07.07.2011, 08:44 |
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Reisender
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Oh Glaron sei so lieb und halt’ in dieser Nacht
Weiterhin so sorgvoll Wacht Ich lob’ und preise dich dafür Und dank für alles Gute dir! Bewahre mich auch am morgigen Tag Vor Sünde, Tod und jeder Plag’. Und was ich denke, red’ und tu’ Das segne, lieber Glaron, du. Bewahre auch, ich bitte dich Vati, Mutti, Ardelle und Sianne und Sandro und Sorben und… Alle! Ich bitte dich! Du seist hochgelobt allezeit Von nun an bis zur Ewigkeit So sei es. Karolyn stand sanft lächelnd vor der geschlossenen Türe Yannick’s Kinderzimmers und hatte ihr Ohr fest an die Tür gepresst. Yannick wollte heut unbedingt allein in sein Bett gehen… doch war es nun still… die kräftige Kinderstimme des Jungen war verstummt. Ardelle schlief bereits, umgeben von ihren ganzen Kuscheltieren, im Bettchen. Auch sie hatte ihr Abendgebet gesprochen. Wobei das Sprechen bei Ardelle noch immer eher ein Nachsprechen war. Karolyn saß mit ihrer kleinen Tochter auf dem Bett, sie hielten beide ihre Hände gefaltet und Karolyn sprach vor wobei Ardelle lediglich die Worte mitsprach, die ihr bekannt vorkamen. Lieba Dlaron!..... ………. Unt geh zu ruh! ……droß unt tlain! ….fohlen sain! ……….. Aug’n zu! So sai es! Lächelnd wand Karolyn sich wieder herum, um sich in das Wohnzimmmer zu setzen. Bolwen war noch nicht daheim – hoffentlich würde er bald kommen. Sie sehnte sich nach seiner Nähe und die bloße Tatsache, dass er neben ihr im Bett schließ, ließ sie immer wieder „aufatmen“. Schmunzelnd dachte Karolyn an die Zeit zurück, in der sie Kinder gemieden hatte. Sie wusste noch ganz genau wie suspekt ihr Kinder immer gewesen waren. Einmal musste sie auf Taris Sohn aufpassen – der ihr prompt in die Wade biss! Oder war es seine Schwester?! Brummelnd stellte Karolyn fest, dass sie damals selbst schuld gewesen war. Die Kinder wollten einfach zu ihrer Mutter- und Karolyn hatte es verboten…. Aus Sicherheitsgründen!!! Draußen konnte doch so viel passieren! Und heute… da konnte sie sich ein Leben ohne Kinder gar nicht mehr vorstellen. Schlimmer noch, ihr ganzes Leben drehte sich um diese beiden Kinder! Es war ein sehr schleichender Prozess – es war keine Absicht gewesen – weder gewollt, noch ungewollt. Es kam einfach… das Karolyn ihr Mutterdasein als „Hauptaufgabe“ ansah. Die Familie wollte alsbald Sianne besuchen. Es war immer wieder „erschreckend“ zu sehen, wie erwachsen Sianne geworden ist. Und im gleichen Zuge stellte man fest, wie alt man selbst bereits war! Ja… Karolyn war eine „alte“ Mutter. Glaron hatte es nicht so vorgesehen, dass sie bereits mit 20 den Mann lieben durfte, der ihr Kinder schenkte. Sie hatte warten müssen – weitaus länger als die meisten anderen Frauen, die bereits mit 25 Jahren zwei Kinder hatten. Doch das war gut – denn sie war glücklich! Gut… kein Leben war perfekt! Oftmals fühlte Karolyn sich „alleine“. Die Tatsache, dass ihr lieber Bolwen eine so zeitaufwendige „Arbeit“ hatte, verbot es dem Ehepaar oftmals Zweisamkeit zu genießen. Und wenn sie dann beisammen waren, war er – aber auch sie so müde vom Tag, dass sie einschliefen ohne großartig zu sprechen. Insgeheim hoffte Karolyn natürlich, dass sich das irgendwie mal ändern würde. Das Bolwen endlich irgendwen finden würde, dem er einige Aufgaben abgeben konnte! Aber… so einen gab es nicht wirklich. Niemand schien verantwortungsbewusst genug, um solch wichtige Aufgaben zu übernehmen. Umso mehr freute Karolyn sich nun schon auf das Essen bei Sianne. Die Familie würde beisammen sein! Sie konnten reden, lachen und schöne Stunden verleben… in trauter, familiärer Geborgenheit. |
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02.10.2013, 11:32 |
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Reisender
Registriert seit: 27 Jan 2005
Beiträge: 961
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Alt sein ist ein herrlich Ding, wenn man nicht verlernt hat, was anfangen heißt.
14 Jahr – blondes Haar – ernster Blick – und doch verschmitzte Lachfältchen um die Mundwinkel herum. Ihr Yannick – ihr Sohn. Ihr großer halbmännlicher Sohn. Oftmals saß Karolyn im Sessel und beobachtete Yannick beim Lesen. Es hatte sich so eingebürgert, dass Yannick den Abend mit seiner Mutter verbrachte. Karolyn wusste das er es nur tat, weil er verhindern wollte, dass seine Mutter wehmütig wurde. Mit ihren nun 46 Jahren war Karolyn kein aufgewecktes junges Ding mehr – was wie einst 100%ig war. Schmunzelnd dachte sie an die Zeit zurück – an ganz früher. An die Zeit im Handelshaus von Yew – wo sie viel Zeit mit Melina und Sianne verbrachte… Sianne war damals so etwas wie eine Schwester gewesen… wer hätte damals, in der unbeschwerten Jugend, ahnen können, dass Sianne einmal so etwas wie ihre Ziehtochter werden würde?! Damals war alles unheimlich einfach. Karolyn nahm nie ein Blatt vor den Mund. Sprach mit Melina oder Chana über die Welt aus der Sicht eines aufgeweckten Mädchens. Und immer wieder hatte sie den Frauen durch ihre allumfassenden Fragen ein Lachen entlockt – oder aber ein Kopfschütteln. Gerade in den letzten Wochen dachte Karolyn immer wieder an diese Zeit zurück. Und immer wieder wurden ihre Augen feucht… warum, wollte Karolyn sich nicht eingestehen – und auch nicht darüber nachdenken. „Sag Mama….“ Yannick sah von seinem Schemel zu seiner Mutter auf die zweimal blinzeln musste um gewisse Tränen zu verstecken. „Ja Yannick….?“ „Warum ist das Leben ab und zu nicht so wie man es will?“ Karolyn krauste ihre vernarbte Stirn und betrachtete ihren hochgewachsenen Jungen eingehend. Er hatte die feinste Kleidung an – saß in gesittet gerader Haltung auf dem Schemel vor’m Kamin – vor sich knisterte der Kamin und spendete ihm genügend Licht zum Lesen. „Ähm… wie – wie meinst du das Yannick?“ „Nunja – es ist doch oftmals so, dass man etwas für richtig hält – und das es im Sinne Glarons auch ganz sicher richtig ist – und trotzdem geschieht genau das Gegenteil? Das ist doch irgendwie… enttäuschend oder?“ Da war er – ihr Yannickblick. Ein Lächeln legte sich auf Karolyns Lippen denn dieser Blick war ganz eindeutig der Blick von Bolwen… so – wie Bolwen früher geschaut hatte… zumindest ab und zu! In der Zeit damals… an die Zeit, an die sie so gern zurückdachte. „Hm ja… das ist enttäuschend, das kann ich nicht verneinen Yannick…“ mehr konnte Karolyn momentan nicht zu dem Thema beitragen. „Entäuschend ja..“ murmelte Yannick zeitgleich mit seiner Mutter. Er senkte den Blick mit denkfalten-durchfurchter Stirn zu seinem Buch hinab. Seufzend schloss Karolyn ihre braunen Augen und versuchte den hämmernden Schmerz in ihrem Kreuz zu vergessen – was ohne starke Schmerzmittel aber nicht möglich war. Vielleicht waren es ja auch die Schmerzmittel die Karolyn an den Sessel fesselten?! Sie hatte schon oft versucht keinen Schluck des „Saftes“ mehr zu nehmen. Aber wenn ihr dann der kalte Schweiß hinablief, ihre Hände so sehr zitterten, dass sie nichts mehr trinken konnte und der ganze Körper schmerzte als würde er verbrennen…. Tat sie es doch immer wieder. Ob ihre „Freunde“ wohl noch wussten, dass sie lebte?! Sie war nun sicherlich ein Jahr nicht mehr draußen gewesen… Lediglich Yannick und Ardelle spendeten ihr Nähe und ein wenig Trost – und auch Bolwen… wenn er da war…. „Mami! Mag etwas Milch mit Honig!“ Die helle Stimme ihrer Tochter ließ Karolyn zuckend aus ihren Gedanken erwachen. „Ja …. Ja sicher Ardelle… Mama macht dir heiße Milch….“ Mit leicht schmerzverzerrtem Blick erhob Karolyn sich aus ihrem Sessel und machte sich auf – den langen Weg hinab in die Küche zu überstehen. Ardelle – ein Ebenbild von der damals aufgeweckten fröhlichen Karolyn- folgte ihr leis summend – hopste immer zwei Stufen auf einmal hinab…. |
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20.05.2014, 10:24 |
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Reisender
Registriert seit: 27 Jan 2005
Beiträge: 961
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Im Alter lernt man vieles, was man in der Jugend nicht begreifen wollte.
Schmunzelnd zog Karolyn das Kleid aus dem Schrank, welches sie mit Mitte 20 getragen hatte. Natürlich war es rosa… Karolyn trug früher nur rosa. Der Stoff war eher einfach – am Rücken war es geschnürt. Eng lag es am Oberkörper und Hüfte an, der Abgang weitete sich dann ein wenig. „Herrlich…“ murmelte sie leise und drehte sich immer wieder vor’m Spiegel; sich selbst betrachtend. Sie hatte nun schon das sechste Kleid aus vergangenen Tagen anprobiert; und jedes Kleid passte wie angegossen. Sie war verjüngt, wie so viele Bürger des Inselreiches. Auch Bolwen war nur noch die Hälfte seiner selbst – zumindest, was das Alter betraf. Wie ein junges Ehepaar sahen die beiden nun sicherlich aus – herrlich! Leis lachend lies Karolyn sich auf ihr Bett fallen und atmete einmal tief ein. Sie sahen allerdings nur so aus… ihr Geist war reif; das Wissen des Lebens gesammelt. Sie waren im Grunde noch immer sie selbst – nur im jungen Körper. Karolyn liebte es! Nicht nur weil sie wieder schlank und rank war – vor allem, weil ihr Rücken nicht mehr so hämmerte. Die Muskeln waren da wo sie hin gehörten und trugen den Verlust des Gefühles im Bein mit Kraft und Anmut. Die Narben waren da – ja! Aber sie waren nicht ganz so…. schlaff. Karolyn hielt kurz die Luft an. War Bolwen etwa da…? Lauschend lag sie einige Momente so da – luftanhaltend… lauschend…. Doch, da waren ganz eindeutig große, kräftige und zielstrebige Schritte zu hören?! „Yannick! Darf ich dir das Rührei machen, ja?!“ Ardelles Stimme… unüberhörbar… viele kleine Schritte und ein Lachen… Yannicks lachen das so gar nicht mehr kindlich war. Sie hatte ihn vor 2 Jahren ziehen lassen damit er auf dem Festland eine gute Bildung erhalten würde – und zurückbekommen hatte sie einen Mann. Hergott er hatte nun eine tiefe Stimme! Er war mindestens einen Kopf größer als sie selbst – er war so…. herrlich! Und natürlich war er der große Held seiner elfjährigen Schwester. Sie tat alles um ihm zu imponieren. Sie hatte ihm geholfen die Tasche auszupacken, sie hatte ihm Wasser für ein Bad aufgekocht, sie hatte ihm ein wirklich schönes Bild gemalt und nun, an seinem ersten Morgen zu Hause, wollte sie ihm wohl auch noch das Frühstück zubereiten. Und er ließ sie scheinbar machen… Es war alles gut… fast alles. Ihren Bolwen teilte sie ihn nun nicht mehr mit der Garde oder seiner Berufung – nein, die Garde und seine Berufung teilte sich Bolwen mit ihr – ab und zu, ganz selten…. Eigentlich nie. Karolyn bekam gar nicht mehr wirklich mit, wann und ob er nachts heim kam. Sie sehnte sich nach ihm, ja… gerade nun, wo sie „verjüngt“ waren, wäre es sicherlich schön gewesen mal einen Ausflug zu machen… oder einfach mal gemeinsam zu essen – aber es ist wie es ist – damit hatte sie sich abgefunden. Sie hatte nun einen Bognerladen im Handwerksviertel eröffnet; die Brise verkauft; sie versuchte alte Kontakte zu pflegen – auf die Menschen zuzugehen – und ihre Kinder waren da. Was wollte sie also mehr?! Glaron würde weiterhin wachend über ihrer Familie walten… da war sie sich sicher… |
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