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Alt 02.02.2010, 11:40
Schatten und süßes Wasser
#1
Shadera Sa'idar
Reisender
 
Registriert seit: 25 Jan 2010
Beiträge: 119
Ador des Jahres 1300

Durch die schiere Kraft gezwungen, legte sich der dünne Streifen der Kirschbaumrinde spannend eng um das Handwerk aus Knochen, Holz und Tiersehnen.
Kein Haar, kein Hauch hatte Raum zwischen dem nackten Bogen und seinem gewaltsam auferlegten Leibesschmuck.

Das leise Ächzen der aufeinander, miteinander zusammengedrängten Materialien erreichte kaum die kahlen Sandsteinwände des Hauses.
Durch die glimmende Glut der Feuerstelle und den durch die offene Türe fallenden Schein der Mittagssonne, war das Hauptzimmer in warmen Farben erleuchtet.

Im Schneidersitz auf dem Boden hockend, wickelte Shadera, vornüber gebeugt, die Haut des rötlichen Holzes um den Quer auf ihren Beinen liegenden Bogen. Ihre nackten Oberarme zeichneten bei ihrem Tun deutliche Muskelstränge ab, glänzend betond durch warmen Schweiß auf der Haut.
Fingerbreit für Fingerbreit ließ sie die angespannt Rinde durch die geballten Finger ziehen und erlaubte sich nur zurückaltendes Atmen, einzig der aufmerksame Blick und das Führen der Rinde war in diesem Moment wirklich wichtig.

Ihr ärmelloses Hemd war schweißgetränkt durch die Arbeit in den Händen und die Hitze in der Hütte. Die Mittagssonne war etwas, was in diesen Landen erbarmnungslos sein konnte.
Jemand anderes hätte vielleicht nicht so schwitzend reagiert, aber dies war ein besonderer Bogen und Shadera selbst erlegte sich hohe Erwartungen auf, dessen Herumtragen auf den Schultern wohl einen Großteil ihrer Kräfte in Anspruch nahm.
Nach Beendigung der zehrenden Wickelei würde sie den neuen Bogen noch mit Wachs und Öl einreiben. Diese Zuwendung auf ihn wirken lassen. Alleine der Gedanke an die mehrfache Wiederholung dieses Salbungsvorganges in den nächsten Tagen bewirkte ein zufriedenes Lächeln auf dem sonst so ernst dreinschauenden, jungen Frauengesicht.

Es war zwar nicht nötig, diese Prozedur so oft zu wiederholen, aber dadurch würde der Bogen eine tiefrote, fast schwarze Farbe annehmen und ein Kunstwerk war bereit, die erbarmungslosen Metallspitzen sirrender Pfeile in die Leiber des Wildes zu jagen.

Ein kleiner, fieser Stich von Neid brachte den brütenden Ausdruck zurück auf die schwitzige, kakaofarbene Miene.

Weder hatte sie die Fähigkeit solch einen Bogen zu bauen, noch durfte sie ihn benutzen. Für eine angehende Bogenschützin waren das durchaus Gründe für eindeutig angebrachten Neid. Ein wenig Neidigkeit konnte sie in ihrem Seelenheil vor Nepahr auch rechtfertigen, wenn sie im gleichen Atemzug dem Besitzer von Herzen alles Gute mit dem starken Bogen wünschte und dankbar war für das von ihm angebrachte Zutrauten in ihre, den Bau abschließenden, Wickelkünste.

Diese Künste und ihre Gedanken über Gut und Böse wurden untebrochen von lauten Hufen und noch lauteren Stiefeln. Immer, wenn ihr Vater von dem Rücken eines Pferdes sprang und mit beiden Füßen auf dem Steinboden vor der Hütte aufkam, kündigte der donnernde Knall von seiner Ankunft.
Während er sich am Eingang die Stiefel auszog, bereitete sich Shadera innerlich auf die kleine Zeremonie vor und erhob sich, den Bogen mit beiden Händen quer vor sich haltend. Begrüßung hin oder her, dieses gute Stück würde sie erst dann hergeben, wenn ihr keine Wahl mehr blieb.

Kaum trat ihr Vater hinein, neigte sie den Kopf, um ihn dann mit einem warmen Lächeln aus einem verschwitzten Gesicht zu empfangen. Er war hochgewachsen und von schlanker Gestalt. Die schwarzen Haare hatte sie von ihm. Er war einer der wenigen Männer, welche die Haare zu einem Zopf gebunden trugen. Es verlieh dem edlen Auftreten ihres Vaters einen etwas verwegenen Hauch.
Ansonsten war er, wie immer, gut gekleidet und brachte eine Welle von wohlwollender Autorität mit sich.

Einige Menschen nannten es Alltag, für Shadera und ihren Vater waren es notwendige Rituale.
Wie immer ließ Shadera es sich geduldig über sich ergehen. wenn die feingliedrige Hand des Vaters sich durschwuschelnd in ihr offenes, schwarzes Haar grub.
„Schatten und süßes Wasser mein kleines Schwarzfell“ schallte dann die unerwartet kräftige Stimme durch den eben noch so angespannt wirkenden Raum.
Die rituelle, tagtägliche Antwort darauf war ein „Möget ihr die Sonne stets im Rücken haben und den Bogen in der Hand, Vater” seitens Shadera.

Es gab Väter, die konnten problemlos mit ihren Kindern umgehen, Dann gab es Väter, die beäugten etwas hilflos und skeptisch die Heranwachsenden, insbesondere wenn keine Mutter dort war.
Kleine Rituale gaben Sicherheit und entspannten die Vatergedanken über die eigene Unsicherheit.

Zurück in ihrer geliebten Wickelhaltung, fixierte Shadera mit geübten Griffen die Kirschbaumrinde am Ende des Bogens.
Mit einem innbrünstigen Seufzen von Sieg und Verzücken, verkündete sie das Ende des Baus.
Begleitet von einem verträumten Blick wanderten ihre Finger nun behutsam über die rauhe, hölzerne Verzierung. Diesesmal keine Kraft und kein unbarmherziger Wille, sondern zärtliche Bewunderung. Dank dieser Hülle würde niemand die Fertigungsweise des Bogen begutachten können und sie gab zusätzliche Stabilität. Für Auge und Finger war es ein Festmahl. Was Anderen Gold und Edelsteine waren, das war ihr Bogen und Kirschbaum.
Dieser Bogen war an dem einen Ende etwas kürzer gehalten als am anderen Ende. Alles Andere würde den Schützen beim Schießen aus dem Sattel behindern, der untere Teil des Bogens würde ihm gegen Bein oder Pferdeleib stoßen. So aber war dieses Kunstwerk der perfekte Reiterbogen.

Sie bemerkte den Blick auf sich ruhen, ehe sie sich dessen voll bewußt war.
Ihr Vater war es, der mit Solz auf sie und den Reiterbogen hinab sah. Ihrer Feststellung des Beobachtetwerdens, folgte rasch eine eindeutige Verlegenheit unter der väterlichen Musterung. Nun war es an der Zeit, den Bogen herzugeben. Mit einem tiefen Durchatmen hoffte sie, diesen Moment, in dem der Bogen ihr gewesen war, für immer in ihrer Erinnerung binden zu können.
Dann hob sie langsam den Bogen zu ihm empor. Auch er hielt das Werk in behutsamen Händen und betrachtete es mit einer Leidenschaft und Faszination, die wohl nur wahre Bogenschützen im Blute tragen.

Diese Verlängerung der Kraft des Schützen, das Werkzeug mit dem Bedürfnis nach sorgfältiger Behandlung und gutem Augenmerkt, war schlichtweg wunderschön. Es forderte und gab alles, was von Nöten war um eine ganze Gefühlswelt erwecken zu können...
Gefühle von Macht, von Geschicklichkeit, von Konzentration, von Erfolg.

Diese ganze Anhimmelei des Bogens wurde für Shadera durch einen Satz ihres Vaters zerstört „Er ist genauso schön wie deine Mutter“
Ein großes kompliment für den Bogen, ein Auslöser von Wut im Herzen Shaderas.
Egal, wie oft sie fragen würde, nie würde sie von ihm erfahren, wer sie, Shadera, eigentlich war.

Schnell hatte ihr Vater die Stiefel wieder angezogen und verschwandt. Wahrscheinlich war ihm nicht einmal bewußt, wie verletztend er gerade gewesen war. Sie musste ihm nicht folgen um zu wissen, was er tat. Hinter dem Haus würde er ein paar Pfeile mit dem neuen Bogen auf eine Zielscheibe verschießen. Jedem der kommen würde, und schüchtern fragte ob er einmal mit diesem schönen Bogen schießen dürfte, dem würde er eine Absage erteilen. Kein Bogenschütze legte einen so teuren, für seinen Griff gefertigten Bogen in die Hände eines anderen. Ausgenommen vielleicht Kinder, welche nicht vor hatten daran zu zupfen, sondern nur zu Staunen und in ihrer Vorstellung selbst diesen Bogen auf dem Rücken eines stolzen Pferdes führten.

So saß Shadera wieder alleine in dem kleinen Haus und brütete über ihr fehlendes Stück.
Niemand sagte ihr etwas, wahrscheinlich auf Wunsch und aus Achtung vor ihrem Vater. Nichts hatte sie gewußt über ihre Eltern. Ihr Vater kümmerte sich gut um sie und war, ausgenommen zu diesem Thema, heiter und redselig. Ihre Mutter war ihr vollends unbekannt.
Herauszufinden wer ihr Vater war, war schon schwierig genug gewesen. Als sie 16 geworden war und noch immer ohne Antworten über ihn, da war sie ihm heimlich gefolgt, jedesmal wenn er zur “Arbeit” aufbrauch. Jedesmal hatte er sie mühelos abgeschüttelt auf dem Rücken seines Pferdes, egal wie schnell sie lief, egal wie lange. Jeden Tag nahm er einen anderen Weg.
Es dauerte Monate und stetiges, oft vergebenes, Warten. Sie merkte sich den Ort, an welchem sie ihn aus den Augen verloren hatte, bekletterte Dächer und wartete jeden Tag in der Frühe von neuem, bis er wieder diesen Weg auswählen würde. So arbeitete sie sich Stück für Stück vor, bis sie einen Weg zum Palast inmitten der Stadt verfolgt hatte. Soweit sie von den Häuserdächern der geduckten, flachdachigen Sandsteinhütten erspähen konnte, hatte er etwas mit den berittenen Bogenschützen des Hofes zu tun.
Das war naheliegend. Er hatte ein gutes Pferd und einen guten Bogen. Aber auch dort konnte sie durch vorsichtiges Fragen keine genaueren Informationen bekommen. Einzig ihr Vater hatte ihr die Ohren lang gezogen für diese Schnüffelei. Damit war auch diese Suche beendet.

Sie liebte Maleth und die Menschen hier. Ihrer festen Überzeugung nach, wäre sie nirgends anders so unbeschwert mit dieser Last der Unwissenheit aufgewachsen, wie hier.
Dennoch musste sie für sich zusammenwachsen und solange ihr geliebter Vater in der Nähe war, würde immer eine Frage im Raume stehen, für alle Zeit unbeantwortet.
Immer würde sie das schwarze Haar ihres Vaters sein, nie die grünen Augen ihrer Mutter.
Nur für sich alleine hoffte sie, die Wunde zu schließen und Stärke aus sich selbst zu ziehen.
Außerdem würde sie auf ewig im Schatten ihres Vaters stehen. Egal wie flink oder zielgenau sie mit dem Bogen war. Er war einer der Besten.
So sehr es auch schmerzte, hatte sie einen Brief gesandt in ferne Lande, zu dortigen Yil'danern, mit der Bitte um eine Aufnahme.
Langsam zog sie den Brief aus der Hosentasche. Bange Befürchtungen machten sich in ihr breit, was wohl darin stand. Aber es musste etwas geschehen und so war dies der Moment in dem sie sich endlich traute, die Antwort aus Valarian zu öffnen und zu lesen.

An diesem Abend wartete Shadera an Bord des Kurierschiffes auf die Abfahrt von Maleth und die ungewisse Zukunft in Valarian.
Shadera Sa'idar ist offline  
Geändert von Shadera Sa'idar (02.02.2010 um 11:50 Uhr).
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Alt 05.02.2010, 13:08
#2
Shadera Sa'idar
Reisender
 
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Beiträge: 119
Mitte Estif des Jahres 1300

Diese Dinger waren ihr zutiefst suspekt!
Abermals befühlte, drehte und beklopfte sie den Barhocker des fenisthaler Wolfs, in der Hoffnung so würde ihr der Geistesblitz zuteil, warum diese skurilen Handwerksstücke verlockend zum Daraufsetzen sein sollten.
Die Erklärung der reizenden Dame Decram war gewesen, es gäbe hier Menschen, die lieber etwas höher sitzen.
Wozu sollte man denn höher sitzen? Gibt es hier manchmal wasserbedeckte Böden in den Schenken oder mögen die gerne tief fallen? Oder vielleicht ... ja die Schuhe! Hatte die Erkenntnis sie also doch noch getroffen wie der Blitz einen einsamen Baum.
Irgendwie zog hier niemand die Schuhe aus, wenn er das Haus eines anderen betrat oder die “Taverne” wie es hier genannt wurde. Dadurch war der Boden natürlich manchmal unrein.

Aber wie sollte man hinauf kommen?
Es half wohl alles nichts...

Mit einem lauten Pochen stellte Shadera den Hocker vor dem Thresen ab, rückte ihn sorgsam zurecht und hoffte, nicht zu Verunglücken.
So klammerte sie sich an der Kante des Thresens fest, während sie versuchte, ihren Hintern schwungvoll irgendwie auf dem Ding zu platzieren. Dieser erste Versuch wurde von der Novizenrobe zunichte gemacht.
Da es ihr erlaubt war, diese im Falle der Behinderung durch selbige, abzulegen, kam sie dem sogleich nach und ein neuer, beherzter Versucht brachte ungeschickt ihren Popo auf die Sitzfläche des Hockers.
Es war also möglich, bequem nannte sie allerdings etwas anderes. Ihre Füße baumelten ein kleines Stück über dem Boden. Rutschte sie leicht hin und her, begann das ganze Gebilde zu wackeln.
Der alte Spruch ihrer Großmutter bewahrheitete sich also wieder: Man kann sich in einigen Begebenheiten sicher sein, eine davon ist, daß es in jedem Volk einige total Verrückte Menschen gibt.
Da solche Sitzgelegenheiten aber zu den hiesigen gepflogenheiten Gehörten, beschloß Shadera das Verweilen darauf noch ein wenig zu üben. Wer weiß, wozu es nütze sein könnte.
Während sie verkrampft dort saß, die Hände nicht von der Thresenkante nehmend, schwiffen ihre Gedanken langsam ab zu den Bestandenen Prüfungen.

Eine Hürde hatte sie dieser Tage genommen.
Diese erste “Hürde” war ein Autorität ausstrahlender, aber freundlicher Großmeister des yil'danischen Ordens gewesen.
Er hatte ihr mit seinen Fragen mehr zugesetzt, als sie erwartet hatte. Für einen flüchtigen Moment kam ihr bei dem Gespräch sogar der Gedanke, die Unwahrheit über ihre Mutter zu sagen.
Aber das widersprach allem woran sie glaubte und Menschen, die sie aufnahmen, hatten kein Ausweichen auf diese Frage verdient. Zu ihrem Erstaunen hatte das Beichten der Unwissenheit um den Namen ihrer Mutter, sowie deren Tod, keine negativen Auswirkungen. Im Gegenteil, der Großmeister drückte sein aufrichtiges Bedauern aus, bevor er mit angenehmer Freundlichkeit nach anderen Dingen fragte.
Als die Sprache auf ihren Vater kam, musste sie allerdings etwas improvisieren. Da sie nicht wusste, welche Funktion er in den Reihen der berittenen Bogenschützen Kemir al'haaturs einnahm, musste sie schätzen. Und da er ihr das Jagen beigebracht hatte, würde er wohl durchaus auch für den Hof jagen.
Am Ende der Unterhaltung, zu der sie ungerechtfertigt jederzeit fürchtete, missbilligend angeschaut zu werden oder gar einen Verweis aus Valarian zu bekommen, da erhielt sie ein erfreuliches Willkommen und eine Novizenrobe.

An einem der folgenden Abende dann, beschloß sie sich den fenisthaler Wolf anzuschauen. Dies war ihre erste Begegnung mit “Barhockern” und zwei sehr einnehmenden und symphatischen Frauen aus valarianischen Gefilden. Wie immer war sie zu den Menschen auf Valarian höflich und zurückhaltend. Aber mit den Zweien konnte man sogar den ein oder anderen, scherzhaften Satz wechseln.
Die Dame Decram schenkte ihr sogar zwei schöne Bögen und reichlich Pfeile. Shaderas Dankbarkeit und Rührung schienen in ihrem Brustkorb kaum Platz zu finden.
Mit verzücken dachte sie auch an den Apfelkuchen zurück. In ihrer Heimat wurden sie Süßspeisen zwar eher nach dem Grundsatz “Wenn noch kein Zucker oder Honig rausquillt, wenn man es drückt, dann kann man noch etwas Zuckerwasser darüber gießen” gefertigt, aber dieser Apfelkuchen war gar nicht so übel. Nur vielleicht etwas ungewohnt trocken. Eigentlich müsste Gebäck zerfallen, sobald es nur die Zunge berührt.

Die einer jeden Frau innewohnende Begehrlichkeit nach Süßen, essbaren Köstlichkeiten schaffte es dann auch, die Übungssitzstunde abzubrechen und Shadera in ihrer Novizenrobe auf Zuckerjagd gehen zu lassen.

Es gab sicherlich noch mehr unbekanntes, zuckriges Gepansche auf Valarian zu entdecken...
Shadera Sa'idar ist offline  
Geändert von Shadera Sa'idar (05.02.2010 um 13:11 Uhr).
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Alt 06.06.2010, 13:51
#3
Shadera Sa'idar
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Beiträge: 119
Libani des Jahres 1301

Frühling.
Die höfliche Zurückhaltung gegenüber den Menschen auf Valarian hatte Shadera inzwischen abgelegt. Nun, da sich alle an sie gewöhnt hatten, gab es keinen Grund mehr für Zurückhaltung.

Behutsam und mit viel Geduld löste sie die Haarnadeln und nahm die weiche Kappe von ihrem dicken, schwarzen Haar.
Diese Kopfbedeckung und das blaue Kleid hatten während des Festes gute Dienste geleistet, waren aber dennoch für sie nur eine zwingende Notwendigkeit, so hübsch sie auch sein mochten.
Letztendlich waren es Trachten dieser Lande und nicht das, was sie gerne trug. Alle Frauenkleider hier waren ihres Erachtens zu eng geschnitten und ließen nicht gerade viel Freiheit für Bewegung und Wohlfühlen.
Jedes Goldstück wanderte daher in ihren Sammelbeutel. Ein Beutel, der eines Tages einen wunderschönen Sari für sie bedeuten sollte.
Angelina würde ihn ihr auf den Leib schneidern.
Sofern ihr Goldvorrat sich irgendwann von selbst vermehren würde…
Seufzend ließ Sha sich im altbewährten Schneidersitz in das grüne Gras des Frühlings sinken. Das wünschenswerte Gewand war fern, die Feierlichkeiten zu Ehren Nephars und des Frühlings vorbei und ihr Ruf bei Karim ruiniert.
Mit einem innbrünstigen Aufstöhnen der Verzweiflung ließ sie das Gesicht in den Stoff der Kappe sinken und verharrte still. Der Gedanke an ihr Verhalten gegenüber Karim brachte ein kribbelndes Gefühl des Genierens und ein dunkler werden ihrer schokoladenfarbenen Wangen mit sich. Bei den hiesigen, hellhäutigen Frauen wäre es ein herzhaftes Erröten gewesen.
Der Plan war gewesen Organisationstalent, Tatkraft und herzliche Freundschaft zu beweisen. Um in späteren Zeiten dann vorbehaltlos ihre Fähigkeiten in der Bogen- und Kriegskunst hervorzuzeigen. Dazu benötigte sie Karim ebenfalls, er sollte ihr noch etwas beibringen.
Aber die Unterhaltung mit ihm hatte sie wohl in den Sand gesetzt. Mit Beladinon zu reden war wesentlich einfacher und ungezwungener.
Pläne junger Frauenträume neigen wohl in ihrer Wahrwerdung grundsätzlich von dem Vorhaben abzuweichen und eigenwilligere Formen anzunehmen.

Langsam hob sie den Kopf wieder aus der als Ruhekissen zweckentfremdeten Kappe, ihre Lungen dankten es ihr mit einem gierigen Atemzug.
In hohem Bogen segelte die Kappe davon und landete in einem der Büsche Valarians.
Zwar hatte sie sich noch keinen Namen als Schützin erarbeitet, dafür war ihr Ruf als Keksbesessene wahrlich legendär.
Bei diesem Gedanken wanderte ihre Erinnerung wieder zu Karim und sie versuchte dieses Mal sich mit dem Rock ihres Kleides zu ersticken.
Der Stoff des Kleides war nur nicht zum ersticken geeignet. Murrend zog Sha den dünnen Stoff etwas auseinander und begutachtete ihn. Wahrscheinlich taugte der nicht mal zum Erhängen.

Gut, in nächster Zeit würde sie wohl weniger die Kleidung der hiesigen Frauen tragen, als die der Kämpferin. Die Weisungen des Großmeister während des Ordenskapitels waren eindeutig gewesen. Ein Fest und Informationen von der Südfront. Letzteres stand noch aus und weckte ein kribbeln in ihren Fingern. Es würde wahrscheinlich niemand verstehen, wie sich eine etwas mädchenhaft wirkende Bogenschützin dermaßen nach Kriegsgetümmel sehnen kann.
Aber dem war so, den ganzen Tag dasitzen und liebreizend Kekse in sich hineinstopfen, so konnte und wollte sie den Tag nicht bis zur letzten Stunde verleben.
Nein, lieber wie Nephar im Kampf gegen die Orken bestehen, Angst und Schrecken unter den Feinden sähen. Spüren, wie der Herzschlag sich erhöhte und eine Welle von höchster Wachsamkeit und Kraft Leib und Geist durchfährt, während man die Liebsten und das Land verteidigt.



Lorica des Jahres 1301

Herbst.
Wie ein sehr schlecht gelaunter Bär stapfte Sha durch das Unterholz des Waldes. Eigentlich wollte sie sich von Beladinon erst einiges über die hiesigen Tiere und Pflanzen erzählen lassen, bevor sie sich hineinwarf, aber das hatte bisher noch nicht stattgefunden. Und so erregt wie sie vor Wut war, sollte ihr jetzt lieber kein unfreundliches Tier begegnen, mit bloßen Zähnen würde sie sich darauf stürzen. Ganz ähnlich einem Explosionstrank der kurz vor Vollendung seines Werkes stand, fühlte sie sich.
Das außerordentliche Ordenskapitel war zu Ende gegangen und hatte ihr südländisches Temperament voll entfacht.
Mit Wucht ließ sie im Vorbeigehen die Seite der Faust gegen die Rinde eines Baumes krachen. Es war so schwierig sich zu entscheiden, worauf sie am meisten Wut oder Empörung empfinden sollte.
Am meisten Unverständnis empfand sie wohl für die Behauptung, der Orden sei am verwelken. Das Kind der Unvernunft, welches diese Behauptung zuerst aufgestellt hatte, würde sie am liebsten einen spitzen Pfeil an eine sehr unangenehme und dunkle Stelle des Leibes jagen.
Weder in Britain, noch in Yew oder sonst wo tanzte der Bär. Valarian dafür zu hängen, da dort momentan ebenfalls eher bescheidenes Tamtam war, empfand sie doch als reichlich übertrieben und sehr schädlich für die Geisteshaltung der Bewohner.
Ein anderer Gedanke war Jonah, für ihn hegte die momentan eindeutig einen Groll. Ihr Verständnis der Familie war offensichtlich anders als das Seine. Wendet man sich von seiner Familie ab, dann tut man es ganz und gar. Keine Verbindung mehr, nur die eigene Entscheidung. In ihren Augen aber hatte er den Vater mit der einen Hand fort gestoßen und mit der anderen nach dessen Werk gegriffen.
Und seine Art und Weise bescherte dem yil’danischen Orden scheinbar eine Menge schadenfrohe Blicke und heiteres Tratschen über diese unmögliche, peinliche Szenerie bei einer vergangenen Audienz.
Nun, wollte Jonah dem Orden und seinem Vater schaden, hatte er es wohl geschafft. Aber spätestens das Kapitel hatte dafür gesorgt, dass er selbst nicht so gut aus dieser Sache herauskommen würde, wie er laut des Sprachklanges in seinem Aushang vielleicht gedacht hatte.
Sein Vater, der hochgeschätzte Großmeister, wurde während des Kapitels als Oberhaupt bestätigt und bis auf Kyren standen alle Mitglieder des Ordens hinter ihm.
Kyren hatte ihrer Meinung nach aber auch keine große Wahl. Sich mit Angelina zu überwerfen und ihren Tränen standzuhalten, dazu war er zu weich und herzlich, genau wie seine Kekse. Solange ihm Angelina allerdings soviel bedeutete, konnte Sha ihm auch nicht wirklich zürnen. So ein Mann, der große Mühe auf sich nimmt für seine geliebte Ehegattin, das war doch eine Sache, von der jede Frau mit etwas Romantik unter wehmütigem Seufzen träumt.
Dennoch war die Abstimmung sehr eindeutig ausgefallen. Obwohl ihr diese Ausführung einer Abstimmung Magenschmerzen bereitete. Ramirez war der Großmeister des Ordens, daran gab es so wenig zu rütteln wie an einem Berg. Zumindest war das ihre Ansicht und bei der Abgabe der Stimmen hatte sie sich sehr unwohl gefühlt, als wäre das falsch, diese Art.
Aber der Großmeister dachte sich wahrscheinlich etwas dabei. Vielleicht wollte er dem Elfen und dem Baron demonstrieren, wie einig sein Volk und sein Orden hinter ihm stehen. So gesehen wäre diese Handhabung sinnvoll. Trotzdem hoffte sie, so etwas würde sich nicht wiederholen.

Mehr Sorge als Abstimmungen oder der nun verstoßene Jonah und ein sanfter Schreiner, bereitete ihr allerdings der Baron von Britain. Von der Erscheinung her war er ja schon imposant, aber sie traute ihm nicht recht, für eine Beurteilung seiner Art waren ihr zu wenige seiner Taten bekannt.
Dafür, dass er sagte, er versuche nur zu folgen und keine ordensinternen Dinge zu kritisieren, da er davon zu wenig verstehe, stellte er reichlich präzise Fragen, die alle in Richtung Lehen und Richtbarkeit abzielten. Das reizte zum einen ihren Stolz, sie war Yil’danerin, was dachte der Mann? Das sie unehrenhaft war und stetige Aufsicht eines wachsamen Wächters bedurfte, wie sie sie in Britain hatten? Es war für sie nicht die Frage, ob die Gesetzte des Königreiches galten, sondern ob diese nicht mit dem Kodex und Anstand kollidierten.
Wenigstens war ihre Erziehung stärker als ihr Drang ihm empört einen Vortrag über das Wesen ihres Volkes zu halten und wie sehr sie seine Fragerei in diese Richtung verletzte.
Zum Anderen aber versetzten sie seine Worte in misstrauische Alarmbereitschaft, wie eine wachsame Wächterin, die Sorge trägt um ihre Heimat, durch die ein undurchschaubarer Fremder schleicht.

Inzwischen diente Shadera ein Ast als Prügelinstrument für die hiesigen Bäume. Hier und da hörte man kurz das heftige Klopfen von Holz auf Holz durch den Wald schallen.
Bitter wurde ihr bewußt, wie wenig die Leute die Einheit von Valarian und Yil’danern verstanden.
Das Leben auf Valarian kam einzig und allein durch den Orden. Und sie würde sich bestimmt keinen dahergelaufenen Lehensverwalter oder ähnliches vor die Nase setzen lassen, wie Jonah es scheinbar wollte. Das war ein Fremder in einer anderen Welt und aus ihrer Sicht hatte er keine Macht über sie.
Verpflichtungen erwachsen aus der Herkunft und dem eigenen Wort und Willen. Ihr Versprechen gehörte dem Orden.
Shadera Sa'idar ist offline  
Geändert von Shadera Sa'idar (06.06.2010 um 13:54 Uhr).
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