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Reisender
Registriert seit: 17 Feb 2002
Beiträge: 182
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Unruhig ging Vadrak in seinem Zimmer auf und ab. Yanya hatte ihn aus dem Gleichgewicht gebracht. Wie konnte ein kleines, unschuldiges Kind nur solche Fragen stellen? Fragen, über die er selbst lieber nicht nachdenken wollte. Fragen, die das Unterste seiner Seele zu oberst kehrten und die an Dinge rührten, die er gern vergessen hätte. "Warst du schon einmal verliebt? Wie fühlt sich das an? Wo ist sie jetzt? Liebst du sie noch?" Fragen, von denen er wußte, daß er sie nicht wirklich wahrheitsgemäß beantworten konnte, weil nicht einmal er selbst die Antworten kannte noch wissen wollte. So gut es ging, hatte er geantwortet, ohne ihre kindliche Unschuld zu überfordern, doch hier, allein mit sich selbst und Glaron, konnte er den Fragen nicht mehr so einfach ausweichen.
Vio'la - fast wäre es ihm gelungen, die Erinnerung an sie zu verdrängen, ihr Bild in seinem Herzen verblassen zu lassen, das Gefühl zu vergessen, ihre Lippen auf den seinen, ihre zarten, sanften Hände auf seiner Haut zu spüren... Er wußte nun, daß sie noch lebte: Glaron sei Dank, er hatte ihr nicht den Tod gebracht. Er hatte sie wiedergefunden - oder sie ihn; seine Erleichterung darüber und seine Dankbarkeit dafür gegenüber Glaron hatten ihn schier überwältigt. Vadraks Herz vollführte einen freudigen Sprung, als er daran dachte, daß er ihr bald wieder begegnen würde, selbst wenn ihr Gespräch vermutlich eher unangenehm verliefe. Er sehnte den Tag, die Stunde herbei, doch fürchtete er sie gleichermaßen. Vadrak wußte, er konnte sich selbst nicht trauen. Was damals vor 2 oder 3 Jahren geschehen war - allein der Gedanke daran ließ sein Herz jagen und trieb ihm die Schamröte ins Gesicht - konnte er dafür garantieren, daß es sich nicht wiederholte? Auch an jenem Tag hatte alles vergleichsweise harmlos begonnen: Lächelnd geführte Gespräche, wie er gewesen war als junger Mann, Scherze über die Vergangenheit, als er noch nicht den Ruf Glarons vernommen hatte. Die Gespräche verwoben sich mit der Zärtlichkeit, die er für sie empfand und mit ihrem Duft, mit ihren Lippen, die plötzlich die seinen fanden, und mit ihren liebkosenden Händen, die ihn berührten, wo sie niemals hätten sein dürfen. Ihm wurde heiß und kalt, als er daran zurückdachte. "Halt! Schluß damit!" befahl er sich selbst energisch. Es war gebeichtet, gesühnt und vergeben. Glaron in Seiner unermeßlichen Gnade hatte ihm verziehen, und es würde nicht wieder geschehen. War es möglich, daß Vior'la wirklich ein Werkzeug der Finsternis war, einzig zu dem Zweck auf der Welt, um ihn, Vadrak, vom rechten Pfad zu locken, nur dazu da, um ihn zu Fall zu bringen? Er schüttelte den Kopf, er mochte es nicht glauben: soviel Liebreiz, soviel Sanftmut - es konnte nicht sein. Vior'la hatte seine Entschuldigung angenommen, hatte ihm vergeben, auch wenn sie niemals würde vergessen können - ebensowenig wie er. Frieden mit Vior'la: wie sehr er sich danach sehnte - wie sehr es ihn verlangte, sie in seine Arme zu schließen und an sich zu drücken und alles zu vergessen. Nein, dieser Wunsch grenzte an Wahnsinn! Er würde alles daran setzen, um sie wütend zu machen - so wütend, daß sie ihn haßte. Nur selten wünschte Vadrak sich, daß jemand ihn haßte, aber in diesem Fall hielt er es für das Beste. Entschlossen öffnete der Templer seine Truhe und holte einen zusammengerollten Gegenstand hervor, der einem weichen Gürtel glich - bis auf die Tatsache, daß er auf der Innenseite über kurze, kräfte Dornen verfügte: unter der Kleidung getragen ein unauffälliges, aber durchaus wirksames Mittel, um den nötigen Abstand zu wahren, sollte es nötig sein. Er würde ihn tragen bei ihrem nächsten Treffen. Das Treffen - ach wäre der Tag doch schon da. |
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