden, je länger man sich in diesem feucht-heißem Miasma aufhielt. Man hatte schon zu kämpfen damit, allein wenn man nur herum saß. Aber auch noch körperliche Anstrengungen zu verrichten, glich hier drinnen einem Martyrium.

Er führte das kühle Glas der Bierflasche an seine Stirn, an welchem die feuchte Luft das Wasser in winzigen Perlen abgab. Zumindest für ein paar Sekunden verschaffte dieses Gefühl ein wenig Linderung.

Alles war vollkommen aus dem Ruder gelaufen. Aus einer eigentlich halbwegs wasserdichten Sache wurde eine mittlere Katastrophe. Und er war noch immer nicht in der Lage zu begreifen, wieso es überhaupt so kommen konnte. Die ganze Sache ging vollkommen den Bach runter, an einem einzigen Tage. Nachdem eigentlich erst alles so glatt lief. Doch jetzt hatte er gar nichts mehr davon. Alles war hinüber. Weggerissen worden wie von einer Flut. Wie die Flut, die durch Hexenwerk die Tore seines Turmes aufgesprengt hatte und alles hinfort riss. Kisten voller unbezahlbarer Reichtümer zerschellten durch die gnadenlosen Wassermassen an den Wänden und sogar der gewaltige Tisch vorm Kamin schwamm ihm wie eine hilflose Nussschale aus dem Tor heraus entgegen. Doch das wäre alles halb so wild gewesen.
Ein paar Sachen gingen vor die Hunde. Von denen er eh mehr als genug hatte. Pah! Sollten sich andere Sorgen um so solche Dinge machen. Das wäre ihm noch herzlich am Allerwertesten vorbei gegangen. An Chaos und Verwüstung war er irgendwie gewohnt. Man konnte ihm vieles nachsagen. Aber nicht, dass er einen Ordnungswahn und Sauberkeitsfimmel hatte.
Ein paar Trümmer, heillose Verwüstung und Massen von Dreck. Irgendwie war das eh schon immer seine Welt gewesen. Es fehlte eigentlich nur noch das Geschrei von halbtoten Bestien und Soldaten, die um ihr Leben kämpften.

Das war er gewohnt. Das wäre alles halb so wild gewesen.

Doch jetzt hatte er nicht nur eine Schlacht verloren, sondern gleich den gesamten Krieg. So schien ihm es zumindest. Das Objekt. Für ihn eine mächtige Waffe, mit der er in den Süden marschiert wäre, war fort. Die ganze Mühe und alle Anstrengungen und Gefahren, die sie auf sich genommen hatten, waren umsonst. Das Ei des Lindwurms, war verloren. Mitgenommen von einem nackten, grünen Spitzohr, dessen Gefasel man eh immer nur so halb verstand. Mitgenommen nachdem zwei andere Elfen die Katastrophe auf dem Dach seines Turmes heraufbeschwörten. Geh du nur ruhig und beruhige dein Weib hatten sie gesagt. Sie würden das Kind schon alleine schaukeln. Einen Dreck haben sie getan. Das weise und vernünftige Volk der Elfen. Diese Sache war so weise und vernünftig, als hätte man einem aufgebrachten Schimpansen das Oberkommando über ein Königreich gegeben.
Und das auch noch irgendwas schief gegangen ist, als sie den riesigen, fauligen Kopf des Ungeheuers durch eines dieser Hexertore geworfen haben, machte die Sache auch nicht gerade besser. Irgend etwas stimmt nicht, er könnte woanders rausgekommen sein. Das waren Sathrions Worte. Und bei seinem Glück in der gestrigen Nacht wird das stinkende Ding wahrscheinlich im Schlafzimmer des Obersts oder sogar der Herzogin rausgekommen sein.
Was für ein elender Mist.

Es zeigte sich wieder einmal mehr, wie alles vor die Hunde ging, wenn man die Sache aus der Hand gab.

Doch zu jeglichem Überfluss hatte Sie auch noch davon Wind bekommen. Na sicher. Wie sollte man auch nicht davon Wind bekommen, wenn man schon fast seine eigenen Gedärme ausspuckte bei dem Gestank, sofern man sich auch nur in der Nähe dieses Turmes aufgehalten hatte. Lorica sei Dank, dass Sie und die anderen Weiber empört und rechtzeitig den Schauplatz verlassen hatten, bevor diese beiden Klugscheißer auf seinem Dach diese grandiose Idee hatten seinen Turm zu reinigen.

Als er die Nachricht dieses Besens von Hebamme vor dem Haupttor liegen hat sehen, war es so, als hätte ein riesiger Stiefel ihm noch ein paar mal kräftig rein getreten, obwohl er eh schon hilflos und am Ende seiner Kräfte am Boden lag.
Dies sind diese Augenblicke, an denen man am liebsten nur noch Schreien würde, aber man überhaupt keine Kraft mehr hat um zu schreien. So schien es ihm, als er darüber nachdachte.
Nur die Götter wissen, wie er es geschafft hatte sich noch einmal zusammen zu reißen und sich auf sein Pferd schwang und in einem Gewalt-Ritt nach Minoc aufbrach.
Zum Haus von Adyanne, wo Sie sich zurückgezogen hatte. Um auf Geheiß dieses aufgeblasenen Weibsstückes von Heilerin und Hebamme, dort zu verweilen auf unbestimmte Zeit. Weg von ihm und seinem schlechten Einfluss. Seinem Sohn und Ihr zuliebe.
Was bildete sich dieses Miststück überhaupt ein?
Obwohl er sich dabei innerlich wieder störrisch aufregte, war er dennoch einfach nur froh, dass Sie dort war, in dieser Nacht. Bei Adyanne.

Und obwohl es seinem Stolz einen starken Stich verpasste, war er sich bewusst, dass er das richtige getan hatte. Es bedurfte keiner Worte. Die Blicke genügten und er fiel vor ihr auf die Knie um Vergebung bittend. Hätte man ihm das jemals zu vor gesagt, dass er einst so etwas tun würde. Er hätte wohl eher schallend gelacht und denjenigen gefragt, ober noch ganz dicht sei.

Aber es ist passiert und Sie hat sich milde stimmen lassen. Hat ihm vergeben.

Dennoch wurde ihm leicht übel dabei. Es passte einfach nicht in sein Weltbild. Eine kleine, hilflose Frau, welche so unbedarft und naiv durch die Welt zog, thronte mit gebieterischem Blick über den eigentlich so mächtigen Krieger.
Als er sich dies vor sein innerliches Auge führte überkam ihn noch einmal der Würgereiz. Aber vielleicht lag das auch etwas an der modrigen und feucht-heißen Luft hier drinnen.

Doch Sie regte sich nicht mehr auf. Sie hatte es akzeptiert und wollte diese Sache selbst nie wieder ansprechen. Es galt den Göttern Dank, dass Sie nie das wahre Ausmaß erfahren würde, was hier überhaupt geschehen ist. So hoffte er zumindest.

Sie hatte eigentlich keinen Schimmer davon. Von dem Ei in seinem Käfig. Von dem abgeschlagenen Kopf des Lindwurmes auf dem Dach seines Turmes. Und überhaupt von der lebensfeindlichen Umgebung, in der sie beide hausten. Es war doch besser sie einfach weiterhin im Unklaren zu lassen. Es war kaum zu erwarten, dass sie auch nur einen Funken von Verständnis dafür aufbringen würde, wenn er ihr erzählen würde, was für Kreaturen ein paar Schritte weiter hinter den Hohen Mauern der kleinen Festung in den Wäldern hausten. Vielleicht sollte er die Mauer einfach noch höher ziehen, kam es ihm dabei in den Sinn.

Aber das war jetzt erst einmal weniger von Belang. Er musste den Trümmerhaufen der vergangenen Nacht bei Seite schaffen. Er musste wieder Ordnung und Ruhe in diese Sache bringen. Er, der eigentlich selbst der größte Chaot war. Aber er würde eine ordentliche Portion auf Sathrion abladen. Sathrion. Er war mindestens genauso schuldig wie er selbst an diesem Schlamassel. Diesen dürren Hutständer würde er noch mit hineinreißen in die Verantwortung. Der würde nicht einfach so davon kommen. Da war er sich sicher.

Aber dann spürte er wieder die schwere, feuchte Luft in seinen Lungen brennen und riss ihn aus seinen Gedanken.

Ein kurzer Blick über den sumpfigen Innenhof ließ ihn resigniert stöhnen und er presste die lindernde Bierflasche fester an seine Stirn. Und dabei wurde ihm klar, dass er diesmal wirklich Mist gebaut hatte.
Wirklich großen Mist.
Darok Vandrak ist offline  
Geändert von Darok Vandrak (04.07.2011 um 11:33 Uhr).
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Alt 04.07.2011, 20:16
#4
Nelin Vandrak
Reisender
 
Registriert seit: 22 Jul 2010
Beiträge: 238
Die Bewegungen des Kindes in ihrem Leib ließen sie aus dem Schlaf aufschrecken.

Der Stoff des Kissens an ihrer Wange fühlte sich herrlich weich an und auch die dünne Decke, die über ihren Körper gelegt worden war, roch frisch und blumig. Ihre Hand wanderte zu ihrem Bauch hin, der sich deutlich vorwölbte, und legte sich in einer schützenden Geste darüber. Sie versuchte das Kind in ihrem Inneren zu beruhigen, welches diesen Morgen dazu auserkoren hatte, seinen Bewegungsdrang vollkommen auszuleben. Ihr Blick war noch verschlafen, als sie träge den Kopf hob, und sich langsam im Raum umsah. Die Sonne schien durch eines der Fenster und verlieh den Möbeln aus Palmenholz einen rötlichen Glanz. In der Ferne hörte sie das Blöken eines Schafes. Sie war sich sicher, dies war nicht ihr Schlafzimmer und sie lag auch nicht in ihrem Bett. Doch – wo war sie dann?

Mit einem erschöpften Seufzen ließ sie ihren Kopf, mit den wilden, hellen Locken, zurück in die Kissen sinken. Sie fühlte sich so schwach. Die vergangene Nacht war viel zu kurz gewesen und diese fremde Umgebung bereitete ihr etwas Unbehagen, auch wenn sie keine Angst fühlte. Eine kurze Bewegung neben ihr, ließ sie den Blick dorthin lenken und sie erblickte das kastanienbraune Haar von Adyanne. Und mit ihrem Anblick, kehrten die Erinnerungen zurück.


Er hatte sich schon zu Beginn des Abends so komisch verhalten. Als sie nach Britain reisen wollte um Adyanne dort auf dem Marktplatz abzuholen, hatte Er sie ohne Murren und Knurren ziehen lassen. Er hatte nicht einmal darauf bestanden, dass sie einen seiner Schützlinge als Geleitperson mitnahm. Er hatte ihr den Freiraum gewährt, den sie sich so sehr erfleht hatte und dennoch störte es sie, dass Er sie scheinbar so sorglos ziehen ließ. Ja, es kränkte sie fast, dass Er überhaupt nicht versuchte sie aufzuhalten sondern ihr stattdessen noch einen schönen Tag wünschte und angenehme Gespräche mit Adyanne. Eigentlich hätte sie schon zu diesem Zeitpunkt stutzig werden sollen, doch wer konnte schon verstehen, was in dem Kopf dieses Mannes vor sich ging.

So hatte sie Adyanne am Marktplatz abgeholt und war gemeinsam mit ihr zurück in die Nordmark gereist. So lange lebte sie nun schon hier und hatte es bisher immer versäumt, ihre beste Freundin zu sich einzuladen und ihr das Haus zu zeigen, in dem sie nun wohnte. Im Hof trafen sie auf Sathrion und Tirn, doch die beiden schienen nicht sehr redselig und verschwanden kurze Zeit später mit Darok in seinem Turm. Das Lager hatte er aufräumen wollen – eine schwache Ausrede, wie ihr nun im Nachhinein bewusst wurde. Doch was sie wirklich dort getrieben hatten, war ihr noch immer nicht klar.

Und der Abend hatte so viel versprechend begonnen. Adyanne lobte sie für die Einrichtung ihres Hauses, versicherte ihr, dass es sehr gemütlich war. Sie unterhielten sich über die kleine Echse, die frech in der Ecke hockte und die beiden Frauen anzischte, da sie sie zuvor aus dem Schlaf aufgeschreckt hatten. Nelin klagte leise darüber, wie sehr es sie ärgerte, dass dieses Vieh im Haus war und das Darok nichts dagegen unternahm. Nein, vielmehr, dass er es sogar noch unterstützte, indem er die Echse immer wieder mit etwas Wurst fütterte. Das Kriechtier würde noch dick, faul und träge werden und dann würde es das Haus nie wieder verlassen. Adyanne hatte darüber nur Schmunzeln können, als die anfängliche Scheu vor der Echse überwunden war. Dann waren sie nach oben gegangen und Nelin hatte ihr das kleine Zimmer gezeigt. Adyanne war so verzückt gewesen beim Anblick des kleinen Bettchens und eine Weile schwelgten die beiden Frauen in Zukunftsvisionen und malten sich aus, wie es werden würde, wenn dort bald ein kleines Kind schlafen würde.

Doch diese Harmonie und Freude sollte den Abend nicht überdauern. Als die Frauen in die Wohnstube zurückkehrten, empfing sie ein abscheulicher Gestank. Wie eine Lawine wälzten sich Dunstschwaden durch den Raum. Es roch faulig, verwest, es roch nach Tod. Schimmliges Fleisch und Obst wären eine Wohltat für die Nase gewesen, doch das, was sie nun erlebten war einfach nur noch bestialisch. Sie verließen das Haus, der junge Hengst, der im Hof zuvor friedlich gegrast hatte, hatte die Ohren angelegt und tänzelte. Unruhig warf er den Kopf hin und her und während Adyanne versuchte das Tier zu beruhigen, eilte Nelin auf den Turm zu. Denn von hier ging es aus. Der üble Geruch, der sich schwallartig und in Wellen über den ganzen Innenhof ergoss. Sie zog den Stoff ihres Ärmels über ihre Hand und legte jene über Mund und Nase, als sie keuchend den Turm betrat. Sie fühlte es, dass sie sich in Gefahr begab, denn der Gestank trieb ihr die Tränen in die Augen und ließ ihre Atmung immer flacher werden. Doch die Panik um Ihn, trieb sie vorwärts.

Im Obergeschoss schallte ihre Stimme durch den Turm, als sie seinen Namen rief und sie musste nicht lange warten, da kam Er auf sie zu. Er kam aus dem Teil des Turmes herab, den sie erst zweimal betreten hatte und von dem sie sich geschworen hatte, dass sie nie wieder dort hinauf gehen würde. Zu sehr hasste sie das, was dort oben war. Der Gestank schien an seiner Kleidung zu haften, die Tränen rannen ihr nun ungehindert über das Gesicht und sie musste immer wieder husten. Sie versuchte Worte zu finden, doch Er scheuchte sie nur vor sich her. Sie konnte hier nicht bleiben.

Die Luft im Innenhof war kaum besser. Sie wollte wissen was geschehen war, doch Er gab ihr keine Antworten. Sie sollte sich beruhigen, gleich würde alles vorbei sein. Er würde wieder hinein gehen, die Männer brauchten ihn. Sie solle sich keine Sorgen machen, die Untersuchungen würden bald abgeschlossen sein. Und Adyanne führte sie weg von Ihm, zurück ins Haus, wo sie kraftlos in den Sessel sank.

Doch noch ehe sie ihre Gedanken hatte ordnen können, klopfte es an die schweren Tore. Gemeinsam mit Adyanne raffte sie sich wieder auf und lief über den Hof um die Tore zu öffnen. Heilerin Remlim stand dort und Nelin wurde sofort bewusst, dass sie hier war um über die angekündigten Übungen zu sprechen. Doch sie fühlte sich nicht fähig und alles brach aus ihr heraus. Zitternd und mit Tränen überströmtem Gesicht stand sie vor Amalia. Ihre Haltung in sich zusammen gesunken und geschwächt. Und ihre Hebamme fackelte nicht lange. Sie brachte Sie fort, fort aus diesem Gestank, aus der Festung, fort von ihm - und es zerriss ihr das Herz.

Erst bei Adyanne gelang es ihr, sich wieder langsam zu beruhigen. Erst hier schaffte sie es ihre Gedanken zu ordnen. Heilerin Remlim verfasste einen Brief, der Darok darüber aufklären sollte, wo ihr jetziger Aufenthaltsort war und ließ sie in Adyannes Obhut zurück. Sie fühlte sich elendig. Sie hatte ihrer besten Freundin doch einen angenehmen Abend versprochen und dann endete alles in einem solchem Desaster. Die beiden Frauen setzten sich auf Adyannes Veranda und genossen die Wärme der Sommernacht und unterhielten sich leise über das Kind und ihre Beziehungen zu ihren Männern. Bis zu dem Zeitpunkt, wo das dumpfe Trommeln von Pferdehufen auf befestigten Wegen, ihre Gespräche unterbrach. Während Adyanne ging um nachzusehen, wer die nächtliche Ruhe störte, wuchs in Nelin die Hoffnung und die Angst zugleich, dass Er es sein würde.

Und ihr Gefühl trog sie nicht. Sie sah seinen Blick und es schmerze sie. Unfähig Worte zu sprechen, verließ sie die Veranda um im Haus auf ihn zu warten. Adyanne zog sich zurück, ließ die beiden Allein und sie kämpfte mit ihren Gefühlen. Sie war wütend auf ihn. Sie war enttäuscht, dass er ihr keine Worte gegönnt hatte, als die Not am Größten war. Und doch war sie unendlich erleichtert ihn unversehrt zu sehen. Das Herz stockte ihr in der Brust, als er vor ihr auf die Knie ging und sie seinen um Verzeihung flehenden Blick sah. Es bereitete ihr Angst ihn so zu sehen und sie bat ihn aufzustehen, nein, sie schrie ihn an, dass er aufstehen sollte. Und erst, als er sie wieder überragte, fühlte sie sich wieder ein wenig wohler. Worte mussten in jenem Moment nicht mehr viele gesprochen werden. Sie verstanden sich auch ohne. Es hätte ohnehin keine Worte gegeben, die hätten beschreiben können, wie sie sich fühlten. Sie wären ihr nur seltsam leer vorgekommen.

Als Adyanne zurückkehrte und fragte, ob alles wieder in Ordnung sei, bejahte Nelin. Und als sie fragte, wie Nelin sich entscheiden würde, wollte sie ihr sagen, dass sie zu ihrem Mann gehöre und mit ihm zurück in die Nordmark kehren würde und dass sie Adyanne unendlich dankbar sei, dass sie sich so um sie gekümmert hatte. Doch all’ diese Worte blieben unausgesprochen, denn Darok machte ihr klar, dass es das Beste wäre, wenn sie bei Adyanne bleiben würde. Zumindest bis er wieder ein wenig Ordnung in ihrer Wohnstatt in der Nordmark gebracht hatte. Und auch wenn sie wusste, dass dies das Vernünftigste war, für sie und ihr Kind, so litt sie doch sehr, als Darok ging und sie bei Adyanne zurückließ.


Sie wälzte sich ein wenig zur Seite und rutschte bis zur Bettkante. Das Kind in ihrem Inneren begleitete ihre Bewegungen mit einem kräftigen Tritt und Boxschlägen. Sie legte sich erneut eine Hand an den Bauch und strich darüber. Wie sehr ihr Leib doch in den letzten Wochen angeschwollen war. Es erschien ihr fast ein wenig beängstigend. Man konnte beinahe Tag für Tag zusehen, wie ihr Babybauch immer größer wurde. Mit einem leisen Ächzen erhob sie sich von der Bettkante und legte sich sogleich eine Hand in den Rücken, als ein stechender Schmerz sich dort entlang zog. Ihre Hände und Füße taten ihr weh und fühlten sich dick und geschwollen an. Erschöpft schlug sie die Augen nieder und sank dann zurück auf das Bett. Vielleicht war es besser, sich noch ein wenig Ruhe zu gönnen…
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Alt 15.07.2011, 00:41
#5
Darok Vandrak
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Unter schabenden, metallischen Geräuschen glitt der Wetzstein über die Klinge des mächtigen, zweihändigen Schwertes. Er befreite die Schneide von alten Überresten des Kampfes, bis ihr meisterlicher Schliff seine tödliche Vollkommenheit wieder erlangte. Wie gebannt saß der alte Krieger schon seit Stunden in dem kargen, düsteren Saal seines Turmes. Er widmete sich nur seinem Schwert. Er bereitete es auf die kommende Rache vor. Gegen Jene, die es gewagt hatten im heiligen Monat der Göttin des Blutes und des Kampfes ihren heiligen Ort in Feuer und Zerstörung untergehen zu lassen. Mit der stoischen Ruhe eines Gelehrten, der in tiefsinnigem Grübeln über zig Wälzern sitze bereitete er sich darauf vor. Sich und das Werkzeug, welches genau wie er im Feuer des Drachens für den Krieg geschmiedet war.
Doch herrschte in seinen Gedanken und seiner Seele keine studentische Ruhe. Auch wenn es von außen vielleicht so wirken mochte, so brodelte in ihm der pure, maßlose Zorn. Die Überzeugung des Blutvergießens. Die alles zerschlagende Rechtfertigung für gnadenlose Rache. Und der Krieger und vorallem der Loricaner in ihm hielt all jenem die Tür in seine Gedanken und sein Herz weit offen. Es gab keine Fragen oder keinen Zweifel daran.
Dies war kein Krieg in der man Ehre vom Feind erwarten konnte, auch wenn sie nur darin bestand, dass er einen zumindest ins Auge blickte auf dem Schlachtfeld. Das war nicht einmal eine hinterlistige Gedankenschlacht im Sinne der Politik, die er in seinen Jahren als Hauptmann und Kommandant der Yewer Truppen erlebt hat.
Dies war ein Dolchstoß im Schlaf. Eine schallendes, verhöhnedes Gelächter von Feiglingen. Die aber irgendwie nicht wussten, was sie damit heraufbeschwören könnten. Vielleicht taten sie es ja doch, aber seine Gedanken an blutrünstige Rache vernebelbten den klaren, nachdenkichen Verstand in diesem Moment.
Nichts drang in den vor Zorn zerfressenen Krieger vor, nachdem er die Nachricht des Symuls empfangen und immer und immer wieder gelesen hatte. Was Sie darüber denken würde, oder was der kleinen Arasus durch den Kopf ginge, wenn sie ihn so sähe. Zu diesem Zeitpunkt scherte er sich einen Dreck darum.
Starr und monoton das mächtige Schwert, welches er sein eigen nannte mit einem Schleifstein bearbeitend. Wie ein Vorbote der Verwüstung und der Gnadenlosigkeit musste er rüberkommen in diesen Stunden. Allein wie er seine Bewegungen mit dem Stein vollführte.

Doch durch den ganzen Zorn und dem brennenden, verzehrenden Gefühl Rache zu nehmen drang dumpf und schal, wie durch einen dicken Nebel, der jegliche Orientierung hoffnunglos erscheinen lässt ein Gedanke. Eine Gewissheit.

Er war gekommen, der Krieg. Und er war nie richtig fort gewesen. Er hatte sich nur nicht gezeigt und hatte vor sich weiter gebrodelt. Ohne das es diese ganzen Laien überhaupt erahnt hätten, dass er noch existierte.
Nur stand die Bedrohung nicht mehr so breitbrüstig und offen da, wie ein mächtiger Orkenkrieger, der brüllend und mit erhobener Streitaxt die Faust gegen seine Brust schlug.
Nein. Im Dunkeln und nur flüsternd hatte er sich weiterentwickelt. Durch die feige Brut Sekals und diesen selbstverherrlichenden Dämonenfatzke.

Der Wetzstein schliff noch ein letztes mal über die Klinge hinweg, um ihren hohen, metallischen Gesang zu entlocken. Bis zu dem Zeitpunkt, als ein anderes Geräusch von ihr kommen würde. Bis Blut fließen würde.
Und das würde es. Daran gab es keinen Zweifel.
Darok Vandrak ist offline  
Geändert von Darok Vandrak (15.07.2011 um 01:13 Uhr).
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Alt 31.07.2011, 13:45
#6
Nelin Vandrak
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Ohne Unterlass prasselte der kalte Regen gegen die Fenster des kleinen Hauses in der Nordmark. Eisig pfiff der Wind um die Häuserecken und strich das Gras innerhalb der Mauern glatt. Das Feuer im Kamin loderte hell und sandte seinen Schein und seine Hitze in die Wohnstube aus, doch die Wärme konnte sie nicht erreichen. Eine dichtes, schweres Fell um die Schultern und Arme gelegt, saß sie tief versunken in einem der gepolsterten Sessel, den Blick, leer wirkend, auf die Fensterscheibe gerichtet, an der von außen der Regen in Sturzbächen hinab lief. Ihre rechte Hand ruhte in einer schützenden Geste auf ihrem deutlich gewölbten Bauch, der linke Unterarm lag stützend darunter. Bald würde die Zeit gekommen sein.

Die Schwangerschaft hatte sie aufleben und erblühen lassen. Nie zuvor war sie so voller Tatendrang gewesen, nie zuvor war es ihr so gut gegangen. Erstmalig hatte sie sich hübsch und ansehnlich gefühlt, mit ihrem vollen, lockigen Haar und den hellblauen Augen die unternehmenslustig strahlten. Die Schwangerschaft hatte ihrem Erscheinungsbild geschmeichelt, hatte ihre Vorzüge ausgeprägt und sie hatte es gern gesehen, dass Er ebenso daran Gefallen gefunden hatte. Zu keinem Zeitpunkt hatte sie mehr still zu Hause sitzen können. Ständig war sie unterwegs gewesen, hatte Schritte gewagt, zu denen sie vorher niemals fähig gewesen wäre…

Aber nun hatten sich die Umstände geändert. Vergangene Ereignisse hatten Sie verändert.

Blass war sie geworden. Die sonst rosigen Wangen eingefallen. Dunkle Schatten zeichneten sich unter ihren Augen ab. Ihr Haar hatte seinen Glanz verloren und hing ihr nur noch schlaff und matt über die Schultern herab. Der Blick ihrer hellblauen Augen war stumpf geworden und wenn er aufklarte, dann nur für den Moment in dem sie aufmerksam lauschte und Angst empfand. Wie hatte sie sich nur so verändern können?

Sie war allein und doch neigte sie den Kopf zur Seite und senkte beschämt den Blick. Er hatte ihr versichert, dass es Vorbei war. Das nichts mehr geschehen würde und sie sich nicht sorgen musste. Sie wollte seinen Worten glauben, zwang sich dazu ihm gegenüber unbekümmert zu wirken. Es gelang ihr zwar nicht immer, doch Er war zu sehr und mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, als dass Er es merken konnte. Darüber war sie gewissermaßen froh. Aber dennoch war sie da, die Angst. Insbesondere wenn es draußen dunkel wurde. Und dunkel war es zu dieser Jahreszeit, im Spätherbst, beinahe immer. Sie fühlte sich elendig, so machtlos. Erst jetzt war ihr wirklich bewusst geworden wie schwach sie doch eigentlich war und wie gefährlich die Straßen draußen sein konnten.

Für einen Moment schloss sie die Augen und schon waren sie wieder da – die Bilder. Der kleine Trampelpfad, der vom Minocer Tor wegführte, die Dolchklinge, welche im schwachen Mondlicht einen grünlichen Schimmer aufwies, die kleine Phiole mit dem rot glimmenden Inhalt. Und in ihren Ohren hallte das kauzige Kichern des fremden Mannes wieder und jagte ihr einen Schauer über den Rücken und eine Gänsehaut auf die Arme. Ihr Griff verfestigte sich verkrampft um ihren gerundeten Bauch und das Kind antwortete auf seine Weise in dem es ihr einen kräftigen Tritt verpasste, als sein Lebensraum, der ohnehin schon allmählich zu klein war, noch weiter eingeengt wurde. Sie zuckte zusammen, lockerte ihre Umklammerung wieder um in einer beruhigenden Geste über den Stoff ihres Kleides zu streichen, der sich fest über ihren Bauch spannte. „Ruhig, ruhig mein kleiner Schatz…,“ flüsterte sie mit brüchiger Stimme dem Kind in ihrem Inneren zu, doch es war nicht klar, ob sie wirklich das Kind beruhigen wollte oder sich selbst. Sie dachte an die Worte, die ihnen diese Gestalt entgegen geschleudert hatte: „… oder es fliegt.“ Wie ein Echo hallten sie in ihrem Kopf wieder. Die Stimme eines Wahnsinnigen, der nichts mehr zu verlieren hat und der gefährliche Waffen besaß. Der Schweiß trat ihr in kleinen Tropfen auf die Stirn als sie sich zum wiederholten Male bei dem Gedanken ertappte, was passiert wäre, wenn Er in jener Situation nicht an ihrer Seite gewesen wäre und die Situation entspannt hätte. Wenn sie allein gewesen wäre. Allein mit diesem irren Fremden und mit dem Kind in ihrem Leib, dessen Leben sie um jeden Preis schützen wollte und dessen Wohl sie sogar über ihr Eigenes stellte.

Kraftlos ließ sie die Schultern hängen, die Tränen rannen ihr ungehindert über die Wangen und ihr Körper wurde von lautlosen Schluchzern geschüttelt. So lange hatte Er ihr in den Ohren gelegen, sie solle eine Begleitung mitnehmen, wenn sie Erledigungen tätigte. Die Straßen wären nicht sicher. Mircalant, Narril. Er hatte ihr die Namen nur so um die Ohren geworfen und sie immerzu gedrängt, einen von ihnen bescheid zu geben, dass sie ihr Geleit gaben. Doch sie hatte nicht hören wollen. So naiv, so stur. Sie war ihre Wege allein gegangen und es war nie etwas passiert, bis zu jenem Abend. Was hätte ihr dieser Verrückte angetan, wenn sie allein gewesen wäre? Hätte sie diese Begegnung überlebt, wenn Er nicht dabei gewesen wäre? Wäre sie überhaupt fähig gewesen zu handeln? Sie hatte selbst in Seinem Beisein große Ängste ausgestanden. Sie mochte nicht mehr an das „Was wäre, wenn…“ denken, doch die Angst hatte sie fest im Griff und das schwindende Tageslicht draußen, trug nicht zur Besserung bei.

Sie löste die Hände von ihrem Bauch, verbarg nun ihr Gesicht in ihnen. Wie leichtsinnig sie manchmal gewesen war. Sie erinnerte sich an den Tag, wo sie die schützenden Mauern von Britain verlassen hatte und den verschlungenen Waldwegen gefolgt war. Wie sie an einem stillen Ort, weit weg von der Hauptstadt, auf die Priesterin des Namenlosen traf um sich mit ihr über Viktor zu unterhalten. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie schutzlos sie dort gewesen waren und welches Unheil sie dort hätte ereilen können. Sie hatte Ihm nie von diesem Ausflug erzählt. Er hätte ihre Beweggründe ohnehin nicht verstanden. Vermutlich wäre er wieder laut geworden, hätte ihre Worte abgewimmelt, wenn sie versucht hätte, sich zu erklären und wäre danach trotzig von dannen gestapft.

Sie schauderte erneut und zog das schwere Bärenfell enger um ihre Schultern. Schon bald würde der Herbst dem Winter weichen. Die bunten Blätter fielen bereits von den Ästen der Bäume und deckten die Erde zu. Und dann würde es nicht mehr lange dauern, bis die ersten winterlich, weißen Flocken vom grauen Himmel fallen würden und alles mit einer dichten Schneeschicht, die jeden Laut verschlucken, zudecken würde. Und dann, ihre Hand fand erneut zu ihrem Bauch, strich über die Wölbung und fühlte durch die Haut den Rücken des Kindes, welcher sich an ihre Handfläche schmiegte, würde es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis sie ihr Kind in Armen halten durfte.

Ein leises Seufzen drang von ihren Lippen. Ihre Gebete galten Glaron, dass er ihr eine Geburt ohne Schwierigkeiten und Komplikationen schenken sollte. Dass er ihr ein gesundes, kräftiges Kind schenke, dass der kalten Jahreszeit trotzen und leben würde.

Unter größter Mühe, eine Hand in den Rücken gestützt, erhob sie sich aus dem Sessel. Für einen Moment schwankte sie, dann stand sie sicher, das Gesicht von Schmerz verzogen. Diese Schwangerschaft raubte ihr allmählich die letzten Kräfte und Nerven. Sie hatte keine Lust mehr, verspürte nur noch den Wunsch nach Erleichterung. Sie hasste sich dafür, dass sie zu jener Unbeweglichkeit verdammt war. Selbst die kleinsten, alltäglichen Tätigkeiten gingen ihr nur noch schwer von der Hand. Jeder Schritt kostete sie Überwindung und sie bildete sich ein, wie sie fühlte, dass das Kind allmählich, begleitet durch ein Ziehen im Kreuz und eine kurzzeitige Verhärtung des Bauches, in ihrem Becken tiefer zu sinken begann.

Mit langsamen Schritten schlich sie die Treppe im Haus hoch. Sie hatte genug! Genug von dieser Schwangerschaft, von den Sorgen und Bildern, die in ihrem Kopf herumspukten und ihr den nötigen Schlaf raubten, den sie dringend brauchte um Kräfte zu sammeln. Erschöpft ließ sie sich zittrig auf die Bettkante nieder und wälzte sich hernach herum, bis sie endlich in einer einigermaßen bequemen Position liegen konnte. Wie lange würde sie noch durchhalten müssen? Sie war es so leid.

Die Decke über den Kopf ziehend, versank sie schließlich in einen unruhigen Schlaf. Einen Schlaf, der viel zu früh wieder enden würde.
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Alt 15.08.2011, 21:51
#7
Nelin Vandrak
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Es hatte wieder zu schneien begonnen. Winzige, weiße Schneeflocken wirbelten leise herab, bedeckten das Unterholz mit einer ebenen Schicht. Glitzernde Eiskristalle setzten sich von Außen an den Scheiben der Fenster ab und zauberten kunstvolle, doch vergängliche, Muster. Das Feuer im Kamin war fast heruntergebrannt, nur noch die rote Glut spendete ein wenig Licht und Wärme. Sie war erschöpft, müde – und doch konnte sie nicht schlafen. Die Erlebnisse der vergangenen Stunden hielten sie wach.

Ihr Gesicht war noch immer bleich. Von den Strapazen des vergangenen Ereignisses gezeichnet. Den Rücken gestützt von weichen Kissen, saß sie in ihrem Ehebett und wagte es nicht sich zu rühren. Nicht aus Angst vor den Schmerzen, die ihren Körper in unangenehmen Wellen durchfluteten sobald sie sich regte, sondern davor, dass sie ihr neues Glück wecken könnte. Schon jetzt hatte sich alles geändert. Ihre ganze Welt hatte sich verändert und es fiel ihr schwer an die Stunden zurückzudenken in denen ihr Leben noch trist und farblos gewesen war.

Er lag neben ihr, schlafend, und roch nach nassem Moos und kaltem Moor. Im Sumpf war er gewesen, hatte er gesagt. Im Sumpf… Doch jetzt war er hier, bei ihr – und nichts anderes zählte. Sie dachte an seine ungebändigte Freude, an den Stolz in seiner Stimme und in seinem Blick. Die Liebkosungen die er ihr entgegen gebracht hatte, das Geschenk. Ihr war in jenem Moment klar geworden, dass sie zum ersten Mal eine Sache gut gemacht hatte. Etwas, woran sie zu keinem Zeitpunkt mehr zweifeln würde. Zu perfekt war das Glück.

Sie sehnte sich danach etwas zu schlafen. Er hatte sich einfach zu ihr gelegt und sich selig an ihre Seite geschmiegt. Durch den Stoff ihres Nachthemdes konnte sie seine Wärme spüren. Sein Brustkorb hob und senkte sich gleichmäßig in tiefen Atemzügen. Sie wartete darauf, dass ihr vor Erschöpfung einfach nur noch die Augen zufielen. Doch der Schlaf kam nicht und so konnte sie sich ihrem neuen Glück voll und ganz hingeben.

Er war vollkommen. Wie er an ihrer Brust lag, die Lippen leicht geöffnet. Die Wangen pausbäckig und rosig. Seine Haut fühlte sich so weich an unter ihren Fingerspitzen, so zart. Und dennoch war er ein kräftiges Kind. Darok hatte sogleich den Krieger in ihm gesehen. Sie sah ihr erstgeborenes Kind, welches das Mutterglück in ihr weckte. Sie fragte sich, ob sie je wieder den Blick von ihm abwenden könnte. Er war die jüngere Ausgabe seines Vaters. Diese Ähnlichkeit, angefangen von dem feinen, lichten Haar auf seinem Köpfchen, welches schon jetzt den gleichen Farbton aufwies, wie das seines Vaters. Zumindest bevor sich die ersten grauen Strähnen hinein gestohlen hatten. Seine Mimik im Schlaf glich Seiner, ebenso die kräftige Stimme. Nur den Farbton ihrer Augen hatte Er geerbt. Ein helles Blau. Es schauderte sie schon jetzt wenn sie daran dachte, wie Er sie in einigen Monaten mit seinem Blick aus diesen klaren Augen ansehen würde. Aber es war ein wohliges Schaudern.

Vorsichtig neigte sie sich etwas nach vorn und hauchte dem Kind einen vertrauten Kuss auf das Köpfchen. Wie Musik klang es in ihren Ohren als Er leise im Schlaf schmatzte und das Gesichtchen erneut an ihre Brust schmiegte. Sanft strich sie ihm mit den Fingerkuppen durch den Nacken. Dieser Moment war verzaubert. Niemand konnte ihn ihr nehmen. Sie genoss die Stille, die Wärme der beiden Körper, die sich an sie schmiegten. Die Herzschläge der beiden Menschen, die sie über alles liebte. Die Ruhe und den dumpfen Schmerz, der sie an das erinnerte, was sie durch gestanden hatte. Doch er war es wert gewesen und nun war es geschafft.

Sie fand die Ruhe, die sie gesucht hatte, den Sinn ihres Seins und ihrer Lebensaufgabe. Sie fand sie in ihrer kleinen Familie.
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Alt 07.11.2011, 16:46
#8
Nelin Vandrak
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Es war spät geworden nach dem Konzert zu Ehren der Göttin Libanu. Die Nacht war bereits weit fortgeschritten und sie befand sich auf dem Heimweg. Während ihr in der Stadt die Orientierung noch leicht fiel, änderte sich dieser Zustand von einem Augenblick auf den Nächsten, als sie über den Stein trat, der sie zur Nordmark brachte. Wie eine erdrückende Last umfing sie der dichte Nebel und verschluckte gar den schwachen Lichtschein, welchen die Laterne, die an ihrem Unterarm hing, verzweifelt auszusenden versuchte. Absolute Stille legte sich dröhnend auf ihre Ohren und sie zog den dunklen Umhang fester um ihren Leib und um ihren schlafenden Sohn, den sie sicher in ihren Armen hielt. Ihr Blick wanderte durch die Dunkelheit und die Nebel, deren Mischung dazu führte, dass sie die Hand vor Augen kaum sah. Der eisige Sturmwind, den der Monat der Lorica mit sich brachte, fegte über das Gras hinweg, riss an ihren Kleidern, schnitt ihr ins Gesicht und ließ sie frösteln. Und wieder einmal wurde ihr bewusst, in welch’ menschenfeindlicher Gegend sie lebte.

Zögernd setzte sie einen Fuß vor den anderen und tastete sich, eine Hand ausgestreckt, langsam vorwärts. Unter den Sohlen ihrer weichen Stiefel fühlte sie die Bodenwellen, die felsigen Kanten, die sich seit dem letzten Beben vor einem Jahr aufgetan hatten. Sie wurden in der Schwärze der Nacht zu trügerischen Stolperfallen und ließen sie straucheln. Die Hand weiterhin ausgestreckt, sehnte sie sich nach der Berührung von kalten, harten Stein, der ihr verkündete, dass sie die Mauern der Anlage erreicht hatte. Dann hätte sie sich nur noch weiter vorantasten müssen. Sie hätte einen Anhaltspunkt gehabt, an dem sie sich orientieren konnte, um die kühlen, stählernen Tore zu finden. Doch die Begegnung mit der Mauer ließ auf sich warten, während sie sich Schritt für Schritt weiter vorwärts schob.

Ihr Blick war vor Angst geweitet, während ihr Kopf ihr Streiche spielte. Im Nebel bewegten sich Schatten, krochen auf sie zu, umrundeten sie, änderten ihre Form. Und noch immer war kein Laut zu hören. Nicht einmal die unheimlichen Geräusche, die sie in den Jahren, die sie nun schon in der Nordmark lebte, gelernt hatte auszublenden. Sie verharrte auf der Stelle und fühlte, wie etwas um ihre Füße glitt. Die Lippen fest aufeinander gepresst, mahnte sie sich zur Ruhe, doch es fiel ihr schwer. Sie zog den schlafenden Jungen, halb verborgen unter dem Umhang, noch enger an ihren Leib, wie einen lebendigen Schutzschild. Doch den Weg durch Nacht, Dunkelheit und Nebel musste sie alleine finden.

Sie fühlte, wie die Panik in ihr hoch kroch. Hätte sie die Mauer nicht schon längst erreichen müssen? Der Weg kam ihr endlos vor. Was würde geschehen, wenn sie die Mauer nicht fand? Was würde passieren, wenn sie geradewegs an ihr vorbeilief, und sich in den umliegenden Wäldern verirrte. Den Wäldern vor denen Darok sie gewarnt und ihr eingebläut hatte, dass sie niemals dorthin gehen sollte. Darok…

Er war schon so lange fort und sie war zerrissen von Sorge, Verzweiflung und Wut. Warum war Er ohne ein Wort gegangen? War das, was Er getan hatte, wirklich ein Grund seine Familie zurückzulassen. Sie erinnerte sich an den zurückliegenden Vorfall. Nicht ein einziges Wort hatte sie mit Ihm darüber wechseln können. Alles was sie wusste, wusste sie durch ihre Herrin. Sie hatte Ihn zur Rede stellen wollen, hatte Ihm die Briefe, die von den wohlgeborenen Herrschaften geschickt worden waren, nahezu entgegengeschleudert und Ihn angekeift, dass sie schon längst Bescheid wüsste. Sie war in ihr Schlafzimmer gerannt, hatte die Tür versperrt und Ihn nicht zu sich gelassen. Sie wusste nicht mal, ob er versucht hatte ihr zu folgen. Das einzige, was sie wusste, war, dass er am nächsten Tag fort war.

Fort – und sie war zurückgeblieben. Sie und ihr Sohn, der so schnell wuchs und von dem sie sich fragte, ob er seinen Vater wieder erkennen würde, wenn jener irgendwann zurückkehren würde; falls Er zurückkehren würde. Sie fühlte sich einsam, verlassen; auch wenn sie diese Gefühle täglich aufs Neue niederzukämpfen versuchte. Das Lächeln, welches sie Alltäglich aufzusetzen pflegte, schien für sie nur noch eine Grimasse zu sein. Eine Fassade, die ihre wahren Gefühle verbarg. Und es gab nur wenige Menschen, die sie so gut kannten und bei denen jene Fassade bröckelte. Doch was nutzte ihr all’ das Selbstmitleid. Sie musste weitermachen. Ihr Sohn brauchte sie.

Tränen stiegen ihr in die Augen, als der kalte Wind erneut über ihre Wangen strich. Tränen der Erleichterung, als sie unter den Fingern ihrer ausgestreckten Hand plötzlich den kalten, nebelfeuchten Stein fühlte. Sie lehnte die Stirn an das Gestein und verharrte einige Momente in tiefer Dankbarkeit, dass sie die Mauern erreicht hatte. „Bei Glaron,“ wisperte sie leise in die Nacht und tastete sich an dem Gemäuer entlang. Nun war es nicht mehr weit bis zum Tor.

Das Haus, welches sie empfing, war kalt. Das Feuer im Kamin war niedergebrannt, seine lebensspendende Wärme schon längst vergangen. Sie brachte Korad hinauf in sein Zimmer, bettete ihn dort auf den weichen Laken und deckte ihn sorgsam zu. Als sie sich über sein Bettchen beugte, küsste sie ihn vertraut auf die Schläfe, flüsterte ihm liebevolle, zärtliche Worte zu und schenkte ihm ihre Mutterliebe, ehe sie sich wieder aufrichtete. Wie ein Stich ins Herz, war die Erkenntnis, dass der kleine Junge seinem Vater immer Ähnlicher wurde. Das dunkelbraune Haar wurde allmählich dichter und so manche Gesichtszüge schienen schon jetzt jenen von Darok zu gleichen. Der roteiserne Reif um sein Füßchen weckte die Erinnerung für welche Aufgaben ihr Sohn vorherbestimmt war. Er war der Lorica geweiht. Sein Pate hatte diese Aufgabe in Daroks Abwesenheit übernommen und sie hatte ihn gewähren lassen. Wissend, dass Darok es genau so gewollt hätte. Auf leisen Sohlen verließ sie Korads Zimmer und betrat die Schlafkammer.

Das Bett wirkte verwaist, kalt und leer. Die Stunden, die sie dort mit Ihm verbracht hatte, schienen ihr weit fort. Seit vier Monaten hatte sie nicht mehr von Ihm gehört. Kein einziges Lebenszeichen. Sie wusste nicht wo Er war und ob es Ihm gut oder schlecht ging. Sie wusste nicht einmal, ob Er überhaupt noch lebte.

Die Kleider von ihrem Leib streifend schlüpfte sie hernach in ein schlichtes Nachthemd und ging zögernd auf das Bett zu. Noch einmal warf sie einen Blick aus dem Fenster, doch die Nebelschwaden, die vorbeizogen, ließen ihr Vorhaben scheitern. Sie konnte nichts Erkennen. Es hätte Jemand draußen stehen und zu ihrem Zimmer aufsehen können, sie hätte es nicht bemerkt. Die Einsamkeit umfing sie wie die Decke ihren Körper und sie lag zitternd da und lauschte in die Stille hinein. Wie lange würde sie noch durchhalten? Jeden Abend hoffte sie aufs Neue, dass er zurückkehren würde. Sie musste von hier fort. Es war zu gefährlich geworden und die Nebel ließen nicht nach. Der Herbst war weit fortgeschritten und es würde nicht mehr lange dauern, bis es noch kälter werden und der erste Schnee fallen würde. Sie musste es einsehen, sie hatte allein mit ihrem Sohn keine Zukunft in der gefährlichen Nordmark.

Am nächsten Morgen packte sie ihre Bündel.
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Alt 27.11.2011, 19:37
#9
Nelin Vandrak
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Der Himmel über Minoc war nebelverhangen und grau. Es war kalt geworden und sie konnte den nahenden Winter schmecken mit seiner feuchten Kälte und den ersten Schneeflocken, die bereits in der Luft lagen. Die Jahreszeit spiegelte ihre Stimmung wieder: trist, farblos, still.

Sie saß allein auf einem der Stühle an dem Tisch aus dunklem Holz. Während Korad im Zimmer nebenan seinen geheimen Träumen im Schlaf nachfieberte, streckte sie die Hand aus und entfernte den Korken aus der Flasche. Der dunkelrote, edle Tropfen floss in den bereitstehenden Kelch, den sie nur Augenblicke später an die Lippen hob. Die Süße des Weines zog sie direkt in ihren Bann, sodass sie den Kelch erst wieder abstellte, nachdem sie einige Schlucke zu sich genommen hatte.

Die Schatten waren auf ihre Gesichtszüge zurückgekehrt. Hatten das Lächeln, welches sonst ihre Mimik zierte, verschwinden lassen. Ihr Blick wirkte leer und stumpf, als wäre etwas in ihm erloschen. Die sonst aufrechte, kerzengerade Haltung in sich zusammengesunken. Die Schultern von Gram gebeugt, als würde sie eine tonnenschwere Last auf dem Rücken tragen. Sie fühlte sich wie eine alte Frau und sah auch bestimmt wie eine aus. Doch sie wagte nicht den Blick in den Spiegel.

Er fehlte ihr. Er fehlte ihr so sehr, dass es sie schmerzte. Nie zuvor hatte sie solche Pein verspürt. Im Sommer hatte sie Ihn zum letzten Mal gesehen und nun war es Winter! Seither hatte sie versucht, es sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie Ihn vermisste. Sie war weiter ihrer Arbeit nachgegangen, hatte am gesellschaftlichen Leben teilgenommen, sich um die Erziehung von Korad gekümmert. Doch das Aufrechterhalten der Fassade zerrte mehr und mehr an ihren Kräften. Es zerriss sie innerlich. Die Unwissenheit über seinen Aufenthaltsort, sein Wohlbefinden. Lebte er noch oder war er gar schon tot? Kämpfte er in einer Schlacht oder hatte er sich eine neue Frau gesucht? Eine, die jünger und hübscher war als sie und ihm keine Widerworte gab. So ein Unsinn, Nelin… Die Sehnsucht nach Ihm nagte an ihr, fraß sich tief in ihr Herz. Wut, Verzweiflung, Ärger und Furcht ließen sie innerlich zittern. Alles in ihr schrie und doch blieb sie stumm, tröstete sich mit einem weiteren Schluck Wein.

Es war so leicht in Selbstmitleid zu versinken. In der Einsamkeit und Stille ihres Zimmers konnte sie ihren wirren Gedanken freien Lauf lassen. Hier musste sie sich nicht verstellen. Sie musste keine lächelnde Mimik aufsetzen um zu heucheln, dass es ihr gut ging. Sie musste nicht für ihren Sohn stark sein. Die allabendlichen, einsamen Momente gehörten ihr allein. Und doch konnte sie in ihnen keinen Trost finden, keine Mut machenden und aufheiternden Gesten. Sie konnte nur weiterhin verdrängen und in Sorgen schwelgen. Tränen rannen ihr ungehindert über das Gesicht, mischten sich salzig in den süßen Wein, dem sie wieder zusprach.

Als es an der Tür klopfte erhob sie sich von ihrem Platz. Ihr Körper nahm eine aufrechte Haltung an, sie blinzelte die Leere und die Tränen aus ihren Augen fort, fuhr sich mit dem Blusenärmel über die Wangen um die Tränenspuren zu verwischen. Tief durchatmend stellte sie die Flasche Wein zurück in das Regal und schritt zur Tür hinüber. Und das gewohnte Lächeln zierte ihre Gesichtszüge. Fassade.
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Alt 12.12.2011, 12:55
#10
Nelin Vandrak
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Die grauen Tage waren vergangen. Der Jahreswechsel vollzogen. Ein neues Jahr begann. Und Sie erinnerte sich zurück – an eine glücklichere Zeit.

Sie saß inmitten des Raumes auf dem weichen Teppich. Ein Feuer prasselte im Kamin, spendete Wärme und Licht. Das Kind in ihren Armen war erschöpft über sein Spiel hin eingeschlafen. Hatte seine Wange an ihren Busen geschmiegt, den Griff der kleinen Finger im Stoff ihrer Bluse verfestigt. Die Lippen leicht geöffnet, ging es im Traum seinen geheimen Gedanken und Abenteuern nach. Kleine Holzfiguren lagen verstreut im Zimmer. Zeugen der Geschichten, die seiner Fantasie entsprungen waren. Sie strich ihm das dunkelbraune Haar aus der Stirn, fuhr mit den Fingerspitzen die Konturen seines Gesichtchens nach. Die Nase, die Wangen, das Kinn. Ganz der Vater. Welch’ verblüffende Ähnlichkeit.

Es war sein erster Geburtstag. Sie hatte sich den ganzen Tag für ihn Zeit genommen. Sie hatten zusammen gespielt, erst draußen im Burghof im kalten Schnee und dann im Zimmer vor dem wärmenden Feuer des Kamins. Sie hatten zusammen gelacht, zusammen gealbert. Fast wortlos hatte er mit ihr kommuniziert, über die Blicke seiner strahlend, hellblauen Augen. Blicke, die er ihr schenkte und die so viele mehr ausdrückten, als Worte es je vermocht hätten. Sein erster Geburtstag – und Sie fragte sich, wo das vergangene Jahr geblieben war.

Groß und schwer war er geworden. Ihr ganzer Stolz. Aus dem properen, kleinen Säugling hatte sich ein kräftiger, stämmiger Junge entwickelt. Wackelig waren seine ersten Schritte gewesen, die nun mehr und mehr an Sicherheit gewannen. Sein Lachen geschmückt von einzelnen, strahlendweißen, kleinen Zähnchen. Und sie konnte nicht anders. Sie herzte den schlafenden Jungen. Schmiegte ihn an ihren warmen, weichen Körper und weinte still und lautlos.

Ein halbes Jahr, in der Er die Entwicklung Seines Sohnes verpasst hatte. Wie sollte Er diese verlorene Zeit nur je wieder aufholen? Das konnte er nicht schaffen. Zum wiederholten Male fragte sie sich, ob Korad seinen Vater bei der Rückkehr überhaupt noch wieder erkennen würde. Er war doch noch so klein gewesen. Sie hatte Angst vor der Zukunft. Angst davor, dass Korad bald nach Ihm fragen würde. Was sollte Sie ihm sagen? Wie sollte Sie es ihm erklären? Würde er es überhaupt verstehen?

Unter stillem Schluchzen erhob sie von dem Teppich, legte Korad in sein Bettchen, deckte ihn sorgfältig zu. Sie küsste ihn auf die Stirn, sang ihm leise sein liebstes Schlaflied, als der Junge sich regte und noch einmal müde blinzelte ehe der Schlaf ihn doch wieder übermannte. Neben seinem Bettchen in dem Sessel Platz nehmend verharrte ihr Blick auf ihrem Sohn.

Die Worte des Ritters hatten sie nachdenklich gemacht. Wie lange würde sie warten? Wie lange ausharren, ob Darok eines Tages zurückkehren würde; und was wäre, wenn er es nicht tun würde. Wenn er sich vollends von seiner Familie abgewandt hatte, bewusst oder unfreiwillig, weil er in einem fern, tobenden Krieg gefallen war. Sie hatte keine Antwort auf die Frage gewusst und auch jetzt schnürte der Gedanke ihr die Kehle zu, dass sie sich eines Tages eingestehen müsste, dass Sie ihren Mann und den Vater ihres Kindes verloren hatte. Die Sehnsucht nach Ihm nagte fortwährend in ihr. Trost und Linderung verspürte Sie nur, wenn Sie dem Wein zusprach. Sie wusste, dass dies der falsche Weg war und dennoch sah Sie keinen anderen, denn die Nebel, die draußen vorherrschten, hatten auch ihre Gedanken umwölkt. Vielleicht war es ein gutes Zeichen, dass sie bisher kein Lebenszeichen von ihm erhalten hatte? Denn Sie wusste nicht, wie Sie reagieren würde, würde Sie einen Brief erhalten in dem stand, dass ihr geliebter Mann gefallen war.

Sie wusste nur Eines. Dass Sie weitermachen musste. Immer weiter, bis Er eines Tages zu ihr zurückkehren würde um wieder den Platz an ihrer Seite einzunehmen. Ihr wieder ein fürsorgender Ehemann zu sein und seinem Sohn ein guter Vater. Doch die Zeit bis dahin würde nicht leicht werden. Sie war es schon jetzt nicht. Wie lange… ja, wie lange würde Sie noch durchhalten bevor Sie einen weiteren Fehltritt tat?
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Alt 08.01.2012, 20:35
#11
Nelin Vandrak
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Über sieben Monde hatte Sie auf diesen Moment gewartet. Sieben lange Monate in denen Sie der Verzweiflung oft so nahe gewesen war und in denen Sie so manches Mal nicht mehr weitergewusst hatte. Sie konnte Glaron nur dafür danken, dass er ihr in dieser schweren Zeit den Ritter zur Seite gestellt hatte. Obwohl Sie Zaryn in früheren Tagen stets mit einem gesunden Maß an Zurückhaltung gegenüber getreten war, war eben jener junge Mann ihr in den vergangenen Wochen zu einem Vertrauten geworden. Ja, zu einem Teil Ihrer Familie. Als wäre es eine Selbstverständlichkeit, hatte der Seryiener begonnen, sich um Sie und ihren Sohn zu kümmern. Hatte ihr in den dunklen Stunden beigestanden, ihr ein offenes Ohr geschenkt und war ihrem Sohn zu einer Vaterfigur geworden. Ja, für Korad hatte der Ritter schon längst Daroks Platz eingenommen.

Doch nun war Darok zurück. Und plötzlich schien alles anders. Von jetzt auf gleich war ihr Leben, welches Sie sich versucht hatte aufzubauen, in dem Wissen, dass ihr Mann wohlmöglich nicht mehr zu ihr zurückkehren würde, auf den Kopf gestellt. Darok war wieder da. Er hatte vor ihr gestanden. Der Mann, dem sie vor zwei Jahren ihr Ja-Wort gegeben und dem sie vor 14 Monaten einen gesunden Sohn geboren hatte. Ausgemergelt und ausgezehrt, die Kleidung zerschlissen und von Erschöpfung geprägt. Sie war froh und Glaron so dankbar, ihn wiederzusehen und doch hatte sie zu seiner Begrüßung nur Schimpftiraden für ihn übrig gehabt; soviel Trauer und Wut waren in ihr angestaut gewesen. Doch nachdem die harten, zum Teil verletzenden, Worte versiegt waren, war ein anderes Gefühl in ihrer Brust hoch gekrochen. Das Verlangen, von ihm in die Arme geschlossen zu werden. Ihm wieder nahe zu sein. Und Er hatte ihr den Wunsch nur zu gern erfüllt, war es doch auch sein eigener.

Still hatte das ungleiche Paar an Korads Bettchen gestanden und den schlafenden Jungen beobachtet. Sieben Monate in denen Darok die Entwicklung seines Sohnes verpasst hatte. Die ersten Zähnchen, die ersten Schritte, die ersten Worte. Sein Sohn war ein Winzling gewesen, als Er seine Familie verlassen hatte. Jetzt war er in die Höhe geschossen, zu einem kräftigen, stabilen Knaben herangewachsen. Und die Ähnlichkeit mit Darok kristallisierte sich immer mehr heraus, je größer er wurde. Das dunkelbraune kurze Haar, die Gesichtszüge, sein Charakter. Sie hatte nicht gewagt, ihn dabei zu stören, wie Er seinen Sohn voller Stolz und Sehnsucht betrachtete. Und Sie bereute die Worte, die Sie Ihm entgegengeschleudert hatte. Korad würde ihn nicht mehr erkennen. Er war zulange fort gewesen. Doch sie wussten Beide, dass Sie Recht hatte. Und dieses Wissen schmerzte.

Ihren Gedanken nachhängend schritt Sie hinüber zum Fenster, schaute auf das Meer hinaus. Wie würde es nun weitergehen? Sie hatte mit dem Gedanken gespielt in die Nordmark zurückzukehren. Sie hatte den Trubel auf der Burg nicht mehr ertragen können, wollte alleine in ihrer Trauer versinken. Doch hätte Sie dies zugegeben, hätten ihre Freunde es ihr gewiss ausgeredet. Nun war Darok wieder da, sodass Sie wirklich einen Grund hatte, wieder in ihr altes Heim zu ziehen. Doch Er war ihr so fremd geworden, dass Sie sich fast ein wenig fürchtete, mit ihm allein zu sein. Die Wunden saßen tief. Ihre Heilung würde viele Wochen dauern, wenn nicht sogar noch einmal ebenso viele Monate, wie Er auch fort gewesen war. Sie würde Ihn in der nächsten Zeit nicht oft zu Gesicht bekommen. Zu viele hohe Ämter erwarteten eine Rechtfertigung von Ihm für sein plötzliches Verschwinden und Sie wollte ihm und sich die Zeit geben, alles zu regeln und die Gefühle neu zu entdecken, die sie einst verbunden hatten. Denn noch obsiegte die Angst, dass Er doch wieder von Jetzt auf Gleich verschwinden könnte.
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Alt 23.01.2012, 16:26
#12
Nelin Vandrak
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Die Nacht hatte sich wie ein schweres, dunkles Tuch über die Nordmark gelegt. Innerhalb der schützenden, massiven Mauern, die sich dem klaren Sternenhimmel entgegen streckten, war Stille eingekehrt. Die Tiere schliefen und auch in den Häusern war es zu dieser nächtlichen Zeit ruhig und friedlich geworden. Das Morgenrot würde noch einige Stunden auf sich warten lassen. Es war mitten in der Nacht.

Die Wange an seine Brust gelegt, lag Sie an seiner Seite und genoss das Gefühl seines starken, rechten Armes den er um ihren Körper gelegt hatte. Sie fühlte, wie sich sein Brustkorb bei jedem seiner regelmäßigen Atemzüge hob und senkte. Er schlief – tief und fest und Sie war hellwach. Still verharrend lauschte Sie seinem Atem, spürte wie jener ihr durch das lockige Haar strich, immer dann, wenn er wieder ausatmete. Der Zauber der Nacht hatte sich über ihr Heim gelegt und erfüllte Sie mit einer tiefen innerlichen Ruhe, von der Sie nie gedacht hätte, dass Sie sie je wieder fühlen könnte.

Etwas über einen Monat war es nun her, dass Er zurückgekommen war. Zu ihr und ihren gemeinsamen Sohn. Anfangs hatte Sie abweisend auf ihn reagiert, nahezu unterkühlt. Es war ihr schwer gefallen, ihn einfach so wieder in ihr Leben zu lassen. Hatte Sie doch in den vergangenen Monaten gelernt, dass das Leben auch ohne Ihn weitergehen konnte und auch weiterging. Trotz das es ihr nicht mehr so farbenreich und vielseitig vorgekommen war. Doch Er war für Sie da gewesen. Hatte ihre Nähe gesucht, Worte und Gesten gefunden, denen Sie nicht widerstehen konnte. Er hatte Sie zurückerobert, jeden Tag ein wenig mehr, bis Sie der Sehnsucht in ihrem Herzen nach Ihm nicht mehr Stand halten konnte und Ihm wieder ihre Wärme geschenkt hatte.

Es tat so gut, dass Er wieder da war. Sie rieb ihre Wange leicht an seiner bloßen Brust, atmete seinen Duft ein. Und ihr Tun wurde von Ihm im Schlaf damit quittiert, dass Er Sie noch ein wenig enger an sich zog. Sie waren wieder vereint. Waren wieder zu der Familie geworden, die Sie sich immer gewünscht hatte. Auch wenn Korad Darok oft nach wie vor kritisch beäugte, wenn dieser ihn direkt ansprach, hatte er sich doch an die Gegenwart des großen Kriegers gewöhnt, da Er spüren konnte, dass von Ihm keine Gefahr ausging und seine Mutter glücklicher war, wenn dieser Mann in der Nähe war. Schon bald würde ihr Sohn lernen, dass Darok sein richtiger Vater war. Spätestens dann, wenn er groß genug war ein Schwert zu halten, sodass der Vater auf den Sohn besser eingehen konnte. Ein zärtliches Lächeln stahl sich bei diesem Gedanken auf ihre Gesichtszüge und Sie drehte den Kopf leicht ein um Ihm einen Kuss auf die Haut zu hauchen. Sie hörte, wie Er im Schlaf leise, zufrieden brummte.

Wenn dieser Friede doch nur ewig anhalten könnte…

… doch die Realität sah anders aus.

Wie immer, hatte Er um den heißen Brei geredet. Hatte Sie nur mit den nötigsten Informationen versorgt, damit Sie keine Angst um ihn hatte und nicht fürchtete, dass Er wieder verschwinden würde. Er hatte ihr von Lonjar erzählt, einem nächtlichen Besucher. Seine einzige Sorge war dabei gewesen, dass Sie der Lärm geweckt haben könnte, doch seit Sie wieder bei Ihm in der Nordmark war, schlief sie fest wie ein Stein. Sie konnte nicht ahnen, dass Lonjar kein Mann war, wie sie annahm, sondern ein Drachen, der sich auf dem Dach von Seinem Turm niedergelassen hatte. Und dies war nicht das Einzige, was er ihr verschwieg. Er und seine Männer, wie Er sie liebevoll betitelte, würden erneut ausziehen müssen um… etwas zu erledigen. Sie solle sich nicht sorgen. Er machte es sich immer so leicht. Doch alles Zetern half nicht. Sie konnte nicht verstehen, warum ihnen nie einige Monate des Friedens geschenkt waren; selbst jetzt nicht, wo sie doch gerade erst wieder zueinander gefunden hatten. Sie wollte es nicht einsehen, dass stets Er an vorderster Front stehen musste, wo es doch so viele aufstrebende, jüngere Männer gab. Doch Sie musste. Er war ihr Los, als Ehefrau von einem weit über die Grenzen des Festlandes hinaus bekannten Kriegers. Und Sie würde sich fügen. So, wie sie sich immer fügte.
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Alt 23.01.2012, 17:12
#13
Darok Vandrak
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Das Lesen viel ihm schon immer recht schwer, zumal er jetzt einen ganzen Stapel voller Bücher und Berichte vor sich hatte. Geschehnisse aufgezeichnet von längst vergangenen Tagen, die ihm der Oberst überlassen hatte, damit er sich auf seine kommende Aufgabe vorbereiten konnte.
Aber schon nach einem halben Bericht schmerzten ihm die Augen und er hätte diesen Papierberg am liebsten im Kamin verfeuert.
Er hatte noch nie verstanden, warum man als Mann des Schwertes sich doch immer wieder mit zähen und einschläfernden Berichten rumschlagen musste.
Irgendwelche Namen und Geschwafel, von dem er eh nur die Hälfte verstand. Ärger mit den Yildanern und Nadul. Erboste Drachen und ein Haufen Buckelei. Er begriff den Sinn, wieso ihm der Oberst diese ganzen Wälzer mitgegeben hatte und die Botschaft davon. Aber wäre es ihm lieber gewesen, der Graf hätte es ihm bei drei vier Bieren einfach so erzählt.
Jetzt aber hockte er hier und kippte sich eine Flasche nach der anderen rein, was seine eh recht dünne Aufnahmefähigkeit was Lesestoff anging auch nicht gerade erweiterte. Zu allem Überfluss machten sich seine dauerhaften Alkoholexzesse in der Vergangenheit auch langsam bemerkbar. Ohne es zu wissen wurde der alte Krieger langsam etwas senil. Das verdammte Alter hatte ihm also nun endgültig eine auf den Deckel gegeben. Aber er musste sich durch diesen Literaturberg kämpfen. Es half Alles nichts. Eine weitere Flasche Bier würde es vielleicht erträglicher machen.

Bier.

Jetzt wo man darüber nachdachte, wurde einem überhaupt wieder klar, was man eigentlich alles vermissen konnte, wenn man über fünf Monate in einem feuchten Kerkerloch gefangen war.
Verhöhnt und zur Belustigung haben sie ihn kämpfen lassen. Mit bloßen Händen gegen irgendwelche fremdartigen Viecher. Und um noch eins oben drauf zu setzen, haben diese besoffenen Banditen auch noch seine Urkunden genommen und damit herumgewedelt. Nur um die für ihn so unglaublich kostbaren Schriftstücke dann für eine ungewaschene Hafenhure oder ängstliche Sklavin bei Fleischhändlern einzutauschen.
Bei diesen Gedanken kochte der blanke Zorn in dem alten Krieger schlagartig hoch. Der Zorn, der diese ganze Situation überhaupt erst entstehen ließ.
Voller Wut und Kopflos fuhr er auf die See hinaus. Um die Götter anzuschreien, wieso sie es zuließen, dass Mircalant ihn so täuschen konnte. Nun sie haben ihn wohl gehört und ein mächtiger Sturm erfasste sein Schiff. Allein war er einfach nicht in der Lage das Schiff auch nur ansatzweise manövrierfähig zu halten. Und dann war es auch schon vorbei mit der Erinnerung. Das nächste was er wusste war, dass er in diesem stinkenden Kerker aufwachte. Halb tot und nur mit Lumpen am Körper.
Aber es war vorbei. Die Götter, oder vielleicht der blanke Zufall ließen jemanden aufkreuzen, den er vor sehr langer Zeit gut kannte. Jemand mit hässlichen Brandzeichen auf den Wangen und der größte Suffkopf, den er je kennengelernt hat. Balen Ulen. Und irgendwie hat es dieser Drecksack geschafft ihn da rauszuholen. Er hat ihn kein einziges mal zu Gesicht bekommen. Nur der Bootsjunge der ihm beste Grüße von Käptn Ulen ausrichtete.
Und jetzt war er wieder hier. An der großen Tafel in seinem Turm.
Aber es hatte sich natürlich etwas verändert, als er weg war. Sein Weib. Sie hatte wohl das Saufen angefangen. Sie, welche ihm früher seine Flachmänner aus seinen Stiefeln zog, damit er doch nicht in aller Öffentlichkeit dastehen würde wie ein verlauster Säufer. Sie kippte sich eine ganze Flasche Wein rein, als sie sich zum ersten Male wieder sahen. Nunja. Er hatte nichts dagegen. Schließlich war er in dieser Sache auch kein unbeschriebens Blatt und das Wort Alkoholiker gehörte ebenfalls nicht zu seinem Wortschatz. Solange Sie nicht irgendwann aussehen würde, wie eine heruntergekommene Schabracke, hatte er kein Problem damit.
Aber Weiber vertragen einfach keinen Alkohol und würden irgendwann daran zu Grunde gehen. Zumindest seiner Vorstellung nach. Es würde sich aber noch zeigen, ob sich diese Sache wieder legte. Er war ja wieder hier. Und nun konnte Sie ihren Schmerz vergessen und die Zeit die Wunden heilen lassen, die er Ihr durch sein Verschwinden zugefügt hatte.
Man konnte nur hoffen, dass keine Narben zurückbleiben würden.
Aber verdammt! Es gab nun wieder Genug Sachen, die vor einem lagen. Zurückblicken. Das machen nur die Schwachen und wehleidige Weiber. Neue Aufgaben standen an. Wichtige Aufgaben. Und ein Teil davon bestand darin sich diese lahmen Wälzer durchzulesen. Bei Lorica, es musste einfach sein. Weitermachen. Wie immer.
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Geändert von Darok Vandrak (23.01.2012 um 17:15 Uhr).
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Alt 04.07.2012, 19:48
#14
Darok Vandrak
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Die Tage zogen nur noch so ins Land und Vieles schien in keinster Weise mehr so zu sein, wie zu der Zeit als er sich noch jung fühlte. Eine Zeit, die noch nicht all zu lange vergangen war. Trotz seines mittlerweilen stolzen Alters. Doch allmählich fingen seine strohigen Zotteln an sich zu verfärben. Grauer zu werden. Etwas scheußliches, was den Anbruch des hohen Alters einläutete. Doch wusste er überhaupt nichts mit dem vergangenen Jahr anzufangen. Viele von diesen Tagen verbrachte er zudem auf See. Gefangen auf einem Schiff, auf gesicherten Handelsrouten der könglichen Marine, wo sich seit neustem nicht einmal mehr der tollkühnste, oder sogar hirnrissigste Pirat hintraute. So war er verdammt dem Geschwafel Alljener zuzuhören, die sich für Irgendetwas dazu entschlossen hatten auch auf diesem Schiff zu sein. Ein Viehhändler, der es geschafft hatte soviele Münzen anzuhäufen, dass er sich ein Häuschen in der Hauptstadt leisten konnte. Ein aufdringlicher Kaufmann, der seine ganze Familie, die seekranker aussahen als zwanzig Jahre lang eingelegter Fisch, gleich mitnahm. Und so weiter und so fort.
Diese Gespräche ließen die Tage auf dem klammen Kahn nicht viel angenehmer werden. Aber alles besser, als noch einen Tag mehr bei Ihrer Familie!
Ein Krieger ist nicht für ländliche Idylle mit einem kleinen Häusschen, welches von einem akkurat gepflegten Garten gesäumt wurde und dieser wiederum von einem hübsch verziertem Holzlattenzaun geschaffen. Nein. Kein Krieger dieser oder der jenseitigen Welt war das.

Also störte es ihn nicht, diesen Hohlwafern auf dem Schiff immer und immer wieder zuhören zu müssen. Solange die Aussicht da war, wieder in der Schlacht zu dienen und seiner Bestimmung zu folgen.
Sollten sie doch alle in ihren hübschen und duftenden Gärten bleiben, hinter dem verzierten Holzlattenzaun. Sie wollte unbedingt noch mit seinem Sohn dortbleiben, für ein paar Wochen.
Er sicherlich nicht.

Ihn kümmerte es mehr, was aus dem alten Kortan geworden ist. Sathrion und Tirn und seine ganzen alten Sauf- und Kampfgefährten. Oder besser. Ob diese stinkende Insel, welche er mittlerweilen wirklich zu schätzen wusste, überhaupt noch stand. Es würde sich alles zeigen.

Und das tat es auch. Alles war beim Alten. Sogar dieser, bei allen Göttern verfluchte Dämon, der sich selbst der Rote Herr schimpfte war noch da. Der Rote Herr. Der Name war in seinen Augen viel zu glorreich, zu mächtig für diesen dämonischen Feixtänzer. Ein rot angemalter Esel hätte diesen Namen mehr verdient, kam es ihm dabei in den Sinn.
Aber vielleicht hatte es der Dämon vielleicht sogar geschafft, etwas mehr auf die Beine zu stellen, was eine wirkliche Bedrohung war.

Er musste auf jeden Fall so bald es geht zum Oberst. Das war sicher.
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Geändert von Darok Vandrak (04.07.2012 um 20:06 Uhr).
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Alt 14.09.2012, 00:50
#15
Darok Vandrak
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Dumpf schien es ihm, als er das Tor zu dieser schweren Festung in der Nordmark aufschloss. Dumpf wie eine schwere Nebelbank. Dennoch war die Sicht frei. Die Kälte des frischen Jahres ließ die Luftfeuchtigkeit auf ein Minimum sinken. Doch fühlte er sich, als würde er gegen eine starre Granitwand laufen, als er das Tor aufschloß.
Er war nicht verwundet, nicht zerschlagen oder aufgerieben. Sein alter Körper war nicht ausgezehrt durch die Schlacht. Aber dennoch fühlte er wie die Kraft aus seinen Gliedern wich.
Er war zermartert, besiegt. Nicht wie in alten Zeiten, als er körperlich seine Grenzen ging und nur um den Sieg über eine Wesenheit zu erlangen, die so unglaublich alt und bosartig war, dass kein Sterblicher es außer ihm je geschafft hätte den Sieg errang.
Nein. Es war genau das Gegenteil. Wenn man ihn gesehen hätte, hätte man einen Lumpen, der nichts in seinem Leben erreicht hatte, vor sich hinsiechen sehen.
Doch war er einst so voller Stolz.
Sein Leben, seine Seele und sein Wille bestand und lebte nur weiter, weil er Jenes in einen Glauben setzte. Genau desegen war er kein Baron, Graf oder sonst Einer dieser Menschen, wessen Titel er ständig vergaß. Er gab einen Dreck auf Adeligkeit. Und wie sein Leben bisher verlief. Hah!
Er überlebte alle von Ihnen. Dieser unverdiente Titel war nicht mehr als Schall und Rauch. Wie er es sich immer gedacht hatte.
Es gab nur einen Einzigen davon, den er wirklich achtete. Und genau Jenen hatte er wohl enttäuscht.
Der Graf. Bolwen von Britain. Den er immer nur Oberst nannte. Allein weil er Adelstitel hasste und ihnen keine Bedeutung zusprach. Eben jenem alten Bruschen war er eine Gefälligkeit schuldig, aber er hatte nicht Wort gehalten. Der Krieger hatte für seine Begriffe versagt und er würde nur mit Schmach davonkommen.
Normalerweise war er der Mann. Er war der Krieger der Alles richten sollte. Er war dazu bisher immer in der Lage gewesen.

Diesmal nicht!

Das mächtige Schwert zersprang in tausende Splitter, als er seinen Freund retten wollte. Es zersprang einfach, als hätte ein Schwert keinerlei Macht mehr auf dieser Welt.
Als wäre Lorica selbst nur noch ein Waschweib. So wie er viele dieser Weiber kannte. Schwach und hysterisch.

Wenn sie ihn strafen sollte, welchen Grund hatte es dafür? Doch seine Gedanken galten in diesem Moment jenem Kampf. Jenem Moment, als sein Schwert nichts ausrichten konnte.
Jenem Moment, als er für ein Einziges mal ihre Hilfe erbat!

Ein mächtiger Krieger, der es durch seine eigene Hilfe vom Straßenköter zu dem gebracht hatte, was er war.

Vielleicht waren es nicht die Götter, nicht Lorica. Sondern nur der Wille. Nur allein die Macht, der Zorn und das Schwert!

Er musste dabei an Liria denken. An sein Weib und seinen Sohn. Wie sie in seinem Schutz lebten. Liria. Ein junges Ding, dass irgendwann ihren eigenen Weg finden sollte. Sie war aber im Moment nicht mehr, als ein verschrecktes Ding, dass auf eine wirklich Mann bauen musste.
Sein Weib, welches wohl nun auch nicht mehr auf ihn angewiesen war. Er verfluchte den Tag nun, als er vom Festland fortging. In dem alten, etwas träge gewordenen Krieger brannte langsam das unauslöschbare Feuer der Eifersucht. Und sein Sohn. Korad! Er kannte ihn kaum. Er war sich sicher. Er würde eines Tages der größte Krieger werden, den diese verfluchte Insel je gesehen hätte! Lorica würde dafür schon sorgen. Aber der so vielversprechende Sohn war weit entfernt. Und Lorica.
Kein Zeichen kam mehr von ihr, seit Bartos sein Leben ihr hingab.

Vielleicht war die Gottheit der Schlachten nur der Wahnsinn eines Jeden, der von seiner Kraft und seinem Können überzeugten ist und sich für einen wahrhaften Krieger hält.

Nicht mehr als ein Gespenst.

Selbst dieser Bauernsohn von Beckler, hatte einen Gott auf seiner Seite. Der hatte wohl nicht mehr getan, als einfach schlecht als recht vor sich hingelebt und irgendwann erkannt, er kann nicht mehr so weitermachen.

Und jetzt war er Priester.

Die Welt war ungerecht, das war sie schon immer. Aber als er die Splitter seines Schwertes, welche er eingesammelt hatte vor sich in dem Ledersack betrachtete, war wie der Dämon der sein Schwert zerschmettert hatte.
Rätselhaft und Gnadenlos.
Ein schlechtes Zeichen für einen alten Mann, dessen junges Weib sich auf dem Festland vergnügt und dessen Göttin ihn im Zweifel lässt.

Aber so konnte er einfach nicht aufgeben, oder sterben.
Nein, so nicht!
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Geändert von Darok Vandrak (14.09.2012 um 19:18 Uhr).
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Alt 27.11.2012, 19:36
#16
Darok Vandrak
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Er sah schon fast die Hand vor Augen nicht mehr, so dick war der Frühnebel schon geworden der sich bildete, wenn die warme Luft aus der Wüste nach Norden zog um hier in der Mark zu erkalten.
Aber irgendwie hatte er eh bald kein Gefühl mehr für seine Umgebung. Manchmal war er sich nicht einmal mehr sicher, ob der Nebel wirklich da war oder ob ihm einfach die Schlaflosigkeit die Sicht verweigerte.
Tagelang schleppte er jetzt dieses rätselhafte Schwert durch die Gegend. Tagelang ließ er es so gut wie garnicht aus seiner Hand. Und langsam aber sicher, trieb es ihn und Alle um ihn herum in den Wahnsinn.
In den kurzen Momenten, in denen er wirklich klar denken konnte wollte er dieses Schwert einfach blindlinks über die Mauer werfen. Und in genau diesen Momenten war ihm auch bewusst welche Last das vorallem für Sie sein musste.
Ein geisterhaft, grünbläulich schimmerndes und halb durchsichtiges Schwert, in dem der unsterbliche Diener des Namenlosen und zahllose Geister, die er persönlich mit genau diesem Schwert abgestochen hatte gefangen waren. Und er nahm es mit ins Ehebett.
Tatsächlich war dieses Ding wohl das grauenhafteste von All jenen Sachen, die er von irgendwelchen Seltsamen Orten und Schlachten immer wieder mit in sein Heim schleifte.
Und Ihre Reaktion war auch dementsprechend. Man sah ihr die Angst an. Man sah, wie sie krampfhaft versuchte die heile Welt für sich und den Kleinen zu mimen. Aber innerlich die schlimmsten Ängste durchlitt. Vorallem in jenen Momenten, in denen Sie in sein blutunterlaufenes, fast schon leicht wahnsinnig wirkendes Auge blickte.
Ab und an schlich Sie ihm auch nach. Ihre Sorge trieb Sie wohl dazu, ihm in den dichten Nebel zu folgen. Ihn zu beobachten, wie er einfach dastand und ins Leere starrte. Meistens nachts und oft auch stundenlang, bevor er sich dann wieder in das gemeinsame Bett legte. Das Schwert auf seiner Brust liegend, die Hand um den Griff.
Sie lag mit dem Rücken zu ihm gekehrt an der Wand und schlief wahrscheinlich genauso wenig wie er. Es würde nicht mehr lange dauern und beide würden einfach umfallen und zwei Tage liegen bleiben. Egal wo das auch sein mochte.
Aber Sie hatte einen Vorteil. Sie hatte nicht soviel Jahre auf dem Buckel wie er. Und das war es, was ihn langsam aber sicher vollkommen aufzehrte.
Das Alter und die Schlaflosigkeit. Zwei Sachen, die sich so sehr bissen, dass es irgendwann zu einem schlimmen Ende kommen musste.
Doch hatte er sich in seinen Dickschädel gesetzt, diese Bürde zu tragen. Damit dieses Schwert auf keinen Fall in die falschen Hände gerät. Das allein hielt ihn auch davon ab es wegzuwerfen. Weit weg von ihm und seiner Familie.
Und so konnte die Ruhelosigkeit immer tiefer in seinen Verstand eindringen, daran nagen. Tiefer und tiefer. Öfter sah er nun seltsame Bilder in den kurzen Momenten, wo er an Ort und Stelle für ein paar Minuten im Stehen einfach einschlief. Er sah, wie Hirsche und Hasen rückwärts auf ihn zugerannt kamen. Seltsame, farbige Klekse und allen möglichen Unfug.
Doch eine Sache kam immer wieder. Es war verschwommen. Als würde man untergetaucht in einer Wassertonne sitzen und hinausschauen. Er sah einen Mann in einer dunklen Kutte auf seinem Turm stehen, mitten im Nebel. Er wandte den Blick nach Süden, meilenweit in die Wüste wo er eine bucklige Gestalt erspähte. Diese Gestalt machte sich gierig daran im Sand zu graben. Sie grub ein tiefes Loch um dort eine Flasche zu beerdigen. Dann floh sie ins Nichts.
Er hatte nicht die leiseste Ahnung was das zu bedeuten hatte. Im Allgemeinen hatte er im Moment sowieso überhaupt keine Ahnung von garnichts. War es das Schwert, dass ihm diese Bilder in den Kopf jagte, oder einfach nur der Schlafmangel? Es blieb ihm alles ein Rätsel. Generell konnte man sagen, dass selbst ein großer Stein brauchbarer war als er in diesen Tagen. Der Stein würde wenigstens stehen bleiben und nicht einfach irgendwann umfallen. Aber so sah die Lage nun aus.
Er wusste nur, dass diese ganze Sache ihm langsam aber sicher selbst richtig Angst einjagte. Ja, nackte Angst.
Er, der mächtige Krieger. Der Heerführer und Waffenmeister von vielen Schlachten, Kriegen und Lagern. Ihn packte die Angst direkt an der Gurgel und drückte mehr und mehr zu.
Er fürchtete sich wahrlich nicht vor vielen Dingen. Aber das ausgerechnet er jetzt dieses Schwert hatte und das Alles das Werk des Namenlosen war, ließ ihm den Gedanken durch den Kopf jagen, dass er vielleicht auserkoren war um als Geist, oder was auch immer für alle Ewigkeiten dem Grauen zu dienen.
Diese Sache ließ ihm einen gewaltigen Schauer den Rücken hinunterlaufen und ihn immer wieder aus seinem kurzen Schlaf im Bett hinaus jagen um dann die Treppen seines Turmes hinauf auf das Dach in den Nebel zu gehen.
Um dort sinn- und ziellos in die dunstige Wand zu starren. In der Hoffnung, dass es irgendwann ein glimpfliches Ende nahm.

Nacht für Nacht.
Darok Vandrak ist offline  
Geändert von Darok Vandrak (27.11.2012 um 22:12 Uhr).
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Alt 27.11.2012, 20:55
#17
Nelin Vandrak
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Registriert seit: 22 Jul 2010
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Sie hörte das Knarren der Matratze, als sich der mächtige Krieger aus dem gemeinsamen Ehebett erhob. Seine Schritte wurden von dem weichen Teppich gedämpft als er das Zimmer durchquerte. Dann vernahm sie die Tür, die er zwar bemüht leise öffnete, aber dann doch lautstark schloss.

Ein leises Seufzen drang von ihren Lippen und sie rieb kurz ihre Wange an dem Kopfkissenbezug. Seit Tagen ging dies nun schon so. Und es begann ihr allmählich den letzten Nerv zu rauben. Dieses Schwert – es hatte nur Unheil gebracht. Darok schlief nicht mehr und auch sie konnte keine Ruhe mehr finden. Das Schweigen zwischen ihnen war unerträglich geworden. Nacht für Nacht lag der Krieger neben ihr im Bett, dieses grässliche Schwert umklammernd, als wäre es an ihm festgewachsen. Aber sollte sie nicht froh sein, dass er überhaupt noch in ihr gemeinsames Bett kam? Immerhin kannte sie auch andere Situationen.

Sie schlug die Bettdecke beiseite und erhob sich. Dann nahm sie ihren Morgenmantel, der an einem der Bettpfosten hing und schlüpfte in diesen hinein. Noch während sie die Binde vor ihrem Bauch festknotete, ging sie auf bloßen Füßen zu den kleinen Fenstern hinüber, die in Richtung des Hofes lagen. Als sie hinausblickte, dämmerte bereits der Morgen. Doch sie hatte kein Auge für die Schönheit des Sonnenaufganges, kein Ohr für das Singen und Tirilieren der Vögel. Ihr Blick legte sich auf den einsamen Mann, der unten in ihrem Hof stand, den Blick ins Leere gerichtet. Er wirkte alt, verletzlich und unendlich traurig. Es schnürte ihr die Kehle zu, als sie ihn so dastehen sah.

Wo war der stolze, kräftige Krieger geblieben, den sie einst kennen- und lieben gelernt und schließlich geheiratet hatte. Manchmal hatte sie das Gefühl, er war nur noch ein Schatten seiner selbst. Sie hätte ihm so gern geholfen, doch gegen das Alter war sie machtlos. Sie konnte die Zeit nicht anhalten oder gar zurückdrehen.

Und dieses vermaledeite Schwert machte alles nur noch schlimmer! Nelins Augenbrauen zogen sich steil zusammen, als sie auf das verhasste Ding in Daroks Händen starrte. Er trug es immer zu bei sich, manchmal hatte sie das Gefühl, dass er sogar leise damit sprach. Sie wagte ihn nicht darauf anzusprechen. Überhaupt hatten sie in letzter Zeit nur sehr wenig miteinander gesprochen. Und wenn sie es doch taten, dann bereitete es ihr zunehmend mehr Angst.

Darok hatte sie stets schützen wollen und aus diesem einfachen Grund, hatte er ihr so viel verschwiegen. Meistens hatte sie sich darüber aufgeregt, dass er sie, immer wieder ahnungslos zurückließ, wenn er auszog. Dass er seine Sorgen und Probleme nicht mit ihr teilte, obwohl sie ihm vielleicht hätte helfen können. Wie töricht sie doch gewesen war…

Jetzt wusste sie mehr, als ihr lieb war. Zum ersten Mal hatte Darok ihr erzählt, was es mit diesem Schwert auf sich hatte. Was er herausgefunden hatte und was es zu tun galt. Und sie konnte nicht behaupten, dass ihr nun leichter ums Herz war, da sie nun in seine Probleme eingeweiht war. Nein, viel mehr beunruhigte sie dieses Wissen, denn sie konnte ihm nicht helfen. Sie wusste nicht wie, sie fühlte sich so machtlos.

Die Augen schließend lehnte sie ihre Stirn an die kühle Fensterscheibe. Abermals erwischte sie sich bei dem Gedanken, wie sie daran dachte, fortzugehen. Sie würde Korad mitnehmen. Der Junge sollte nicht länger unter dem angespannten Verhältnis seiner Eltern leiden. Sie würde aufs Festland zurückgehen, nur für einige Zeit, bis sich die Lage entspannt hatte. Doch sie konnte nicht…

Darok brauchte sie. Auch wenn sie nicht viel für ihn tun konnte, war es doch wichtig, dass sie ihm zeigte, dass sie da war um ihn den Rücken zu stärken. Und sie würde zu ihm stehen, bei Allem, was noch kommen mochte.
Nelin Vandrak ist offline  
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Alt 25.03.2013, 13:48
#18
Darok Vandrak
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Registriert seit: 19 Apr 2005
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Die Seefahrt war schon immer beruhigend für ihn, sogar in den stürmischeren Jahreszeiten. Und je älter er wurde, umso öfter nahm er sich auch Zeit um sein Schiff hinaus auf die Wellen zu bringen.
Meist war das Ziel die abgelegenen, südlichen Inseln. Kurz unterhalb des Südkaps. Schon mit dem alten Balen Ulen haben sie dort gute Jagdbeuten erzielt. Felle von bunt gestreiften, oder nachtschwarzen Raubkatzen. Die dicke, schuppige Haut dieser spitzmäuligen, großen Echsen. Und anderem Viehzeug.
Seit der Krieg, die Hochzeit und der ganze Terz um Ihre Schwangerschaft vorbei war und nun auch die Sache mit dem roten Drecksack, hatte er auch wieder erst Zeit solche Ausflüge zu unternehmen.
Anfangs war die Beute gut, so wie er es immer von diesen im Nirgendwo sitzenden, verlassenen Inseln gewohnt war.
Aber die letzten Monde hatte sich etwas geändert.
Die Beute, sie blieb mehr und mehr aus. Die größeren Tiere der Insel wurden immer seltener und Anfangs dacht er, die Viecher wären einfach zu dämlich geworden um sich fortzupflanzen.
Bis er eines Tages durch Zufall im Dickicht einen verschossenen, Jagdpfeil entdeckte.
Ein kurzer Blick und es war klar, dass der Pfeil nicht schon seit Jahren hier lag. Er sah noch ziemlich gut aus. Hätte erst vor ein paar Wochen frisch geschnitzt worden sein können.
Nun war es klar. Irgendjemand war hier. Irgendeiner vergriff sich an der Beute. Seine Beute, verdammt nochmal!
Wochenlang brachte er damit zu, die Situation auf den Inseln zu verfolgen. Wochenlang blieben weitere, vernünftige Beutezüge aus und ließen ihn immer verbitterter werden.
Fast schon fanatisch widmete er sich seiner neuen Aufgabe die Gewässer um die Inseln zu bewachen. Nutzlose Patroulliefahrten mit dem Schiff um den gesamten Südcap absolvierte er. Er ankerte vor den Inseln und hielt Ausschau nach Schiffen. Aber immerwieder musste er abziehen und seinen Posten verlassen um zurück in die Hauptstadt zu gelangen um seine eigentliche Aufgabe als Waffenmeister und Krieger aufzunehmen. Und so gab es immer wieder Lücken, wo dieser Drecksack durchschlüpfen konnte.
Alles half nichts. Kein altes Schwein hatte er gesehen.
Bis er eines Tages, schon etwas resigniert wieder zu den Inseln fuhr und ein Schiff dort ankerte.
Mutterseelenallein und genau vor der südlichsten Insel.
Jetzt hatte er ihn. Jetzt ging es los.
Absurde Rachegedanken, für eine eigentlich harmlose Geschichte jagten durch seinen Kopf und er malte sich schon aus, was er mit dem Eigentümer des Schiffes machen würde, wenn er ihn auf der Insel aus irgend einem stinkenden Busch rauszerren würde.
Und jener hatte wohl Glück, dass er entweder nicht da war oder sich erfolgreich vor dem vor Zorn grunzenden Darok verstecken konnte, als dieser mit dem Schwert in der Hand über die Insel wütete und jegliches Unterholz durchforstet hat.
Aber es gab noch eine Sache, die man machen konnte. Wenn man dem Banditen schon nicht habhaft wurde. Sein Schiff.
Das würde dran glauben müssen.
Der alte Krieger hatte die Fackel schon in der Hand und die eiserne Absicht es einfach abzufackeln wie eine Kerze.
Doch vielleicht war es besser es nicht zu tun und noch irgendwie herauszufinden, wem der Kahn gehört. Obwohl es ihm der Gedanke gefiel, dass der kleine Mistsack sich hier irgendwo verstecken könnte und dann ohne das Schiff hier verfaulen würde.

Aber das würde sicher nur später Ärger geben. Vermutlich war es irgendwer, den man kannte. Der dann vermisst würde und am Schluss gäbe es dann nur wieder unnütze Aufregung.
Dennoch sollte dieser windige, beute stehlende Harlunke nicht ganz ungeschoren davon kommen.
Und der alte, rachsüchtige Mann machte sich an die Arbeit.
Mit einem Enterspieß von seinem Schiff angelte er die Bordplanke des zu kapernden Schiffes und stapfte an Deck. Dann seelenruhig und akribisch zerschlitzte er das Hauptsegel. Es dabei Stück für Stück hissend und immer wieder senkrechte Schnitte im Abstand von ungefähr einem halben Meter zu setzen, bis das ganze Segel gehisst und vollkommen nutzlos wie eine Vorhang Girlande im Wind flatterte.
Auch kritzelte er noch eine Nachricht auf ein Stück Pergament und befestigte es mit einem Tau am Steuerrad, auf der folgendes stand.

"Das ist meine Insel und meine Beute. Seh ich den Dreckskahn hier jemals wieder, wird er brennen!"

Mit einer Axt Köpfte er den Drachenkopf am Bug und als er wieder über die Planke an Land zurückbalancierte, stieß er jene noch mit einem kräftigen tritt ins Meer und beobachtete noch kurz, wie die Bordplanke langsam auf die offene See abdriftete.
Das war schon mal die halbe Miete. Ein Stück Genugtuung.
Den Namen von dem Kahn wusste er auch.
Es war Zeit in den Hafen von Britain einzulaufen.
Die Seegurke war sicher schon einmal dort. Und dann würde der Hafenmeister wissen, wer die Docks über die Planke die gerade weiter und weiter hinaus aufs Meer trieb betreten hatte.
Ja, es war Zeit heim zu fahren.
Darok Vandrak ist offline  
Geändert von Darok Vandrak (25.03.2013 um 13:54 Uhr).
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Alt 25.03.2013, 22:29
#19
Alrik Eynar
Spieler, Mensch
 
Registriert seit: 10 May 2004
Beiträge: 562
Das Schiff lag in ruhigem Wasser am Nordrand der Insel, die Sonne stand schon eine Weile am Himmel. Allmählich näherte sich ein Geräusch, schwere Stiefel, die durch kniehohes Gras pflügten, dürre Äste, die darunter brachen. Das Geräusch schwoll an und verebbte schließlich, als der Krieger, bepackt mit seiner Bewaffnung und seiner Jagdbeute, aus dem Dickicht brach, das den schmalen Küstenstreifen vom dichten Wald trennte. Seine Schritte führten ihn zielstrebig zum Ankerplatz seines Bootes als ihn jäh ein Schreck durchfuhr, der ihn erstarren ließ und dazu führte, dass er seine Last achtlos in den Dreck warf. Ungläubig und mit schierem Zorn im Blick stierte er auf sein lädiertes Schiff: Das Segel hing in Fetzen, obwohl es keinen Sturm gegeben hatte und der Bug sah mit seinem Schaden auch nicht aus, als hätte ein anderes Schiff ihn gerammt. Hier war offenbar jemand am Werk gewesen, der sein Boot unbrauchbar machen wollte und ihn auf dieser Insel festsetzen wollte! Mit diesem Segel würde er keine bewohnte Insel in der Nähe erreichen können.
Nachdem er wieder einen klaren Gedanken fassen konnte, machte er sich ans Werk: Mit seiner Handaxt fällte er einen kleinen Baum und nutze dessen Stamm, um an Deck zu gelangen. Sofort riss er die Luke auf. Glück im Unglück, die Ladung war unangetastet geblieben.
Während er das Deck inspizierte und dabei mit verkniffener Miene am Mast hinauf zu dem zerfetzten Segel blickte, gelangte Alrik schließlich ans Heck des Schiffs und fand die dort für ihn hinterlassene Nachricht.
Er las die wenigen Worte, riss den Wisch danach von Steuerrad und zerknüllte ihn so in seiner Faust, dass seine Fingerknöchel weiß anliefen.
Seine Augen suchten den Horizont ab, fanden aber kein anderes Boot, das in Sichtweite in diesen Gewässer kreuzte.
Einen Augenblick verharrte er regungslos, dann schien er einen Plan gefasst zu haben: Er packte in Windeseile alles von Wert zusammen, verschnürte es zu einem Bündel und ging wieder von Bord, verschwand im Dickicht des Dschungels. Kurz darauf erschien er wieder, um vom Schiff seine restliche Bewaffnung zu holen. Abschließend zerrte er den gefällten Baum, der ihm als Planke gedient hatte, ebenfalls ins Unterholz und verbarg ihn dort so gut es ging.
"Du wirst wiederkommen...." murmelte er halblaut, während er aus dem Schatten der hohen Bäume am Waldrand heraus mit zusammengekniffenen Augen das Meer absuchte. Und es war nicht nur eine Vermutung.

Es war eine Drohung.
Alrik Eynar ist offline  
Geändert von Alrik Eynar (26.03.2013 um 12:22 Uhr).
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Alt 28.03.2013, 20:25
#20
Alrik Eynar
Spieler, Mensch
 
Registriert seit: 10 May 2004
Beiträge: 562
Ein paar Tage hatte er nun ausgeharrt. Vor allem den nördlichen Horizont hatte er die ganze Nacht über im Blick behalten während der Mond für gute Sicht sorgte. Aber es näherte sich kein Schiff. Umsonst hatte er sich verborgen und den Kampf vorbereitet, nachts kein Feuer gemacht, tagsüber Lichtungen und den Küstenstreifen gemieden. Seine Wut war verraucht, seine Hoffnung, aus diesem Schlamassel mit einem zweiten Schiff als Beute triumphierend heimzukehren, war schierer Resignation gewichen.
Verhungern musste er hier sicher nicht, aber seine Vorräte an Trinkwasser gingen zur Neige. Also musste er in den sauren Apfel beißen und versuchen, sein Schiff einigermaßen seetauglich zu machen, um zumindest irgendwo an der Hauptinsel anlanden zu können.
Der beschädigte Bug war allenfalls ein Makel, und der Eindruck, den das Schiff machen sollte, war jetzt zweitrangig. Die Hauptsorge galt dem Segel. Alrik musste mit dem kargen Bestand an Werkzeug und Garn versuchen, aus den Fetzen wieder ein halbwegs brauchbares Segel zu machen, wenn auch zerlöchert und nicht mehr in voller Größe.
Und das Wetter musste halten. Einen Sturm konnte er dann nicht gebrauchen, wenn er schon mit einem so angeschlagenen Kahn in See stach.

Es half alles nichts. Er wartete die Morgendämmerung ab und machte sich an die Arbeit....
Alrik Eynar ist offline  
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Alt 31.01.2014, 10:55
#21
Darok Vandrak
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Wieviel Zeit nun hinter ihm lag, seit seiner Verhaftung konnte er selbst nicht mehr so genau sagen. Die Ödniss des beharrlichen Vergessens war wie eine schwere Wolldecke, die man über ein eh schon halb ersticktes Feuer geworfen hatte. Die letzten Flammen züngelten um ihr Fortbestehen, hatten aber im Grunde nicht die geringste Chance und übrig bleiben würde nur eine Wolke stinkenden Rauchs. Höchstens noch im Stande irgendwem ein Husten abzuringen.
Es war schon erbärmlich was er zustande gebracht hatte in den letzten Jahren. Die Tage in denen er vollkommen nüchtern gewesen war konnte man an drei-vier Händen abzählen. Es schien fast, als wären die großen und goldenen Zeiten vorbei.
Der falsche Adel war zwar an den Galgen gebracht oder zerschlagen worden, doch hatte er nicht ein einziges mal sein Schwert dabei gezogen. Hatte eine billige Hure auf den hochpolierten Gockel angesetzt und ihn wie ein Schulkind bei seiner baldigen Gattin verpetzt.
Diese Geschichte könnte man von einem pockenzerfressenen Hofknilch erwarten, aber doch nicht von einem Krieger seines Standes.
Und einen Orden hatte man ihm dafür auch noch gegeben.
Irgendwie passte das alles ganz und garnicht in das Weltbild des alten Mannes.
Wenigstens hat die Dirne die ihm so gut als Lockvogel gedient hatte schon den Löffel gereicht. So konnte ein wenig Gras darüber wachsen.
Nicht das er ihr den Tod gegönnt hätte. Sie war doch eben nur ein kleines Mädchen, dass von Größerem träumte und zufällig dazwischen kam wie eine Nußschale die als Puffer zwischen zwei Dreimastern fungieren sollte bei schwerem Seegang.
Um dem ganzen aber noch die Krone aufzusetzen hatte er was veranstaltet, was ihm wirklich den Kopf kosten sollte. Zumindest würde er so Recht sprechen, wenn er in einem Gericht das Urteil über sich selbst fällen müsste.
Einerseits eine reizvolle Geschichte, andererseits ein Anflug von kompletter Schwachsinnigkeit.
Er konnte sich nichtmal mehr erinnern, wieso er es überhaupt getan hat. Aus Langeweile oder fehlender Anerkennung?
Vermutlich lag es daran, dass Sie ihn verlassen hatte. Manchmal kam er sich vor wie ein alter Stiefel, der im Matsch stecken geblieben war und für dessen Wert es sich nicht lohnen würde ein paar Schritte zurück in die Matschgrube zu laufen und ihn herauszuziehen.
Lieber würde man sich in der nächsten Stadt ein neues Paar kaufen. Die würden wenigstens wieder glänzen.
Aber wem sollte er denn sowas erzählen. Es gab keine Möglichkeit soetwas wie Gefühle zu zeigen in der Welt, die er für sich selbst erschaffen hatte. Gefühlsduseliges Gerede war nur was für Weiber.
Aber langsam suchten ihn immer wieder die Zweifel heim, die von solchen Gedanken herrühren. Langsam könnte man behaupten er wurde tatsächlich weich.
Ein ekelhafter Gedanke.
So konnte es allemal nicht weitergehen.
Die Hoffnung galt nun dem Oberst und dessen Aufgaben. Jener alte, scheinbar unfehlbare Kerl hatte ihn zumindest noch nie im Stich gelassen. War immer da, wenn der Mist immer größer wurde.

Und die Gedanken musste er beisammen halten. Die immer löchriger werdenden Erinnerungen kamen sicherlich auch von der ganzen Sauferei.
Aber wer hielt das denn Alles noch ohne ein paar Bier überhaupt aus.
Vielleicht den Schnaps weglassen. Das sollte schonmal ein Anfang sein.

Abwarten und dem Oberst endlich wieder einmal was zurückgeben. Vielleicht war das Schicksal gändig mit ihm und er konnte mit einem letzten, großen Knall abdanken. Am besten in der Schlacht.

Die ganzen Gedanken kreisten wie fehlgeleitete Flugobjekte auf schiefen Bahnen durch den immer seniler werdenden Verstand des alten Kriegers. Doch die Gewissheit blieb.

Mit der Herzogin zu schlafen war eine miserable Idee.
Darok Vandrak ist offline  
Geändert von Darok Vandrak (31.01.2014 um 10:56 Uhr).
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Alt 05.03.2014, 23:48
#22
Darok Vandrak
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Und dann kam der Krieg.
Darok Vandrak ist offline  
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Alt 26.04.2015, 21:44
Provokation
#23
Darok Vandrak
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Es ist Nacht und in der alten Südfeste schlägt sich der Winter eher milde nieder. Wie es schon immer war. Doch werden sie träger sein, als zuvor.
Schwächer und nicht so Aufmerksam. Diese Männer kommen aus dem Süden. Vermutlich ein großer Teil von ihnen. Sie sind es nicht gewohnt...

Wenn doch?

Zeit es raus zu finden!

Schweren Schrittes stapft der alte Krieger durch das Chaos seines einstigen Heimes. Chaos. Das war eigentlich ein Zustand den er kannte. Eine Begebenheit, der er stets wohlgesonnen entgegen stand. Nur jetzt war es zermarternd.
Für seine neue Ankunft zuviel. Viel zuviel.
Vielleicht war es das Alter. Dieser unsägliche Frieden, der ihn schon einmal hinaus getrieben hatte um von Untätigkeit zu entfliehen.

Es war auf jeden Fall wie verhext.

Männer die vor dem kleinsten Leid zerbrechen wie dünne Zweige. Furcht, Ratlosigkeit und Untätigkeit.

Diese Untätigkeit.

Es wäre ein Frevel an die Götter es nicht zu tun. Etwas zu unternehmen.
Es war an der Zeit wieder Flagge zu bekennen.

Der Morgen graute erst schwach. Es war die perfekte Zeit. Stunden würden vergehen, bis er in den Süden kommen würde. Stunden würden vergehen, bis es wirklich hell werden würde.

Doch der Fluch Loricas, für seine Untätigkeit plagt den alten Krieger schwer. Das Banner hoch erhoben, an den Grenzen Aldfurs. Doch konnte er nur erahnen, ob sie ihn in dem schwachen Licht der aufgehenden Sonne sehen konnten.

Aber wenn sie ihn nicht sehen, dann sollen sie ihn hören.

Die Kampfesschreie schallten laut über die Hügelkuppen hinab. Über den Sumpf hinweg bis an das Gebirge im Süden.

Eine Standarte hoch auf dem Spieß getragen. Breit wie ein Mann ritt er den Hügelkamm entlang und schrie die Worte seiner Herrin.

Jetzt war es an dem Feind etwas zu tun. Dem Abschaum Aldfurs. Alten Kameraden. Und diesem Prinzen. Der letztere hatte es so gewollt.

Und so sehen die Grenztruppen Aldfurs ein gewaltiges, schwarz-rotes Banner mit einem blutroten Schwert in der Mitte, in einer gewissen Ferne von einem Reiter getragen. Lautes Gebrüll und die Anrufung der Schlachtengöttin sind auch auf die weite Entfernung zu hören.
Darok Vandrak ist offline  
Geändert von Darok Vandrak (26.04.2015 um 21:51 Uhr).
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