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Alt 09.09.2016, 14:58
Da, wo das Herz zuhaus ist
#1
Nelin Vandrak
Reisender
 
Registriert seit: 22 Jul 2010
Beiträge: 238
Heute war wieder einer dieser Tage, an dem die Arbeit kein Ende nehmen wollte. Zusätzlich zum normalen Tagesgeschäft hatten sie heute auch eine Hochzeitsgesellschaft bewirtet. Es war eine schöne Feier gewesen. Das junge Paar hatte so glücklich miteinander ausgesehen. So verliebt. Unter gutmütigem Gelächter, Schulterklopfen und anzüglichen Witzen hatte es in den frühen Morgenstunden das Gasthaus verlassen; der Rest der Gesellschaft war nur ein paar Minuten später aufgebrochen. Nur Sie war zurück geblieben. Aber Sie gehörte auch nicht zu den geladenen Gästen. Ihr Platz war hier in der Küche, hinter Herd und Spüle. Hier im Gasthaus half Sie aus, verdiente sich Lohn und Unterkunft.

Die Ärmel ihrer Bluse bis über die Ellbogen hochgekrempelt und das lockige, hellblonde Haar mit einem roten, samtenen Haarband gebändigt und zu einem Zopf hochgebunden, stand Sie am Spülbecken, die Hände ins Wasser getaucht, und erledigte den Abwasch. Sie spürte bereits das Ziehen in ihren Schultern. Die leicht nach vorn geneigte Haltung, die sie nun schon seit gefühlten Stunden einnahm, strapazierte Muskeln und Sehnen. Und doch war noch kein Ende in Sicht. Während die Sonne sich am Horizont durch ein golden leuchtendes Band ankündigte und der Hahn den Misthaufen erklomm um sein morgendliches schrilles Konzert anzustimmen, ging Sie noch immer ihrer Arbeit nach, so wie sie es seit vielen Jahren gewohnt war.

„Nelin, mein Mädchen.“ Orik, der alte Inhaber des Gasthauses, war in der Küche erschienen. Sie musste immer ein wenig Schmunzeln, wenn er Sie so nannte. Sie war vieles, doch mit Ende 30 gewiss kein junges Mädchen mehr. Und doch beharrte er auf diese Anrede. Vielleicht lag es daran, dass er sie als solches kennengelernt hatte. Ein Mädchen – nein, eine junge Frau – vor vielen Jahren, mit einem kleinen Sohn. Verzweifelt war sie damals gewesen. Hatte nicht gewusst, wo sie hin sollte. Allein, in einer fremden Stadt, mit wenigen Ersparnissen und einem kleinen Kind, welches Sie versorgen musste. Orik kennenzulernen war wie ein Gewinn in der Lotterie. Er hatte ihr ein Zimmer in seiner Gaststube unter dem Dach zugeteilt, welches Sie noch heute bewohnte. Hatte ihr Arbeit gegeben und sich gut um ihren Sohn und um Sie gekümmert. Nur ihr Herz hatte er, trotz seiner Versuche, nie erobern können. Denn ihr Herz war nicht mehr in ihrem Besitz. Es gehörte voll und ganz ihren beiden Männern. Dem Kleinen und dem Großen.

„Nelin, mein Mädchen,“ sprach er erneut und riss Sie so aus ihren Erinnerungen zurück in die Gegenwart. Mit müden Augen sah Sie ihn an. „Hast du die ganze Nacht durchgearbeitet?“ Ihr Blick glitt stumm rüber zu dem Berg an Geschirr, welches frisch gespült und sauber und ordentlich aufgestapelt war. Ein kleinerer Berg stand auf der anderen Seite des Spülbeckens, siffig und verdreckt. „Ich wollte nur noch den Abwasch erledigen.“ Plötzlich fühlte Sie sich unendlich müde – und alt. Orik schüttelte nur entschieden den Kopf. „Das kann auch Emilia erledigen. Sie tritt gleich ihre Schicht an.“ Mit diesen Worten nahm er ihr den Teller aus den Händen und stellte ihn zurück auf den dreckigen Stapel. „Ich habe hier noch etwas für dich. Es wurde gestern Abend für dich abgegeben.“ Mit diesen Worten reichte er ihr drei Briefe; zu einem Packen verschnürt.

Ein wenig verwundert trocknete Sie sich die Hände an ihrer Schürze. Briefe? Für Sie? Sie bekam nie Briefe und jetzt sollten es gleich drei auf einmal sein? Wer sollte ihr schon schreiben? Doch die Erkenntnis traf sie wie ein Blitz, ließ sie zusammenzucken. Wie vom Donner gerührt sah sie den Alten an. Korad! Eilig schnappte sie ihm die Briefe aus der Hand, sah auf den oberen und als sie sogleich die Sonntagsschrift ihres Jungen erkannte, waren die zwei weiteren Briefe schon vergessen. „Er ist von Korad,“ sprach sie leise vor sich hin, dann wiederholt sie den Namen. Ließ ihn sich wie eine süße Nachspeise auf der Zunge zergehen. Ihre Hände begannen leicht zu zittern und als sie zu Orik aufsah, standen ihr Tränen in den hellblauen Augen. „Tut mir leid, dass ich sie dir erst jetzt gebe…“ – er unterbrach sich – „geh, lies sie in aller Ruhe.“ Mit einem wortlosen Nicken verabschiedete Sie sich, verließ die Küche und schritt den Korridor entlang, der Sie bis zur Treppe führte, die Sie hinauf stieg um in ihr Zimmer zu gelangen. Es war eine einfache Stube mit eben solcher Ausstattung. Eine Waschecke, ein Tisch mit zwei Stühlen, ein Schrank, zwei Betten. Mit Liebe zum Detail hatte Sie diesem Ort etwas Heimeliges gegeben. Frische Blumen auf dem Tisch, Vorhänge an den Fenstern, Platzdeckchen, ein bunter Flickenteppich. Sie legte die Briefe auf dem Tisch ab. Dann zog Sie sich einen Stuhl heran und nahm Platz.

Geschickt löste sie mit den Fingern den Knoten der Schnur, die die drei Briefe zusammen hielt. Als sie Korads Brief in Händen hielt, drehte und wendete sie den Umschlag hin und her. Roch gar kurz daran. Vorsichtig, als könnte sie bei einer falschen Bewegung den Inhalt zerstören, öffnete sie den Umschlag und holte den eigentlichen Brief heraus. Mit leicht geöffneten Lippen wanderte ihr Blick die schöngeschriebenen Zeilen entlang. Ein Lächeln zierte ihre Mundwinkel, Augenblicke später zog sie die Augenbrauen zusammen und blickte leicht zweifelnd drein. „Ich vermisse dich auch, mein Herz“, flüsterte sie, als sie den Brief beendet hatte. Dann lass sie ihn nochmal… und nochmal. Sie stellte sich vor, wie Korad an einem Tisch saß. Den Blick hochkonzentriert und wie er sich bemühte, jeden Buchstaben sauber und ordentlich auf Papier zu bringen. Er konnte gut schreiben, aber meistens neigte er dazu zu schlunzen. Dann sahen die Buchstaben aus wie hingeschmiert. Nicht jedoch bei diesem Brief. Sie war stolz auf ihren Sohn. Wehmut ergriff sie, als sie an ihn dachte. Wie gerne würde sie ihn wieder bei sich wissen.

Nachdem sie Korads Brief zum zehnten Mal gelesen hatte, glitt ihr Blick zu den restlichen zwei Briefen hin. Diese hatte sie beinahe vergessen. Sie lehnte sich vor, griff nach dem zweiten, öffnete ihn und sah direkt auf die Unterschrift. Lydia Schimadt. Dieser Name war ihr völlig unbekannt. Ob es sich dabei um die von Korad erwähnte Reisebegleiterin handelte? Sie zuckte kurz zusammen. Hatte der Junge irgendwelchen Unfug angestellt, von dem er sich nicht zu schreiben traute? Ihr Blick glitt nach oben, zum Anfang des Briefes.

Sie las den ersten Absatz, dann stieß sie einen erstickten Laut aus und der Brief segelte ihr aus der Hand, schwebte dem Teppich entgegen und blieb in einem halben Schritt Entfernung liegen. Mit klopfenden Herzen sah sie das Schreiben aus der Distanz an. Hatte sie das gerade richtig gelesen? Ihr Gemahl hatte die Knappin gebeten ihr ein persönliches Schreiben zu senden? Ihr Darok? Sie presste die Lippen aufeinander. Wie oft hatte Sie diesen Tag herbei gesehnt und gleichzeitig gefürchtet. Wie dumm war Sie gewesen, als Sie davon gehört hatte, dass er nach Gurdan gekommen war und auf der Suche nach seinem Sohn war. Das war nun… vier Jahre her? In einer Nacht- und Nebelaktion hatte Sie damals ihre Sachen zusammengerafft. Orik erklärt, sie müsse ihren Dienst quittieren. Dann war Sie mit Korad geflohen. Wovor? Sie fand selbst keine Antwort auf diese Art von Fragen. Vor Darok, ja, aber warum? Hatte Sie Angst gehabt, er würde ihr Korad wegnehmen? – Ja! Aber dabei war Sie doch diejenige gewesen, die ihm seinen Sohn als Erste entzogen hatte. Die einfach aufgebrochen war, nachdem er so lange Zeit in irgendwelchen Kriegen und Kämpfen verbracht hatte. Verschollen auf dem Festland. Sie ahnte um die Wunde, die Sie ihn damit geschlagen hatte. Tief und entzündlich. Ein Schmerz, der nicht verging und immer weiter vor sich hin schwelte. Aus dem Krieg hatte Er viele Narben und Wunden davon getragen, doch die schreckliste seiner Wunden, trug ihre Handschrift.

Sie lehnte sich vor, griff mit zitternden Händen nach Lydias Brief. Ihre Augen glitten die letzten Zeilen entlang, ohne dass sie die Botschaft dahinter richtig verarbeiten konnte. Dann fiel ihr Blick auf den letzten Brief. Daroks Brief.

Das Herz schlug ihr weiter schnell und kräftig in der Brust. Ein Kloß hatte sich in ihrem Hals gebildet. Zögernd streckte sie die Finger nach Seinem Brief aus. Doch kurz bevor ihre Fingerspitzen den Umschlag berührten zuckte Sie zurück. Wollte sie diesen Brief überhaupt lesen? Was würde darin stehen? Die Kenntnis um den Inhalt des Briefes würde wohlmöglich alles verändern. Wollte sie diese Veränderung? Ganz gleich ob sie gut oder schlecht war? Sie stand von ihrem Platz auf, ging unruhig in der Stube auf und ab. Dann trat sie an das Fenster und blickte in den erwachenden Morgen.

Sie traute sich nicht zurück zu sehen. Der Brief, der hinter ihrem Rücken auf dem Tisch lag, strahlte eine solche körperliche Präsenz aus, dass sie fast das Gefühl hatte, Darok höchstpersönlich würde hinter ihr stehen. Sie schloss die Augen und wankte etwas vor und zurück. Ihre Schwäche war der Müdigkeit geschuldet. Sie war die ganze Nacht auf den Beinen gewesen. Das sagte ihr Kopf. Doch ihr Herz wusste es besser. Wusste, dass sie sich in dem Moment, in dem Darok hinter ihr stehen würde, sich an ihn lehnen wollte. So wie einst in seinem Turm. Als er sie um das Geheimnis seinen Schwertes einwies. Die Klinge, die zu singen begann, wenn ihr Herr das Heft berührte. Fast 20 Jahre war das nun her…

Wie dumm Sie doch gewesen war. Sie hatte alles gehabt. Eine Familie, Freunde, ein schönes Haus in der Nordmark, eine Anstellung als Burgdame beim Greifenbund. Jetzt stand sie wieder ganz am Anfang. Sie hatte doch gewusst, wen Sie da heiraten würde. Einen waschechten Krieger. Eine vom Aussterben bedrohte Art, wenn Sie an die ganzen Jungspunde zurückdachte, die Sie durch Darok kennengelernt hatte. Und Sie hatte sich das prächtigste Exemplar von allen geangelt! Trotzdem war Sie sehr verletzt und verzweifelt gewesen, als er auszog in den Krieg. In ihrer Wunschwelt hatte Sie es sich wohl zurecht gelegt, dass er das Schwert an den Nagel hängen und bei seinem Sohn und ihr bleiben würde. Doch die Bindung zwischen ihm und Lorica währte bereits länger als die Bindung zwischen Ihm und Ihr.

Also war sie weggelaufen. Hatte ihm das Kostbarste geraubt, was er auf dieser Welt hatte. Und Sie hatte nicht den Mut gehabt ihm gegenüber zu treten, als er Sie suchte und ihr so nah auf den Fersen war. Nein, mutig war sie noch nie gewesen. Stattdessen war sie geflohen. Drei Jahre lang hatte Sie alle paar Monate mit Korad ihren Standort gewechselt. Immer wieder waren ihr Gerüchte zu Ohren gekommen, dass ein alter Krieger auf seinem Schlachtross durch das ganze Land ritt und sein Weib und seinen Sohn suchte. Erst nachdem Sie einige Zeit keine neuen Gerüchte mehr gehört hatte, wagte Sie es nach Gurdan zurückzukehren. Orik hatte sich gefreut Sie wiederzusehen, nahm sie mit offenen Armen wieder in seinem Haus auf. Und dann begann die Zeit, in der sich Korads Fragen nach seinem Vater noch mehr häuften.

Lange war sie ihnen ausgewichen ohne Darok zu verleugnen. Sie hatte ihm immer nur das nötigste erzählt. Doch die Jahre brachten es mit sich, dass Korad seinem Vater immer ähnlicher wurde. Sie hatte versucht dagegen zu steuern. Hatte versucht, Korad das Harfe spielen beizubringen – doch er war ein hoffnungsloser Fall. Als Mutter sollte sie so nicht denken. Aber es war eine Tatsache. Irgendwann merkte sie, dass ihr die Antworten ausgingen und Korad immer mehr darauf drängte seinen Vater kennenlernen zu dürfen. So musste sie diese Entscheidung treffen, die ihr unendlich schwer fiel. Sie ließ Korad ziehen…

Langsam drehte sie sich um, ging zum Tisch zurück. Daroks Brief lag immer noch da. Ungeöffnet wirkte er so düster. Erneut streckte sie die Hand aus, nahm den Brief hoch. Er fühlte sich schwer an. Schwerwiegend war gewiss auch der Inhalt. Ihre Fingerspitzen strichen leicht über das unmarkierte Siegel. Dann brach Sie es mit einem leisen Seufzen. Das teure Papier fühlte sich gut an. Vorsichtig entfaltete sie den Brief. „Es tut mir so unendlich leid,“ flüsterte sie noch mit Tränen in den Augen. Dann begann sie zu lesen.
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Alt 11.09.2016, 20:07
#2
Nelin Vandrak
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Als sie die Augen aufschlug hatte die Sonne ihren Höchststand zur Mittagszeit bereits überschritten. Sie fühlte sich wie gerädert, ihr ganzer Körper schmerzte. Langsam hob Sie den Kopf an und sah sich orientierend um. Sie war in ihrem Zimmer, lag in einer Position auf ihrem schmalen Bett, die darauf schließen ließ, dass Sie zuvor noch gesessen hatte und irgendwann zur Seite gekippt war um den Kopf auf ihrem Kissen zu betten. Ihr Kissen… Sie fühlte mit der Hand über den Stoffbezug. Er fühlte sich ganz klamm an. Hatte Sie geweint?

Vorsichtig setzte sie sich auf. Ihr schwirrte der Kopf. Zu viele Gedanken wirbelten darin herum und wollten sich nicht ordnen lassen, bereiteten ihr Kopfschmerzen. Mit beiden Händen fuhr sie sich über das Gesicht. Es war ganz verquollen. Sie musste furchtbar aussehen. Suchend glitt ihr Blick durch das Zimmer, fiel schließlich auf das Schriftstück, welches vor dem Bett auf dem Boden lag. Daroks Brief.

Plötzlich war die Erinnerung wieder da und ein halb ersticktes Schluchzen stieg in ihrer Kehle auf. Sie beugte sich vor, hob den Brief vom Boden auf und sah mit leeren Blick auf dessen Inhalt. Er schrieb, er wüsste den wahren Grund warum Sie gegangen war. Doch nirgends, weder in den Zeilen noch dazwischen, hatte sie seine Vermutung oder Einschätzung herauslesen können. Wollte er Sie dadurch einschüchtern? Ihr drohen? Sie wusste nicht, welche Worte Sie ihm glauben konnte und welche nicht. Viele seiner Worte hatten Sie berührt, einige der Verzweiflung nahe getrieben. Er hatte versucht eine andere Frau zu lieben…?

Wie hatte er ihr das nur antun können? Ja, er schrieb, dass ihr keine Andere das Wasser reichen konnte. Dass Keine wie Sie war. Aber er hatte es versucht und dieses Wissen schmerzte. Sollte Sie es ihm anerkennen, dass er in einem ersten Brief, nach so vielen Jahren, so dermaßen ehrlich war? Sie fühlte sich hin- und hergerissen. Konnte Sie es ihm verübeln, dass er eine Andere gesucht hatte? Vermutlich nicht, schließlich war Sie diejenige, die ihr Gelübde durch ihren Fortgang gebrochen hatte. Und doch hatte Sie nie einen Gedanken an einen anderen Mann verschwendet, sich von keinem anderen berühren lassen. Der Schmerz saß tief, wie ein Stachel in einer Wunde, entzündlich. Wieder traten ihr Tränen in die Augen, die sie hastig mit dem Handrücken wegwischte. Sie war eine gestandene Frau von fast 40 Jahren! Sie hatte sich durchgeschlagen. Ihren Sohn allein groß gezogen. Sie stand mit beiden Beinen im Leben. Es war ein schlichtes Leben, aber sie kam über die Runden. Und nun saß Sie hier und weinte wie ein kleines Mädchen, das um seine Lieblingspuppe trauerte, die zerbrochen war. Weinte um die vielen verpassten Gelegenheiten, weinte um die vertane Zeit.

Sie hatte sich immer eine große Familie gewünscht. In ihrer Heimat war sie mit vier Geschwistern aufgewachsen und so hatte Sie es auch für sich gewünscht. Korad sollte nie ihr einziges Kind bleiben. Sie hatte sich Weitere gewünscht. Jungen und Mädchen. Aber dann war alles anders gekommen. Ja, sie hätte die Gelegenheit gehabt mit einem anderen Mann neu anzufangen. Orik hatte ihr oft genug Andeutungen gemacht, ihr sogar seine Liebe gestanden. Aber sie hatte es nicht erwidern können. Für Sie gab es nur den Einen. Auch wenn er noch so weit entfernt war. Alte Liebe rostet nicht…

Hätte Sie den Brief doch nie gelesen. Es hatte alles zerrüttet. Hätte Sie Korad doch nie erlaubt nach Britannia zu reisen um seinen Vater zu suchen. Hätte Sie es ihm doch verboten! Das wäre grausam von Ihr gewesen, aber immerhin hätte Sie dann noch Ihren Jungen bei sich. Hätte, hätte… Ihre kleine Welt, die Sie um sich herum aufgebaut hatte, heil und friedlich, war zerbrochen. Korad war fort, Sie war zurückgeblieben – und allein.

Was sollte Sie nur tun? Konnte Sie seinen Worten trauen? Waren sie aufrichtig gemeint? Wie konnte er ihr in diesem Brief von einer anderen Frau schreiben und dann herbei sehnen, dass Sie wieder zu ihm zurückkam. So viele Fragen wirbelten in ihrem Kopf und ihr ganzer Körper schmerzte immer noch. Sie fühlte sich, als würde es Sie zerreißen. Was sollte Sie nur tun?

Würde Sie den Mut aufbringen nach Britannia zurückzukehren? Nach Britain wo Sie so viele Jahre gelebt und gearbeitet hatte. Sie fürchtete sich davor ihm wieder gegenüber zu stehen, gleichsam wie Sie es herbei sehnte. Würde er Sie, sobald er Sie sah, davonjagen? Sie war nicht mehr dieses junge, hübsche Ding von einst. Sie war älter geworden, reifer. Hatte im Leben ihre eigenen Kämpfe geführt. Oder würde er sich tatsächlich freuen Sie wiederzusehen. Waren es doch keine leeren Worte in seinem Brief. Nach so vielen Jahren… konnte es da wieder so wie früher werden? Sie zögerte.

Einige Vorbereitungen würde Sie treffen müssen. Und das Wetter sollte sich auch erst etwas bessern. Die Schneestürme müssten sich erst legen. Und sie sollte Korad schreiben, ihrem lieben Jungen. Er hatte sich so viel Mühe gegeben mit seinem Brief und er sollte wissen, dass es ihr gut ging und dass auch sie ihn vermisste.

Entschlossen erhob Sie sich von ihrem Bett, ging zum Tisch hinüber, wo sie Daroks Brief ablegte. Wenn Er Sie schon nicht sehen wollte, dann würde sie immerhin wieder mit ihrem Sohn vereint sein.
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Alt 13.09.2016, 17:40
#3
Nelin Vandrak
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Sie hatte die beiden Briefe an der Poststation abgegeben. Von hier würden sie weiterverteilt werden auf die Schiffe, die in aller Herren Länder aufbrachen um dort Boten übergeben zu werden, die die Briefe schließlich an ihre Adressaten zustellten. Ein ausgeklügeltes System, wie sie es eigentlich nur von hier kannte.

Nun war sie in ihr Zimmer zurückgekehrt. Es hatte schon viel von seiner Heimeligkeit verloren. Eine Kleidertruhe stand mitten im Raum, halb gepackt mit ihren Habseligkeiten. Daneben eine etwas kleinere Tasche.

Orik war von ihrer Idee nach Britannia zurückzukehren überhaupt nicht begeistert gewesen. Er hatte Sie verzweifelt angesehen. Sie angefleht, nicht zu gehen. Er würde Sie brauchen. Als Sie auf ihren Entschluss beharrte, hatte er getobt, Türen geknallt und das Weite gesucht. Stunden später war er wieder zur Besinnung gekommen. Er hatte sich entschuldigt und unterstütze Sie nun mit allem was ihm möglich war, damit Sie eine angenehme Reise haben würde.

Sie ließ den Blick durch das Zimmer schweifen. Ein paar Kleinigkeiten fehlten noch, dann würde Sie den nächsten Schritt wagen. Den Schritt, der Sie wieder mit ihrem Sohn vereinen und der dazu führte, dass Sie Darok wiedersehen würde.

Ein leises Seufzen drang von ihren Lippen, als Sie an Ihren Brief dachte, den Sie an ihn verfasst hatte. Er war so sachlich gewesen, so förmlich. Kein freundliches Wort, keine Aussicht darauf, wie sehr Sie sich danach sehnte ihn wiederzusehen. Sie senkte den Blick, sah auf den schmalen Pergamentstreifen in ihrer Hand, den Sie im letzten Moment noch von ihrem Brief abgerissen habe. „P.S. Es ist kein Tag vergangen, an dem ich nicht an dich gedacht habe“, stand hier in ihrer feinen Handschrift geschrieben. Warum hatte Sie ihm diese Zeile nicht gönnen wollen. Warum ließ Sie ihn nicht Einblick nehmen in ihre Gefühlswelt. Aus Selbstschutz?

Sie wusste nicht, was Sie erwarten würde. In ihren Gedanken malte Sie sich Szenarien aus. Eine dramatischer als die vorherige. Am Ende würde der Moment entscheiden. Sie hoffte inständig, dass seine Worte wahr waren. Dass er Sie wirklich vermisste. Sie wieder bei sich haben wollte. Aber der ganze frühere Kummer, die langen Jahre der Trennung, die Worte, dass er eine andere Frau versucht hatte zu lieben… sie alle hatten ihre Spuren hinterlassen.

Mit einem weiteren leisen Seufzen schob sie den Pergamentstreifen in ihre Rocktasche. „Hör endlich auf zu grübeln, Nelin. Packe lieber weiter. Umso eher siehst du deinen Jungen wieder,“ schalte sie sich leise und nahm die Tischdecke vom Tisch um sie ordentlich zusammenzufalten und zu verstauen.
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Alt 14.09.2016, 20:49
#4
Darok Vandrak
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Der Stuhl knarzte schwer, als der alte Krieger ein wenig kippelnd darauf saß und auf den schweren Tisch oben in der ersten Etage des Turmes starrte. Da lag er. Dieser Brief.

Aber was zum Namenlosen sollte das überhaupt sein? Wohl kaum ein Brief einer liebenden Ehefrau. Auch wenn sie beide schon eine halbe Ewigkeit voneinander getrennt waren.

Aber das? Eher der eines Großinquisitors der heiligen und feigen Foltergemeinschaft Glarons.
Eine mit blankem Hohn hingekotzte Nachricht, das man auf seinen Leichnam spucken und ihn in den Fluss werfen würde, nachdem er endlich mal den Löffel abgegeben hätte.

Murrend tritt der alte Krieger dann aus den Gedanken gerissen gegen das Tischbein und der massive Tisch hüpft ein paar Millimeter weg.
Irgendwie hat sich die alte Weisheit wieder bewahrheitet. Sag einem Weib die ganze Wahrheit und sie verkraften es wohl nicht. Die Weiber waren noch nie wirklich für sowas gemacht. Die harte Realität war für die, als würde man einer schlafenden Katze einen Stiefel an den Kopf werfen.
Erst Verwirrung, dann Schmerz und dann sind sie auf ewig beleidigt.
Und nachfragen wieso, tun sie auch nicht.

Mit einem schweren Schnaufen greift er zu einer Bierflasche. Der alte und treue Freund. Man kann Alkohol viel nachsagen. Aber nicht, dass er einem solche Briefe schreibt. Und er drückt die kühle Flasche erst gegen seine Wange und dann gegen seine Stirn, bevor er sich dessen Inhalt einverleibt.

Das im kalten Schnee draußen im Hof tief gekühlte Bier fließt seinen vor Ärger heiß gelaufenen Kehlkopf hinab und das teuflische Gesöff wirkt gewohnt beruhigend und kühlend für den Körper. Und die Seele.

Er beugt sich nach vorne und packt den Brief von Ihr und betrachtet ihn eine Weile. Er schüttelt ihn, hält den Brief zwischen sich und eine Kerze, gießt etwas Bier darauf nur um zu sehen ob nicht irgend ein verrückter Prinz aus Aldfur, oder sonst irgend eine abstruse Möglichkeit Sie dazu gezwungen hätte den Brief zu schreiben und es eine Geheimbotschaft gäbe.

Mit einem Gesicht als würde er den Brief selbst verfluchen, dass er diese versteckte Nachricht nicht herausrückt fällt sein Blick nochmal auf folgende Zeilen: Ich weiß nicht, was uns erwarten wird, wenn wir einander wiedersehen und ob wir eine gemeinsame Zukunft haben. All‘ dies liegt allein in Glarons Hand.
Der alte Krieger bebt innerlich. Seine massive Hand schließt sich so fest um die Bierflasche, dass diese zerspringt und die Glassplitter sich tief in das Fleisch graben. Als würde er einen Dämon darin vermuten knallt er erst das beschriebene Pergament auf den Tisch, um daraufhin mit der lädierten Hand zur Faust geballt mit voller Gewalt auf die vorhin gelesenen Zeilen zu donnern.
Als würde er erwarten, dass die schwarze eingetrocknete Schrift durch die Gewalteinwirkung ihr Innerstes freigibt. Als könnte man den kalten und toten Panzer durchbrechen, auf dass das Leben und Sinnlichkeit endlich herausplatzen würde.

Nach dem heftigen Schlag war das Einzige was passiert war, dass der Wisch sich an dem frischen Blut seiner durch die Faust herausgepressten Hand festgesaugt hatte. Und eigentlich war die Erkenntnis vorher schon dagewesen. Aber manchmal braucht es einfach etwas, was kein Geschwafel oder irgendwelche Briefe einem geben können.

Und es war klar, was zu tun ist.

Schwer atmet er die kalte Luft ein, während das fast schon vertraute Brennen einer frisch erlittenen Wunde seine Gedanken sortiert und aufklaren lässt. Und ein Plan formt sich in dem alten, alkoholabhängigen und doch recht jähzornigen Krieger.

Reiß dich zusammen, alter Mann! Finde in der Hafenmeisterei heraus welches Schiff von Gurdan bald hier einlaufen wird. Finde Sie.
Darok Vandrak ist offline  
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Alt 16.09.2016, 16:58
#5
Nelin Vandrak
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Die ersten Schritte in der altvertrauten Stadt fühlten sich komisch an. Sie war sich nicht ganz sicher, ob es von der tagelangen Schiffsreise kam und ihr die Umstellung von einem schwankenden Schiffsdeck auf festen Boden schwerer fiel als gedacht oder ob es daran lag, dass Tausende von Erinnerungen auf sie einfluteten. Wahrscheinlich lag es an beidem.

Ihr Gepäck hatte Sie bei Ross in der Bank untergebracht. Alt war er geworden. Aber das war sie auch, hatte sie mit einem Schmunzeln gedacht. So viele Jahre war sie nicht mehr in Britain gewesen. Viele Ecken erkannte Sie wieder, andere waren ihr ganz neu. Aufgrund der fortgeschrittenen Stunde waren nicht mehr viele Leute in den Straßen unterwegs. Sie wärmten sich bestimmt in ihren Häusern, denn obwohl in Gurdan bereits der Frühling Einzug gehalten hatte, war es hier in Britain noch etwas kälter und die letzten Reste Schneematsch ließen darauf schließen, dass der Winter noch nicht lange vorbei war.

Schweigend ging sie durch die Straßen. An dem Haus vorbei in dem Sie früher gelebt hatte, als Sie noch das Hausfräulein der Familie von Bregoras gewesen war. Ach, das war eine Ewigkeit her! Ein scheues Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, als sie daran zurück dachte, welch‘ Abenteuer Sie allein in dieser Wohnung erlebt hatte. Wie Sie Darok einst gestattet hatte, auf Fellen vor ihrem Kamin nächtigen zu dürfen, während Sie ihr Nachtlager im Schlafzimmer bezogen hatte. Und wie er Sie dann mitten in der Nacht geweckt hatte, da er meinte draußen ein Geräusch gehört zu haben. Jetzt, als erwachsene Frau wusste Sie, dass er sie genarrt hatte. Damals als junge Frau hatte Sie sich gefürchtet.

Sie kam auch an der Übungshalle vorbei. So aufwendig verziert kannte Sie sie noch nicht. Die Banner und Statuen erinnerten Sie an die Streitgöttin Lorica und Sie musste daran zurückdenken, wie der Ritter Zaryn Ra von Algado einst ihren Sohn der Lorica-Weihe unterzogen hatte. Er hatte der Göttin Korads Blut gespendet, auf dass aus ihrem Jungen ein großer, stattlicher Krieger werden sollte; ganz so wie sein Vater. Hatte ihm einen blutroten Ring aus Metall um den Fuß gewickelt und Korad seinen Zweitnamen verliehen. Seinen Kämpfernamen.

Auch im Tala war nicht mehr viel los. Ein junges Pärchen saß zurückgezogen in einer lauschigen Ecke. Sie wollte nicht zu genau hinsehen. Sie ließ wieder nur die Erinnerungen zu, die in ihr aufstiegen. Wie oft hatte Sie hier mit Darok und seinen Freunden und Kampfkumpanen gesessen. Es war immer laut und derb gewesen. Heimelige Zeit zu Zweit hatten Sie nur wenig gehabt. Aber vielleicht hatte dies auch vieles vereinfacht. Sie war sich absolut sicher. Solch‘ Fehltritte wie das junge Pärchen in der düsteren Ecke hatte Sie sich nie erlaubt! Nun gut, fast nie. Zumindest nicht in der Öffentlichkeit.

Leise wechselte sie ein paar Worte mit Teresa. Die Schankwirtin war ihr neu. Früher hatte hier Riane bedient, doch über ihren Verbleib, schwieg sich Teresa auf. Sie ließ sich den Weg zum Handelshaus erklären. Dort könnte vielleicht noch jemand anzutreffen sein, sagte Teresa, für heute aber sei hier im Tala Sperrstunde. Also lief Sie die dunklen Straßen entlang, bis Sie endlich das Haus fand, welches Teresa ihr beschrieben hatte. Doch auf wen Sie im Inneren treffen würde, dass hatte ihr die Schankwirtin nicht verraten.

Die Freude war groß als Sie plötzlich ihrer alten Freundin Adyanne gegenüber stand. Die alten Freundinnen umarmten sich, konnten ihr Glück nicht fassen. Nach so vielen Jahren sahen Sie sich endlich wieder. Wieder fluteten Erinnerungen in Nelins Kopf. Adyanne als Besitzerin des herzoglichen Pachthofes, Adyanne als Schneiderin in ihrem Haus in Minoc an der alten Mühle. Was damals als Geschäftsbeziehung und den damit verbundenen Botengängen begang, hatte sich zu einer wunderbaren Freundschaft entwickelt. Adyanne hatte ihr beigestanden, in der schwersten Stunde ihres Lebens, als Sie Korad gebar. Es war ein schrecklicher Kampf gewesen. Und auch in den Monaten danach, hatte Sie sich immer wieder Rat bei Adyanne holen können, die selbst Mutter einer kleinen Tochter war. So oft hatte Sie mit Korad zusammen Adyanne besucht. Nur dass Korad viel zu klein war um sich wirklich erinnern zu können. Und die Schneiderin gab ihr das Gefühl höchst Willkommen zu sein. Keine Sekunde zögerte sie, da war Sie auch schon eingeladen bei Adyannes Anwesen in einer kleinen Wohnung zu wohnen. Nur Adyannes Gemahl schien davon nicht sonderlich angetan, fürchtete er doch Daroks Groll, sollte dieser es herausfinden. So empfand Sie es zumindest.

So viele Worte sollten noch gewechselt werden, doch Sie war müde von der langen Reise. Morgen wäre auch noch ein Tag. Ein Tag, angefüllt mit vielen Gesprächen, denn es galt die letzten Jahre aufzuarbeiten. Und dann würde Sie auch hoffentlich Korad wiedersehen. Ihren Jungen, ihren ganzen Stolz. Sie würde ihn in die Arme schließen und… darauf achten, ihn nicht überschwänglich in der Öffentlichkeit zu küssen. Auch wenn es ihr schwer fallen würde.

Und wenn das geschehen war, dann würde Sie sich für die nächste Begegnung wappnen. Eine Begegnung mit Darok.
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Alt 23.09.2016, 05:02
#6
Korad Vandrak
Spieler, Mensch
 
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Wieviele Tage mögen nun vergangen sein, seit er das Zimmer seiner Mutter
verlassen hatte? Korad konnte es nicht sagen. Er verbrachte Tage und Nächte
damit die Decke der Jagdhütte anzustarren. Immer wieder übermannten ihn seine
Gefühle, als er meinte dort an der Decke das Antlitz seiner besten Freundin zu
sehen. In diesen Augenblicken flossen stumme Tränen der Trauer seine Wangen
herab. Man hatte sie ihm entrissen, mehrmals. Es war schwer für einen jungen Mann,
wie er es jetzt mit 15 schon war, einer unerfüllten Liebe hinterher zu laufen.
Raya gab sich lieber mit anderen Männern ab, bezirzte sie - es zeriss ihm das
Herz, wenn sie mit ihnen ging. Aber das nun? Man hatte seine beste Freundin brutal
aus dem Leben gerissen. Korads Mutter hatte versucht ihn zu trösten, doch konnte
es Trost für einen solchen Schicksalsschlag geben? Er wollte nur weg, raus aus
der großen Stadt und er wollte alleine sein.

Unter einem wärmenden Wolfsfell verkrochen hatte er schon eine Kuhle in die unbequeme
Liege gelegen. Sein Rücken und seine Schultern taten ihm weh. Hin und wieder betraten
Wanderer die Hütte, die sich eine kurze Rast gönnten. Korad beachtete sie nicht.
Immer öfter kam auch ein Mädchen mit feuerroten Haaren herein. Sie wirbelte in der
Hütte herum und verbreitete Nervosität. Einmal, in einem wachen und weniger schwierigen
Moment hatten sie sich unterhalten. Doch an anderen Tagen konnet Korad sie kaum ansehen.
Sie hatte ihm Bratäpfel geschenkt, von dem er nur noch einen hatte. Seine letzte Reserve,
dann würde er wohl irgendwann entweder verhungern, oder aufstehen müssen.
Als würde Glaron ihm einen üblen Streich spielen wollen, schickte er diese Rothaarige zu
ihm, um ihn nochmal daran zu erinnern, dass er Schuld an Rayas Tod ist. Korad seufzte.
Mit der Rechten griff er unter seine Steppweste, welche dringend eine Wäsche nötig hätte.
Fest umschloss er die üppige, rote Haarsträhne die er Raya in der Leichenhalle abgeschnitten
hatte und führte sie an seine Nase. Sie duftete noch ein ganz kleines bisschen, doch die lange,
unentdeckte Zeit auf dem Waldboden hatten das Meiste vom Geruch verfliegen lassen.
"Wir sehen uns auf der anderen Seite.", das waren ihre letzten Worte zu ihm, nachdem Korad sie
aus der Nordmark geworfen hatte, als hätte sie es vorher geahnt. Seine Trauer war groß und
der Junge hatte sich gewünscht anstelle von ihr gestorben zu sein, damit sie leben kann, doch je
mehr Tage vergingen, stieg auch der Groll auf den Mörder in ihm auf.
Korad Vandrak ist offline  
Geändert von Korad Vandrak (23.09.2016 um 05:32 Uhr).
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Alt 05.10.2016, 10:26
#7
Korad Vandrak
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"Was kannst du denn so?"
Die Frage hatte ihn tatsächlich überrascht. Was konnte er? Harfe spielen war es zumindest nicht, dabei hatte er es sich ein bisschen gewünscht, diesem Instrument ein paar Töne zu entlocken. Ein paar Töne, die zueinander passten. Singen hatte er geübt, aber da handelte er sich auch mehr Ärger ein, als dass er Freude verbreitete. Kochen? Ja, das klappte schon besser.
Wenn er mal nicht am Lagerfeuer einschlief, konnte er tatsächlich genüsslich in das Stück Fleisch
beißen, das er grillte. Das kam natürlich nicht an die Künste seiner geliebten Mutter heran, doch
würde es für den gröbsten Hunger reichen, wenn sie einmal nicht zusammen speisten. Korad konnte sich beantworten, was er nicht konnte und das war, neben den musikalischen Misstönen, auf seine beste Freundin Raya aufzupassen. Vor ein paar Tagen hatten sie das Mädchen beerdigt, nahe an seinem Zuhause in der Nordmark. Ihre Überreste waren erschreckend leicht gewesen. Viel zu viel Zeit zog ins Land von ihrer Ermordung, zum Auffinden der Leiche, den Ermittlungen und schlussendlich der Beisetzung. Doch Korad hatte es geschafft und mit Varkons Hilfe seine Freundin unter die Erde gebracht. Der junge Mann konnte in der Zwischenzeit viel verarbeiten und hatte viel Zeit mit nachdenken verbracht. Er wollte seine Familie beschützen und solch ein Unglück wie mit Raya würde sich nicht wiederholen. Korads Vater hatte schon einige Zeit damit verbracht ihm die Kunst des Schwertkampfes beizubringen. Der Bursche stellte sich nicht schlecht an, ernte Lob vom Veteranen. Kampfübungen mit der Knappin Schimadt absolvierte er ebenso, wie Kraftübungen und Zielübungen mit der Schlachtaxt. Er trennte hierbei mit einem gewaltigen Hieb Fleisch von einer Keule, ohne dabei den Knochen zu zerstören. Ja, er stellte sich wirklich nicht so blöd an, wie mancher von ihm vielleicht dachte. Aber an diesem Abend wollte er mehr. Die Frage der Rothaarigen hatte ihn nach späterer Überlegung angespornt, er musste es wissen.

Unter dem schwachen Licht des Mondes, bepackt mit dem gelben Sack, den er von seinem Vater hatte, stapfte er den Weg entlang, den er häufiger auf seinen Spaziergängen nahm. Beim letzten Mal hatte er halt machen müssen. Drei merkwürdige,kleine Kreaturen hatten dort auf dem Weg herumgelungert. Krächzend und viel zu laut hatten sie über irgendetwas diskutiert.
Korad wollte sich da zu diesem Zeitpunkt nicht einmischen. Bei genauerer Betrachtung aus sicherer Entfernung hatte er gesehen, dass es Goblins waren, Wegelagerer, die unschuldigen Wanderern die Münzen abknöpften. So einen hatte der junge Mann schon einmal erlegt, doch das Exemplar war zahnlos, hatte keine Krallen und war zudem angekettet. Heute wollte er sich einmischen, wollte den Wanderweg von diesen Kreaturen befreien. Ja, er wollte seine Fähigkeiten prüfen. In sicherer Entfernung zu dem kleinen Lager der Goblins hatte er Schutz an einem großen Baum gefunden. Korad öffnete den Sack, die Rüstung die sein Vater ihm schenkte, die er als Soldat in Yew trug, kam zum Vorschein. Korad zog sich das Kettenhemd über den Körper, die Kettenhose. Umständlich legte er die Schulterpanzer an. Alles war ihm noch eine Nuance zu groß, doch es würde schon gehen. Der Junge packte die massive Schlachtaxt mit beiden Händen und trat aus dem Sichtschutz der Bäume. Entschlossenen Schrittes stapfte er den Weg weiter in Richtung Osten, auf das kleine Lager zu. Aufregung überkam ihn, Angst mischte sich dazu. Wenn Mutter das erfährt, würde es richtigen Ärger geben. Korad zögerte auf halber Strecke, wollte umdrehen. "Nein. Du machst das jetzt!", meckerte er gedanklich mit sich selbst und gab sich direkt eine Antwort. "Ja, is ja gut." Der Junge atmete tief durch, ehe er noch einige Schritte überbrückte und die Stimme erhebte: "He, Wegelagerer!" Die Goblins drehten sich in Korads Richtung, geiferten rum, krächzten irgendetwas, was er nicht verstand und hoben ihre Knüppel an. Korad fuhr fort: "Ich bin Korad Dar Vandrak, Daroks Sohn und ihr..", mit der Schlachtaxt deutete er auf die drei kleinen Gestalten, "... werdet niemandem mehr ihr Gold abnehmen!". Die Goblins hielten für einen Augenblick in ihrem Tun inne, gar überrascht schauten sie zu dem Jungen. Dann lachten sie und stürmten knüppelschwingend auf Korad zu.
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Alt 03.01.2017, 22:56
#8
Darok Vandrak
Reisender
 
Registriert seit: 19 Apr 2005
Beiträge: 865
Die Frische Wunde an seinem Bein brannte wie Feuer, als er den Verband langsam abnahm. Ein guter Verband und eine eigentlich recht herkömmliche Wunde. Gerissen von einem gewöhnlichen Hund, welcher Opfer eines für das Tier tödlichen und eigentlich ansonsten eher harmlosen und banalen Zwischenfalls wurde.
Doch so ganz harmlos war es eigentlich nur für den alten Krieger, der gerade neben dem toten Tier die einzigen ernsthaften Verletzungen davongetragen hatte.

War schon eine verdammte Pharse das Ganze da. Lustiges Hühnertreiben durch das Vorland der Hauptstadt, eine gute Menge Alkohol, ein von Tollwut infiziertes Schaf, eine dahergelaufene Waldelfe und der ganze andere Dreck der wie ein schwerer Moloch aus Rauch über der ganzen Familienfröhlichkeit hängt.

Man denkt Alles ist beim Besten. Das Weib ist wieder hier, der Sohn wohlgeraten. So wohlgeraten und voller Energie, dass der jetzt fast schon 70 Jahre alte Krieger garnicht weiß wieviel uneheliche Enkelkinder und junge hübsche Frauen demnächst diese alten Gemäuer in der Nordmark beherbergen werden.

Ein richtig guter Gedanke. Und eigentlich gab es schon viel schlimmere Zeiten, die er durchleben musste. Ein Anderer würde fragen: Was? Deine Ehefrau fühlt sich unwohl, weil du deiner Pflicht nachkommen musst. Dein Sohn hat einen Hund verloren und eine Elfe geschlagen. Du hast Verantwortung abgegeben, wo du dir nicht ganz sicher bist ob es wirklich die richtige Entscheidung war. Und darüber zerbrichst du dir den Kopf, du Waschlappen?!

Wenn man mit sich ehrlich ist, stellt man sich diese Fragen dann doch. Tag für Tag. Bis man entweder mit sich im Reinen ist und die Sache abgeschlossen hat, oder man doch einfach den Löffel reicht. In so einem hohen Alter kann man diese Sache wirklich nicht einfach so ausschließen.

Es gäbe ja noch eine dritte ... man kann es Möglichkeit nennen. Nicht damit ringen, aufgeben, es verdrängen. Aber das ist nun wirklich für Waschlappen. Allein daran zu denken ist schon pure Blasphemie gegenüber dem harten Los und dem Leben das man sich aufgebaut hat. Und auch eine Schande dann so abzutreten. Schlag dir das aus dem Kopf, alter Mann!

Du hast die Zügel ein Stück weit losgelassen. Das ist also jetzt so. Klammere dich nicht daran. Wünsch es dir nicht zurück. Dafür ist es zu spät. Sieh nach vorne, auch wenn es nur durch ein Auge ist. Aber das bist du ja gewohnt.

Der alte Krieger musste seinen Kopf so harsch schütteln, dass ihm fast das Messer abgerutscht wäre mit dem er gerade fein säuberlich und durch die jahrelange Übung fast schon perfekte Ausübung die Wundränder abtrennte. Seltsam war aber nur, dass er dabei war genau das zu machen, was er am besten konnte. Einen Krieg zu führen. Doch irgendwas störte. Es fühlte sich nicht mehr so gut an wie früher. So richtig und vollkommen. War das die endgültige Bestätigung, dass er weich in der Birne wurde, oder einfach nur das er vielleicht doch einfach mehr zurücklassen würde als zu gewinnen?

Ein Blick hinunter auf seinen Schritt gab zumindest die Bestätigung, dass es nicht mehr um seinen Körper ging. Der war zerschunden, überanstrengt und vermutlich bald schon am Ende. Es ging also um irgendwas mehr.

Einfache Sache. Es war Familie.
Darok Vandrak ist offline  
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Alt 10.10.2017, 20:12
#9
Nelin Vandrak
Reisender
 
Registriert seit: 22 Jul 2010
Beiträge: 238
Als sie ihm von ihren Entschluss erzählte, dass sie auf das Festland zurückkehren wolle, hatte er ganz anders reagiert, als sie erwartet hatte. Mit Verständnis. Das nahm ihr den Wind aus den Segeln.



Damals, als sie zum ersten Mal in das Herzogtum gereist war, war sie gerade einmal 20 Jahre jung gewesen. Gesegnet mit der Begabung eine gute Köchin zu sein hatte sie sich auf die Suche nach einer Arbeitsstelle gemacht. Als Küchenhilfe, Kindermädchen, Haushälterin. Es hatte nicht lange gedauert, da bekam sie die ersten Angebote und schließlich sagte sie bei der Familie von Bregoras zu, die seinerzeit ein Haus- und Kindermädchen gesucht hatten. Es war eine gute Zeit gewesen.

In dieser Zeit hatte sie auch Darok kennengelernt. Der grobe Krieger in der Lederkuft aus Trollhäuten und das sanfte und etwas mollige Hausfräulein. Wenn sie die Augen schloss und sich dieses Bild ins Gedächtnis rief, stahl sich noch immer ein feines Schmunzeln auf ihre Lippen. Er war damals schon alt gewesen, sehr viel älter als sie. Ja, böse Zungen behaupteten, dass er gar ihr Vater hätte sein können. Und doch hatte sich zwischen dem ungleichen Paar ein zartes Band gespannt. Sie hatten sich angenähert, einander lieben gelernt und geheiratet. Der Höhepunkt dieser Liebe war Korad, ihr gemeinsamer Sohn.

Von dem pausbäckigen, properen Jungen war nicht mehr viel geblieben. In den letzten Jahren war er seinem Vater immer ähnlicher geworden, hatte neben seinem Aussehen auch seine Begabung geerbt. Sie hatte es immer verhindern wollen, hätte ihn am Liebsten in eine Bäckerlehre gesteckt oder eine andere, weniger gefahrvolle Berufung. Doch der Willen Loricas floss in Korads Blut, auch wenn sie ihn in all den Jahren im Glauben an Glaron erzogen hatte. Und seine Erziehung war nicht immer einfach gewesen. Schließlich hatte sie diese ganz allein durchgestanden.

Schon während ihrer Verlobungszeit mit Darok hatte sie geahnt, dass sie einen Krieger heiraten würde, den es nicht immer an Heim und Herd halten würde. Wenn die Schlachtengöttin ihren Ruf aussandte, dann folgte er. Der Heerführer, der Veteran. Doch in ihrer jungen Liebe geblendet hatte sie die Augen davor geschlossen, gehofft, dass es anders kommen würde. Doch sie wurde bitter enttäuscht. Während Darok in fernen Schlachten kämpfte, zog sie Korad allein groß. In der Nordmark, auf der Greifenburg und schließlich auf dem Festland, wohin sie sich flüchtete, als sie Daroks Abwesenheit nicht mehr aushielt. Korad war damals noch zu klein gewesen um wirkliche Erinnerungen an seinen Vater zu haben.

Doch auch das Festland war ihr zunächst keine Rettung. Sie hatte nicht gewusst wohin sie sich wenden sollte. Sie war eine junge Mutter mit einem kleinen Kind. Verheiratet und doch ohne Mann. In ihrem Kummer hatte sie immer häufiger nach dem Weinglas gegriffen. Der dunkle Rebensaft hatte ihre Seele gestreichelt und Trost versprochen. Sie wusste, dass sie stark sein musste. Für ihren Sohn, der noch so klein und auf sie angewiesen war. Aber es war so viel leichter im Selbstmitleid zu versinken. Als sie schon fast nicht mehr wusste, woher sie die Kraft nehmen sollte Weiterzumachen, sandte Glaron ihr Hilfe. Er schickte ihr Orik, den Tavernenbesitzer Zum Jodelnden Pony. Dort bekam sie Unterkunft und Arbeit. Ein neues Leben sollte beginnen.



Nelin blinzelte und sah auf die beiden zusammengelegten Blusen in ihren Händen runter. Sie packte. Nur das Nötigste. Sie wollte mit leichtem Gepäck reisen. Das Schiff würde am nächsten Morgen ablegen und sie zurück nach Gurdan bringen. Der Stadt auf dem Festland, in der sie so viele Jahre ihres Lebens verbracht hatte. Schwere Jahre, aber auch glückliche. Es hätte sie traurig stimmen sollen, denn ihr Weggang bedeutete, dass sie Korad und Darok im Herzogtum zurückließ. Doch musste sie sich eingestehen, dass sie sich auch wieder auf das Festland freute. Auf die Taverne, die Stammgäste und ihre Arbeit dort.

Sie bereute es nicht, dass sie vor fast drei Jahren noch einmal den Weg nach Britannia gewagt hatte und zu Korad gereist war. Schließlich hatte sie ihren Jungen wiedersehen wollen und auch ihren Mann. Doch es war nicht mehr so wie früher. Siewar nicht mehr so wie früher. Das Festland hatte sie verändert. Es fiel ihr schwer einen Platz zu finden und so verweilte sie die meiste Zeit in ihrem Haus in der Nordmark, welches ihr Sohn ihr so liebevoll hergerichtet hatte. Es fehlte ihr an Muße sich wieder unter die Leute zu mischen und am geselligen Leben teilzunehmen.

So hatte sie begonnen mit Orik eine Brieffreundschaft aufzubauen. Monat für Monat gingen die Briefe hin und her. Wurden intimer, beide Schreiber öffneten sich mehr und mehr und gaben dem anderen ihre Gefühlswelt preis. Bis eine Tage eine Bitte formuliert wurde. Die Bitte, dass sie zurückkommen sollte. Die Aussicht auf ihr altes Zimmer über der Taverne und das kein Tag verging, ohne dass man nach ihr fragte. Sie war die gute Seele des Jodelnden Ponys geworden. Also hatte Nelin den Entschluss gefasst, dass sie dieser Bitte nachkommen wollte.

Es schmerzte sie sehr ihre beiden Männer zurückzulassen. Die Entscheidung war ihr wirklich nicht leicht gefallen und doch… sie wollte ihr altes Leben zurück. Ihr geliebter Sohn würde auch ohne seine alte Mutter gut zurecht kommen. Er war kein kleiner Junge mehr. Er hatte das Mannesalter erreicht und war zu einem ansehnlichen Exemplar seiner Art herangewachsen. Das sah auch die Frauenwelt. Das Mädchen, das sie an seiner Seite wusste, hatte sie zwar nie persönlich kennengelernt, doch hatte sie sie das ein oder andere Mal in der Nordmark gesehen. Und jetzt waren die beiden verlobt. Für Korad würde also gesorgt sein und Darok – nun, der war sowieso unverwüstlich. Gab es überhaupt noch eine Zahl für sein Alter? Wenn er so weiter machte, würde er sie noch alle überleben.

Sie setzte sich auf das Bett und fechelte sich mit der Hand etwas Luft zu. Schon seit einigen Tagen schwindelte es ihr manchmal. Dann wurde ihr ganz heiß und im nächsten Moment klang das Empfinden bereits wieder ab. So schnell wie es gekommen war. „Auch du wirst alt, Nelin,“ schalte sie sich leise. Mit ihren fast 43 Jahren kam sie wohl allmählich in die Wechseljahre. Ihre Blutungen waren nicht mehr so regelmäßig wie einst und die Blutung in diesem Monat ließ auch wieder einmal auf sich warten.

Sie verstaute die Blusen in ihrer Tasche und blieb dabei auf dem Bett sitzen während sie sich an den Abend zurückerinnerte, an dem sie Darok schließlich erzählt hatte, dass sie gehen würde. Es war ganz anders gewesen, als sie es sich ausgemalt hatte. Dabei war sie eine Expertin darin sich im Vorfeld Situationen auszudenken, die dann doch ganz anders verliefen. Meist weniger dramatisch als von ihr angenommen.

Er war zu ihr gekommen und hatte ihr Blumen geschenkt. Aus ihrem eigenen Vorgarten. Dann hatte er sich bei ihr entschuldigt, für alles was er ihr angetan hatte. Darauf war sie nicht gefasst gewesen. Wo sie ihm eigentlich hatte Vorwürfe machen wollen, nahm er die ganze Schuld von allein auf sich. Aber war es wirklich allein seine Schuld gewesen? Dazu gehörten doch immer Zwei. Das ungleiche Paar sprach lang und ungestört miteinander, wie sie es ewig nicht mehr getan hatten. Sie bedauerten es beide, dass ihr Leben so ganz anders verlaufen war, als sie es sich eigentlich gewünscht hatten. Die viele, vertane Zeit. Nelin hatte sich immer eine große Familie gewünscht und Darok hätte sie ihr gerne geschenkt. Nun war es zu spät. Jetzt hatten sie nur Korad, aber mit ihm den besten Sohn, den sie sich nur wünschen konnten. Er erfüllte sie mit Stolz. Er würde das Erbe und den Namen weiterführen.

Schließlich hatte Nelin es nicht mehr länger aushalten können Darok so von Gram zerfressen zu sehen. Die meisten kannten ihn als den stattlichen, harten Krieger. Sie kannte auch die andere Seite. Die sanfte und einfühlsame. Er kam ihr vor wie ein kleiner Junge, der den Kopf zwischen den Schultern einzog, weil er sich bewusst war, dass er ganz schönen Mist gebaut hatte. Sie eröffnete ihm, dass sie auf das Festland zurückkehren würde und er reagierte mit Verständnis. Kein Vorwurf. Keine Wut. Und Nelin war ihm unendlich dankbar dafür, dass er sie verstand und sie ziehen ließ.



Doch es war noch nicht ganz das Ende einer langen, gemeinsamen Geschichte, die mit Höhen und Tiefen gefüllt war. Auch wenn sie die meisten Jahre voneinander getrennt gelebt hatten, so hatte in all den zurückliegenden 21 Jahren die Liebe überdauert. Nun gab Darok sie frei. Sie sollte sich einen jüngeren Mann suchen. Einen, der sie nochmal glücklich machen konnte. Doch Nelin wusste, das war nicht das, was sie wollte.

Und während draußen die Herbststürme der Lorica wüteten, wurde es im Inneren des Hauses lauschig. Die alte Liebe wurde neu entfacht, als sie in dieser Nacht noch einmal das Bett miteinander teilten, sich in den Armen lagen und sich sicher waren, dass sich eine solche Liebe kein zweites Mal wiederholen würde.



Am Ende des Ronox, an einem nebeligen, frühen Morgen, betrat Nelin dann das Schiff, welches sie zum Festland zurückbringen würde. Fast wäre sie dabei gestrauchelt, doch eine helfende Hand bot ihr Sicherheit und sie bedankte sich mit einem Lächeln. Schon seit ein paar Tagen bereitete ihr diese latente Übelkeit Unbehagen, ließ sie schwach und ihre Schritte unsicher werden. Sie fand keine Erklärung. Mit Seekrankheit hatte dies sicherlich nicht zu tun...
Nelin Vandrak ist offline  
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Alt 03.04.2018, 16:35
#10
Korad Vandrak
Spieler, Mensch
 
Registriert seit: 22 Feb 2013
Beiträge: 196
Einige Zeit, nachdem seine Mutter zurück nach Gurdan gereist war, packte es auch Korad wieder dorthin zurück zu kehren. Nelin war gegangen, ohne dass sie seine Verlobte richtig kennen lernen konnte. Er wollte diesen Umstand ändern und so reisten Korad und Stina gemeinsam zum Festland. Alles war glücklich gewesen und die zwei Frauen verstanden sich gut. Nelin als der ruhende, erfahrene Pol einer Familie tat dem quirligen, rothaarigen Mädchen sichtlich gut. Die Zeit verging wie im Flug, bis es zurück nach Britannia ging – Hochzeitsplanung.
Das junge Paar überlegte gemeinsam, wen sie einladen wollten, ob die Feier in der Bärenhöhle, oder im weiten Hof der Nordmark stattfinden solle. Alles schien perfekt zu Laufen, bis ...

Eines Morgens wachte Korad unüblicherweise viel zu spät auf. Der Platz neben ihm im Bett war verwaist. Nur eine kleine Kuhle zeugte davon, dass dort ein Mädchen lag. Er streckte seine Arme aus, um sich zu strecken – die Kuhle war schon abgekühlt. Korad nahm korrekterweise an, dass Stina schon früh aufgestanden sein muss. Weiter nahm er an, dass es dabei entweder um Frauenprobleme, Hunger, oder einer Erledigung gehen würde. Sie würde schon wieder kommen.

Den ganzen Tag hat er gewartet, bis er alleine zu Bett ging. "Bestimmt ist sie auf der Jagd und liegt nun zum Schlafen, festgebunden, auf irgendeinem Ast", dachte er sich. Das kam vor und daran hatte er sich gewöhnt. Manchmal treibt es einen tief in die Wälder und dann dauert es eben auch genau so lange, um wieder heraus zu finden. Das war bei seinen Ausflügen in diverse Höhlen genau das Selbe. Auch am zweiten Abend dachte sich Korad nichts weiter, als seine Verlobte immer noch nicht auftauchte – "Aber sie hätte ja einen Zettel schreiben können ..."

Am vierten Tag wurde er unruhig und suchte seine Sachen aus dem Turm der Nordmark. Ein Paar feste Stiefel, die robuste Hose aus Echsenleder und die passende, ebenso stabile Oberbekleidung aus Feuerwurmleder. In den Seesack packte er Vorräte und eine zweite Feldflasche. Mit seinem Scimitar auf dem Rücken und einen Langspeer in den Händen, verließ er das Zuhause um Stina zu suchen ....

Als er zurück nach Britain kam, hörte er die Menschen tuscheln, die er passierte. "Guck mal dieser Lumpensack." "Bah, wie der stinkt, was ist das denn für einer?" Und tatsächlich waren die Monate im Wald nicht spurlos an Korad vorbei gegangen. Irgendwann hatte er sich gar nicht mehr gewaschen – Zeitverschwendung – die Nägel hatte er sich hin und wieder nötdürftig mit Steinen abgewetzt. Ein Bart war ihm gewachsen, genauso zerlottert, wie der Rest an ihm. Vermutlich wohnten sogar kleine Käfer darin. All das war ihm aber egal und er wollte diesen Zustand auch nicht mehr ändern. Das ganze Inselreich hatte er abgesucht, jeden Winkel. Sogar über die Grenze hatte er sich gewagt, doch nirgendwo war seine Stina – Sie hatte ihn verlassen, für immer.

Zurück in Britain lief er ziemlich schnell Analope in die Arme und wir alle kennen Analope. Sie lies nicht locker, stopfte Korad in die Badewanne, frisierte ihm die Haare. Und so wohnt der Vandrakspross nun im Hause Gatek. Er hatte das Zimmer des Kindermädchens Lynn bezogen, die wohl auf einer Reise war. Es war Korad aber auch egal. Die Gateks sorgten sich um ihn, aßen zusammen am Tisch mit ihm und versuchten ihn so gut es möglich war abzulenken.. Ablenkung fand Korad aber nur noch in einer Sache und schon bald roch er zwar nicht mehr nach totem Tier, wie bei seiner Rückkehr, dafür aber wie ein Schnapsladen.
Korad Vandrak ist offline  
Geändert von Korad Vandrak (13.04.2018 um 09:18 Uhr).
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