02.02.2010, 11:40 |
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Reisender
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Ador des Jahres 1300
Durch die schiere Kraft gezwungen, legte sich der dünne Streifen der Kirschbaumrinde spannend eng um das Handwerk aus Knochen, Holz und Tiersehnen. Kein Haar, kein Hauch hatte Raum zwischen dem nackten Bogen und seinem gewaltsam auferlegten Leibesschmuck. Das leise Ächzen der aufeinander, miteinander zusammengedrängten Materialien erreichte kaum die kahlen Sandsteinwände des Hauses. Durch die glimmende Glut der Feuerstelle und den durch die offene Türe fallenden Schein der Mittagssonne, war das Hauptzimmer in warmen Farben erleuchtet. Im Schneidersitz auf dem Boden hockend, wickelte Shadera, vornüber gebeugt, die Haut des rötlichen Holzes um den Quer auf ihren Beinen liegenden Bogen. Ihre nackten Oberarme zeichneten bei ihrem Tun deutliche Muskelstränge ab, glänzend betond durch warmen Schweiß auf der Haut. Fingerbreit für Fingerbreit ließ sie die angespannt Rinde durch die geballten Finger ziehen und erlaubte sich nur zurückaltendes Atmen, einzig der aufmerksame Blick und das Führen der Rinde war in diesem Moment wirklich wichtig. Ihr ärmelloses Hemd war schweißgetränkt durch die Arbeit in den Händen und die Hitze in der Hütte. Die Mittagssonne war etwas, was in diesen Landen erbarmnungslos sein konnte. Jemand anderes hätte vielleicht nicht so schwitzend reagiert, aber dies war ein besonderer Bogen und Shadera selbst erlegte sich hohe Erwartungen auf, dessen Herumtragen auf den Schultern wohl einen Großteil ihrer Kräfte in Anspruch nahm. Nach Beendigung der zehrenden Wickelei würde sie den neuen Bogen noch mit Wachs und Öl einreiben. Diese Zuwendung auf ihn wirken lassen. Alleine der Gedanke an die mehrfache Wiederholung dieses Salbungsvorganges in den nächsten Tagen bewirkte ein zufriedenes Lächeln auf dem sonst so ernst dreinschauenden, jungen Frauengesicht. Es war zwar nicht nötig, diese Prozedur so oft zu wiederholen, aber dadurch würde der Bogen eine tiefrote, fast schwarze Farbe annehmen und ein Kunstwerk war bereit, die erbarmungslosen Metallspitzen sirrender Pfeile in die Leiber des Wildes zu jagen. Ein kleiner, fieser Stich von Neid brachte den brütenden Ausdruck zurück auf die schwitzige, kakaofarbene Miene. Weder hatte sie die Fähigkeit solch einen Bogen zu bauen, noch durfte sie ihn benutzen. Für eine angehende Bogenschützin waren das durchaus Gründe für eindeutig angebrachten Neid. Ein wenig Neidigkeit konnte sie in ihrem Seelenheil vor Nepahr auch rechtfertigen, wenn sie im gleichen Atemzug dem Besitzer von Herzen alles Gute mit dem starken Bogen wünschte und dankbar war für das von ihm angebrachte Zutrauten in ihre, den Bau abschließenden, Wickelkünste. Diese Künste und ihre Gedanken über Gut und Böse wurden untebrochen von lauten Hufen und noch lauteren Stiefeln. Immer, wenn ihr Vater von dem Rücken eines Pferdes sprang und mit beiden Füßen auf dem Steinboden vor der Hütte aufkam, kündigte der donnernde Knall von seiner Ankunft. Während er sich am Eingang die Stiefel auszog, bereitete sich Shadera innerlich auf die kleine Zeremonie vor und erhob sich, den Bogen mit beiden Händen quer vor sich haltend. Begrüßung hin oder her, dieses gute Stück würde sie erst dann hergeben, wenn ihr keine Wahl mehr blieb. Kaum trat ihr Vater hinein, neigte sie den Kopf, um ihn dann mit einem warmen Lächeln aus einem verschwitzten Gesicht zu empfangen. Er war hochgewachsen und von schlanker Gestalt. Die schwarzen Haare hatte sie von ihm. Er war einer der wenigen Männer, welche die Haare zu einem Zopf gebunden trugen. Es verlieh dem edlen Auftreten ihres Vaters einen etwas verwegenen Hauch. Ansonsten war er, wie immer, gut gekleidet und brachte eine Welle von wohlwollender Autorität mit sich. Einige Menschen nannten es Alltag, für Shadera und ihren Vater waren es notwendige Rituale. Wie immer ließ Shadera es sich geduldig über sich ergehen. wenn die feingliedrige Hand des Vaters sich durschwuschelnd in ihr offenes, schwarzes Haar grub. „Schatten und süßes Wasser mein kleines Schwarzfell“ schallte dann die unerwartet kräftige Stimme durch den eben noch so angespannt wirkenden Raum. Die rituelle, tagtägliche Antwort darauf war ein „Möget ihr die Sonne stets im Rücken haben und den Bogen in der Hand, Vater” seitens Shadera. Es gab Väter, die konnten problemlos mit ihren Kindern umgehen, Dann gab es Väter, die beäugten etwas hilflos und skeptisch die Heranwachsenden, insbesondere wenn keine Mutter dort war. Kleine Rituale gaben Sicherheit und entspannten die Vatergedanken über die eigene Unsicherheit. Zurück in ihrer geliebten Wickelhaltung, fixierte Shadera mit geübten Griffen die Kirschbaumrinde am Ende des Bogens. Mit einem innbrünstigen Seufzen von Sieg und Verzücken, verkündete sie das Ende des Baus. Begleitet von einem verträumten Blick wanderten ihre Finger nun behutsam über die rauhe, hölzerne Verzierung. Diesesmal keine Kraft und kein unbarmherziger Wille, sondern zärtliche Bewunderung. Dank dieser Hülle würde niemand die Fertigungsweise des Bogen begutachten können und sie gab zusätzliche Stabilität. Für Auge und Finger war es ein Festmahl. Was Anderen Gold und Edelsteine waren, das war ihr Bogen und Kirschbaum. Dieser Bogen war an dem einen Ende etwas kürzer gehalten als am anderen Ende. Alles Andere würde den Schützen beim Schießen aus dem Sattel behindern, der untere Teil des Bogens würde ihm gegen Bein oder Pferdeleib stoßen. So aber war dieses Kunstwerk der perfekte Reiterbogen. Sie bemerkte den Blick auf sich ruhen, ehe sie sich dessen voll bewußt war. Ihr Vater war es, der mit Solz auf sie und den Reiterbogen hinab sah. Ihrer Feststellung des Beobachtetwerdens, folgte rasch eine eindeutige Verlegenheit unter der väterlichen Musterung. Nun war es an der Zeit, den Bogen herzugeben. Mit einem tiefen Durchatmen hoffte sie, diesen Moment, in dem der Bogen ihr gewesen war, für immer in ihrer Erinnerung binden zu können. Dann hob sie langsam den Bogen zu ihm empor. Auch er hielt das Werk in behutsamen Händen und betrachtete es mit einer Leidenschaft und Faszination, die wohl nur wahre Bogenschützen im Blute tragen. Diese Verlängerung der Kraft des Schützen, das Werkzeug mit dem Bedürfnis nach sorgfältiger Behandlung und gutem Augenmerkt, war schlichtweg wunderschön. Es forderte und gab alles, was von Nöten war um eine ganze Gefühlswelt erwecken zu können... Gefühle von Macht, von Geschicklichkeit, von Konzentration, von Erfolg. Diese ganze Anhimmelei des Bogens wurde für Shadera durch einen Satz ihres Vaters zerstört „Er ist genauso schön wie deine Mutter“ Ein großes kompliment für den Bogen, ein Auslöser von Wut im Herzen Shaderas. Egal, wie oft sie fragen würde, nie würde sie von ihm erfahren, wer sie, Shadera, eigentlich war. Schnell hatte ihr Vater die Stiefel wieder angezogen und verschwandt. Wahrscheinlich war ihm nicht einmal bewußt, wie verletztend er gerade gewesen war. Sie musste ihm nicht folgen um zu wissen, was er tat. Hinter dem Haus würde er ein paar Pfeile mit dem neuen Bogen auf eine Zielscheibe verschießen. Jedem der kommen würde, und schüchtern fragte ob er einmal mit diesem schönen Bogen schießen dürfte, dem würde er eine Absage erteilen. Kein Bogenschütze legte einen so teuren, für seinen Griff gefertigten Bogen in die Hände eines anderen. Ausgenommen vielleicht Kinder, welche nicht vor hatten daran zu zupfen, sondern nur zu Staunen und in ihrer Vorstellung selbst diesen Bogen auf dem Rücken eines stolzen Pferdes führten. So saß Shadera wieder alleine in dem kleinen Haus und brütete über ihr fehlendes Stück. Niemand sagte ihr etwas, wahrscheinlich auf Wunsch und aus Achtung vor ihrem Vater. Nichts hatte sie gewußt über ihre Eltern. Ihr Vater kümmerte sich gut um sie und war, ausgenommen zu diesem Thema, heiter und redselig. Ihre Mutter war ihr vollends unbekannt. Herauszufinden wer ihr Vater war, war schon schwierig genug gewesen. Als sie 16 geworden war und noch immer ohne Antworten über ihn, da war sie ihm heimlich gefolgt, jedesmal wenn er zur “Arbeit” aufbrauch. Jedesmal hatte er sie mühelos abgeschüttelt auf dem Rücken seines Pferdes, egal wie schnell sie lief, egal wie lange. Jeden Tag nahm er einen anderen Weg. Es dauerte Monate und stetiges, oft vergebenes, Warten. Sie merkte sich den Ort, an welchem sie ihn aus den Augen verloren hatte, bekletterte Dächer und wartete jeden Tag in der Frühe von neuem, bis er wieder diesen Weg auswählen würde. So arbeitete sie sich Stück für Stück vor, bis sie einen Weg zum Palast inmitten der Stadt verfolgt hatte. Soweit sie von den Häuserdächern der geduckten, flachdachigen Sandsteinhütten erspähen konnte, hatte er etwas mit den berittenen Bogenschützen des Hofes zu tun. Das war naheliegend. Er hatte ein gutes Pferd und einen guten Bogen. Aber auch dort konnte sie durch vorsichtiges Fragen keine genaueren Informationen bekommen. Einzig ihr Vater hatte ihr die Ohren lang gezogen für diese Schnüffelei. Damit war auch diese Suche beendet. Sie liebte Maleth und die Menschen hier. Ihrer festen Überzeugung nach, wäre sie nirgends anders so unbeschwert mit dieser Last der Unwissenheit aufgewachsen, wie hier. Dennoch musste sie für sich zusammenwachsen und solange ihr geliebter Vater in der Nähe war, würde immer eine Frage im Raume stehen, für alle Zeit unbeantwortet. Immer würde sie das schwarze Haar ihres Vaters sein, nie die grünen Augen ihrer Mutter. Nur für sich alleine hoffte sie, die Wunde zu schließen und Stärke aus sich selbst zu ziehen. Außerdem würde sie auf ewig im Schatten ihres Vaters stehen. Egal wie flink oder zielgenau sie mit dem Bogen war. Er war einer der Besten. So sehr es auch schmerzte, hatte sie einen Brief gesandt in ferne Lande, zu dortigen Yil'danern, mit der Bitte um eine Aufnahme. Langsam zog sie den Brief aus der Hosentasche. Bange Befürchtungen machten sich in ihr breit, was wohl darin stand. Aber es musste etwas geschehen und so war dies der Moment in dem sie sich endlich traute, die Antwort aus Valarian zu öffnen und zu lesen. An diesem Abend wartete Shadera an Bord des Kurierschiffes auf die Abfahrt von Maleth und die ungewisse Zukunft in Valarian. |
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