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Alt 23.04.2013, 10:29
... und Schuld war nur der Honigwein
#1
Kadleen Larail
Reisender
 
Registriert seit: 21 Apr 2012
Beiträge: 399
Im Ofen glomm noch die Glut vom Vortag und spendete ein wenig Wärme. Die einzelne Kerze auf dem rustikalen Küchentisch, mit der rotweißkarierten Decke, spendete ein wenig Licht. Es war noch früh am Morgen. Der Bote hatte sie aus dem Schlaf hoch geschreckt. Nun saß die Frau am Tisch und drehte den Brief zwischen den Fingern hin und her, die von der Gicht gezeichnet waren. Durch ihr Alter war ihr Haar bereits ergraut und ihre Haut war dünn und durchscheinend wie Pergament geworden. Einige Altersflecken bedeckten ihre Handrücken. Sie hörte das Knarren der Holztreppe und sah auf. Ihr Mann stand im Türrahmen. „Warum weinst du, Auma?“ Tränen rannen der Frau über die runzeligen Wangen. Mit zitternder Hand hob sie den Brief an und sagte mit belegter Stimme: „Sie ist auf dem Weg hierher. Kadleen kommt nach Hause.“


Liebe Mutti,
lieber Vati.

Fast vier Jahre sind vergangen als ich euch und meine Heimat verlassen habe. Vier lange Jahre in denen ihr nichts von mir gehört habt. Zuallererst: Es geht mir gut.

Geschriebene Worte können nicht ausdrücken, wie leid es mir tut, dass ich euch eine so lange Zeit im Unwissen gelassen habe, dass wir im Streit auseinander gegangen sind. Dieses Blatt Pergament und die getrocknete Tinte können euch nicht die Gefühle übermitteln, die ich nun durchlebe.

Wenn ihr diesen Brief erhaltet, befinde ich mich bereits auf einem Schiff gen Heimat. Inzwischen lebe ich im Herzogtum Britannia, nahe der Hauptstadt. Die Reise wird vermutlich etwas über einen Wochenlauf dauern, wenn uns das Wetter gewogen bleibt und keine Stürme über das Land ziehen. Ich hoffe, dass ihr euch über meinen Besuch freut und dass ihr uns empfangt. Denn: Ich komme nicht alleine.

In der Hoffnung euch allen Wohlauf zu begegnen…

Kadleen
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Alt 26.04.2013, 23:12
#2
Kadleen Larail
Reisender
 
Registriert seit: 21 Apr 2012
Beiträge: 399
Auf dem Hof am Ogerpass war es ruhig geworden. Verklungen waren das dunkle Muhen der Kühe, das Wiehern und Schnauben der Pferde und das Bellen der Hunde, wenn sie durch den Garten jagten. Die Tiere waren fort. Sicher untergebracht in den städtischen Ställen, in denen sie nun die nächsten Wochen versorgt werden würden.

Im Kamin knisterte leise ein Feuer. Das Mädchen lag im Bett, die Decke bis zur Nasenspitze hochgezogen, und lauschte. Bis auf das Prasseln des Holzes im Kamin war es still. Es fühlte sich ungewohnt an. So fremd. Sie war ganz allein.

Covan hatte sich noch einmal auf den Weg in die Stadt gemacht. Er brachte ihr Gepäck in die Schneiderei, damit sie es morgen nicht so weit zum Hafen tragen müssten. Denn morgen wäre der Tag gekommen, dem sie schon so lange entgegen fieberte.

Sie hatte den Tag gefürchtet, ihn verflucht. Gehofft, dass er nie kommen würde. Doch nun, da er unmittelbar bevor stand, waren diese Gefühle in den Hintergrund gerückt und eine stille Vorfreude hatte sich in ihr ausgebreitet. Morgen würde die Reise zum Festland beginnen. Covan und sie würden am Bord eines Schiffes gehen, welches sie zur Hafenstadt Gurdan bringen würde. Sie hoffte, dass die Überfahrt ruhig verliefe. Bei dem Gedanken an das Schaukeln des Schiffes wurde ihr jetzt schon ganz flau Magen. Hoffentlich würde sich das Wetter noch halten. Sie mochte gar nicht daran denken, wie es wäre, wenn sie in einen Herbststurm gerieten.

Von Gurdan aus würde es dann in westliche Richtung ins Landesinnere gehen, bis sie nach einer 3-Tages-Reise die Stadt Arium erreichten. Kadleens Heimat. Vier lange Jahre war sie nicht mehr dort gewesen. So lange war es her, dass sie im Streit ihre Familie hinter sich gelassen hatte und ausgerissen war. Vier Jahre, in denen sie ihre Familie über ihren Verbleib im Unklaren ließ. Ob ihre Eltern den Brief, den sie Voraus geschickt hatte, erhalten hatten? Sie hoffte es. Bei dem Gedanken wuchs die Aufregung doch wieder in ihr heran und schnürte ihre Brust mit einem unangenehmen Kribbeln ein. Hoffentlich würde alles gut werden.
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Alt 30.04.2013, 21:22
#3
Kadleen Larail
Reisender
 
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Sie schlug die Augen auf - nur um sie einen Moment später wieder zu schließen und sich mit der rechten Hand an die nasse Stirn zu fassen. Feine Schweißperlen benetzten ihre Fingerspitzen. Sie lag auf dem Rücken in ihrer Koje. Ein leises Stöhnen drang von ihren Lippen. Verdammte Übelkeit. Sie fühlte sich elendig. Mit der linken Hand tastete sie nach der Schüssel, die auf dem Boden neben der Koje stand. Als ihre Finger sie fanden, zog sie jene etwas näher zu sich und beugte sich darüber. Sie würgte. Doch außer ein wenig Gallenflüssigkeit kam ihr nichts hoch. Wie auch? Auf leerem Magen...

Diese Schiffsreise machte ihr mehr zu schaffen, als sie es für möglich gehalten hätte. Vor der Abreise war sie noch so sehr aufgeblüht. Die Vorfreude hatte dafür gesorgt, dass ihr das Packen leicht von der Hand ging. Alles hatte sich noch glücklich gefügt. Die letzten Kunden waren gekommen um ihre Tiere abzuholen und sie hatten alle wichtigen Dinge, die sie für die Reise brauchten, zusammentragen können. Voller Elan war sie gemeinsam mit Covan an Bord des Schiffes gegangen, welches sie zum Festland übersetzen sollte. Doch nachdem das Schiff abgelegt hatte und sie nur noch von Wasser umgeben waren, so weit das Augen reichte, setzte die Übelkeit wieder ein. Sie fühlte sich so krank und schwach. Und das ärgerte sie.

Zwei Tage waren sie nun auf See, doch es kam ihr vor wie eine kleine Ewigkeit. Wenn alles gut ging, würden sie schon bald die Hafenstadt Gurdan erreichen. Noch war die See einigermaßen ruhig für die Jahreszeit und der Wind gleichmäßig und kräftig. Sie betete dafür, dass es so bleiben würde. Einen Sturm würde sie in ihrer jetzigen Verfassung nicht überstehen.

Sie nahm ein Tuch und wischte sich über den Mund. Die Schale schob sie wieder ein Stück fort. Dann ließ sie sich zurück in die Koje sinken. Sie sollte etwas schlafen. Schlafen war gut, denn dann spürte sie das Schaukeln des Schiffes nicht allzu sehr und die Übelkeit würde dann auch aufhören. Mit einem leisen Seufzen schloss sie die Augen. Was sie sich jetzt wünschte, war ein schöner Traum.
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Alt 01.05.2013, 12:13
#4
Covan Larail
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Der blonde Bursche kippte grade den Inhalt der Schüssel, über die Reling, ins Meer, ehe er seinen Blick über das Meer und den wolkenbehangenen Horizont schweifen ließ. Wie lange sich das Wetter wohl noch so halten würde? Bisher hatten sie auf der Reise wirklich Glück gehabt und einen Sturm würde er seiner Verlobten nun wirklich nicht zumuten wollen.

Covan ging es erstaunlicherweise ganz gut, während der Schifffahrt - war er es doch eigentlich, der etwas verweichlichter war. Er musste schmunzeln, als er an seine Beziehung mit Kadleen dachte. Sie, die draußen im Wald das Fleisch und die Felle erjagte und er, der Schneider und Koch. Vertauschte Rollen, doch in seiner Heimat, dem kalten Norden, hatte er mehr von den Weibern gelernt, als von den Kerlen. Ohne Frage war er kein schlechter Jäger, doch die Jahre in Britain hatten ihn noch weicher werden lassen und so machte er sich nur noch selten die Hände schmutzig, wenn es nicht unbedingt nötig war.

Der Schneider bekam ein kribbeliges Gefühl in der Bauchgegend, als seine Gedanken zu Kadleens Familie schweiften. Wie würden sie reagieren, wenn ihre verschollene Tochter plötzlich einen Mann mit nach Hause brachte? Einen Mann, mit dem sie verlobt war, den sie in ihrer Heimat heiraten wollte. Würde Covan die Hucke von Kadleens Brüdern vollbekommen, oder würde er durch seine offene Art das Vertrauen der Familie gewinnen können? Covan scheute sich nicht, auf Menschen zuzugehen, oder ihnen Zeug anzudrehen - doch dieses bevorstehende Treffen verunsicherte ihn ein wenig.

Mit einem Seufzen wandte er sich sich ab, um die Schüssel zu seinem Mädchen zu bringen.
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Alt 01.05.2013, 18:52
#5
Kadleen Larail
Reisender
 
Registriert seit: 21 Apr 2012
Beiträge: 399
Die erste Nacht abseits der See war eine Wohltat für sie. Am frühen Nachmittag hat das Schiff im Hafen von Gurdan angelegt und Kadleen und Covan hatten endlich von Bord gehen können. Wie komisch es sich doch anfühlte nach so vielen Tagen auf See wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Ihre Beine und Knie fühlten sich so weich an, dass Covan sie stützen musste, damit sie nicht stürzte. Nur langsam wollte sich ihr Zustand bessern und so beschloss das junge Paar, sich einen Tag Ruhe in Gurdan zu gönnen, ehe sie über Land weiterreisen würden.

Und diese Entscheidung war weise gewesen. Kadleen hatte sich ausgeruht und die zwei einfachen Mahlzeiten, die sie zu sich genommen hatte, hatte sie bei sich behalten können. Langsam kehrte die Farbe in ihre Wangen zurück und sie fühlte sich wieder kräftiger. Am nächsten Tag würde die Reise weitergehen. Sie hatten bereits einen Pferdehändler gefunden, von dem sie sich drei Pferde leihen konnten. Auf dem Rückweg würden sie wieder hier vorbei kommen und die Pferde abgeben. Zunächst schien der Händler nicht begeistert, doch mit ein wenig gutem Zureden, hatte er schließlich zu dem Handel eingewilligt.

Jetzt musste nur noch das Wetter weiterhin mitspielen. Sorgenvoll sah Kadleen auf, nachdem sie geprüft hatte, ob die Packstücke auf dem Rücken des Lastentieres sorgfältig verschnürt waren. Die Reise per Schiff hatten sie noch ohne weitere Zwischenfälle überstanden, doch der wolkenverhangene, dunkelgraue Himmel ließ keinen Zweifel mehr zu, dass bald der erste Schneefall einsetzen würde. Sie hoffte, dass sie Arium noch vorher erreichten, aber ihr Bauchgefühl sagte ihr etwas anderes.

Mit einem leisen Seufzen ließ sie von dem Packtier ab. Ein wissendes Lächeln umspielte dabei ihre Lippen. Der Händler verstand sein Geschäft, denn die Rasse des Tieres war ihr wohl vertraut. Er hatte ihnen gute Pferde gegeben. Zufrieden führte sie ihre braune Stute und das Packtier zu Covans Wallach hinüber, der bereits fertig gesattelt auf seinen Besitzer wartete. Das Mädchen sah sich um und entdeckte ihren Verlobten schließlich, als dieser das Gasthaus verließ. Nach einem kurzen Wortwechsel, schwangen sich beide in den Sattel wobei Kadleen einmal etwas tiefer Luft holen musste. Irgendwie hatten ihre Hosen auch schon einmal besser gepasst. Schweigend ritten die beiden durch die Straßen von Gurdan, wobei Kadleen die Führung übernahm, bis sie die Stadtmauern passierten. Links und rechts des Weges lagen noch vereinzelte Höfe, die mit der Zeit immer weniger wurden. Im Schritt ging es über die lehmige Straße, dessen Boden vom letzten Regenfall noch immer etwas aufgeweicht war. Die Straße, die nach Arium führte. In Kadleens Heimat. So lange war sie diesen Weg nicht mehr entlang gekommen.
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Alt 02.05.2013, 10:15
#6
Varkon zu Minoc
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Es war der frühe Morgen am 26. Ronox im Jahr 1310. Weit ab von dem Mädchen und dem Burschen wachte Varkon in seiner großen Halle bei Britain auf. Sein mächtiges Gähnen ließ Wiebke, seine getreue Hündin, zu ihm eilen und sie begrüßte ihr Herrchen auf Hundeart mit wild wedelndem Schwanz und viel geschlabber.

Wenig später nach waschen, Frühstück und einkleiden trat er mit dem Hund an seiner Seite vor die Halle. Es war tiefster Herbst, der Winter kam immer näher und damit stieg die Lust am Leben im Sohn von Nordleuten. Für ihn war der Sommer eine Zeit in der man ruhig macht, fast wie ein umgekehrtes Bärenleben. Es kam einem Sommerschlaf schon ziemlich nahe.

Aber langsam gab es wieder zu tun, er musste das kleine Haus im Hafen von Britain herrichten, immerhin will er es an jemanden verpachten. Holz musste her für die Halle und dem kommenden Winter und die Krähe müsste mal auch wieder hergerichtet werden. Doch nun machte er sich in voller Schuppenrüsten erst einmal auf zum Hof von Kadleen und Covan. Immerhin hatte er versprochen während ihrer Abwesenheit aufzupassen und diesem ging er öfter nach. Zudem konnte er dabei die Felder die Covan umsorgt von ihrer Ernte befreien, bevor es verdirbt bei dessen Abwesenheit selbstverständlich...
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Alt 03.05.2013, 19:29
#7
Kadleen Larail
Reisender
 
Registriert seit: 21 Apr 2012
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Kadleens Heimatstadt Arium lag nicht mehr weit entfernt. Sie hätten sie am Abend erreicht und doch sahen sie sich gezwungen eine Rast einzulegen und in einem Gasthaus einzukehren. Die Temperaturen waren noch einmal mehr gesunken und es hatte zu schneien begonnen. Ihre Kleidung hatte sich mit Feuchtigkeit und Nässe voll gesogen und es hatte nicht lang gedauert, bis Kadleen am ganzen Leibe bibberte und fror. Covan hingegen schien die Kälte nicht sonderlich viel auszumachen. Nein, verdrossen beobachtete Kadleen, wie der Kerl scheinbar bei dieser Eiseskälte auch noch aufblühte. Ein echter Nordländer eben. Doch der Bursche nahm Rücksicht auf seine Verlobte und so stellten sie die Pferde in einem Stall unter, sattelten ab und rieben sie trocken, ehe sie ins Gasthaus einkehrten. Von hier aus würde es am nächsten Morgen weitergehen. Und dann würden sie Arium schon gegen Mittag erreichen und nicht, wie ursprünglich geplant, am Abend.

Kadleen zügelte ihr Pferd und lehnte sich im Sattel leicht vor. Sie zupfte den Stoff ihrer Gugel etwas zur Seite, der ihr die Sicht einschränkte. Langsam ließ sie den Blick wandern. Vor ihr lag Arium, ihre Heimatstadt. Hier war sie aufgewachsen. Nicht direkt in der Stadt, sondern in einem kleinen Dörfchen davor, doch es war dennoch ihre Heimat. Sie spürte das Kribbeln in ihrem Bauch, die stumme Vorfreude, aber auch ein wenig Angst. Die Begegnung mit ihren Eltern, vier Jahre nachdem sie ausgerissen war, stand unmittelbar bevor. Plötzlich überkamen sie Zweifel. War es richtig hierher zu kommen? Vielleicht hätten sie die Hochzeit einfach schon in Gurdan feiern sollen. Warum sollte sie ihre Eltern damit belästigen? Es war ja schon dreist nach vier Jahren einfach wieder aufzutauchen, ihren Eltern einen fremden Mann vorzustellen, zu sagen, dass man in wenigen Tagen hier in Arium heiraten wollte und… Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als Covans Hand sich auf ihre Hände legte, die noch immer die Zügel umklammerten. Sie sah zu ihm rüber. Er lächelte ihr zu. Er las in ihr, wie in einem offenen Buch und er erkannte alle Zweifel. „Wir schaffen das schon, Prinzessin,“ sagte er mit seiner gewinnenden Art und beugte sich zu ihr rüber um ihr einen Kuss auf die Stirn zu geben. Für einen Moment schloss Kadleen die Augen, dann sah sie wieder nach vorn Richtung Arium. Sie straffte die Schultern, dann gab sie Schenkeldruck und trieb ihre Stute langsam an. Schritt für Schritt näherte sich das Gespann der Stadt.
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Alt 05.05.2013, 20:40
#8
Covan Larail
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Die Zeit zog sich für Covan endlos lange hin. Obwohl sie am frühen Mittag schon die Stadt passierten, kam es ihm so vor, als wären sie den ganzen Tag unterwegs. Die Häusergassen, die Kadleen und Covan durchquerten, nahm der Bursche gar nicht wirklich wahr. Später war genug Zeit, sich alles genauer anzuschauen. Nur Kadleen könnte sich an ihrer Heimatstadt gar nicht satt sehen, plapperte immer wieder wie ein kleiner, roter Wasserfall auf Covan ein, er solle sich doch Dieses und Jenes anschauen. Doch Covan hatte den Blick starr gradeaus gerichtet, immer den Weg entlang – auf Kadleens Ausführungen reagierte er entweder gar nicht, oder mit einem nachdenklichen Brummen. Je näher sie ihrem Ziel kamen, desto mulmiger wurde das Gefühl in seinem Magen.

Und schließlich war es dann so weit. Das Paar erreichte das kleine Dörfchen, in dem Kadleen aufwuchs. Dörfchen? Nun gut. Wenn es einer noch genaueren Beschreibung bedarf, würde man wohl Dörfchenchen sagen. Covan zählte 5 Hütten, einen kleinen Dorfplatz – Dorfplätzchen, mit einem Brunnen. Die Häuser, sorgfältig mit Reet oder Stroh abgedeckt, waren liebevoll erbaut und passten harmonisch zueinander. Auf den groben Kopfsteinpflaster pochten die Hufe ihrer Pferde, durch die stille Umgebung. Aus einigen der Häuser stiegen weiße Rauchfahnen von Kaminen, oder Öfen empor. Die Dorfbewohner machten es sich anscheinend lieber in ihren Hütten bequem, anstatt die immer kälter werdende Frischluft zu genießen. Der blonde Bursche hatte dafür nur ein wenig Verständnis, war der Winter doch eigentlich die schönste Zeit im Jahr. Kadleen und Covan folgten dem Weg, bis zum Rand der Siedlung, an dem noch zwei weitere Hütten, direkt nebeneinander standen. Vor einem der Behausungen machte Covan einen älteren Herrn aus. Graues Haar linste unter einer Kappe hervor – und genauso linste der Mann zu den beiden Verlobten. Der Schneider zügelte sein Pferd instinktiv, um noch etwas Zeit zu gewinnen. Sein Blick schweifte zu Kadleen, die ihn ebenso unsicher anschaute, wie er sich grade fühlte – dann lächelte sie jedoch.
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Geändert von Covan Larail (05.05.2013 um 20:43 Uhr).
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Alt 06.05.2013, 18:18
#9
Kadleen Larail
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Ohne Punkt und Komma hatte sie auf Covan eingeplappert um ihre Aufregung zu überspielen. Der Bursche hatte irgendwann aufgegeben, auf Kadleens Worte einzugehen. Er hatte nur noch ein zustimmendes Gebrummel von sich gegeben und war hinterher ganz verstummt. Vermutlich hing er seinen eigenen Gedanken nach.

Sie hatten die Stadt einmal durchquert und ritten durch einen steinernen Bogen im Mauerwerk wieder hinaus ins Freie. Nur wenige Minuten hinter der Stadt kam das kleine Dörfchen in Sichtweite an dessen Rand Kadleen aufgewachsen war. Das Mädchen hatte das Gefühl, dass hier die Zeit stehen geblieben war. Alles sah noch so aus, wie sie es in Erinnerung hatte. Der kleine Platz mit dem Dorfbrunnen, die Häuser die sich um diesen Platz ringten, die langen schmalen Felder dahinter, die jedoch in dieser Jahreszeit nicht bestellt waren. Und etwas außerhalb noch, dicht am Waldrand gelegen, ihr Elternhaus.

Langsam ritten sie auf das alte Holzhaus zu, welches bereits etwas windschief wirkte. Es war nicht zu übersehen, dass die zweite Hütte, gleich daneben, erst vor wenigen Jahren erbaut worden war. Baustil und Materialien ließen dies erkennen und das Haus war nicht so gramgebeugt wie sein Nachbar. Vor den Häusern zügelten sie ihre Pferde. Ein älterer Mann hielt in seinem Tun inne den Weg vom feinen Neuschnee zu befreien, richtete sich auf und blickte zu den beiden jungen Menschen.

Es hatte den Anschein, als hätte Kadleen alle ihre Worte zuvor in der Stadt verbraucht. Plötzlich fehlten ihr eben jene, als sie sich dem Mann gegenüber sah.. Alt war er geworden. Aber scheinbar immer noch kräftig wie ein Bär, das sah sie seinem Körperbau an. Unter seiner Kappe linste graues Haar hervor. Kadleen warf einen unsicheren Blick zu Covan rüber, der inzwischen mit dem Packtier im Schlepptau etwas zurückgefallen war. Der Junge sah aus, als würde er seinem Henker gegenüber stehen. Covan war als Nordländer schon immer recht blass gewesen, aber nun war sein Gesicht weiß wie der frisch gefallene Schnee. Ein Lächeln stahl sich auf Kadleens Mundwinkel, dann sah sie wieder zu dem Mann hinüber. Auch ihm schien es langsam zu dämmern, wen er da vor sich sah. Rasch schwang sich Kadleen aus dem Sattel ihrer Stute und überbrückte die letzten Meter zu ihrem Vater. Jener hatte gerade noch die Gelegenheit die Arme auszubreiten, als sich der Rotschopf auch schon gegen ihn warf. Ein leise geschluchztes „Vati“ kam ihr noch über die Lippen, dann presste sie ihr Gesicht an die breite Brust von ihrem Vater. Der alte Mann schlang die kräftigen Arme um sein Tochter und zog sie in seine starke Umarmung. „Kaddi, meine Kaddi...,“ und dem Mädchen wurden die Knie weich. Doch das war egal. Ihr Vater hielt sie fest.

Die Tür ging auf und eine Frau mit krausen, dunkelgrauen Haar blickte hinaus. Der alte Mann drehte sich leicht in ihre Richtung, ohne seine Tochter aus seiner Umarmung zu entlassen. „Sieh' nur, Auma, wer endlich da ist.“ Die alte Frau schlug die Hände vor dem Mund zusammen, dann eilte sie nach draußen. Widerwillig gab der Mann seine Tochter frei, die sich sogleich umdrehte um in die nächste Umarmung zu verschwinden. Der Körper ihrer Mutter fühlte sich dünn und knöchern an. Nicht mehr so wohlgerundet und weich, wie Kadleen ihn in Erinnerung hatte. Und sie war geschrumpft. Wo Mutter und Tochter einst noch gleich groß gewesen war, reichte sie ihr nun nur noch bis zur Nase. Mit Tränen der Rührung in den Augen, beobachtete der Mann, wie sich Tochter und Mutter in den Armen lagen, dann trat er wieder auf sie zu um beide noch einmal in den Arm zu nehmen. „Lasst uns ins Haus gehen, dort ist es wärmer,“ raunte er ihnen mit tiefer Stimme zu und drängte sie bereits sanft in Richtung Haus. Doch Kadleen befreite sich. Mit dem Ärmel ihres dicken Mantels, wischte sie sich unter der Nase her, während in ihren Augen die Tränen glänzten. „Mutti, Vati, darf ich euch meine Reisebegleitung vorstellen?“ Mit einem stolzen Lächeln wandte sie das Gesicht dem Burschen zu, der noch immer auf seinem Pferd saß. „Das ist Covan, mein Verlobter.“
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Alt 08.05.2013, 20:24
#10
Covan Larail
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„Toll. Danke Kadleen. Jetzt wird er mit den Kopf abreißen. Das hätte man diesem Bär von Mann auch schonender beibringen können.“, dachte sich der Bursche insgeheim, während sein Herz drohte, aus der Brust zu springen. Der sonst weniger scheue Covan überbrückte noch einige Schritte mit dem Pferd. Er spürte die Blicke von Kadleens Vater auf sich, wie sie ihn musterten. Auch die der Mutter spürte er, wenngleich diese nicht so sehr stachen. Als sein Reit – und das Packtier auf einer Höhe mit Kadleens Stute waren, kletterte er aus dem Sattel. Covan brauchte einen Moment, um festen Halt unter den Füßen zu finden, so zitterten ihm die Knie. Um Haltung und um eine halbwegs ordentliche Mimik bemüht, trat er auf die Drei zu. Sein Mund fühlte sich an wie trockenes Pergament und die Zunge klebte irgendwie am Gaumen fest, als er zu einer ersten, zögerlichen Begrüßung ansetzte. „Ähm..“ Covan räusperte sich. „Meinen Gruß, Frau Laurandt, Herr Laurandt.“ Mit der eiskalten Rechten begrüßte er beide Elternteile mit einem Händedruck. Kadleens Mutter lächelte ihm zu. „Grüß dich, junger Bursche.“ Ihre Hände waren warm, etwas dürr und so bedachte Covan sie mit einer sanften Geste der Begrüßung und erwiderte das Lächeln zaghaft. Insgeheim hoffte er, dass es nicht so schief aussah, wie es sich anfühlte. Der Händedruck des Vaters indes war kräftig und Covan dachte, ihm wird die Hand gebrochen. Der Blick des alten Holzfällers war streng, aber nicht wirklich unfreundlich. Mit tiefer Stimme meint er an den Schneider gewandt: „Grüß dich, Covan. Ich bin Kalf Laurandt, das ist meine Frau Auma.“ Kalf ließ von Covans Hand ab. „Das Angebot gilt auch für dich. Lass uns in das Haus gehen.“

„Wir müssen noch die Tiere unterstellen und entladen.“ schaltete sich Kadleen ein. Das wohl der Tiere lies sie auch nun nicht los und so machte sich das junge Paar daran, die Reittiere unter den kleinen Verschlag zu führen. Mit ein wenig Stroh rubbelten sie die Tiere trocken und als alle versorgt waren, trug Covan das Gepäck in die Wohnstube – Kalf ging ihm dabei zur Hand.

Kadleen und ihre Mutter verfielen in ein wildes Gequieke aus Weibergewäsch. Die genauen Worte drangen gar nicht an die Ohren der beiden Männer, als sie das Gepäck auf dem Boden abstellten. Man(n) kannte das ja. Covan ließ den Blick durch die Stube gleiten. Es war, wie er es sich vorgestellt hatte – gemütlich und warm. Sie standen direkt in der Wohnstube. Covan konnte ein Nebenzimmer ausmachen, dass wohl die Küche war. Ausserdem führte eine kleine Treppe hinauf. Das Herz des Schneiders klopfte schon nicht mehr so sehr – immerhin lebte er noch. „Ihr habt sicher eine Menge zu erzählen..“, raunte Kadleens Vater in den Raum hinein „.. und auch einiges zu erklären.“ Der darauf folgende Blick galt gleichermaßen der rothaarigen Tierflüsterin, wie dem Burschen.
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Geändert von Covan Larail (08.05.2013 um 20:26 Uhr).
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Alt 09.05.2013, 12:21
#11
Kadleen Larail
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Als ihr Vater die beiden jungen Menschen so musterte, wurde es Kadleen doch wieder etwas unwohl. Sie warf einen vorsichtigen Blick zu Covan rüber, doch der Bursche erwiderte diesen nicht. Er sah sehr angespannt aus. Die Mimik verkniffen starrte er einfach nur gerade aus. Das Mädchen tastete nach seiner Hand und schob schließlich ihre Finger in seine Handfläche. „Wir werden euch alles erzählen,“ meinte Kadleen leise und der Vater nickte. Plötzlich hatte das Mädchen das Gefühl, dass die Stimmung zu kippen drohte. So froh und dankbar ihr Vater ihr auch erschienen war, als er sie endlich wieder sah und in den Arm nehmen konnte, so distanziert wirkte er nun. Erst Auma konnte das Eis wieder brechen, als sie mit vier dampfenden Bechern warmer Honigmilch aus der Küche kam. „Setzt euch doch alle. Steht doch nicht so rum. Ich bin so gespannt, was ihr zu erzählen habt.“

Sie nahmen an einem langen Tisch Platz, vor dessen Längsseiten zwei Bänke standen, auf denen dicke, bunte Kissen lagen. Die Größe und die Abnutzung des Tisches ließen keinen Zweifel zu, dass er häufig in seiner ganzen Größe in Gebrauch war. Kadleen schluckte leicht. Erinnerungen überkamen sie, wie sie früher hier jede Mahlzeit mit ihrer Familie eingenommen hatte. Mit ihren Eltern, ihren beiden älteren Brüdern und später noch Katerina, Ulriks Verlobte. Während Kalf vor Kopf auf einem Stuhl Platz nahm, setzte sich Auma zu seiner Rechten auf die Bank. Kadleen und Covan nahmen ihr gegenüber Platz. Auma verteilte die Becher mit der dampfenden Milch und fast zeitgleich lehnte sich das junge Pärchen vor und schloss die Hände um den warmen Becher. Kadleen sah aufgrund dieser Geste zu Covan rüber und musste lächeln und endlich schien sie auch den Burschen wieder zu erreichen, denn auch er hob die Mundwinkel zu einem zögerlichen Lächeln an. Es war immer gut, wenn man etwas hatte, an dem man sich festhalten konnte.

„Kadleen, du warst gerade Mal siebzehn geworden, als du einfach fort gegangen bist. Ohne ein Wort. Weißt du was wir uns für Sorgen gemacht haben? Wir wussten nicht wo du warst, was mit dir passiert ist. Und in all’ dieser Zeit kein einziges Lebenszeichen von dir.“ Ihr Vater polterte direkt los. Wie ein dumpfes, nahendes Donnergrollen klang seine Stimme und Kadleen zog instinktiv die Schultern hoch und duckte sich. Eine durchscheinende, faltige Hand legte sich auf Kalfs Unterarm und tätschelte jenen leicht. „Ruhig Blut, Kalf… Willst du etwa, dass sie direkt wieder verschwindet? Jetzt, wo sie endlich wieder hier ist und wir sehen können, dass es ihr gut geht? Sie wird ihr Verhalten bestimmt erklären. Warte nur ab..., “ Kadleen hob den Blick zu ihrer Mutter an und schenkte ihr ein dankbares Lächeln. Dann begann sie zu erzählen…

Sie erzählte von ihren Beweggründen, die sie dazu gebracht hatten wegzulaufen. Die ständigen Hänseleien von ihrem Bruder Bjorn, dass man sie verbiegen wollte, sie zu einem Menschen formen wollte, der sie nicht war. Sie hatte sich nicht mehr Willkommen gefühlt, nicht mehr zu dieser Familie zugehörig. Und ihr Talent, mit den Tieren zu sprechen und sich in sie einzufühlen, hatte die Familie stets nur müde belächelt und Spott dafür übrig gehabt. Sie bereute es, dass sie einfach ohne ein Wort fort gegangen war. Es tat ihr leid, sie entschuldigte sich, doch damals, mit 17 Jahren und ihrem Hitzkopf, hatte sie keine Gedanken daran verschwendet, wie sich ihre Familie dabei fühlen würde. Dann erzählte sie von ihrer Reise nach Britain und wie sie dort einen Neuanfang fand. Wie sie Covan kurz nach ihrer Ankunft kennen gelernt hatte. Was sie sich aufgebaut hatten, wie sie zueinander gefunden hatten. Sie erzählte von dem großen Hof, den sie inzwischen besaßen. Von den Tieren, die sie zähmte, von Covans Handwerk der Schneiderei. Und wie sie sich beide einen Namen in der Stadt hatten machen können. Je mehr sie erzählte, desto entspannter wurde die Stimmung. Kadleens Eltern unterbrachen sie nur selten um eine Rückfrage zu stellen und auch Covan schien sich nach und nach mehr entspannen zu können. Wo er am Anfang nur hin und wieder ein zustimmendes Nicken zum Gespräch beigetragen hatte, folgten später auch immer mehr Ergänzungen, bis Kadleen und er die Geschichte gemeinsam erzählten.

Stundenlang saßen sie am Tisch und erzählten. Die Mutter war zwischendurch im Nebenraum verschwunden und hatte eine deftige Kartoffelsuppe gekocht. Hungrig hatten sich die beiden Verlobten darauf gestürzt. Nichts ging über Hausmannskost. Da kam auch das Essen in den Tavernen nicht dran, waren sie sich einig und Covan war voller Lob für Aumas Kochkünste, was der alten Frau sehr schmeichelte. Als sich draußen die Dunkelheit herab senkte, wurden Kerzen aufgestellt. Das spärliche Licht schaffte eine behagliche Stimmung und die Gespräche dauerten immer noch an, bis sich die Tür öffnete. „Opapa!“ rief eine junge Stimme und ein kleiner Junge mit haselnussbraunem Haar kam in den Raum gestürzt. Er hielt direkt auf Kalf zu, der sich auf seinem Stuhl eindrehte, um den kleinen Jungen in seine Arme zu schließen, hielt jedoch dann inne, als er die beiden Fremden am Tisch sitzen sah. Kadleen sah diesen kleinen Menschen völlig verdattert an. Wie konnte man nur so winzig sein! Kalf zog den Jungen an seinem Hosenbund zu sich heran und brummelte ihm ins Ohr, als er sich den Kleinen auf den Schoß setze. „Schau mal, Olek. Das ist deine Tante Kadleen. – Kadleen, das ist Olek. Mein Enkel. Der Sohn von Ulrik und Katerina.“ Jegliche Farbe wich aus dem Gesicht des Mädchens, als sie den kleinen Jungen ansah. Sie war Tante. Ulrik und Katerina hatten bereits ein Kind. Einen kleinen Jungen. Wie alt er wohl sein mochte? Vielleicht zwei, nicht älter als drei. Zu dem Zeitpunkt, als sie aufgebrochen war, war Katerinas Bauch noch flach gewesen. Ein Räuspern ließ sie herumfahren. Mitten im Raum standen ihr Bruder Ulrik und seine Frau Katerina. Sie hatte sie gar nicht reinkommen hören. Noch immer blass und mit leicht geöffneten Mund sah sie das Paar an. Unter Katerinas Kleid wölbte sich ein riesiger Babybauch hervor. Es sah beängstigend aus. Sie musste kurz vor der Niederkunft stehen. Unwillkürlich legte Kadleen eine Hand auf ihren Bauch. Würde auch sie irgendwann so aussehen? Beunruhigt sah sie zu Covan auf.
Kadleen Larail ist offline  
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Alt 09.05.2013, 20:16
#12
Covan Larail
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Das mussten Ulrik und Katerina sein - Covan hatte gut kombiniert. Er sah den kleinen Jungen an, dann wieder zu dem jungen Ehepaar. Keine Frage, der Knilch sah seinen Eltern in gewissen Zügen ähnlich.

Katerinas Bauch wölbte sich ganz schön. Dieser Ulrik war scheinbar fleißig, was die Familienplanung anging. Covan zog die Mundwinkel, bei Betrachtung des Babybauchs, in die Höhe. Es sah wunderschön aus. Er liebte Kinder. Jedes einzelne war ein Geschenk. Kadleens beunruhigter Blick traf den immernoch lächelnden, blonden Burschen, welcher daraufhin beruhigend eine Hand auf ihren Oberschenkel ablegte. Covan fühlte sich inzwischen schon nicht mehr so unwohl und alles in ihm schrie danach, aufzuspringen und die beiden zu begrüßen, wie es seine recht offene Art verlangte., doch er riss sich zusammen.

„Wen haben wir denn da? Kadleen? Du bist es wirklich! Komm' her, Kleines!“ Ulriks Mimik war von Freude gezeichnet und er streckte die Arme nach seiner Schwester aus. Katerina stand mit einem leichten Lächeln daneben. Aus Erzählungen wusste Covan, dass das Verhältnis zwischen ihr und Kadleen etwas schwierig war, war Katerina doch eine typische Frau und betrachtete das Verhalten der Tierflüsterin eher kritisch. Doch das schien in diesem Augenblick vergessen. Covans rothaarige Verlobte sprang nach einem Moment des Zögerns von der Bank auf und steuerte mit ebenso ausgestreckten Armen auf ihren großen Bruder zu. Beide umarmten sich einige lange Momente und Covan war sich sicher, dass Kadleen schon wieder Tränen in den Augen hatte, auch wenn er es nicht sah. Ulriks Ehefrau bedachte das Mädchen ebenso mit einer liebevollen Umarmung, ehe nun Covan vorgestellt wurde. „Ulrik, Katerina – das ist Covan, mein Verlobter.“

Covan musste schon wieder unweigerlich schwer Schlucken, bei diesen Worten – stand dann jedoch ebenso von der Bank auf, um das Ehepaar freundlich zu begrüßen. Das alles war aufregender, als er gedacht hatte und vielleicht hatte er sogar, zuhause in Britain, den Mund etwas zu voll genommen, als er meinte, dass ihm das alles nichts ausmachen würde. Doch nun war der Bursche hier und würde das gemeinsam mit seiner Zukünftigen durchstehen. Ulrik begrüßte Covan recht herzlich. Ihm scheint es wohl nichts auszumachen, dass da plötzlich ein Kerl war, der einfach seine Schwester heiratet, ohne vorher mal gefragt zu haben. Im Gegenteil – Ulrik schien sich sogar für das junge Paar zu freuen.

Alle nahmen wieder am Tisch Platz. Der kleine Olek saß immernoch auf dem Schoß seines Opas und trieb Schabernack mit ihm. Kadleen und Covan mussten die ganze Geschichte von vorhin nochmal erzählen, ließen aber einige Stellen aus, die sie für nicht ganz so wichtig hielten – ersteinmal. Zu fortgeschrittener Stunde war man dann doch müde, von der Erzählerei und vor allem von der Reise. Die Runde löste sich also mitten in der Nacht auf – Kadleens Neffe ratzte sowieso schon in Opas Arm. Die frisch Verlobten bezogen eine kleines Kämmerlein auf dem Dachboden, in dem ein Bett stand, das gar winzig war. „Wie soll das denn passen?“ raunte Covan seinem Mädchen amüsiert zu, als er die schmale Schlafstätte betrachtete. „Ich werd mich wohl davor ausbreiten müssen, ist deinem Vater bestimmt sogar lieber.“ Kadleen kicherte.
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Alt 11.05.2013, 13:53
#13
Kadleen Larail
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„Hast du etwa etwas gegen mein Bett? Das ist mein altes Zimmer, Covan,“ grinste das Mädchen und sah sich in der kleinen Dachstube um. Ihre Eltern hatten nichts verändert. Der altersschwache Schrank neben der Tür, der kleine Tisch mit dem Stuhl. Eine große, buntbemalte Holztruhe und natürlich ihr Bett, welches unter dem einzigen Fenster im Raum stand. Ja, es musste Covan wirklich winzig erscheinen, aber Kadleen war ja auch nie die Größte gewesen. Sie musste erneut kichern, als sie daran dachte, welche Figur Covan in ihrem Bett machen würde. Bestimmt würden seine Füße bis weit über das Bettende hinausragen.

„Mein Vater scheint dich zu mögen, sonst hätte er nicht erlaubt, dass du in meinem Zimmer schläfst. Und ob wir nun das Bett miteinander teilen oder nicht, tut nun auch nichts mehr zur Sache.“ Kadleen war gerade dabei ihre Kleider abzustreifen und jene über der Stuhllehne zu drapieren. Sie bemerkte Covans Blick aus den Augenwinkeln, der ihren Leib strich, ging aber nicht darauf ein. „Aber wenn dir das Bett zu klein ist, komme ich zu dir auf den Boden.“ Sie hörte wie sich der Bursche aus der Hocke erhob. Er hatte gerade ihren Kleidersack aufgeschnürt. Nun trat er hinter das Mädchen um sie zu umarmen. Seine rechte Hand legte sich dabei auf Kadleens Bauch. Sie fühlte sich ganz warm an. Kadleen schloss die Augen und lehnte sich gegen ihren Verlobten, während jener seine Nase in ihrem roten Haar vergrub. Ein Lächeln stahl sich auf die Lippen des Mädchens, als sie Covans Fingerspitzen über die leichte Wölbung ihres Bauches streicheln fühlte. Sie war mehr zu erahnen, als zu sehen. Und doch hatte sich Kadleens Körper bereits eindeutig verändert. Das Becken war breiter geworden, ihr Busen etwas größer und vor einigen Tagen hatte das Paar festgestellt, dass sich Kadleens Bauch zu wölben begann. Nun konnte es keinen Zweifel mehr geben. Die Tierflüsterin trug ein Kind unter dem Herzen.

„Sie haben noch nichts bemerkt“, flüsterte Kadleen leise und sie spürte wie Covan den Kopf schüttelte. „Nein.“ „Aber wir müssen es ihnen sagen. Auch, dass wir hier sind um zu heiraten.“ Ein leises Seufzen drang von den Lippen des Burschen. „Vielleicht solltest du auch noch mit meinem Vater sprechen. Unter vier Augen. Er hat sicher einige Fragen.“ Sie spürte, wie Covan nickte. Vorsichtig drehte sie sich in seiner Umarmung um und schlang ihre Arme um seinen Hals. „Morgen sollten wir es ihnen sagen, dass wir hier gerne heiraten möchten. Sie werden sich sicherlich freuen und ganz aus dem Häuschen sein. Und dann beginnen die Vorbereitungen. Das wird sicherlich eine spannende Zeit.“ Das Mädchen zögerte einen Moment. „Und wegen dem Kind, werden wir einfach den richtigen Moment abwarten müssen.“ Wieder nickte Covan, dann beugte er sich runter um sein Mädchen sanft zu küssen.
„Lass uns schlafen gehen. Es ist spät.“
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Alt 12.05.2013, 09:50
#14
Covan Larail
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Am nächsten Tag, es war noch früh am Morgen, kletterte der Bursche aus dem viel zu kleinen Bett. Er schob das Mädchen, das halb auf ihm hing, sanft beiseite – bis auf ein kurzes, protestierendes Brummen brachte sie aber nichts zustande, sondern rollte einfach zurück in die Ausgangsposition. Covan machte sich ein wenig Sorgen, weil Kadleens Gesicht nun in dem Kissen vergraben war. Sollte sie keine Luft mehr kriegen, würde sie es schon merken. Draußen war es noch sehr dunkel, was nicht ungewöhnlich war, für einen Wintermorgen. Der Schneider suchte einige Kleidungsstücke aus dem Gepäck zusammen – Eine warme Hose aus den Fellen der Braunbären, dazu die passenden Stiefel, ein Leinenhemd und darüber eine von den Schnallenwesten, die er in letzter Zeit so liebgewonnen hatte. Leise öffnete er die Tür von Kadleens Zimmer, schloß sie ebenso leise hinter sich zu und begann mit dem Abstieg der Stufen, die unter seinen Schritten knarzten.

In der Nacht war Schnee gefallen, das hatte er von da oben sehen können und Covan hatte sich vorgenommen der Familie etwas zur Hand zu gehen und die Wege von der weißen Pracht zu befreien.

Irgendwo draußen, in dem kleinen Verschlag, welcher die Tiere beherbergte, hatte er einen Besen gesehen – ja, da war er noch. Der Bursche lächelte beim Anblick des Schnees. Alles war so leise und friedlich und scheinbar war er der Erste, der zu dieser Stunde wach war. Im Haus hatte er niemanden gesehen, der Schnee war ebenfalls unberührt. Mit dem Besen in der Hand, machte sich Covan an die Arbeit. Die Borsten schabten über die Erde und die Stille wurde von diesem leisen Geräusch durchbrochen. Die frische Winterluft tat dem jungen Mann gut und er hatte einige Minuten, um über den gestrigen Tag nachzudenken – auch über Kadleens Worte, dass er mit ihrem Vater sprechen sollte. Natürlich würde ihm das nicht leicht fallen. Bei aller Offenheit die Covan an den Tag legt, war das wie eine Blockade für ihn, wie eine Prüfung.

Die Haustür protestierte mit einem leisen Ächzen, als Kalf sie öffnete. Wie auf Bestellung, konnte man meinen. Covan hielt in seinem Tun inne, als er dem Geräusch gewahr wurde. „Junge, du bist aber früh wach.“ - „Es tut mir leid, wenn ich Euch geweckt habe, Herr Laurandt.“ Der Bursche drehte sich zu dem älteren Herrn um. „Nein, hast du nicht, Covan. Du nimmst mir Arbeit ab. Kann nicht sagen, dass ich sauer darüber bin.“ Der alte Mann hob einen Mundwinkel und Covan erwiderte die Geste, wenn auch etwas zögerlich. „Ich dachte, es sei nicht verkehrt, wenn ich mich nützlich mache, Herr Laurandt. Ich finde das nur angebracht, wenn ich schon hier einfach mit Eurer Tochter aufkreuze.. und...“ Kadleens Vater trat auf den Burschen zu. Die riesige Rechte legte sich auf Covans Schulter und dirigierte ihn zu dem kleinen Gartentörchen. Er lehnte den Besen einfach gegen den Zaun, als er nach draussen geschoben wurde. „Komm, Bursche. Gehen wir ein Stück.“ Beide gingen nebeneinander her, erst schweigend, bis sie sich schon knapp Zweihundert Meter vom Haus entfernt hatten. „Covan, ich will ehrlich zu dir sein. Du kannst dir sicher vorstellen, dass ich keine Freudensprünge gemacht habe, als ich dich gesehen habe.“ Covan musste Schlucken. „Ja.. mhhm.“ - „Aber in all den Jahren, die ich jetzt auf dem Buckel habe, habe ich gelernt, dass man Menschen eine Möglichkeit geben soll, sich zu beweisen. Ich habe meine Tochter vor einigen Jahren verloren, als sie weggelaufen ist und ich möchte nicht, dass sie ein zweites Mal wegläuft, weil ich direkt los brülle und dich von meinem Mädchen fernhalten will.“ Der blonde Bursche musste unweigerlich Schmunzeln, war es doch eigentlich sein Mädchen. Kalf fuhr fort: „Ihr seid nun verlobt und ich verzeihe dir, dass du nicht bei mir um ihre Hand gebeten hast. Die Umstände waren wohl einfach nicht gegeben.“ Sie kamen an einer kleinen Bank, nahe des Dorfkerns vorbei. Der alte Mann wischte grob den Schnee beiseite und setzte sich, Covan tat es ihm gleich. „Erzähl' mir von dir, Bursche. Wir haben ein paar Jahre aufzuholen.“

Eine frische Böe fuhr den Beiden durch die Haare, ehe Covan kurz die Wangen aufblähte und anfing zu erzählen. Er erzählte von seiner Heimat, dem eisigen Norden, davon wie er aufgewachsen ist. Von seiner Familie und wie er schon immer irgendwie mehr das Handwerk der Frauen ausgeübt hatte, weil es ihm einfach mehr Freude bereitetet hatte. Covan liebte das Kochen und das Schneiderhandwerk, dass er nun als Andenken an seine Großmutter weiterführte und fast zur Perfektion gebracht hat. Er betonte jedoch auch, dass er schon früh gelernt hat, mit dem Speer zu jagen und Goblins den Schädel einzuschlagen. Ja, Goblins waren sogar in seiner Gegend eine kleine, lästige Plage gewesen. Gegen Ende der Erzählungen wurde Covan etwas stiller. Seine Worte wurden leiser, als es darum ging, wie seine Sippe überfallen wurde, wie sie selbst seine kleine Schwester Mina getötet hatten und er selbst feige geflüchtet ist. Kalf sah den Jungen ruhig dabei an. „Und dann kam ich irgendwann in Britain an und traf Eure wundervolle Tochter.“ Covan hatte Kadleens Vater alles über sich erzählt und es kam ihm vor, als sei eine kleine Last von seinen Schultern gefallen. „Behandel' meine Tochter gut, Junge.“ - „Wie eine Prinzessin, Herr Laurandt. Versprochen.“ Die beiden Kerle machten sich gemütlichen Schrittes zurück zum Haus, wechselten noch einige Worte dabei und kamen am Ende, nach zwei Stunden, sogar scherzend und lachend auf dem Hof an.
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Alt 12.05.2013, 20:03
#15
Kadleen Larail
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Immer wieder warf das Mädchen einen ungeduldigen Blick aus dem Küchenfenster und verlagerte ihr Gewicht dabei von einem Bein auf das andere. Im Hintergrund werkelte ihre Mutter am Ofen herum, der Duft von frisch aufgebackenem Brot strömte durch das Haus. „Ich hoffe, dass Vati nett zu Covan ist“, brummte das Mädchen vor sich her und suchte mit dem Blick die Straße ab. Doch von ihrem Burschen und Kalf war nichts zu sehen. Ihre Mutter hob sanft die Mundwinkel an. „Dein Vater wird dem jungen Mann bestimmt ein wenig auf den Zahn fühlen. Das darfst du ihm nicht verwehren. Immerhin war es eine ziemliche Überraschung für uns, dass du uns direkt deinen Verlobten vorstellst. Du bist seine kleine Tochter, Kadleen, und er will nur das Beste für dich.“ Wieder gab die Rothaarige ein leises Brummen von sich. „Covan ist der Beste für mich. Vater soll ihn ja nicht verschrecken.“ „Das wird er schon nicht tun, beruhige dich, Kind, “ war die ruhige Antwortet ihrer Mutter. Kadleen verdrehte nur kurz die Augen. Sie würde sich erst wieder beruhigen, wenn ihr Vater und Covan zurück waren. Und bis es soweit war, würde sie ungeduldig aus dem Fenster starren und auf ihre Ankunft warten. Gab es denn wirklich so viel zu bereden?

„Mutti?“ Das Mädchen drehte sich um, lehnte sich mit dem Rücken an die Anrichte der Küche. Auma legte das Messer beiseite, mit dem sie dünne Scheiben vom Schinken geschnitten hatte. Stumm sahen sich die beiden Frauen gegenseitig an und Kadleen ringte mit den Worten. „Du kannst dir vorstellen, warum wir hier sind, oder?“ begann sie schließlich leise zu sprechen. Ein mildes Lächeln trat auf die Gesichtszüge der alten Frau. „Natürlich, Kaddi. Und ich freue mich darüber.“ Das Mädchen nickte leicht. „Wir haben im Herzogtum keinen Priester der Cunna ausfindig machen können und in der Hauptstadt Britain gibt es nur Glaronspriester und… nun, das kam für uns nicht in Frage.“ „Das kann ich verstehen, mein Kind. Wenn ihr unter Cunnas Segen getraut werden möchtet, dann lässt sich dies gewiss ermöglichen. Du kennst doch die kleine Kirche in der Nachbarsiedlung. Dort könnte die Zeremonie stattfinden.“ Wieder nickte Kadleen zu den Worten ihrer Mutter. „Hilfst du uns bei den Vorbereitungen?“ „Aber natürlich, Liebes. Wir alle werden euch helfen. Ihr müsst dies nicht alleine tun.“ Das Mädchen hob leicht die Mundwinkel. „Danke.“

Das Knarren der Tür ließ Kadleen aufhorchen. Mit einem großen Schritt war sie aus der Küche heraus und stand direkt in der Wohnstube, als Covan und Kalf lachend das Haus betraten. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Was ist denn bitte so lustig?“ Die Männer hielten für einen Moment die Luft an und hörten auf zu lachen, als sie Kadleen ansahen, dann wechselten sie wieder einen Blick und begannen erneut zu lachen. „Ach, schon gut, schon gut.“ Covan trat vor und küsste Kadleen auf die Stirn. „Ihr habt Geheimnisse vor mir.“ „Ohja“, schmunzelte Covan.

Das Frühstück war einfach, schmeckte aber ausgezeichnet. Frisch aufgebackenes, noch ofenwarmes Brot, Schinken, Speck und Käse. Dazu ein paar Eier, da es ein besonderer Anlass war. Immerhin hatte man zwei Münder mehr satt zu kriegen. Ulrik war mit seiner Familie ebenfalls rüber gekommen und Kadleen bedachte Katerinas dicken Babybauch mit einem kritischen Blick. Sie hatte das Gefühl, als wäre Katerina über Nacht noch einmal mehr angeschwollen, aber das konnte natürlich auch nur Einbildung sein. Jedenfalls fand sie den dick gewölbten Bauch immer noch ziemlich furcht einflößend. Ob so eine Geburt sehr weh tat? Vielleicht sollte sie einmal mit Katerina darüber sprechen. Andererseits wusste sie nicht, wie Katerina überhaupt reagieren würde, wenn sie erfuhr, dass Kadleen ein uneheliches Kind unterm Herzen trug. Ihr Verhältnis zueinander war immer sehr angespannt gewesen.

Kadleen lehnte sich zurück und genoss die ausgelassene, fröhliche Stimmung am Tisch. Während des Frühstücks hatten Covan und sie von ihrem Wunsch erzählt, hier in der Heimat zu heiraten, was auf große Begeisterung gestoßen war. Nun redeten sich alle die Köpfe wirr und waren mit den Planungen beschäftigt. Covan blühte regelrecht auf. Er hatte zwar keine Ahnung davon, wie der genaue Ablauf einer Trauung war, doch brachte er immer neue Ideen ein. Die Kirche, die Auswahl des Priesters, Blumenschmuck, Trauzeugen. Sie alle redeten sich die Münder fusselig. Kadleen war das viel zu viel. Mit halb geschlossenen Augen lauschte sie der allgegenwärtigen Geräuschkulisse und ließ sich von jener einlullen. Bis… ja, bis sie ein unbekanntes Gefühl plötzlich aufschrecken ließ.

Das Mädchen zog scharf die Luft ein. Da war etwas gewesen. Ein Gefühl, wie sie es zuvor noch nicht erlebt hatte. Ein sanfter Hauch. Zart wie die Berührung eines Schmetterlingflügels. Und es kam aus ihrem Inneren. Verstört blickte das Mädchen auf ihren Bauch herab. Wie war das möglich? Sollte sie etwa zum ersten Mal ihr Kind gespürt haben? Sie lauschte in sich hinein, wollte, dass es noch mal geschah, doch es passierte nichts. Sie legte die Hand auf ihren Bauch und sofort überkamen sie Zweifel. Hatte sie sich dieses Gefühl nur eingebildet? War etwas mit dem Kind geschehen? Sie sah auf, wollte hilfesuchend ihren Blick auf Covan richten, als sie bemerkte, dass dieser sie schon längst besorgt ansah. „Alles in Ordnung, Prinzessin?“ fragte der Bursche behutsam. Kadleen zögerte einen Moment. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass die Gespräche am Tisch verstummt und alle Blicke auf sie gerichtet waren – auf sie, wie sie ihren Bauch hielt. Und Kadleen hörte es nahezu in den Köpfen der Anwesenden rattern. Nur Ulrik grinste bereits breit über beide Ohren. „Mit der Planung der Hochzeit sollten wir uns wohl besser beeilen. So wie es scheint, haben uns die Beiden noch eine weitere Überraschung mitgebracht.“
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Alt 15.05.2013, 20:48
#16
Covan Larail
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Die Aufregung am Tisch hatte nochmal einen Höhepunkt erreicht, als Kadleen und Covan nach Ulriks Offensive auch das süße Geheimnis gelüftet hatten, das sich unter dem Herzen der Tierflüsterin verbarg. Kadleens Mutter hatte geweint vor Glück und ihre Tochter umarmt – und auch die Anderen am Tisch waren nicht sauer, dass Covan ihr ein Kind gemacht hat. Einzig Kalf schenkte Covan einen ermahnenden Blick, klopfte dem Burschen dann aber auf die Schulter. So fest, dass dem Schneider ein Keuchen entfleuchte. Was danach kam, waren Tage voller organistatorischem Firlefanz, vom dem Covan nun wirklich nichts verstand, trotzdem aber fleißig mitgeholfen hatte – hauptsächlich, wenn es darum ging zu bezahlen. Die Frauen der Familie waren indes ganz in ihrem Element. Man hatte einen Termin mit einem Priester der Cunna ausgemacht, der das junge Paar in der kleinen Kirche im Nachbardorf trauen würde – der 14. im Wyzzin sollte es sein.

Der Vorabend – 13. Wyzzin 1310.
Traditionell wurde das zukünftige Ehepaar, am Abend vor der Hochzeit, voneinander getrennt. Während Kadleen in ihrem Elternhaus übernachtete, verbrachte Covan den Abend und die Nacht bei Katerina, Ulrik und Olek. Der Kleine schlief an diesem Abend schon tief und fest, während die Erwachsenen zusammen in der Stube saßen und sich unterhielten. Natürlich ging es dabei auch um den morgigen Tag. „Bist du aufgeregt, Covan?“, wollte Ulrik wissen. Covan musste schmunzeln. „Was 'ne Frage. Und wie. Ich hab keine Ahnung wieso, doch der Gedanke an die Zeremonie ...“ Er schüttelte resignierend den Kopf. „Ja, so erging es mir auch. Genau so.“ Ulrik schenkte seiner Katerina ein Lächeln, welches von der schwangeren Frau erwidert wurde. „Ja.. wisst ihr, ich hab ein bisschen Angst, dass die Leute denken könnten, ich würde Kadleen nur heiraten, weil sie ein Kind von mir erwartet. Aber das ist ja gar nicht so. Den Antrag habe ich ihr ja schon lange vorher gemacht. Na gut, es geht nun alles etwas schneller als geplant, aber dennoch...“ - „Schon gut, Covan. Du brauchst uns keine Rechenschaft ablegen. In den letzten Wochen haben wir dich kennengelernt und gesehen, wie du mit meiner Schwester umgehst. Ich kann mir keinen besseren Ehemann für Kaddi vorstellen... außer ...“ - „Außer was?“ Covan hob eine Braue in die Höhe. „Außer, dass du für einen Nordmann etwas klein geraten bist.“ Ulrik lachte und auch Katerina grinste vor sich her. In den letzten Tagen hatten sie ihn immer wieder damit aufgezogen. Aber es war gutmütiger Spott und der blonde Bursche war auch nur gespielt beleidigt. „Frech.“ meinte Covan dann nur, und schob die Unterlippe nach vorne. „Das wird morgen ein aufregender Tag für dich, mein Freund. Wir werden uns nun zurückziehen, damit du noch eine Mütze voll Schlaf abbekommst und nicht wie ein Schluck Wasser vor dem Altar stehst.“ Das Ehepaar erhob sich aus ihren Sesseln und verschwanden im Nebenraum, dem Schlafzimmer. Covan blieb alleine in der Wohnstube zurück, auf welchem Boden er sich eine kleine Schlafstätte aus Fellen und Kissen errichtet hatte. Morgen sollte es also soweit sein.
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Alt 16.05.2013, 10:00
#17
Kadleen Larail
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Kadleen war allein in ihrem früheren Kinderzimmer, welches sich direkt unter dem Dach ihres Elternhauses befand. Sie hockte auf dem schmalen Bett und blickte zum Fenster hinaus. Finster war es draußen, doch da es auch in ihrem Zimmer dunkel war, konnte sie wenigstens einige schemenhafte Umrisse erkennen und verschiedene Schattierungen in Grau und Schwarz. Ein leises Seufzen drang über ihre Lippen. Morgen war ihr großer Tag. Der 14. Tag im Wyzzin des Jahres 1310. Zweifel hatte sie keine. Sie liebte Covan, er war der einzige Mann, mit dem sie zusammen sein wollte. Und er war der Vater ihres Kindes. In verliebter Geste strich sich die Tierflüsterin über den Bauch, der sich mittlerweile verräterisch zu wölben begann. Sie erinnerte sich daran, wie sie sich vor einigen Wochen noch immerzu gegen den Gedanken gesträubt hatte, schwanger zu sein. Es war viel zu früh. Bis zuletzt hatte sie gezweifelt und gehofft, dass ihre Blutungen doch wieder einsetzen mögen. Doch irgendwann war der Punkt gekommen, an dem sie sich damit abfinden musste. Es hatte nicht länger Zweifel geben können. Alle Anzeichen sprachen dafür. Sie erwartete ein Kind. Und allmählich hatte sie sich mit dem Gedanken anfreunden können. Hin und wieder fühlte sie eine sanfte Berührung, ein leichtes Streicheln, ein Magengrummeln. Das Kind in ihrem Bauch regte sich.

Das Mädchen sah über ihre Schulter zu ihrer Zimmertür als sich jene öffnete. Im Türrahmen stand ihre Mutter mit einem Tablett. Die Kerze, die sie darauf abgestellt hätte, warf nun ihr spärliches Licht in den Raum hinein und füllte ihn mit einem goldenen Schein. Aus zwei Bechern stieg Dampf und der Geruch von Honigmilch drang Kadleen in die Nase. „Dachte ich es mir doch, dass du noch nicht schläfst,“ sagte Kadleens Muter mit sanfter Stimme. „Darf ich reinkommen?“ „Natürlich,“ bejahte das Mädchen und rutschte von ihrer gehockten Position auf dem Bett in eine sitzende um sich mit dem Rücken an die Wand zu lehnen. Auma trat an das Bett heran, stellte das Tablett auf Kadleens Nachttischchen und reichte dem Mädchen einen der Becher. Dann setze sie sich neben ihre Tochter auf das Bett. „Wie geht es euch Beiden?“ fragte sie mit einem gutmütigen Lächeln und Kadleen musste direkt aufgrinsen. Die letzten Tage hatten bewirkt, dass man von ihrer Person nur noch im Plural sprach. Sie und das Kind bildeten eine Einheit. „Ich bin ein bisschen aufgeregt.“ „Hast du denn Zweifel?“ „Nein, Covan ist der Richtige. Es ist nur… es ist so ein großer Schritt. An eine Heirat hatte ich nie einen Gedanken verschwendet und nun ist es morgen soweit. Und der Tag, an dem ich einmal Kinder bekommen würde, schien mir auch immer unerreichbar weit weg. Jetzt bin ich schwanger und werde in einigen Monaten ein Kind gebären. Es ist alles so viel auf einmal. Ich hab ein wenig Angst vor dem, was noch passieren wird.“ Kadleen pustete leicht aus und trank dann einen Schluck von ihrer Milch. Sie spürte, wie sich der dünne Arm ihrer Mutter um sie legte. „Was auch passiert, mein Schatz. Du weißt, dass du immer wieder nach Hause zurückkehren kannst. Wir sind deine Familie und wir lieben dich, ganz gleich was passiert. Du bist ein starkes Mädchen und ich weiß, dass du deinen Weg gehen und dass du all’ die neuen Aufgaben meistern wirst, die in Zukunft auf dich warten.“ Kadleen hob leicht die Mundwinkel an. „Danke, Mutti.“

Schweigend saßen die beiden Frauen nebeneinander. Kadleen genoss es von ihrer Mutter im Arm gehalten zu werden, ihre Nähe und Wärme zu spüren. Ob ihr Kind es einmal auch so genießen würde, wenn sie es hielt? Sie hoffte es. „Wird Bjorn auch zur Hochzeit kommen?“ fragte das Mädchen in die Stille hinein. „Wir haben ihm eine Einladung geschickt. Er ist immerhin dein Bruder. Auf deiner Hochzeit wird er es nicht wagen, etwas Falsches zu sagen. Ulrik wird ihn im Auge behalten, sollte er auftauchen und ihn notfalls auch wieder hinausgeleiten. Es ist für alles gesorgt.“ Kadleen nickte leicht. Die ganzen Wochen, die sie nun schon bei ihrer Familie in der Heimat verbrachte, hatte sie ihren Bruder Bjorn noch nicht zu Gesicht bekommen. Ihre Eltern hatten ihr erzählt, dass er sich ohnehin nur noch selten blicken ließ. Ein eingebildeter Schnösel war er geworden. Er wohnte in der Stadt, in einem guten Viertel und arbeitete im Haus der Räte. Ja, er hatte sich eine gute Stellung erarbeitet, doch der Preis dafür war hoch gewesen. Ein Jeder musste selber wissen, ob er ein ruhiges Leben im Kreise seiner Familie vorzog oder ein einsames Leben, geprägt im Trubel der Stadt und deren Geschäfte. Kadleen wusste, was sie lieber mochte.

„Du solltest nun schlafen, mein Schatz. Gönne euch Beiden etwas Ruhe. Morgen wird es ein aufregender Tag.“ Kadleen nickte und stellte ihren leeren Becher zurück auf das Tablett. Ihre Mutter erhob sich, beugte sich dann aber noch einmal zu ihrer Tochter runter, die sich auf dem Bett lang ausstreckte. „Egal wie alt ihr auch werdet, ihr werdet immer meine kleinen Kinder bleiben,“ sagte sie mit einem Lächeln und deckte Kadleen mit der warmen Felldecke zu und küsste sie auf die Stirn. „Schlaf gut, mein Liebes.“ Kadleen kicherte ob der Geste. „Danke, Mutti. Schlaf du auch gut.“
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Alt 18.05.2013, 22:09
#18
Kadleen Larail
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Über Nacht hatte es noch einmal geschneit. Dicke, weiße Flocken waren vom Himmel gefallen und hatten das Land mit einer frischen Schneeschicht bedeckt, die jeden Laut verschluckte und alles ganz leis’ werden ließ.

Malerisch hob sich die kleine Cunnakirche von der weißen Winterlandschaft ab. Noch war die hohe Pforte aus Eichenholz verschlossen, doch als der Klang von Glocken anhob und die winterliche Stille zerrissen wurde, öffneten sich die Türen langsam. Voller Freude kündeten die Glocken mit ihrem hellen und klaren Lied von dem Ereignis, welches sich im Inneren der Kirche zugetragen hatte. Und wenig später traten sie hervor: eine junge Frau, gekleidet in ein dunkelgrünes, wallendlanges Kleid, mit feuerrotem Haar und einem Strahlen auf dem Gesicht, welches nur noch von dem Grinsen des blonden Burschen neben ihr übertroffen werden konnte, der in seiner dunklen Fellhose, der passenden Weste und dem feinen weißen Hemd wie ein Edelmann aussah. Gemeinsam blieb das Paar auf den Stufen vor der Kirche stehen, während die Gäste hinter ihnen aus der Kirche strömten, um sie herum liefen und auf dem Kirchplatz noch einander begrüßten, aufgeregt durcheinander liefen oder einfach nur zu dem frisch vermählten Paar hinüber sahen. Hand in Hand blieben Kadleen und Covan stehen und ließen den Augenblick auf sich wirken.

Der Anblick war einfach überwältigend. Kadleen fühlte wie Covan ihre Finger fest zusammen quetschte, während er ihre Hand hielt. Der Bursche war so aufgeregt gewesen! So hatte sie ihn noch nie erlebt. Es musste ihm sehr schwer gefallen sein, nicht einen Blick über die Schulter zu riskieren, als das Mädchen von ihrem Vater den langen Kirchgang zum Traualtar geführt worden war. Ein Raunen war durch die anwesende Gästeschar gegangen. Kadleen hatte gehört, wie flüsternd ihre Schönheit und ihr Kleid gelobt wurden. Das Kleid aus dem glatten, dunkelgrünen Stoff, welches ihre Mutter in den letzten Wochen so raffiniert genäht hatte, dass es die Wölbung von Kadleens Bauch gut kaschierte, damit kein böses Blut hoch kochte. Alle Augenpaare waren auf sie gerichtet gewesen – bis auf Covans. Als sie endlich neben ihm stand und Kalf ihre Hand in die von Covan gelegt hatte, meinte sie erkannt zu haben, wie der Bursche einmal kräftig schlucken musste. Die Aufregung hatte ihn ganz still werden lassen.

Die Zeremonie war wie im Flug an ihr vorübergezogen. Sie erinnerte sich kaum noch an die Worte des Priesters. Doch es mussten Worten voller Liebe und Hoffnung gewesen sein, denn die Leute hatten gebannt gelauscht. Das Metall des Rings hatte sich kühl angefühlt, als Covan in ihr über den Finger geschoben hatte, wo er nun stiller Zeuge war von den Worten, die sie sich einander versprochen hatte. Ein Zeichen ihrer Verbundenheit.

Kadleen erwiderte den Druck von Covans Fingern und ließ den Blick schweifen. Ihre Familie stand nur wenige Schritte von ihnen entfernt. Sie klatschen in die Hände, sahen stolz zu ihrer Tochter und dem frisch gebackenem Schwiegersohn auf. Selbst Bjorn war der Einladung gefolgt. Auch er klatschte und lächelte Kadleen an. Es war ein offenes Lachen, ein ehrliches. Kadleen entdeckte alte Bekannte. Leute aus der Stadt, aus den umliegenden Dörfern. Andere Mädchen, mit denen sie früher zusammen den Unterricht besucht hatte. Wie erwachsen sie alle aussahen! Einige von ihnen standen an der Seite junger Männer und Kadleen musste unwillkürlich schmunzeln. Sie hatte den besten Fang gemacht.

Nun kamen die Leute auf sie zu, Grüppchenweise. Es wurde einander umarmt, die Hände geschüttelt. Das frisch vermählte Brautpaar wurde beglückwünscht. Kleine Geschenke wurden überreicht. Als Kadleen und Covan hoffnungslos überladen waren erbarmte sich Ulrik ihnen ihre Last abzunehmen. Dann ging es auch schon weiter. Worte wurden gewechselt, es wurde viel gelacht und plötzlich fühlte Kadleen, wie ihr die Tränen über die Wangen liefen. So überwältigt war sie von dem ganzen Ereignis. Die Anspannung der letzten Tage, die Aufregung, alles machte sich nun Luft und platzte aus ihr heraus. Sie spürte wie Covan sie in seinen Arm zog und sie verbarg für einige Momente ihr Gesicht an seiner Brust, fühlte, wie er ihr einen Kuss auf den roten Haarschopf gab.


Auf den Stufen stehend, überblickte der Bursche die ganzen Menschen. Die meisten davon kannte Covan gar nicht, oder nur flüchtig, schließlich waren sie schon einige Wochen in den Dörfern und der Stadt unterwegs gewesen. Da lernt man den Ein oder Anderen schon kennen. Er erkannte den Fischer Cleven, aus dem Nachbardorf und seine Frau Ranny, die Schneiderin. Alle waren sie gekommen, um dem frischgebackenen Ehepaar ihre Glückwünsche auszusprechen und sie mit Geschenken zu beladen. Covan merkte gar nicht, wie er Kadleens Hand etwas fester drückte, als seine Sicht etwas verschwommener wurde, die Gedanken etwas abschweiften, zurück zu der Zeremonie. Immer wieder hatte Ulrik auf ihn eingeredet, sich bloß nicht umzudrehen, wenn die Braut in die Kirche kam. Irgend so ein Brauch, den er nicht verstand. Sei's drum.
Eisern hatte der Bursche ausgeharrt, sich gezwungen geduldig zu sein. Geduld war nun wirklich nicht seine Stärke, zumal es hier um Kadleen ging. Seine schöne Kadleen. Und wie schön sie an diesem Tag wirklich war, konnte er erst sehen, als ihm ihre Hand von Kalf überreicht wurde. Die ganze Zeit hat er die Leute hinter sich tuscheln hören. Covan konnte nur einige Vereinzelte davon aufschnappen, doch keines davon beschrieb es würdig genug. Ein Kloß bildete sich in seinem Hals, den er hastig herunter schlucken musste – zeitgleich drohten seine Augen feucht zu werden. Die Worte des Priesters interessierten ihn eigentlich kaum. Die ganze Zeit über starrte der Bursche nur sein Mädchen an.

Herr und Frau Larail mussten einige Hände schütteln, Umarmungen über sich ergehen lassen und Geschenke annehmen. Irgendwann, nach dem vierzigsten Glückwunsch, entspannte Covan sich auch etwas und ein Gefühl von Erleichterung machte sich breit... und … er hoffte, es würde bald etwas zu essen geben. Am Morgen hatte er nur einen kleinen Bissen herunter bekommen und das rächte sich nun. Sein Blick fiel auf Kadleen, als er sein Bedürfnis verbal zum Ausdruck bringen wollte – sie weinte, vor Glück. Der blonde Bursche unterdrückte sein Anliegen und drückte stattdessen seine Ehefrau sacht an sich.
Aufregung und Trubel ebbten langsam ab. Die Gäste, die nur an der Trauung teilgenommen hatten, kehrten in ihre Häuser zurück, nachdem sie das junge Paar beglückwünscht hatten. Kadleen und Covan kehrten mit ihrer Familie und einigen engen Freunden in eine kleine, gemütliche Gaststätte ein.

Keine pompöse Hochzeit, sondern schlicht und einfach. Ein prasselndes Feuer im Kamin. Ein lang gestreckter, rustikaler Tisch an dem alle Gäste Platz fanden. Ein deftiges Essen und genügend zu trinken. Es wurde zusammen geredet, gelacht, gesungen und getanzt. Die Feier dauerte bis spät in die Nacht hinein und erst am nächsten frühen Morgen war auch der letzte Gast gegangen und das frisch vermählte Paar hatte endlich Zeit für sich allein.

Leise Liebesworte wurden gewechselt, als sie schon längst in ihrem Bett lagen und die Hochzeit Revue passieren ließen. Die Müdigkeit war wie verflogen, an Schlaf war nicht mehr zu denken und so rückten die Beiden näher aneinander um ihre Ehe zu vollziehen.

Das Ehepaar Larail würde noch einige Tage bei Kadleens Eltern bleiben, doch sie spürten schon jetzt, wie es sie wieder nach Hause zog. Sobald die grauen Tage überstanden waren und das Wetter sich etwas beruhigt hatte, würden sie sich auf den Heimweg machen. Zurück in ihr gemeinsames Zuhause, in Britain.
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Alt 20.05.2013, 10:46
#19
Covan Larail
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Von weitem war schon die Spitze der Glaronskirche am Horizont zu sehen, wie sie über den Dächern der Stadt Britain thronte. Schwach waren ihre Umrissen an diesem diesigen Vormittag zu erkennen, doch für das Ehepaar Larail gab es in diesem Moment keinen schöneren Anblick. Arm ins Arm standen sie an der Reling, das Mädchen hatte ihren roten Schopf an den Burschen gelehnt, und betrachteten die Einfahrt in den britainer Hafen. Schön war sie gewesen, die Zeit auf dem Festland, doch Covan war auch froh wieder hier zu sein. Man hatte ein größeres Bett organisiert und in Kadleens kleine Stube gequetscht, das Alte war doch zu winzig, als das es wirklich bequem war – und doch sehnte er sich nach seinem eigenen Bett. Arium, das Umland und seine Menschen waren wundervoll, hilfsbereit und lebensfroh, doch hier in Britain war ihre neue Heimat, der Hof mit seinen Tieren, den sie sich aufgebaut haben und der weiter wachsen würde, Covans Schneiderei. Die Jagd vermisste er auch ein wenig. Die Notwendigkeit dieser stand außer Frage, doch viel mehr schätze Covan daran, dass er einfach mal abschalten konnte. Die Einsamkeit der Wälder tat dem jungen Mann immer wieder gut. Jetzt, wo die Luft kalt und klar war, der Schnee das Land bedeckte, war der Wald besonders leise. Auf dem Festland, bei Kadleens Eltern, war er das ein oder andere Mal auf der Jagd und hatte seine Beute für die Familie zubereitet. Einmal sogar für das ganze Dorf, als er besonders viel Glück und einen Riesenkeiler erwischt hatte. Auma war froh gewesen, als Covan ihr immer öfter zur Hand ging, wenn es um die Nahrungszubereitung ging und gegen Ende waren sie fast ein unschlagbares Gespann in der Küche. Selbst Kadleen hatte sich den ein oder anderen Kniff abgeschaut. Eines Tages werden sie zurück kehren, um die Familie zu besuchen, doch das wird nicht in diesem Jahr geschehen. Das junge Ehepaar war dabei seine eigene kleine Familie zu gründen. Kadleen trug ihr gemeinsames Kind aus, auf das sich Covan so sehr freute. Er liebte es jetzt schon abgöttisch und würde alles tun, um jegliches Unheil von dem winzigen Geschöpf und seiner Ehefrau abzuhalten.

Gemeinsam beobachteten sie die Einfahrt in den Hafen. Das Schiff legte einen Tag später an, als es geplant war. Das Wetter hatte eine pünktliche Ankunft verhindert und sie mussten einen nahegelegenen Hafen ansteuern um dort zu verweilen und abzuwarten – doch am nächsten Morgen ging es auch schon direkt weiter. Nun wurde es wuselig auf dem Schiff. Matrosen rannten auf dem Deck umher, Seile wurden hin und her geschmissen und befestigt. Danach wurde allerhand Fracht ausgeladen. Covan und Kadleen ließen es ruhig angehen mit ihrem Gepäck, doch irgendwann hatten auch sie alles vom Schiff getragen. Ihr Weg führte sie in die nahegelegene Schneiderei, wo sie ihre Sachen zur Zwischenlagerung abstellten und minutenlang in einer innigen Umarmung verharrten.
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Alt 02.06.2013, 10:55
#20
Covan Larail
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Es war mitten in der Nacht, doch der Schneider fand nicht so recht in den Schlaf. Vielleicht hätte er auch etwas von dem Tee trinken sollen, den Runa dem Ehepaar brachte. Irgendwas mit Baldrian, oder sowas. Covan hatte es vergessen. In Kräuterkunde war er nie besonders gut. Kartoffeln und Rüben, damit kannte er sich aus.

Seine Hand lag noch immer auf Kadleens Babybauch, die ganze Zeit über hatte er sie nicht weggenommen – und hin und wieder konnte er sogar fühlen wie es sich darin bewegte. Irgendwann nach ein paar Stunden war es dann aber soweit, der Bursche dachte, er würde sich noch die Seite wundliegen. An Schlaf war eh nicht zu denken, also kletterte Covan ganz vorsichtig aus dem Bett, darauf bedacht seine Ehefrau nicht zu wecken. Barfuß überbrückte er den Weg bis zur Tür, welche er leise einen Spalt öffnete, grade soviel, um hindurch zu schlüpfen. Sein Weg führte ihn die Stufen hinunter, in die Wohnstube, zu dem großen Esstisch. Nachdem er sich ein Blatt Pergament aus eine der Kommoden genommen hatte, begann er zu schreiben.
Liebe Mama, Vater

Viel ist geschehen in den letzten Jahren. Ersteinmal muss ich euch sagen, dass ich euch vermisse. Es mir leid tut, dass ich nicht bei euch bin. Nein, das ist nicht ganz richtig. Es tut mir leid, dass ich einfach verschwunden bin – meine Angst trieb mich fort von meiner Familie, mit der ich hätte zusammen sein sollen, doch in jedem Ende liegt auch immer ein Neuanfang. Ich kam mit dem Schiff nach Britain und lernte ein wundervolles Mädchen kennen. Kadleen ist ihr Name. Sie ist das Schönste, was ich je gesehen und erlebt habe. Wir haben uns angefreundet, wurden Nachbarn und mehr. Heute sind wir verheiratet und erwarten ein Kind. Ja, sie trägt unseren Namen – Larail. Ich weiß genau, dass ihr sie mögen würdet. Zusammen haben wir uns einen großen Hof aufgebaut, mit vielen Tieren und Ackerfläche, den wir bewirtschaften. Eine Zeit lang betrieben wir sogar eine kleine Schenke im Wald. Doch diese mussten wir leider schliessen. Von der Garde der Stadt Britain erfuhren wir, dass irgendjemand unsere Vorräte vergiften wollte und so hielten wir es für besser, die Schenke aufzugeben. Stattdessen habe ich, in Andenken an Großmutter, das Schneiderhandwerk weitergeführt und fast zur Perfektion gebracht. Mit Stolz kann ich behaupten, dass es keinen besseren Schneider in diesem Land gibt.

Ich könnte euch endlos lange Geschichten schreiben, was alles passiert ist, doch dies soll erst einmal genügen. Wie ihr merkt, geht es mir gut und ich hoffe, euch geht es genauso. Einen lieben Gruß an meine geliebte Schwester. Ich vermisse sie ebenfalls sehr. Sollte unser Kind ein Mädchen werden, wird sie ihren Namen tragen.
Alles Gute für Euch und die Anderen.

Euer Sohn,
Covan
Ein paar Mal noch überflog Covan die Zeilen, die er niederschrieb, faltete dann das Blatt zusammen. Mit Hilfe der Kerze, die ihm ein wenig Licht am Esstisch schenkte, entzündete er nun den Brief, um ihn daraufhin in den Kamin zu legen. Stumm beobachtete der Bursche, wie die Zeilen langsam zu Asche wurden.
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Geändert von Covan Larail (02.06.2013 um 11:30 Uhr).
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Alt 15.02.2014, 13:27
#21
Covan Larail
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Seit einigen Tagen schon lebte Familie Larail, auf engem Raum, in der Stadt Britain. Covan hatte eine kleine, freie Wohnung ausfindig machen können, welche er notdürftig, aber dennoch mit viel Liebe eingerichtet hatte. Ein winziger Esstisch, goldene Kerzenleuchter, ein Regal. Herzstück der vorrübergehenden larail'schen Residenz war die Fellstätte. Geschmückt mit vielen Kissen, diente sie als Schlafstätte. Raiks Stofftiere waren überall darauf und daneben verteilt. Extra ein Bett bauen lassen hielten sie nicht für nötig. 'Es wird schon gehen', sagten sie sich und 'Es ist ja nur für eine kurze Zeit'. Doch war dem wirklich so? Der Hof und die Garde sparten mit Informationen darüber, was eigentlich los ist dort unten, im Süden. Ein feindlicher Heerführer hätte die Festung belagert und Gerüchten zufolge hatten sich schon einige seiner Ritter in die Wälder getraut.

Kadleen, Raik und Covan hatten sich daraufhin entschlossen den Hof am Ogerpass zu verlassen, doch grade Kadleen hatte darunter am Meisten zu leiden. Die Nähe zu den Tieren fehlte ihr, das Gegacker der Hühner, das Muhen der Kühe oder das Blöken der Schafe. Lediglich die zwei Hunde hatten sie mitgenommen. Hier, in der Stadt, waren es andere Geräusche. Fußschritte von Spaziergängern, das Scheppern der Gardepatrouillen oder das Gejohle von betrunkenen Tavernengästen. Der Alltag der Familie hatte sich grundlegend verändert. So gab es das Mittagessen in der Taverne, statt selbstgekocht am heimischen Tisch, frisch gebackene Brote gab es beim Bäcker, statt aus dem eigenen Ofen. Keiner musste den Stall ausmisten, oder die Wassertröge mit Brunnenwasser füllen.
Covan machte sich in der Zeit etwas bei Rashida in der Stadtschneiderei breit. Sie erlaubte ihm dort zu Arbeiten und der blonde Nordländer war dankbar darüber. In dieser Zeit zogen aber ohnehin alle an einem Strang. Viele Städter nahmen Gäste aus dem Umland auf und trotz der vielen Menschen auf der Straße, vernahm Covan nur selten Streiterei zwischen ihnen. Er war zuversichtlich, dass die Leute auch diese Krise gut verpacken und als Gemeinschaft gestärkt wieder hervortreten können.
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Alt 16.10.2014, 21:35
Ein neues Heim
#22
Raik Larail
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Raik ging geführt durch seine Mutter durch die neuen steinernen Hallen, welche sie nun ihr neues Heim nannten.

So richtig verstehen konnte es Raik nicht das sie hier her gezogen sind. Die vielen Häuser in schwerstarbeit der Natur abgerungen, Wege und Plateaus angelegt um den Menschen Raum zu geben. Außen herum eine feste Palisade aus Holz. Dies nannten sie nun "Kaff" wie es Raik nicht besser aussprechen konnte. Es war ganz und gar nicht so laut und voll wie in Britain, aber die Hütte am Ogerpass war seine Heimat solange er denken konnte.

Raiks Mutter jedoch versuchte ihm mit herzensgüte das neue Heim warm und wohnlich zu gestalten. Ein flauschiger Teppich und alle seine lieblings Kuscheltiere, vor allem Varkon der Zombie. Das einschätzen seiner Gefühle oder seinen Eltern zu sagen, dass es hier nicht so schön ist, fiel ihm jedoch schwer. Sein Vater bemühte sich unglaublich und dann auch noch die vielen Geschenke, zu denen sich Raik manchmal fragt ob er sie verdient hätte. Es war ganz schön befremdlich und das Anwesen, einer Villa gleich, jagte ihm irgendwie einen kalten Schauer über den Rücken.

Als Raik nach der Führung allein in seinem Zimmer war, kletterte er auf sein Bett und schaute aus dem Fenster. Vor ihm offenbarte sich jedoch ein ungeahnt schöner Anblick auf den Fjord von Cove und Fenisthal. Er sah Möwen, Enten und soviele Tiere die er noch gar nicht kannte.

Vielleicht ist die neue Heimat doch nicht so schlecht. Vielleicht könnte diese Stadt ihm eine ganz neue Richtung in seinem Leben zeigen und solange er die Nähe und die Liebe seiner Eltern spüren kann, ist er selbst in den jungen Jahren gewiss. "Ich bin hier Zuhause."
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Alt 18.10.2014, 17:37
#23
Kadleen Larail
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Leise schloss sie die Tür zu Raiks Zimmer und zog sich zurück. Der ereignisreiche Tag hatte ihn erschöpft und schnell einschlafen lassen. Ein Lächeln hatte noch auf seinem Gesicht gelegen, als er diese hässliche Puppe, die er liebevoll 'Varkon' nannte, an seine schmale Brust gedrückt hatte. Jetzt hatte sie ein paar Minuten Zeit für sich. Covan war noch im Arbeitszimmer, wälzte Berichte und Unterlagen und ging in seiner neuen Rollen als Stadtverwalter von Cove gänzlich auf.

Sie trat auf den Balkon hinaus, verschränkte die Arme vor sich auf der Brüstung und ließ den Blick durch den Hof gleiten. Das leise Schnauben der Pferde drang zu ihr empor. Im Halbdunkel konnte sie die Hunde Kari und Dandin sehen, wie sie dicht nebeneinander vor einer Hundehütte lagen. Die Hühner saßen aufgeplustert und müde auf ihren Nestern. Sie hob den Blick an. Nun konnte sie einen Großteil des kleinen Städtchens Cove überblicken. Friedlich lag es da. Ruhig und still.

Der Schritt, den Hof am Ogerpass aufzugeben und hierher nach Cove zu ziehen, war ihr nicht leicht gefallen. Die Ungewissheit war groß gewesen und sie hatte lange gezögert. Hauptsächlich hatte sie es für sie getan. Für ihre beiden Männer. Sie hatte immer gespürt, dass in Covan mehr schlummerte als ein einfacher Bauer und Schneider. Und sie wollte ihm nicht im Wege stehen. Stattdessen versuchte sie ihn tatkräftig zu unterstützen. Auch um Raik seinen Lebensweg zu ebnen und es ihn in späteren Jahren leichter zu machen. Sie hoffte, dass er eines Tages stolz auf das blicken würde, was seine Eltern geleistet hatten und vom dem er vielleicht profitieren könnte.

Seit einigen Wochen lebten sie nun schon hier in Cove. Die Residenz hatte mit ihrem alten Hof kaum etwas gemein, aber die Tiere, die im Hof frei herumliefen, gaben ihr ein Stück ihres alten Zuhause zurück. So fiel die Umstellung nicht allzu schwer. Und doch würde sie nie die geborene Verwalterin sein. Dafür liebte sie ihre Arbeit mit den Tieren zu sehr; fühlte sich dem einfachen Volk zu sehr zugehörig. Sie stammte aus einfachen Verhältnissen und die Verantwortung, die nun auf ihren Schultern lastete, schien ihr manchmal zu schwer. Ein Glück, dass sie jene nicht allein tragen musste. Sie hatte Covan. Ihren Mann, den sie über alles liebte und auf den sie sich immer verlassen konnte. Egal was sein würde.

Ein Schmunzeln glitt über ihre Lippen. Sie hatte schon so viele Herausforderungen gemeistert. Wie sehr hatte sie sich damals dagegen gestrebt, als ihr bewusst geworden war, dass sie ein Kind erwartete. Der Gedanke war ihr unvorstellbar gewesen, dass sie Mutter sein würde. Und nun wollte sie ihre kleine Familie keinen Tag mehr missen. Sie war alles, was sie im Leben brauchte. Und vielleicht, würde diese Familie eines Tages noch einmal wachsen. Sie wünschte es sich.
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Alt 12.11.2014, 09:31
#24
Covan Larail
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Es war schon etwas später geworden, als Covan die Mappe mit den Gehaltszahlungen seiner Angestellten schloß. Zugegeben, das war keine besonders dicke Mappe. Er hatte noch Stellen zu besetzen, aber so richtige Arbeitslust wollte unter der Bevölkerung nicht auftreten.
Covan rieb sich die Augen, die vom Lesen schmerzten. Irgendwie kam es ihm vor, als würde er diese geschriebenen Notizen, Zettel und Briefe immer schlechter erkennen. Bei Kadleen hatte er schon kurz seine Bedenken bezüglich seiner schwächelenden Sehkraft geäußert. Zu einem Heiler solle er gehen, hat sie gemeint. Der Nordländer war sich unsicher, ob er sich diese Alterserscheinung eingestehen konnte. Er kratzte grade mal an der 29 Jahrsgrenze und sollte schon solche Schwächen hinnehmen? Mit einem unzufriedenen Brummen erhob er sich aus dem schweren Polstersessel, um die Mappe in das Regal einzuordnen. Sein Blick wanderte zu der kleinen Wanduhr, welche er nun mit Jenem fixierte. Angestrengt runzelte er die Stirn, schob die Augenbrauen etwas zusammen und verengte die Augenlider etwas.. "Was zeigen die Zeiger da?" Schlussendlich tat Covan ein paar Schritte auf die Uhr zu – seine Miene erhellte sich. "Aha.. geht doch." Es war kurz vor 22 Uhr, an diesem windigen Herbsttag.

Seit dem Frühling, genauer dem 4. im Libani 1315, waren Covan und Kadleen nun damit beschäftigt das kleine Lehnen Cove zu verwalten. Covan empfand diese Aufgabe als spannend. Er war ein Macher und erfreute sich an den Dingen, die er erschuf. Dabei war es fast egal, was es war. Für ihn erschien Cove im Moment wie ein riesiger Spielplatz, den er formen konnte, wie er das wollte – einzig ein paar Gesetze und die Zeit setzten ihm Grenzen. Zeit war im Übrigen das, was es in den letzten Monaten viel zu wenig gab, doch so langsam lichtete sich die ganze Arbeit rund um das Lehen und es gab wieder mehr Familienaktivität. Raik war schon so groß geworden und endlich konnte Covan all den Schabernack mit ihm treiben, den er sich die letzten Jahre ausgedacht hatte. Er würde Streiche mit ihm spielen, ihn mit zum Fischen nehmen, ein Lagerfeuer machen und ihm all die Dinge zeigen, die ein Vater seinem Sohn zeigen kann.
Covan lächelte selig bei dem Geanken daran und schloß die Tür des Arbeitszimmers hinter sich, als er es verließ. Einen letzten Blick noch für heute auf seinen schlafenden Sohn, ehe er die restliche Zeit des Tages mit seinem wundervollen Mädchen teilte.
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Alt 15.02.2015, 14:51
#25
Kadleen Larail
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Sie spürte, wie er seine Arme um ihren Leib schlang und die Hände an ihren Bauch legte. Mit den Fingerspitzen zeichnete er die runde Wölbung nach. Es kitzelte. Sie musste leise kichern. Entspannt sank sie mit ihrem Rücken an seine Brust, lehnte den Hinterkopf an seine Schulter. Er neigte den Kopf nach vorne, küsste ihre Wange. „Ich möchte nicht gehen,“ flüsterte er ihr leise ins Ohr. „Du musst. Du hast es ihm versprochen.“ „Aber ich kann euch nicht allein lassen. Nicht, nach der letzten Nacht.“ Sie drehte sich in seinen Armen herum. Seine Hände glitten von ihrem Babybauch zu ihren Hüften. Aus ihren dunkelgrünen Augen sah sie zu ihm auf und er erwiderte ihren Blick, neigte den Kopf und lehnte seine Stirn an ihre. „Covan, …“ begann sie leise. „Es geht uns gut. Die letzte Nacht,... das waren nur Übungswehen. Wir haben noch etwas Zeit.“ Sein Schnaufen verriet ihr, dass er nicht ihrer Meinung war. „Raik freut sich auf euren Ausflug. Er redet seit Wochen von nichts anderem. Und es ist eine der letzten Gelegenheiten. Wenn das Baby erst mal da ist, dann wirst du erst recht keine Zeit mehr finden mit ihm auf's Meer und zum Fischen zu fahren. Fahrt heute. Habt einen schönen Tag.“ Mit spitzen Lippen küsste sie ihn rasch auf den Mund. Kaum, dass sich ihr Gesicht von seinem entfernte, verstärkte sich sein Griff um ihre Hüften und er zog sie näher zu sich heran. Erwiderte den Kuss voll angestauter Leidenschaft.

Minuten verstrichen und sie atmete angestrengt, als er seinen Griff wieder lockerte. „Ich hasse es, wenn du Recht hast,“ knurrte er leise und sie lachte. Wieder sah er ihr in die Augen, dann sank er vor ihr in die Hocke. Die Hände rechts und links an ihren Bauch legend sprach er zu dem Kind. „Du hörst auf deine Mutter. Ihr habt noch etwas Zeit. Bleib die nächsten Stunden noch in deiner warmen Höhle, während ich mit deinem Bruder zum Angeln fahre. Hier draußen gibt es nicht zu sehen.“ Kadleen öffnete die Lippen zu einem Protest, aber er schmunzelte. „Was denn? Wenn es gleich kommt, verpasst es das Beste. Nämlich mich.“ Er küsste ihren Bauch und sie verdrehte die Augen.


Aufgeregt sprang Raik über den Hof. Kadleen lehnte im Türrahmen und beobachtete ihren Sohn. Er sprühte vor Lebensenergie. Vor wenigen Wochen war er fünf Jahre alt geworden. Die Zeit war wie im Flug vergangen. Er war wie eine Miniaturausgabe von Covan. Redegewandt, den Kopf voller Flausen. Covan hatte ihm versprochen mit ihm aufs Meer hinauszufahren zum Angeln. Für sie war das nichts. Ihr war schon beim letzten Ausflug ganz flau im Magen geworden und dabei hatten sie die offene See nicht mal erreicht, sondern waren in ruhigeren Gewässern geblieben. Nein, ihr Magen war nicht seetauglich und jetzt, wenige Tage vor der Niederkunft, wollte sie sich diesen Strapazen nicht mehr aussetzen. Als sie Schritte hörte, wandte sie den Blick zur Seite. Covan trat neben sie, über die Schulter zwei Angeln gelehnt und unter dem Arm eine Kiste geklemmt. Anglerzubehör, schlussfolgerte Kadleen. Raik kam auf sie zugerannt. „Ich fang dir einen riesigen Fisch, Mami. Dir und dem Baby.“ Ein sanftes Lächeln stahl sich auf ihre Gesichtszüge, die durch die Schwangerschaft ganz weich geworden waren. „Das ist lieb von dir, mein Schatz. Pass gut auf dich auf. Und auch auf deinen Vater. Nicht, dass er noch ins Wasser fällt.“ Raiks glockenhelles Kinderlachen erklang und Covan schnaubte. „Du traust mir auch gar nichts zu, was?“ „Ich trau dir so vieles zu...“ Er schmunzelte und küsste sie auf die Wange. „Ruh' dich aus, Prinzessin. Wir sind heute Abend zurück.“ Er reichte eine der Angeln an Raik weiter. Dann überquerten die beiden Männer den Hof und gingen zum Tor hinaus.


Die Nähe der Pferde hatte eine beruhigende Wirkung auf sie. Covan gefiel es nicht, dass sie noch so oft in die Ställe kam und die Tiere umsorgte; aber sie liebte ihre Arbeit. Es ging ihr zwar nicht mehr alles so leicht von der Hand wie vor wenigen Monaten, doch niemand hetzte sie. Sie konnte ihr Tempo selbst bestimmen. Und so füllte sie Tröge mit frischem Heu. Das Ausmisten würde später Annalie für sie übernehmen. Ihre Haushälterin und die gute Seele der Residenz in Cove. So viele Jahre lebte Annalie nun schon bei den Larails, war längst ein Teil der Familie geworden. Später würde sie sich mit der jungen Frau zusammensetzen. Gemeinsam würden sie einen Tee trinken und die Nachmittagssonne genießen. An einem Tag, wo sich die Männer vergnügten, durften sich auch die Frauen ein wenig mehr Ruhe gönnen.


Schmerz durchflutete ihren Körper. Sie keuchte auf. Ihre Augen weiteten sich, als ihr die Erkenntnis kam: das sind keine Übungswehen! Sie stand mitten im Stall. In der linken Hand noch die Pferdebürste. Plötzlich fühlte sie die Nässe an ihren Oberschenkeln. Die Fruchtblase war geplatzt. „Nein, nein, nein, nein, nein...“ wisperte sie aufgeregt. „Ich hab doch jetzt keine Zeit. Bitte nicht jetzt!“ Doch ihr blieb kaum Ruhe. Die Schmerzen strahlten in ihren Rücken, ihren Unterleib und in ihre Oberschenkel aus. Jetzt nur nicht hier zusammenbrechen. Sie musste es noch zurück ins Haus schaffen. Die Lippen aufeinander gepresst schlich sie mit kleinen Schritten zurück zur Residenz. Sie war kaum durch das schmiedeeiserne Tor, da kam ihr Annalie schon entgegen gelaufen. Sie fühlte, wie Annalie ihr unter die Arme griff, sie aufrecht hielt. Sie hatte das Bedürfnis sich an die Schulter der jungen Frau zu lehnen. Für einen Moment die Augen zu schließen, zu entspannen und sich fallen zu lassen. Doch der Wunsch blieb ihr verwehrt. „Kommt mit. Wir schaffen das.“

Ihre Gedanken rasten, ihr Körper funktionierte. Am Rande bekam sie mit, wie Annalie geschäftig um sie herum eilte. Sie zum Bett führte, ihr beim Hinlegen half, sie entkleidete. Als die junge Frau sich abwandte, griff sie nach ihrer Hand. „Lass mich nicht allein,“ Kadleens Augen waren schreckensweit aufgerissen. Ein beruhigendes Lächeln huschte über Annalies Lippen. Sie nahm Kadleens Hand, tätschelte diese und sprach mit beruhigender Stimme. „Ich lasse euch nicht allein. Ich hole Tücher und setze Wasser auf. Wir werden nun euer Kind zur Welt bringen.“


Verliebt zeichnete sie die Gesichtszüge des Kindes in ihren Armen nach. Eine Tochter...
Sie erschien ihr so winzig und zerbrechlich. War Raik auch einmal so klein gewesen? Sie konnte sich kaum dran erinnern. Roter Flaum bedeckte das Köpfchen des Mädchens. Es hatte kräftig geschrien und sich später an ihrer Brust satt getrunken. Nun schlief sie und Kadleen hatte Zeit sie ausgiebig zu betrachten. So richtig, konnte sie es noch gar nicht realisieren. Alles war so schnell gegangen. Ein Glück, dass Annalie bei ihr gewesen war. Ohne die junge Frau, hätte sie es nicht geschafft. Sie blickte auf, sah zu Annalie hinüber, die die Spuren der Geburt beseitigte. Welch' gute Seele sie sich doch ins Haus geholt hatten...

Erschöpft lehnte sie sich in die Kissen zurück. „Ich lasse euch nun ein wenig allein,“ sprach Annalie mit sanfter Stimme. „Ruft nach mir, wenn ihr etwas braucht. Ich werde unten sein.“ Kadleen nickte schwach. Sie schloss die Augen. Vielleicht konnte sie sich nun etwas ausruhen. Sie hörte, wie Annalie das Zimmer verließ, die Tür hinter sich anlehnte. Unten im Erdgeschoss öffneten sich die schweren Eingangstüren. „Annalie!“ rief eine freudige Kinderstimme. „Schau, was wir für einen großen Fisch gefangen haben!“ Kadleen lächelte. Nun war ihre Familie komplett.

Mina Larail erblickte am 2. Estif des Jahres 1316 das Licht der Welt.
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