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Alt 07.02.2003, 16:34
"Nachtgedanken und Strandgut"
#1
Shai
Gast
 
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Lange saß sie an dem Abend auf einem alten Baumstamm und sann nach, drehte die halbleere Aleflasche in ihren Händen. Viele Monde waren vergangen, als sie die Mitteilung ihrer Zwillingsschwester Cara erhielt. Diese hatte gemeinsam mit ihrem Gatten Devier und dem gemeinsamen Sohn Samiel das Schiff bestiegen, dass sie nach Britain bringen sollte und Shai selbst hatte nicht gezögert ihren Seesack zu packen. Die Aussicht auf eine Reise und vor allem endlich wieder das Meer zu fühlen, das Wogen der Planken unter ihren Füssen, hatten sie aus dem täglichen Einerlei gerissen.

Meist stand sie eh spät auf, ließ sich mit Kaffee vollaufen, bis der Kopf soweit klar war, dass sie wusste wo sie sich befand und gegen Abend füllte sie sich mit Grog wieder ab. Die bohrenden Schmerzen in ihrer Schläfe, die sie nun immer häufiger seit dem Tag ihrer Flucht quälten, konnte sie so wenigstens für kurze Zeit vergessen und es erinnerte sie vieles an ihrer Zeit als sie angeheuert hatte um in den vielen fremden Häfen nach ihrer Schwester zu suchen.

‚Wie lange war das her?’ Sie wusste es nicht mehr, einige Sommer waren wohl vergangen. Ihre Kindheit war schön und ausgelassen gewesen, sie und Cara waren schon damals recht wild und brachten sich oft in verzwickte Situationen, doch ihr absolut gleiches Aussehen und ihrer beiden oft freches Mundwerk half ihnen ebenso wieder aus dem Schlamassel heraus. Bis dieser Tag kam, der sich in ihrer beider Seele gebrannt hatte, ihr Leben völlig veränderte.

Das hübsche Zwillingspaar wurde ihren Eltern entrissen, gefangen genommen, weil sie gut aussehend von Gestalt und Angesicht waren, weil sie ein hübsches Paar abgaben für die reichen Mächtigen. Nur ein willkommenes Spielzeug für die Reitergesellschaft, Männer, die sich nahmen, was sie sahen und sich nicht scheuten, den elterlichen Hof abzubrennen und die Eltern im Blut liegen zu lassen.

Cara wurde von ihr getrennt und Shai gelang damals die Flucht am Hafen, doch die kleine sichelförmige Narbe an ihrer Schläfe und die immer heftiger werdenden Kopfschmerzen erinnerten sie täglich daran. Erst nach langer Zeit fand sie eine Spur, in jedem Hafen fragte sie nach Hinweisen über Cara, doch tief in ihrem Inneren fühlte sie es, das Zwillingsband, das sie immer wissen lies, dass Cara noch lebte. Irgendwo ... und sie hatte sie damals gefunden. Doch zwischen ihnen tat sich eine deutliche Kluft auf, ihre Wege waren nicht mehr dieselben, zu lange waren sie getrennt gewesen, unterschiedliche Schicksale und Wege taten sich auf. Auch wenn die Gefühle für einander blieben, wenn sie nach außen ihre oft sehr ruppige Art zeigten. Alles ein Schutzschild, damit keiner hinter diese errichteten Mauern blicken konnten. Nur ihrem Schwager Devier war es gelungen, die Bande dahinter zu erahnen, die diese beiden äußerlich so gleichen Frauen verknüpften, die sich mit Vorliebe Beschimpfungen an den Kopf warfen.

Nun waren sie in Britain gelandet, einer großen und fremden Stadt. Der Pulsschlag war hier anders, das wurde ihr recht bald bewusst. Sie kannte sich nirgends aus und verlief sich ständig in den verzweigten Gassen. Auch an das seltsame Verhalten von Cara und Devier musste sie sich gewöhnen, doch bald verstand sie, warum sie sich hier nach außen anders geben mussten.
Auch sie musste lernen ihre oft deftigen Flüche zu unterdrücken und sich an das neue Umfeld zu gewöhnen. ‚Obwohl, die stinkenden Untoten auf den Friedhöfen bekamen sie schon regelmäßig zu hören’, ein amüsiertes Schmunzeln umspielte ihre Lippen bei diesem Gedanken.

Das Einzige was ihr fehlte, waren der Kaffee und Grog, doch dafür gab es andere Getränke, denen sie zusprechen konnte um den Schmerz hinter ihrer Schläfe zu betäuben, sie konnte erneut in den Tag hineinleiben, wie sie es gewohnt war.

Doch der vergangene Tag zeigte ihr, dass sie hier doch achtsamer sein musste. Zunächst war sie amüsiert als sie das „Strandgut“ auflas, einen Mann, dessen Reise nach Britain von den Seeleuten des Seelenverkäufers etwas „beschleunigt“ verlief, in dem er kurzerhand über Bord geworfen wurde. Ohne sein Hab und Gut natürlich, wie konnte es auch anders sein? Er saß vor ihr im Sand, als sie nach Angelködern suchte und rang mit dem Schicksal, welches ihn nur in zerrissenem Hemd und Hose, völlig durchnässt hier anspülte. Sie wusste, wie derb Seeleute oft mit Passagieren umgingen, daher konnte sie sich ein Gefühl des Mitleids nicht verkneifen. Ob dabei sein, doch recht ansehnlicher Hintern in der engen, nassen Hose eine Rolle spielte, vermochte sie nicht so genau zu sagen.

Als sie dann jedoch auf dem Weg von der Schneiderei zur Taverne noch von Wegelagerern überfallen wurden, wurde auch noch sein letztes Hemd von zwei Halsabschneidern geraubt. Diese waren dreist genug ihre Schurkenstückchen inmitten der Stadt zu begehen, doch dumm genug um nicht zu bemerken, dass sie hier nur einen alten Putzlumpen ergaunern konnten.

Sie hatte eine ihrer seltenen Anwandlung und half diesem Fremden, der trotz der Rückschläge innerlich nicht zum Bettler wurde mit einigen Goldstücken für eine Unterkunft und Kleinigkeiten aus. Doch nach dem Bad und einigen ordentlichen Kleiderstücken, erkannte sie ihn kaum wieder. Ihr Strandgut, wie sie ihn nannte, entpuppte sich zu einem Mann, bei dem man zweimal hinsah.

Als sie kurze Zeit später ihren Schwager in der „goldenen Ente“ antraf, machte sie ihn mit dem Fremden namens Caine bekannt, so bekam er auch hier guten Rat und ein, wohl für Magier wichtiges, seltsames Buch dessen Bedeutung sie eh nicht kannte.

So hatte auch dieser Tag hier ein Ende gefunden. Während sie sich nach einer ruhigen Stelle zum Schlafen umsah, rieb sie sich in der, ihr gewohnten Weise, kreisend die Schläfe. Dadurch wurde das Pochen dahinter etwas erträglicher, nach einem letzten Schluck aus der Flasche, um ihn noch weiter zu betäuben, hieß sie den Schlaf willkommen.
 
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