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Reisender
Registriert seit: 25 Nov 2003
Beiträge: 72
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In kleiner, jedoch gestochen scharfer Schrift, findet sich auf der Rückseite eines recht großen Pergamentes, auf dessen Vorderseite verschlungen etwas von Lederhäuten geschrieben steht ein Brief an Angie
Meine liebte Angie.. Es ist grade Mitternacht geworden, eben hab ich einen sehr nachdenklichen Abend hinter mir. In mir herrscht ein fürchterliches Chaos von Gefühlen, die einen sind zerrüttet, die andern in Aufruhr. Alles Schlechte scheint zum gleichen Zeitpunkt zu passieren. Mein Vater ist tot. Ich habe eine Leiche im Haus, kannst du dir das vorstellen? Seit zwei Tagen schon. Ich weiß nicht, was ich tun soll, denn die Templer würden darauf bestehen, ihn zu verbrennen oder ihn noch im Tode zu demütigen. Mir graut davor, nachhause zurückzukehren, aber ich will Vadraks Antlitz in mein Herz einprägen, auch wenn ich langsam das Gefühl kriege, davon wahnsinnig zu werden. Er sieht so wächsern aus, aber auch irgendwie.. friedlich.. als hätte er am Ende doch so etwas wie Frieden erlangt. Die Leute sagen, Vadrak stand mit dem Schatten im Bunde. Ich weiß nicht, ob ich ihnen glauben soll, oder ob sie nur versuchen, sein Andeknen in den Schmutz zu ziehen. ( Obwohl noch keiner von seinem Tode weiß glaube ich ).Oh Angie, ich fühle mich so erwachsen, aber ich will es gar nicht sein. Ich hab schon so lang nicht mehr gelacht, mir fehlt es, jemanden zu haben den ich liebe. Dorian und Vio sind weg, sie hat mir eine Notiz hinterlassen, dass nun ein neues Leben beginnt. Aber was soll das heißen? Bedeutet das, Dorian und sie beginnen ein neues Leben oder heißt es, dass ich mit eingeschlossen bin? Ich werde Tom Leclair fragen, ob er herkommen kann. Vielleicht kann er mir helfen, ein Grab auszuheben, wenn ich es könnte, würde ich es alleine tun. Bitte versuch nicht, deinen Vater zu benachrichtigen, oder mir in dieser Sache zu helfen. Halt dich raus, denn wenn jemand davon erfährt, sieht man dich nur in einem schlechten Licht. Versprich es mir, ja? Ich will nicht auch noch um dich Angst haben müssen. Ich werde Vadrak alleine beerdigen. Ich will nicht, dass irgendein Priester das tut, gleich von welchem Gott oder welcher Göttin er predigt. Ich glaube nicht an diese Götter, die die Geschicke eines Menschen zu leiten scheinen, wie es ihnen gefällt. Oder vielleicht will ich auch nicht an sie glauben. Ich empfinde Abscheu vor ihnen, wenn es sie gibt, weil sie mit meinem Leben spielen, als wäre ich bloß eine kleine Figur auf einem Spielbrett. Vielleicht finden sie das vergnüglich, in mir weckt es nur Widerwillen und Verachtung. Zum Schein grüße ich brav mit "Glaron zum Gruße" oder "Der Herr sei mit euch", wenn ich mich verabschiede. Es ist so einfach, Menschen hinters Licht zu führen. Auch das widert mich an. Ich wäre viel lieber ein ehrlicher Mensch, aber ich kann es nicht sein, weil ich sonst ganz schnell mit geschorenem Kopf und in einem Büßerhemd im Kloster lande. Wenn es jene Götter gibt, Glaron und Volo, die meine Eltern ins Verderben geführt haben, dann verfluche ich sie beide. Was für grausame Götter führen Menschen auf so einen Weg? Das einzige, woran ich glaube ist der Weg eines jeden Menschen, den er selbst für richtig ansieht. Ich werde meinen Weg ohne die Hilfe eines rachsüchtigen Gottes gehen. Die Aussicht vor der Hölle schreckt mich nicht, denn wenn es sie gibt, ist es jetzt ohnehin zu spät, sich davor retten zu wollen. Und während ich hier bin, und Leben in mir habe, während ich den Sommer schmecke, die reifen Früchte pflücken, das frische Heu riechen und die Sonne auf meiner Haut fühlen kann, während ich lieben kann, und wenn es auch nur Menschen sind, die mir fern sind, während ich ganz einfach LEBE, werde ich das nicht wegwerfen. Jetzt zwingt mich nichts mehr in die Knie. Ich will bloß glücklich sein, das ist nicht zuviel verlangt. Ich will geküsst werden, und ich will im Arm gehalten werden. Und jemand sollte mir den Arm um die Schulter legen und mir Trost spenden wenn ich das brauche. Und ich will soviel vom Leben, wie es möglich ist. Ich glaube, Vadrak hat ein sehr einsames Leben geführt im Grunde. Und ich kann mir vorstellen, niemand hat ihm eine lange Zeit lang Liebe gegeben. Er hat seinen Glauben in alles schon vor langer Zeit verloren. Aber ich liebe ihn trotzdem als meinen Vater. Wenn ich so etwas so nüchtern überlege, erschrecke ich vor mir selbst. Alles, was die Beerdigung betrifft, plane ich mechanisch, einfach so. Bis jetzt konnte ich noch nicht einmal weinen. Aber es lässt mich nicht unberührt, nein. Wie ich Vadrak vermisse.. es ist ein scheußliches Gefühl, ein Gefühl, bei dem ich mich jedesmal zusammenrollen will, weil es mir vorkommt, als würde eine große Faust mich in den Bauch schlagen. Vielleicht heißt die Faust Schicksal. Aber ich werde lernen müssen, ihr auszweichen. Irgendwie zumindest. Vadrak habe ich alles zu verdanken eigentllich, wie sehr wir uns auch immer gestritten haben, weil er mich von der Straße geholt hat. Ich kann mich noch daran erinnern, wie es war, die Hand in sener verschwinden zu lassen. Es war ein so behütetes Gefühl, ich wusste, er würde sich um mich kümmern. Und Vio.. sie vermisse ich ebenso. Ich weiß nicht, ob ich noch Hoffnung auf ihre Rückkehr haben soll. Glaubst du, sie kommt wieder? In einigen Tagen habe ich es vielelicht schon geschafft, Vadrak beerdigen zu lassen. Ich würd dich gerne wiedersehen. Ich hoffe du bist nicht erschrocken über all das.. aber ich musste es einfach jemandem erzählen Auf immer deine Freundin Y. |
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