02.04.2012, 09:02 |
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Reisender
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14 Ronox (Herbst) 1307 Gedankenverloren saß die junge Frau im Schneidersitz auf ihrem Esstisch um in gemütlicher Sitzposition aus dem Fenster zu schauen. Trotz Herbstregens hatte sie das eine Fenster weit offen stehen. Diese Luft tat einfach gut! Kalt, lebendig und vielsagend roch sie – vermischt mit dem Geruch des Regens auf gelbbraunem Laub. Die herbstbraunen Locken hoben sich ab und zu von ihren Schultern an, wenn eine kecke Windböe den Akt vollbrachte, sich durch das kleine Fenster zu winden. Lächelnd schloss sie ihre blauen Augen und konnte einen gewissen – „leis-jauchzenden“ – Laut nicht unterdrücken. Endlich war sie angekommen. Endlich hatte sie all die Zeit überstanden, überlebt, sie hatte vollbracht – was sie vollbringen konnte. Die nun gut 13 Jahre in der königlichen Schneiderschule hatte sie… tatsächlich mit einem sehr guten Abschluss absolviert. Sie war erst fünf Jahre alt gewesen als ihre Tante sie der Schneiderschule übergab. Ihre Eltern waren bei einem Kutschunfall mit folgendem tragisch-langem Verletzungsweg ums Leben gekommen. Tante Elisa konnte nicht viel mit dem kleinen, braunlockigen Kind anfangen. Da sie das Kind aber eigentlich liebte, und die Familie recht wohlhabend war, hielt sie es für eine sehr gute Idee, das Mädchen in die Obhut der königlichen Schneiderschule zu übergeben. So musste sie sich nicht aktiv um das Mädchen kümmern und konnte doch zufrieden einschlafen, da sie dem Mädchen etwas Gutes getan hatte. Nun war aus dem kleinen, ungeschickten Tollpatsch eine erwachsene, junge Frau geworden. Eine Frau, die sich in der Kindheit und Jugend sehr oft bei den Mitschülern beweisen musste. Die das Gefühl einer „liebenden Familie“ nicht kannte – und auch gar nicht kennen lernen wollte. Sie war zufrieden mit dem was sie hatte – ihr Handwerk. Vielleicht aus eben diesem Grunde – das ihr Handwerk, die Schneiderei, ihr komplettes Leben ausfüllte, war sie als Jahzehntsbeste von der Schule gegangen. Sie hatte viele Angebote aus den feinsten Häusern erhalten um dort als Hausschneiderin zu arbeiten. Eine sehr gemütliche Tätigkeit – gab es doch nur Etwas zu tun, wenn die Hauseigenen etwas Neues brauchten. Doch langweilte der bloße Gedanke Paulina. Nein…, sie _wollte_ weiterlernen, sie _wollte_ sich anstrengen, sie _wollte_ kämpfen und sie _wollte_ neu anfangen. In der Schule selbst hatte jeder gewusst, dass sie die arme Waise war – die Streberin, die eine Zeit lang nach der Liebe der Lehrer und Betreuer lechzte. Hier – weit entfernt der Heimat, kannte sie _keiner_. Sie war eine „normale“ 19-jährige Frau, die nun eine kleine Schneiderstube eröffnet hatte. Eine gute Schneiderin (vielleicht für ihr Alter zu gut…) aber eben doch eine „normale Frau“. Das ist es, was Paulina wollte. Nun würde die Zeit zeigen, wie sich alles entwickeln würde. Kunden hatte sie genug – ein Ritter hatte ihr zwar gesagt, dass es hier zu Hauf gute Schneider gibt – doch hatten die Kunden wohl kein Interesse, zu Diesen zu gehen. Nun- ihr war das natürlich recht! Noch in Gedanken erhob Paulina sich vom Tisch um das Fenster zu schließen. Verträumten Blickes legte sie sich auf ihre Schlafmatte nieder, deckte sich ordentlich zu und schloss tief einatmend die Augen um in die Traumwelt zu entfleuchen. |
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